Schlagwort-Archive: Thomas Klestil

Antifa, Waldheim-Affäre und Rechtsextremismus

Antifaschismus gehörte zur Gründungslegende der DDR und wurde auch dazu benutzt, Kritiker zu framen; eine unabhängige Antifa entstand erst spät. Man ging davon aus, dass Faschismus ausschliesslich eine Erscheinungsform eines ums Überleben kämpfenden Kapitalismus ist. In der Sowjetunion wurden oft Verschwörungen gegen den Staat vermutet, die auch von Juden angeblich getragen wurden (siehe auch Slansky-Prozess in der CSSR). Es genügte schon, jemanden nicht aufgehalten zu haben, der vermeintlich zu Stalins Zeiten zu einer trotzkistischen Gruppe gehörte. Dies zeigt die Geschichte der Autorin Jewgenia Ginzburg, deren Leben privilegiert war, bis sie im Gulag landete, weil sie kein „Verbrechen“ gestehen wollte, das sie nicht begangen hatte (siehe Film „Mitten im Sturm“). Man schuf für diese und andere Gelegenheiten Artikel 58 im russischen Strafgesetzbuch, der mit behaupteter Subversion und Umsturzversuchen argumentiert. Parallelen dazu finden sich auch in China, wo man heute gegen Personen vorgeht, die tatsächlich Kritik äusserten, wie der Fall des Bloggers Ruan Xiuhoan zeigt. Gerade wurde in Russland der Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa zu 25 Jahren Haft verurteilt. 1933 wurde in Nazi-Deutschland eine Verordnung zur Abwehr heimtückischer Diskreditierung der nationalen Regierung erlassen. Der russische Artikel 58 hatte seine Entsprechung z.B. in Artikel 54 in der Ukraine und Artikel 63 in Belarus.

In Westdeutschland wurde die Antifa in ihren Aktionsformen vom Kommunistischen Bund geprägt, von dem einige wie Winfried Kretschmann dann zu den Grünen wechselten. Heute erleben wir ein nur mit starkem Polizeiaufgebot zu verhinderndes Aufeinanderprallen von Antifa und häufig nur vermeintlich Rechtsextremen. Dies wurde vor zwei Wochen in Wien deutlich anlässlich einer Drag Queen-Lesung für Kinder. Die eine Seite sah Queer und Co. als Beleg für die richtige antifaschistische Gesinnung, die andere ging aus den Corona-Protesten hervor und fürchtete „Frühsexualisierung“ von Kindern. Beide Seiten wissen wenig übereinander und wohl auch über jene Fragen, bei denen sie einander gegenüberstehen. Ortwin Rosner sprach bei einem Symposium der Antiimperialistischen Koordination zur „Umdeutungsoperation“, durch die Antifa und Antisemitismus Glaubwürdigkeit verlieren, über die Veränderung des österreichischen Antifa-Begriffes durch die Waldheim-Affäre.

Ortwin Rosner

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Wie kommt die SPÖ zu einem neuen Vorsitzenden?

Die SPÖ wird wohl nach den Kärntner Landtagswahlen am 5. März die Führungsfrage klären. Aber wie handhabte sie so etwas früher? Und was hat das mit der Situation heute zu tun? Nachdem Alfred Gusenbauer im Jahr 2000 plötzlich Parteichef wurde, verfasste Andreas Pittler ein Buch über ihn. Pittler war mit Gusenbauer bei der Sozialistischen Jugend, aber das war vielleicht nicht der einzige Grund dafür, dass es ein peinliches Politiker-Buch wurde. Wer mehr als zwei davon pro Jahr liest, muss wohl mit bleibenden Schäden rechnen. Passender Weise erwarb ich es bei einem Flohmarkt im Vorwärts-Haus an der linken Wienzeile mit U-Bahn-Baustelle vor den Fenstern und Angestellten mit FFP2-Masken drinnen.

Aus dem Buch geht nicht hervor, dass Pittler auch mit anderen Personen sprach und nicht bloss Gusenbauers Behauptungen wiedergibt. Das Buch eignet sich gut als Schlafmittel, etwa wenn 22 von Gusenbauer und Pittler ausgearbeitete Thesen für den Verbandsvorstand im Dezember 1986 abgedruckt werden (Vorstand von welchem Verband? VSStÖ? SJ?). Auch die Schilderung des Parteitags im April 2000, als Gusenbauer offiziell zum SPÖ-Vorsitzenden gekürt wurde, übersteht man nur mit einer kräftigen Dosis Kaffee. Alles wirkt fast so, als sei Gusenbauer Pittlers Ghostwriter bei „Alfred Gusenbauer – ein Porträt“ gewesen (es erschien übrigens im Molden-Verlag, der nun zur Styria Media Group gehört). Pittler sagte mir paradoxer Weise ein paar Jahre zuvor, dass im „Falter“ Kommentare von Peter Pilz unter dem Namen eines Redakteurs erscheinen. Aktuell können wir uns vielleicht fragen, ob sich wirklich der Landesgeschäftsführer der SPÖ Burgenland für Hans Peter Doskozil in der „Presse“ unter dem Titel „Seine Stimme hat Gewicht!“ ins Zeug wirft oder ob Roland Fürst bloss seinen Namen herborgt.

Doskozil beim ORF 2022

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Österreich, Jan Marsalek und die Spionage

Inzwischen steht – wenig überraschend – fest, dass der russische Präsident Wladimir Putin Wirecard-Betrüger Jan Marsalek Schutz gewährt. Er muss dann von gewissem Nutzen für Russland sein, wobei man als Erstes an finanzielle „Dienstleistungen“ für Geheimdienste denkt. Unter Berufung auf das „Handelsblatt“ schreibt die „Presse„: „Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Marsalek Hilfe hatte, wahrscheinlich von einem Geheimdienst. Der Fall sorgt auch in Russland für Aufsehen. ‚Wir sehen nicht das Ende, sondern den Anfang einer großen Spionageschichte, von letztendlich größerer Bedeutung als die Affäre um den NSA-Überläufer Snowden‘, schreibt das den Geheimdiensten nahestehende Blatt ‚Versija‘. Das ‚Handelsblatt‘ zitiert Roman Dobrochotow, einen führenden Investigativjournalisten. Ihm zufolge könnte Marsalek für Russland eine Art Zahlungskurier gewesen sein. Marsalek soll geholfen haben, Gelder für pikante russische Auslandsoperationen zu transferieren, etwa für getarnte russische Investitionen in Libyen sowie zur Bezahlung von Söldnern in Syrien, der Ukraine und afrikanischen Staaten. Damit wäre Marsalek ein ‚Geheimnisträger erster Güte‘.“

Da wir jetzt diesen Blog haben und ich mich auf die „Presse“ berufe, die das „Handelsblatt“ heranzieht, das Anleihen nimmt bei „Versija“, droht alles zu verwässern, es sei denn, wir fügen eigene Aspekte hinzu. Und die gibt es reichlich, schon weil Marsalek via Österreich mit dem einschlägig bekannten Bedarfsflugunternehmen Avcon Jet die Flucht antrat. Höchst merkwürdig ist auf den ersten Blick, dass es keinerlei Besorgnis bei der österreichischen Regierung zu geben scheint. Zwar wurde einmal von der ÖVP ein Nationaler Sicherheitsrat einberufen, aber wegen der Wirecard-Connections anderer; außerdem schwänzte man die Sitzung dann weitgehend. Dies entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, zumal der Kontakt Marsaleks ins Verteidigungsministerium, Gustav Gustavenau (im Vorstand der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft) von der Direktion für Sicherheitspolitik entscheidet, welche Nachrichtendienst-Dokumente dem Gremium vorgelegt werden. Man muss eingestehen, dass der Bundesnachrichtendienst Wirecard nicht auf dem Schirm hatte; umso mehr muss dies aber gelten für Verfassungsschutz und beim Heer angesiedelte Nachrichtendienste in Österreich.

„Spiegel“-Titel zu Marsalek im Juli 2020

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Österreich, Wirecard und russische Geheimdienste

Der Wirecard-Skandal hat immer mehr Österreich-Bezug, und das macht die politische Szene nervös. Dies drückt sich u.a. darin aus, dass ÖVP und FPÖ für den 13. Juli Pressekonferenzen ankündigten, bei denen sie einander den Schwarzen Peter zuschieben wollen. Hatte auch Wirecard-Chef Markus Braun viele Freunde in der Politik, so wird es beim untergetauchten Jan Marsalek heikel, denn hier kommt der russische Militärgeheimdienst GRU ins Spiel. Ich habe im Titel meiner Analyse aber bewusst den Plural verwendet, weil auch die Nachfolger des KGB in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Medien mitmischen. Wirecard-Gründer Markus Braun spendete zwar für den Wahlkampf der ÖVP mit Sebastian Kurz, war aber bei den NEOS – wo er u.a. Matthias Strolz begeisterte – noch spendabler (hier 70.000 Euro, dort aber davor 150.000). Und der Erste, der ihm hierzulande Rosen streute, war Ex-ÖBB-Chef Christian Kern, der im J#nner 2016 auch auf eine Partnerschaft zwischen den Bundesbahnen und Wirecard verweisen konnte. Beim Innovation Club Netzwork von Eveline Steinberger-Kern war Braun gern gesehener Gast, wie man hier sehen kann.

Die Propagandaseite des SPÖ-Parlamentsklubs kontrast.at tut wie immer, wenn es um SPÖ-Kontakte zu Oligarchen, Geheimdiensten, organisierter Kriminalität geht, als ob einzig andere Parteien involviert wären. Wirecard wäre auch ohne verschwundene Milliarden und Insolvenz höchst zweifelhaft, weil man damit Profit machte, die Überwachung von Menschen voranzutreiben, und dies nicht von ungefähr auch in Asien: „2007 wurde Wirecard Asia Pacific in Singapur gegründet. 2008 führte Wirecard virtuelle Prepaid-Kreditkarten für Online-Zahlungen ein und im folgenden Jahr zur Betrugserkennung eine Fraud Prevention Suite, die auch KI und maschinelles Lernen nutzt. 2014 expandierte Wirecard nach Neuseeland, Australien, Südafrika und in die Türkei. Durch den Kauf der Prepaid Card Services von der Citigroup ist Wirecard seit 2016 auch in Nordamerika vertreten. Im gleichen Jahr übernahm das Unternehmen einen südamerikanischen Internet-Zahlungsdienstleister in Brasilien. 2019 beteiligte sich Softbank an Wirecard. Durch den Kauf der AllScore Payment Services aus Peking ist Wirecard seit November 2019 auch in China vertreten.“ Wenn von „Betrugserkennung“ die Rede ist, mutet dies fast wie ein makabrer Scherz an.

Markus Braun 2016 beim Innovation Club (Foto: Sabine Klimp)

 

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Wladimir Putin und die Neutralität

Als Außenministerin Karin Kneissl am 18. August heiratete, war auch der russische Präsident Wladimir Putin unter den Gästen. US-Medien, die stets auf Geheimdienst-Linie sind, sehen dadurch unsere Neutralität gefährdet. Man kann kaum objektive Berichte und Kommentare finden, da die Agenda bei einem bedeutenden (oder aufgebauschten) Ereignis in Österreich sozusagen CIA unplugged ist. Manch eine/r arbeitet unbewusst oder bewusst für fremde Interessen, wie es der Journalist Carl Bernstein 1977 so treffend darstellte. Entnimmt man der Medienhysterie die basic facts, dann landete Putins Präsidentenmaschine am Flughafen Graz-Thalerhof und er fuhr dann im Konvoi zu einem Lokal in der Südsteiermark, wo er eineinhalb Stunden verbrachte, einen Toast auf das Brautpaar sprach, mit der Braut tanzte und ein paar kurze Gespräche führte. Unter den politischen Gästen waren auch Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz Christian Strache, Infrastrukturminister Norbert Hofer und Verteidigungsminister Mario Kunasek. Natürlich kommt Putin nicht rein privat, zumal er dann zu Angela Merkel nach Berlin weiterreiste, und es ist ein Zeichen gerade angesichts der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. 

Während der Liveticker und die Liveberichterstattung von oe24 nicht nur in Medienkreisen für Erheiterung sorgte, übten sich einige in ernsthafter Kritik. Übrigens versteht sich oe24 als Partner von CNN, was Wolfgang Fellner, der einmal bei der „Washington Post“ arbeitete, dank Gerhard Zeiler von Time Warner einfädeln konnte (Christian Kerns Kanzlermacher 2016 und 2017 & 2018 beim Bilderberger-Treffen). Isabelle Daniel von oe24 postete aud Twitter: „Aber Kompliment an Putin und seine einstigen Lehrer im KGB. Der weiß echt, wie man vorführt und spaltet. Ehre, wem Ehre gebührt.“ Natürlich sind für einige Medien CIA-Leute niemals solche; sie empören sich höchstens darüber, dass Trump-Gegner aus dem Geheimdienstapparat ihre Sicherheitsfreigabe verloren haben. Das gängige Narrativ gegen Russland hat auch viel mit Syrien zu tun, wobei man Propaganda für die White Helmets bzw, mit ihnen oder mit Bana aus Aleppo und anderen macht. Wenn aber eine bestimmte Darstellung, wenn Kriegslügen Basis der Berichterstattung sind, wird man vergeblich echte Kritik an Putin finden, die zu Recht artikuliert werden muss. Sorge um Neutralität ist immer dann lächerlich, wenn sie von jenen kommt, die Geheimdienstinteressen und jene der Rüstungsindustrie vertreten.

Twitter international

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Putin bei Kneissls Hochzeit – eine Staatsaffäre?

Am 18. August heiratet Außenministerin Karin Kneissl, und einer der Gäste wird der russische Präsident Wladimir Putin auf dem Weg nach Deutschland sein. Prompt finden das manche großartig, weil es niemals ein rein privater Besuch sein kann, während andere ein taktisch geschicktes Spiel Russlands vermuten. Der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon, den wir auf einer Liste der verläßlichen Verbündeten von George Soros im EP finden, fordert gar Kneissls Rücktritt. Was man aber wirklich kritisieren kann, sind die Kosten für Sicherheitsvorkehrungen, die der Staat wird bezahlen müssen, was z.B. an das ebenfalls „private“ Bilderberger-Treffen 2015 in Telfs erinnert. Kneissl und Partner Wolfgang Meilinger hielten Ort der Feier zunächst geheim, doch inzwischen ist auch das bekannt. Zunächst tauchte das Gerücht auf, das Putin käme, und es wurde darüber spekuliert, wie gut sich er und Kneissl denn überhaupt kennen; dann aber bestätigte es der Kreml. Immerhin war Putin schon einmal kurzfristig in Österreich zu Besuch, um am Begräbnis von Bundespräsident Thomas Klestil 2004 teilzunehmen. 

Es darf erwartet werden, dass sich die Medien sehr für die Hochzeit interessieren, auch wenn Kneissl ein ganz eigenes Verhältnis zu ihnen hat, zum Beispiel von der Praxis abweicht, Journalisten auf Dienstreisen mitzunehmen. Für die Ukraine ist Österreich jetzt kein neutraler Vermittler mehr, was bei der offiziellen Lesart einer russischen Annexion der Krim verständlich ist, aber den westlichen Regime Change außen vor läßt. Alle Mainstreammedien pflegen gewisse Narrative, auch was Syrien betrifft, wo man Bana aus Aleppo, der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte oder den White Helmets vertraut. Dies hat natürlich auch mit Russland zu tun und ist gegen Putin gerichtet, wie man auch an Halbwissen in der Skripal-Affäre sehen kann. Immer sind Medien rasch mit lautem Nachdenken über die Strategien anderer bei der Hand und gerne bereit, Unterwanderung der Politik zu vermuten – also allem, was ausgeblendet wird, wenn es um die USA ohne Trump geht. Was manche meinen, aber nicht so direkt ausdrücken, formuliert dafür Wolfgang Fellner von „Österreich“ siehe Facebook-Posting, nämlich etwa: „Soll man einen Diktator, mit dem man vorher gerade mal ein paar Minuten charmant gesprochen hat, als wichtigsten Gast einladen? Warum kommt Putin überhaupt? Will er die anderen EU-Staaten provozieren und über Kneissl ein Ende der EU-Sanktiopnen einleiten?“

 

Wolfgang Fellner auf Facebook

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Kann Schwarzblau noch scheitern?

Von außen gelten die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ als zäh, schliesslich sind seit der Wahl ja auch schon fünf Wochen vergangen. Tatsächlich sandte das „Team Kurz“ bislang nur eine knapp formulierte Einigung im Bereich Sicherheit aus wo die Parteien ohnehin nahe beieinander liegen. Das klingt dann etwa so: „Unser Verhandlungsteam arbeitet auf Hochtouren und gerade im Bereich der Sicherheit sind wir auf einem sehr guten Weg. Was das Sicherheitspaket betrifft, sind wir schon in fast allen Punkten einig, sprechen aber noch über einige technische Lösungen.“ Erste Namen werden kolportiert, was ansonsten meist auf die Schlussphase hindeutet, hier aber z.B. die parteifreie Diplomatin und Journalistin Karin Kneissl, die sich die FPÖ als Außenministerin vorstellen kann. Irritationen gab es, weil Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor Diplomaten laut darüber nachdachte, wen er auf keinen Fall in einer Regierung akzeptieren würde, nämlich die Blauen Johann Gudenus und Harald Vilimsky. Es mag seltsam wirken, zumal er auch vor seiner Wahl mal dies, mal das über die FPÖ sagte, doch es erinnert auch – in unbeholfener Weise – an Bundespräsident Thomas Klestil, der 2000 ebenfalls zwei Personen ablehnte, damit aber seinen Spielraum bereits ausschöpfte.

Heißt das, viel mehr wird von ihm nicht kommen? In der Medienszene wird als weitere Hoffnung gewälzt, dass es ja vielleicht doch zu einer Minderheitsregierung kommt. Auch in Deutschland, wo um zwei Wochen länger sondiert wird, wirft man diese Möglichkeit in die Diskussion. Bei uns wäre dies nach dem Geschmack von Noch-Bundeskanzler Christian Kern, der ohnehin wie ein Ausgesperrter wirkt, der rufend am Zaun auf – und abspringt. Mal warnt er, wie die EU auf die FPÖ in der Regierung reagieren wird, mal befürchtet er ein ÖVP-Machtkartell. Immerhin macht Kerns gescheiterter Wahlkampf noch einmal Schlagzeilen, da er jetzt in einem Buch beschrieben wird. Zwar hat er vor, zum kämpferischen Oppositionschef zu werden, doch er hat nur eine ihrer Substanz beraubte Partei im Rücken. Schwarzblau wird nicht in der Weise wie 2000 zu einem Mobilisierungsfaktor werden, was damals auch die SPÖ mitgerissen hat. Heute geben mehr Menschen denn je der kommenden Koalition in zentralen Punkten recht, die in der Regel um die Themen Asyl, Zuwanderung und Sicherheit kreisen.

ÖVP-Wahlwerbung

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Wer fürchtet sich vor Schwarzblau?

Als am 4. Februar 2000 die erste ÖVP-FPÖ-Koalition angelobt wurde, musste sie wegen massiver Proteste einen unterirdischen Gang zwischen Bundeskanzleramt und Hofburg benützen. Die steinerne Miene von Bundespräsident Thomas Klestil ist ebenso unvergessen wie zwei Wochen mit täglichen Demonstrationen auch über weite Strecken und schliesslich einer Großkundgebung am Heldenplatz. Als Wortführer/innen traten freilich Personen in Erscheinung, die auch medial gepusht wurden und in ihrer Pose ein gutes Auskommen fanden, was mit echtem Widerstand, der Nachteile in Kauf nimmt, wenig zu tun hat. Wie damals ergehen sich auch heute viele (oftmals die gleichen) in Horrorvisionen, was auf uns zukommen soll, wenn die neue Regierung steht. Daher ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, was vor 17 Jahren befürchtet oder erwartet wurde und was dann tatsächlich geschah. Es wurde viel über die FPÖ und teils auch die ÖVP geredet, aber nicht mit ihr; manche der heutigen Aussagen wecken den Eindruck, bloß von „damals“ übernommen worden zu sein.

Nach so langer Zeit ist es aber eine neue Generation, die seitens ÖVP und FPÖ die Hauptverhandlungen führt. Zahlreiche Artikel weisen jetzt darauf hin, dass sich die FPÖ dennoch überhaupt nicht verändert habe. Anders als im Jahr 2000 ist die SPÖ jetzt auf Platz zwei gelandet und nimmt sich aus dem Spiel, sagt aber, sie würde eine ÖVP-Minderheitsregierung unterstützen. Realistische Beobachter erwarten relativ wenig Aufsehen verglichen mit 2000, wenn diese schwarzblaue Regierung angelobt wird. Freilich wird schon für eine Demo an diesem „Tag X“ mobilisiert, wobei man sich an jene Menschen wendet, die sich „der“ Zivilgesellschaft zugehörig fühlen und schablonenartig für „Schutzsuchende“, für „Weltoffenheit“ und gegen „Rassismus“ und „Faschismus“ sind. Was im Jahr 2000 noch individuell wirkte und in Österreich selbst entstanden schien, wirkt spätestens seit der illegalen Masseneinwanderung 2015 wie ein Bestandteil von Destabilisierungs- und regime change-Szenarien. Wer differenziert Kritik üben will, muss sich Gleichgesinnte außerhalb der Unterstützer der Rechtsparteien suchen. Es wird absurd, wenn z.B. der „Standard“ „prorussische“ Webseiten kritisiert, die Fake News verbreiten,wonach Kurz Soros-NGOs aus Österreich hinauswerfen wolle. Denn die Zeitung ist Mitglied in Soros‘ Project Syndicate, was man ihm immer wieder anmerkt.

Kurz auf Twitter

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In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?

Nur beim Job des Bundespräsidenten erwartet man, dass es eine als „First Lady“ fungierende Ehefrau gibt. Dass Alexander Van der Bellen von den Grünen am Wochenende seine Freundin geheiratet hat, wird nun als „erstes wirkliches Indiz“ dafür gehandelt, dass Van der Bellen bei der Wahl antritt. UserInnenkommentare in den Foren der Medien mit allen möglichen Unterstellungen gegen Ehefrau Doris Schmidauer werfen die Frage auf, in welchem Jahrhundert wir eigentlich leben.

Van der Bellen, der politisch in letzter Zeit kaum in Erscheinung getreten ist, kann es durchaus recht sein, dass er jetzt mit unerwarteten Neuigkeiten Schlagzeilen macht. Prompt steigen Medien darauf ein: „Am Montag gab es das erste wirkliche Indiz für die Bundespräsidentschaftskandidatur von Alexander Van der Bellen (demnächst 72). Der KURIER berichtete, dass der grüne Professor privat für klare Verhältnisse gesorgt hat. Im Herbst ließ er sich von seiner ersten Ehefrau einvernehmlich scheiden. Vor Kurzem ehelichte er seine Lebensgefährtin Doris Schmidauer (52), Geschäftsführerin im grünen Parlamentsklub.“ (1)

So berichtet der „Kurier“ in seiner aktuellen Ausgabe, dem man offenbar gesteckt hat, dass Van der Bellen und Schmidauer am Wochenende geheiratet haben, und der im Klub nachfragte. Es erinnert an das Tauziehen um van der Bellens Antreten bei der Wahl 1994, dass jetzt wieder Peter Pilz die Bühne betritt und anstelle des Kandidaten in spe dessen Antreten zusagt. „Er ist ein ruhiger, intelligenter, weltoffener Mensch, der aus diesem Amt wirklich etwas Gutes machen kann“, streut Pilz seinem Freund Rosen. 1994 spielte Pilz dem „profil“ die Information zu, dass Van der Bellen fürs Parlament kandidieren wolle, was diesen unter Zugzwang brachte.

„Bundespräsident: Hofer kandidiert nicht, Van der Bellen heiratete“ ist der Titel, den die „Tiroler Tageszeitung“ ihrem Bericht gibt. (2) Norbert Hofer ist burgenländischer FPÖ-Politiker und Dritter Nationalratspräsident, fühlt sich aber mit 44 zu jung für das Amt des Bundespräsidenten. Das Thema eignet sich auch für Geschichten darüber, wer welches hohe Amt schon mit oder ohne Ehering innegehabt hat. (3) Beim „Standard“ wird in mehr als 400 Postings – in einer Zeit, in der innenpolitisch wenig los ist – über van der Bellens zweite Ehe diskutiert. (4) Dabei fällt auf, dass viele UserInnen sofort Klischees parat haben, ohne die näheren Umstände zu kennen. So wird geflissentlich überlesen, dass nicht nur der „Standard“ Doris Schmidauer als Geschäftsführerin des grünen Parlamentsklubs bezeichnet. Dies ordnen einige aber ein unter „aha, Mann fängt etwas mit seiner Sekretärin an, die natürlich viel jünger ist“.

Schmidauer war jedoch lange Referentin im Klub und ist jetzt zuständig für  Personalführung und Klubmanagement, was eher weniger nach inhaltlicher Tätigkeit klingt. (5) UserInnen haben geschwind eine Meldung in der „Presse“ im Jahr 2006 gefunden, in der Schmidauer zu jenen Menschen gezählt wird, mit denen sich van der Bellen berät. (6) Der ehemalige Tiroler Landtagsabgeordnete Franz Klug beschwert sich in einem Userkommentar beim „Standard“ über „die Scheinheiligkeit der Postinggemeinde und der Medien“: „Was hätten denn slle die hier nun herumkritteln gepostet, wenn vdB nichts gemacht und so wie bisher von seiner 1. Frau getrennt und schon seit Jahen mit Doris lebend weitergemacht hätte? Die hätten gepostet unmöglich, typisch grün gschlampertes Verhältnis, geht gar nicht, unwählbar dieser Kettenraucher etc. etc. Jetzt hat VdB sein Privatleben was eigentlich eh niemand etwas angeht, was aber in der Seitenblickegesellschaft leider mehr interessant ist als politische Aussagen aus spießbürgerlicher Sicht in Ordnung gebracht und schon wieder passts nicht. Mir wärs wurscht gewesen wenn, Vdb weiterhin verheiratet und trotzdem mit Doris zusammenlebend BP gewesen wäre, aber wahrscheinlich hätten das die Medien und viele Poster nicht ausgehalten.“

Wenn all jene, die es schon mal ähnlich gemacht haben, Van der Bellen wählen würden, wäre sein Ergebnis sicher beachtlich. Und wenn auch noch die Menschen  dazu kommen, die ohne Scheidung getrennt leben und es dabei belassen werden trotz oder wegen neuer Beziehung, hat er den Wahlsieg praktisch in der Tasche. Nicht vergessen werden darf, dass Van der Bellen ja nicht Thomas Klestil ist, der auf heile Familie machte im Wahlkampf, damit aber die Menschen täuschte. Doch wenn man sich einige Reaktionen auf Schmidauer ansieht, fühlt man sich daran erinnert, wie die berufliche Kompetenz von Margot Löffler negiert wurde. Aus Van der Bellens Wikipedia-Eintrag geht interessanterweise nichts Privates hervor, (7) Infos über Birgit van der Bellen findet man aber im Netz. So beschreibt sie die „Presse“ zur Wahl 2008 als ehemalige Volksschullehrerin, die in der politischen Karriere ihres Mannes kaum öffentlich aufgetreten ist. (8)

Sicher spiegeln sich in Postings auch individuelle Erfahrungen wider; so bezeichnen manche Van der Bellen als „Ehebrecher“ und bezweifeln, dass die Scheidung von seiner ersten Frau wirklich „einvernehmlich“ war und sie auch weiterhin befreundet sind. Für manche zeigt es, wie spießig auch die Grünen geworden sind, wenn Van der Bellen, einer Kandidatur wegen, seine Beziehung legitimiert. Besonders krass sind aber diverse Unterstellungen in Richtung Doris Schmidauer, die negieren, dass sie schon sehr lange im grünen Klub arbeitet, also einen eigenen Job und Qualifikationen aufweisen kann, ergo keinen älteren Mann als „Versorger“ braucht. Da müssten eigentlich viele Frauen solidarisch sein, weil es ja jeder, die mehr erreichen will, schon passiert ist, dass Kompetenz bei Frauen ignoriert oder gar bekämpft wird. Einfach, weil nicht sein kann, was nicht sein darf – dass sich eine Frau in eine berufliche Tätigkeit hineinkniet und dass sie Politik mitgestalten will.

Als ich bei den Grünen war, befand sich Schmidauer gewissermaßen auf der anderen Seite, weil Personen aus der Partei kaum Chancen auf eine Beschäftigung in der Partei hatten – besser, kritische Leute powerten sich in ehrenamtlichem Engagement aus, damit man die Grünen Schritt für Schritt umfunktionieren kann. Ich war aber dann Referentin in Wien vor dem EU-Beitritt und sollte für die Wiener Grünen etwas aus den Unterlagen machen, die Schmidauer und Co. eben nicht bereitstellten. Jene leeren Regale, die ich mit Material füllen sollte, wären leer geblieben, wäre es nach Schmidauer und ihren KollegInnen gegangen. Ich recherchierte aber selbst, und dies am liebsten zu Sicherheitspolitik und der militärischen Entwicklung in der EU, da diese laut Maastricht-Vertrag europäischer Pfeiler der NATO werden sollte, was den Betritt zum No-Go für einen neutralen Staat werden ließ. Freilich wurde ich als nicht NATO-kompatible (echte) Grüne schliesslich gemobbt, doch ich habe bei den Grünen zu den Themen gefunden, die mich am meisten interessieren.

Aber wie manche Reaktionen auf Frau Schmidauer, die jetzt erstmals ins Rampenlicht rückt, sehr klischeehaft ablaufen und an den Umgang mit Margot Klestil-Löffler oder auch Benita Ferrero-Waldner erinnern, erlebte auch ich diskriminierendes Verhalten wegen meines Engagements später wieder. Wäre ich ein Mann und keine Frau, würden etwa die Vertreter wehrpolitischer Vereine sich viel leichter damit tun, dass ich den Zustand des Bundesheers als Folge der Zustände im Verteidigungsministeriums klar analysiere. Und dass ich keine emotionalen, von medial kreierten Bildern geprägten Bewertungen der letzten beiden Minister Norbert Darabos und Gerald Klug gelten lasse, sondern die Herren dazu auffordere, eine Lagebeurteilung vorzunehmen. Dieser zufolge ist es unwahrscheinlich, dass ein intelligenter und als guter Stratege geltender Politiker wie Darabos sich freiwillig abschotten lässt, sodass von Druck auszugehen ist, dessen Urheber man rasch identifiziert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Darabos NATO-kritisch ist. Auch die Tatsache, dass Klug schlicht keine Ahnung vom Ressort hat, wirft die Frage auf, wer ihn dann in eine Funktion setzt, der er in keiner Weise gewachsen sein kann.

Für viele ist nach wie vor denkunmöglich, dass sich eine Frau mit Sicherheitspolitik, Militär und Geheimdiensten befasst; und auch, dass eine Frau kompetente Beraterin von Politikern sein kann, wie es bei Doris Schmidauer offenbar der Fall ist. Wer Klischees verinnerlicht hat, führt gerne eine Menge an Einwänden an, um sich nicht der Frage zu stellen, ob er bei einem Mann auch so urteilen würde. Bei einer Frau darf aber nur das kritisiert werden, was auch bei einem Mann unangemessen erscheint oder wo sofort Zweifel an den nach außen genannten Motiven aufkommen. Da aller Wahrscheinlichkeit nach drei Männer und eine Frau bei der Bundespräsidentenwahl kandidieren, wird es genügend Gelegenheit geben, auf Genderaspekte zu achten  – und dies gilt auch für die „First Ladies“ bzw. den „First Husband“ (von Irmgard Griss) in spe. Und selbstverständlich gilt gleiches Recht für alle, die sich für ein Amt bewerben, was den Umgang mit ihrem Privatleben betrifft bzw. dass bei all jenen PolitikerInnen, die nicht vorhaben, BundespräsidentIn zu werden, die private Seite auch tatsächlich irrelevant ist, wie Medien jetzt beteuern. (9)

(1) http://kurier.at/politik/inland/hofburg-weggefaehrte-pilz-ist-sich-sicher-dass-van-der-bellen-antritt/172.183 und vorher http://kurier.at/politik/inland/van-der-bellen-hat-geheiratet-vorbereitung-fuer-die-hofburg/172.004.830 – ich gehe hier auch darauf ein: alexandrabader.wordpress.com/2015/12/28/regierung-umbildung-aber-kein-ruecktritt/
(2) https://www.tt.com/politik/10937516-91/bundespr%C3%A4sident-hofer-kandidiert-nicht-van-der-bellen-heiratete.csp
(3) http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4895742/Staatsraeson_Auch-ohne-Ehering-in-die-Hofburg?_vl_backlink=/home/politik/innenpolitik/index.do
(4) http://derstandard.at/2000028190926/Van-der-Bellen-hat-wieder-geheiratet
(5) https://www.gruene.at/partei/organisation/parlamentsklub/klubgeschaeftsfuehrung
(6) http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/nrwahl/87253/Grune_Ein-Professor-der-Widerspruch-einfordert
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Van_der_Bellen
(8) http://diepresse.com/home/leben/mensch/418183/Die-neue-Frau-Kanzler
(9) http://kurier.at/politik/inland/van-der-bellen-hat-geheiratet-vorbereitung-fuer-die-hofburg/172.004.830

Bundespräsident gegen Flüchtlings-Obergrenzen

Es überrascht nicht, dass der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer gegen Obergrenzen auftritt; eher schon, wie er bei einhelliger Ablehnung seiner Aussagen im Netz zu hohen Beliebtheitswerten in Meinungsumfragen kommt. Nicht von ungefähr bescheinigt ihm die Bevölkerung aber Abgehobenheit und Untätigkeit.

Zu den Rahmenbedingungen am Jahresende sei bemerkt, dass nach wie vor mehrere tausend Leute täglich an unseren Grenzen eintreffen und dies bereits als relative Ruhe betrachtet wird. Mit dem bisher möglichen Weiterreichen der meisten nach Deutschland wird es in Zukunft nicht mehr so einfach sein, auch wenn Bayern bislang mit dem Vorstoß scheiterte, die Grenze selbst zu kontrollieren, statt dies der Bundespolizei zu überlassen. (1)

Als ob es keinerlei Unterschied zwischen Deutschland und Österreich gäbe, sind der aus der SPÖ stammende Bundespräsident und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nach wie vor voll auf Merkel-Linie. Dabei ist Deutschland besonders aktiv, was den von den USA angestrebten „regime change“ in Syrien betrifft, wobei man inzwischen Syrer zu deutschen Agenten ausbildet. (2) Wenn die Bundeswehr ohne Mandat AWACS-Missionen fliegt, sagt dies eine Menge aus über Politik, die der „Atlantik-Brücke“ untergeordnet scheint. (3)

In Deutschland ziehen CDU/CSU, SPD und Grüne an einem Strang (auch die Linkspartei verhält sich recht zahm), und in Österreich fragt man sich, wann die Regierungspartei ÖVP und jene Opposition, die tatsächlich eine sein will, etwas gegen den transatlantischen Faymannschen Willkommenskurs unternimmt. Welch wichtige Rolle Medien spielen, die unabhängige, dem eigenen Land dienende Politik gar nicht erst aufkommen lassen, zeigt die lange Liste an Mitgliedern der „Atlantik-Brücke“ in  Medienunternehmen. (4)

Heinz Fischer gab der Austria Presse Agentur ein Interview, das dann beispielsweise vom „Standard“ zitiert wird: „Im Blick zurück auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise, die das Jahr 2015 dominiert hat, stellt Fischer Österreich grundsätzlich kein schlechtes Zeugnis aus. Niemand könne verlangen, ‚dass man eine solche komplizierte und schwierige Situation völlig reibungslos und fehlerlos über die Bühne bringen kann‘. Doch ‚es steht fest, dass Österreich zu den drei oder vier Ländern gehört, die sich in dieser Frage wirklich positiv unterscheiden von jenen, die wegschauen und möglichst unbelastet diese Krise durchtauchen wollen. Natürlich hat es da und dort tragische, schwierige oder unerfreuliche Situationen gegeben. Aber die Position Österreichs lautet: Wir sind bereit, Mitverantwortung zu tragen und Flüchtlingen aus einer Kriegsregion bestmöglich zu helfen.‘

Als ‚wichtigen, klugen Schritt‘ bezeichnet Fischer auch die Bestellung des Flüchtlingsbeauftragten der Regierung, Christian Konrad. Das Durchgriffsrecht wiederum sei wohl ein ’notwendiger Schritt‘, solange die ‚gemeinsam vereinbarten Quoten‘ nicht erfüllt würden: ‚Das ist in meinen Augen eine durchdachte Lösung.‘ Keinesfalls sinnvoll fände er es, wenn der Bund die Betreuung der Asylwerber wieder ganz in seine Hände nehmen würde. ‚Das wäre ganz schlecht, weil sich die regionalen Institutionen und vor allem die Bürgermeister einfach bevormundet fühlen würden. Das würde Widerstände auslösen, die das Problem nicht einfacher, sondern schwieriger machen.'“ (5)

Fischer kostet die SteuerzahlerInnen 24.000 Euro im Monat; dazu kommen die Kosten für einen stattlichen Stab an 80 MitarbeiterInnen, die  bei Anrufen für alles unzuständig sind. In der Pension wird die Bevölkerung 23.400 Euro mal 14 für Fischer aufwenden müssen, der sich zugute hält, in einer reinen Berufspolitikerlaufbahn viel gearbeitet zu haben. Vom Leben jener Menschen, denen er die Last einer – wenn es nach ihm geht – nie endenden Welle an Einwanderern zumutet, hat er nicht die geringste Ahnung. Als sich Fischer im Sommer im überfüllten Erstaufnahmezentrum  Traiskirchen mit Medientroß blicken ließ und feststellte, dass er niemanden im Freien schlafen sehen will, waren viele Menschen bereit, vorübergehend jemanden aufzunehmen.

Daraus wurden Dauerlösungen, denen die betroffene Bevölkerung ambivalent gegenüber steht: einerseits möchte man ja helfen, andererseits gibt es ständig Konflikte etwa zwischen Syrern und Irakern, und viele der Männer grüßen Frauen nicht einmal, geschweige denn, dass sie Helferinnen die Hand geben oder selbst etwas tragen etc. Fischer ficht dies ebenso wenig an wie die Tatsache, dass zahlreiche Gemeinden über die Quote hinaus belastet werden und nur energischer Widerstand diesem Vorgehen des Bundes gewisse Grenzen setzen kann. (6) Ob Fischer aber „die Position Österreichs“ meint oder (wie Merkel, Gauck, Faymann) in Wirklichkeit transatlantische Interessen, sei dahingestellt.

Der „Standard“ zitierte die APA weiter: „In der immer wieder aufflammende Debatte über eine ‚Obergrenze‘ für die Aufnahme von Flüchtlingen hat Fischer zwar Verständnis ‚für einen auf den ersten Blick naheliegenden Gedanken‘ – betont aber im gleichen Atemzug: Dieser ‚erweist sich bei genauerem Hinschauen nicht als praktikabel‘. Denn es gebe einen ‚grundsätzlichen Widerspruch zwischen einem Menschenrecht und der Festsetzung einer Obergrenze: Ich kann nicht ein Menschenrecht auf eine bestimmte Zahl reduzieren und sagen, alle, die über dieser Zahl liegen, haben Pech gehabt.'“

Zu Recht weisen UserInnen darauf hin, dass es für Fischer und Co. sehr wohl „Obergrenzen“ bei Sozialleistungen gibt; man kann auch feststellen, dass die Menschenrechte Einheimischer für den Bundespräsidenten insofern „Obergrenzen“ haben, als dass er schwere Menschenrechtsverletzungen ignoriert, wenn sie an ihn herangetragen werden. Es fragt sich auch, welche Sorte Jurist Fischer ist, wenn er ausblendet, dass die Genfer Konvention zum einen für politisch Verfolgte gilt, zum anderen jeder Staat aber auch bei 100% Asylberechtigten (damit haben wir es ja nicht zu tun) seine eigene Sicherheit an die erste Stelle setzen kann.  

In der Regel stösst man bei Fischer und seinem Apparat auf dicke Mauern, etwa wenn man ihn dazu auffordert, als Oberbefehlshaber des Heeres gegen die verfassungs- und rechtswidrigen Zustände im Verteidigungsministerium einzuschreiten. Denn es kann nicht von einer ordnungsgemässen Befehlskette die Rede sein, wenn der Befehlshaber des Heeres, Minister Gerald Klug, keine Ahnung von der Materie hat und sein Vorgänger Norbert Darabos am Regieren gehindert wurde, weil er NATO-kritisch ist. Dass ich Schikanen ausgesetzt bin, weil ich diese Situation thematisiere, lässt Fischer ebenso kalt wie seine „First Lady“ Margit, die sich angeblich so sehr gegen Armut engagiert.

Gegenüber der APA lobte Fischer auch das „durchaus ordentliche und menschliche Klima“ zwischen Kanzler und Vizekanzler und meinte, es sei „demokratiepolitisch normal“, dass zwei Parteien unterschiedliche Positionen vertreten:
„Beim vorweihnachtlichen Mittagessen mit der Regierung habe er sich von ‚einer kameradschaftlichen und harmonischen Stimmung‘ überzeugen können. ‚Ich kann bezeugen, dass es zwischen dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler gegenseitige Achtung und menschlichen Respekt gibt.‘ Und die beiden seien sich auch bewusst, ‚dass das Sichtbarmachen von Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit negativ interpretiert wird‘.“

Fischer betont (allzu sehr?), dass es keine „Österreichische Einheitspartei“, sondern mit SPÖ und ÖVP in der Regierung zwei „sehr unterschiedlichen Parteien“ mit „ihren eigenen jahrzehntelangen Traditionen und Positionen“ gibt. Aber was, wenn es so wie in Deutschland ist, wo keine wesentlichen Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD feststellbar sind und auch die Opposition auf Linie ist? (3) Davon kann auch nicht ablenken, dass CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble öffentlich Mitleid für SPD-Chef Sigmar Gabriel nach dessen magerem Parteitagsergebnis bekundet. (7) Wenn es um „Menschenrechte“ geht, wird auf die Politik jedoch nicht nur von Medien, sondern auch von transatlantischen „NGOs“ wie Amnesty Druck ausgeübt. (8)

Der Regierung rät Fischer, weder alle Konflikte öffentlich auszutragen noch alles „unter der Tuchent“ zu regeln; dabei ist das gelobte Weihnachtessen ja selbst eine typische Inszenierung. Denn Kanzler Faymann schenkte seinen Gästen (neben Fischer den MinisterInnen und StaatssekretärInnen) drei Bücher: „Die Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek, „Malina“ von Ingeborg Bachmann und „Freuds verschwundene Nachbarn“ über die NS-Zeit (laut „Heute“, 23.12.). Gäbe es Politik für die Republik Österreich gemäß den auf die Verfassung und die Gesetze abgelegten Eiden, müsste man nicht so viel Pose in Buchpräsente legen. Dann könnte es auch mal ein besonders spannender Krimi sein oder ein historisches Buch, das nichts mit Zeitgeschichte zu tun hat.

„Sie will als Präsidentenfrau das gleiche Leben führen wie zuvor. Bodenhaftung ist ihr das Wichtigste, erzählte sie Barbara Tóth“, schrieb der „Standard“ 2004 über Margit Fischer, als ihr Ehemann gegen Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) kandidierte. (9) Das Porträt wurde zur Werbung für die „First Lady“ in spe: „Sollte Heinz Fischer Präsident werden (Margit Fischer sagt: ‚Sollten wir es schaffen‘), möchte sie keine First Lady der ‚Seitenblicke‘ werden. ‚Da habe ich ein ganz anderes politisches Verständnis. Unsere Gesellschaft soll für einen Rechtsanspruch auf ein würdiges Leben sorgen. Niemand soll auf den guten Willen von Privatpersonen angewiesen sein.‘ Stattdessen würde sie dafür sorgen, dass bestehende Vereine die Förderungen bekommen, die sie brauchen. So präsent wie Margot Klestil-Löffler möchte sie nicht sein. ‚Ich würde mich zurückhalten, auch wenn ich eine sehr politische Person bin.‘ Auch als Frau Bundespräsident möchte Margit Fischer ganz normal auf die Straße gehen und in den Geschäften rund um ihre Wohnung einkaufen. ‚Es ist wichtig zu sehen, was sich die Leute leisten können.'“

Zwar war die Trennung von Thomas Klestil von seiner Frau Edith unter konservativen WählerInnen höchst umstritten; der späteren Botschafterin in Moskau Margot Klestil-Löffler kann man aber berufliche (= diplomatische) Qualifikation nicht absprechen. Wenige Tage, bevor Klestil sein Amt im Juli 2004 an Heinz Fischer übergeben konnte, starb der scheidende Bundespräsident an Herzversagen. Bittere Pointe am Rande: Fischers erfolgreichen Wahlkampf führte der damalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, der danach ins Parlament kam, u.a. im Landesverteidigungsausschuss aktiv war und nach dem nächsten Wahlsieg Verteidigungsminister wurde. Zwar schätzen „wir den Norbert Darabos sehr“, so die Sprecherin von Herrn und Frau Fischer, Astrid Salmhofer; mit Druck der NATO, Abschottung (z.B. via  Kabinettschef), Überwachung und Medien-Desinformationen blieb Darabos aber allein gelassen.

Als der „Standard“ Frau Fischer Rosen streute, machte eine Userin ihrem Unmut via Posting Luft: „In welcher Welt lebt diese hauptberufliche Gattin eigentlich? Eine Frau, die stolz darauf ist, sich 36 (!!!) Jahre lang nicht geändert zu haben, die sich freut, wenn ein Mann sie einen Lausbub nennt, die von sich sagt, sie habe sich für die Kinder und ihren Mann ‚zurückgenommen‘, diese Frau verkörpert doch wohl perfekt das Frauenbild der ÖVP.  Und vielleicht sollte sie mal nicht in ihrem Grätzel, der Josefstadt, einkaufen, sondern beim Hofer im Favoriten – dort kann sie bedeutend besser sehen, was sich ‚die Leute leisten können‘. Der Dünkel dieser hauptberuflichen Gattinnen ist zu Kotzen. Und dass die SPÖ-Frauen Herrn Fischer als Feministen verkaufen – da erübrigt sich jeder weitere Kommentar.“

Letzteres war tatsächlich der Fall und für mich als berichtende Journalistin nicht nachvollziehbar; über das bevorzugte Modell, solange Kinder eine/n brauchen, lässt sich trefflich streiten, doch wir haben es hier mit Kandidat und Ehefrau zu tun, die bereits das gesetzliche Pensionsalter ansteuerten. Wie bei den Klestil-Löfflers war auch bei den KandidatInnen die ÖVP progressiver, da der Ehemann der Außenministerin natürlich berufstätig war. Allerdings entsteht bei der nach wie vor engen Verflechtung zwischen Politik und Privatem bei SPÖ Bund / Wien ohnehin der Eindruck, dass manch eine Gattin eher pro forma als berufstätig gilt, dies jedoch selten den Anforderungen nahekommt, die „nichtverbandelte“ Frauen im Job zu bewältigen haben.

„Margit Fischer gilt als eine der beliebtesten Persönlichkeiten Österreichs: Dabei hatte sie selbst nie ein politisches Amt inne. Trotzdem prägte sie an der Seite ihres Mannes Heinz Fischer die Geschichte der Zweiten Republik maßgeblich mit“, stellt der Brandstätter-Verlag das Buch „Was wir weitergeben“ von Frau Fischer und der erwähnten Journalistin Barbara Tóth vor. (10) Was sie „weitergeben“ will, „beginnt mit ihrer Familiengeschichte (‚Was mich prägte‘) und führt über Gedanken zu Exil und Heimat (‚Was ich suchte & fand‘), Bildung (‚Was uns weiterbringt‘), Partnerschaft (‚Was wir brauchen‘) und Emanzipation (‚Was wir wollen‘) bis zum Aufruf zum Lernen aus der Geschichte (‚Was wir weitergeben‘)“. (11)

Wie aber die UserInnen des „Standard“ den Aussagen des Gatten eine klare Absage erteilen, verstehen jene der „Presse“ nicht, was am Buch der Gattin so bemerkenswert sein soll. (12) „Österreichs 1. Hausfrau lässt ihre ‚Memoiren‘ schreiben? Beeindruckend uninteressant“, meint eine/r und ist nur neugierig, wer außer in der SPÖ-Zentrale dieses Werk kauft. Eine/r andere/r postet „wow. Ehefrau als Beruf. austria, 2015….“, und ein/e weitere/r UserIn verspricht sich nichts von der „literarischen Verewigung“ des „nichtstuendsten BP aller Zeiten“. Allerdings sollte man, um fair zu sein, ein Buch von Frau Fischer mit Co-Autorin nicht (un)kritischer aufnehmen als andere prominent platzierte und beworbenene Neuerscheinungen, etwa von Hugo Portisch, Peter Rabl, Alexander Van der Bellen (der vielleicht bei den Bundespräsidentenwahlen kandidiert) oder diversen ORF-RedakteurInnen.

(1) http://www.n-tv.de/politik/Bayern-darf-Grenzen-nicht-selbst-kontrollieren-article16646451.html
(2) http://einarschlereth.blogspot.se/2015/12/syrer-werden-zu-deutschen-agenten.html
(3) https://www.radio-utopie.de/2015/12/27/opposition-wusste-seit-18-dezember-von-mandatlosen-awacs-einsatz-der-bundeswehr-im-syrien-krieg/
(4) http://krisenfrei.de/kennen-sie-n-a-r-ii-und-weitere-atlantiker/
(5) http://derstandard.at/2000028128886/Fluechtlinge-Fischer-spricht-sich-gegen-Obergrenze-aus
(6) siehe das Beispiel Bruckneudorf im Burgenland: https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/17/asylrealitaet-am-beispiel-bruckneudorf/
(7) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/schaeuble-hat-laut-bams-mitleid-mit-spd-chef-gabriel-a-1069575.html und zur Sozialdemokratie: https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/22/sozialdemokratie-und-wellness-politik/
(8) https://www.contra-magazin.com/2015/12/amnesty-international-ein-kind-westlicher-geheimdienste-und-ein-propaganda-instrument/
(9) http://derstandard.at/1635305/Die-Frau-mit-der-Lausbubenfrisur
(10) https://www.brandstaetterverlag.com/brandaktuell/margit-fischer-erstmals-der-1-reihe
(11) http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/literatur/buecher_aktuell/785454_Was-Margit-Fischer-weitergeben-will.html
(12) http://diepresse.com/home/leben/mensch/4862734/Margit-Fischer_Eine-Frau-der-kleinen-Gesten