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Regieren als Schauspiel

Viele wittern jetzt Neuwahl-Luft, da die Koalition dauernd Regierungsmitglieder austauscht. Man kann es mit einem Bühnenstück vergleichen, in dem immer wieder neue Personen vorgegebene Rollen übernehmen, was sicher auch das Publikum weiter bei der Stange halten soll. Nach dem Rücktritt von Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck soll Arbeitsminister Martin Kocher mehr Kompetenzen erhalten, was eine Änderung des Bundesministeriengesetzes erfordert. Dafür benötigt die ÖVP zwecks parlamentarischer Mehrheit aber die Zustimmung der Grünen, die dadurch bei der Umbildung mitreden können. Während ich mit diesem Text beginne, strömen Medien zur Politischen Akademie der ÖVP, wo ein Pressestatement von Kanzler Karl Nehammer für 13 Uhr angekündigt ist. Natürlich gibt es auch Livestream, doch so interessant finde ich es nicht – wie gesagt, es hat etwas von einem Stück und nicht von Regieren gemäss Verfassung. Ein Video von Nehammers Erklärung binde ich unten ein; es wird darauf entsprechend reagiert werden. Die SPÖ empfindet wenig überraschend den Gang der Ereignisse auf ihrer Seite und bringt einen Neuwahlantrag im Parlament ein.

Auch ihre Mandatare sind aber bloss Bühnendarsteller, die scheinbar im Recht sind angesichts von Korruption bei der ÖVP. In Wirklichkeit wird schlicht kaum ermittelt, wenn es um Parteigenossen geht und auch bei den Türkisen wird allenfalls die Spitze des Eisbergs berührt. Ständige Regierungsumbildungen sorgen nämlich dafür, dass Schauspieler rasch aus den Augen, aus dem Sinn sind und auch nur schwach gefordert wird, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Vielleicht touren ja Schramböck und Köstinger bald wie Ex-Gesundheitsminister Rudi Anschober durchs Land mit einem Buch und bieten sich für Seminare an? Es versteht sich von selbst, dass die ÖVP von einem neuen Superteam überzeugt ist oder sein muss. Kritiker wurden dies zuletzt wegen der C-Agenda, erkennen aber nicht, dass es nicht nur am politischen Personal liegt. Man kann dies etwa am Beispiel von Sebastian Kurz erkennen, der vor elf Jahren in der Politischen Akademie gemeinsam mit dem neuen ÖVP Chef Michael Spindelegger höhere politische Weihen erhielt.

Statement von Karl Nehammer

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Werden die Grünen jetzt erwachsen?

Gerne werden Begriffe wie „Reife“ und „Erwachsensein“ verwendet, wenn es um die Zustimmung der Grünen zur Koalition mit der ÖVP geht. Dabei darf man nicht vergessen, dass Grüne seit Jahrzehnten von Medien entsprechend eingeteilt werden; unreif und nicht erwachsen sind immer diejenigen, die sich gegen etwas Oktroyiertes wehren. So würde eine Basis geprügelt, die sich nicht von Peter Pilz (mit Hilfe der Presse) treten und einschüchtern lassen wollte. Dabei hatten jene stets Recht, die nicht nur wegen seiner Skrupellosigkeit gegen Pilz auftraten, weil er fremden Interessen diente. Es ist nicht abschätzbar, welch profundes politisches Wissen diejenigen haben mögen, die am Bundeskongress gegen die Regierungsbeteiligung gestimmt haben. Mag sein, sie waren im einen oder anderen Fall erfahrener als jene, die Pro-Stimmen abgaben, oder es war umgekehrt. Messen muss man die Koalition zunächst an ihrem Übereinkommen und an der Kompetenzverteilung; das zumindest sollte ein Ausgangspunkt sein, auf den sich alle einigen können. Man kann sich ansehen, was sich aus wessen Wahlprogramm wiederfindet und wo ein Zeitrahmen vorgegeben wird bzw. wo es vage klingt. Dann aber gehen die Meinungen schon wieder auseinander; manchen erscheint es so, dass sich die ÖVP durchgesetzt hat, andere sehen die Grünen als die großen Sieger und stellen fest, dass der ORF von der SPÖ zu ihnen wechselte

Auch der unterschiedliche Stil von Sebastian Kurz und Werner Kogler hinterlässt einen ambivalenten Eindruck; man muss Kogler nicht gleich mit Ex-Vizekanzler Herbert Haupt („ich sage das in aller Klarheit“) vergleichen. Dabei löst es Verwunderung aus, dass Kogler darauf verzichtet, einen Staatssekretär im Finanzministerium zu fordern, für den sich Josef Meichenitsch bestens empfehlen würde, der an den Verhandlungen teilnahm und bei der FMA tätig (freigestellt) ist. Es hatte ein bißchen etwas von gemeinsam Fernsehen, als der grüne Bundeskongress am 4. Jänner via Livestream übertragen wurde und viele dies auf Twitter kommentierten. Da hinterließ gerade Meichenitsch einen durchweg positiven Eindruck quer durch alle Lager. Man muss diejenigen vielleicht abziehen, für die die neue Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek ohnehin ein rotes Tuch ist; dennoch ist Koglers Entscheidung auch realpolitisch fragwürdig; die Frauenquote allein kann es nicht gewesen sein. Meichenitsch war immerhin einmal Koglers Büroleiter ist ist der Finanzexoperte der Grünen, aber halt ein Mann. Der Europarechtsexperte Stefan Brocza schreibt von der „Verzwergung des Vizekanzlers“: „Die wohl größte Überraschung der neuen Bundesregierung ist die ressortmäßige Selbstbescheidung von Werner Kogler. Der große Wahlsieger und politische Messias der österreichischen Grünen begnügt sich mit einem Ministerium, das man wohlwollend mit ‚überschaubar‘ umschreiben kann.

Podcast nach dem Bundeskongress

 

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Widerstand und Welcome Refugees

„Widerstand“ wurde für den „TagX“ angekündigt, an dem die türkisblaue Regierung angelobt wird und weitere Tage des „Widerstandes“ sollen folgen. Es ist sicher verlockend, sich wie die Sozialistische Jugend vorzustellen, dass man bislang unorganisierte junge Menschen in eine Struktur einbinden kann, und das jetzt alles das Label „Widerstand“ bekommen kann. Zunächst gilt „Widerstand“ allem, dem man sich nicht fügen will, aber was bleibt auf der Strecke, wogegen kann man nicht ankämpfen und wo ist es nur Schaumschlägerei?  Dass „Widerstand“ in ist, sieht man auch an einer schrägen Wahlwerbung der niederösterreichischen Grünen im Star Wars-Stil. Es entbehrt nicht der Ironie, dass einige der Demonstranten gestern auf dem Wiener Heldenplatz letztes Jahr eifrig für Alexander Van der Bellen Wahlkampf machten – auch mit „Widerstands“-Gesten -, der die neue Regierung mit weniger Frust angelobte als Thomas Klestil Schwarzblau im Jahr 2000. Vor einem Jahr wurde vor allem deshalb gegen den neuen Infrastrukturminister Norbert Hofer als Gegenkandidaten Van der Bellens bei der Bundespräsidentenwahl mobilisiert, weil es darum ging, „Widerstand“ gegen Rechts zu leisten.

Damals schrieb ich zur ersten, dann für ungültig erklärten und daher wiederholten Stichwahl: „Drei Tage vor der Wahl wurde unter dem Motto ‚Kein Nazi in der Hofburg‘ demonstriert, eingeladen hatte die ‚Offensive gegen Rechts‘, deren Sprecherin Magdalena Augustin mit Dreadlocks der Sprecherin der mit der ‚Offensive‘ vernetzten ‚Plattform für eine menschliche Asylpolitik‘ Karin Wilflingseder zum Verwechseln ähnlich sieht. Bei den verlinkten Videos wird klar, dass alle eigentlich nur einen Katalog an Begriffen herunterbeten, ohne so recht zu wissen, was denn nun so  ‚rechts‘ ist an den Rechten. Statt der erwarteten 2000 TeilnehmerInnen kamen übrigens nur zwischen 300 und 700 je nach Quelle, doch laut Presseaussendung der VeranstalterInnen waren es natürlich 2000.“ Gestern demonstrierten übrigens laut Polizei 5000 bis 6000, was einige stark untertrieben finden.  Dreadlocks sind ein gutes Stichwort, denn verfilzte Haare kennen wir zwar auch aus der eurpoäischen Geschichte und in vielen Ländern, in der Gegenwart wurden sie aber durch jamaikanische Rastafari gefragt. Damit besteht erneut Bezug zum Begriff „Widerstand“, doch wenn wir uns damit näher befassen, werden die Forderungen der Dreadlock-Sprecherinnen und einiger Demonstranten ad absurdum geführt.

Dokumentation über Rastafari

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Neue Regierung: Angelobung und Proteste

Neun Demonstrationszüge waren angemeldet, als die türkisblaue Regierung am 18. Dezember 2017 in der Hofburg angelobt wurde. Laut Polizeiangaben kamen 5000 bis 6000 Menschen, was die Veranstalter und manche Journalisten nach oben auf 10.000 korrigieren. Als am 4. Februar 2000 die erste schwarzblaue Regierung angelobt wurde, versammelten sich laut Wikipedia 10.000 auf dem Heldenplatz. Damals war die Vorlaufzeit geringer, doch viele waren über den Gang der Ereignisse fassungslos, als Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP scheiterten und eine ÖVP-FPÖ-Regierung die Alternative war.So gingen auch ohne Social Media-Mobilisierung wie heute viele spontan auf die Strasse und taten dies dann zwei Wochen lang auch jeden Abend. In der Ära von Facebook und Twitter sind jetzt viele live dabei, beobachten und kommentieren diverse Livestreams, wie sie auch Sender wie Russia Today angeboten haben.

Manche reagieren wütend und voller Vorurteile auf die Menschen, die vom Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht haben und wollen auch nicht genauer hinsehen. Denn was an die Zeit vor 17 Jahren erinnert, ist die Präsenz einiger Unorganisierter, die allenfalls selbstgebastelte Tafeln haben, aber von keiner der besonders lauten Gruppen eingespannt wurden. Es waren wie zu erwarten die „Antifas„, die (von der Technischen Universität aus losziehend) das einsetzten, was die Polizei „pyrotechnische Gegenstände“ nannten und die versuchten, Tretgitter am Heldenplatz zu überwinden. Und es waren diese Gruppierungen, die später vor dem Parlament bei einer unangemeldeten Demo von der Polizei angeblich teilweise eingekesselt wurden, um zwei Personen aus ihren Reihen zu verhaften (die Polizei dementierte dann). Neben beständigen „Alterta! Altera! Antifascista!“-Rufen fielen Transparente mit Aufschriften wie „Abolish the borders from below“ oder „Kommunismus statt Österreich“ auf. Und man rief nicht, wie früher üblich, „Hoch die internationale Solidarität!“, sondern „Hoch die antinationale Solidarität!“ Wer begreifen will, kann also ganz leicht verstehen, dass es gegen den Bestand des Staates mit egal welcher Regierung geht.

Screenshot von Russia Today

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Hat der Bundespräsident seine Wähler verraten?

Wenn man sich an die Erwartungen erinnert, mit denen Alexander Van der Bellen von seinen Fans belegt wurde, wundert man sich nicht über die Enttäuschung vieler. Aber wenn er sich an die Bundesverfassung hält, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die türkisblaue Regierung anzugeloben. Wer das ernsthaft kritisiert, offenbart damit, dass er oder sie Van der Bellen gerade wegen der von ihm/ihr angeführten Gründe nicht gewählt hat. Denn so jemand wollte vom Bundespräsidenten nicht das Wahren von demokratischen Standards, sondern den Bruch mit Gepflogenheiten. Van der Bellen kann ablehnen, Minister anzugeloben, braucht dazu aber triftige Gründe, doch wenn diese nicht vorliegen, kann er nichts an den Vorschlägen von ÖVP und FPÖ ändern. Und es ist keineswegs so, dass seine Einwände nicht berücksichtigt wurden, sodass es kein von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache gewünschtes „Heimatschutzressort“ geben wird und das FPÖ-Innenministerium eine ÖVP-Staatssekretärin zugeteilt bekommt.

Van der Bellen empfing Sebastian Kurz und Strache heute in der Hofburg, ehe beide zu den Sitzungen ihrer Parteien gingen, um am Nachmittag auf dem Wiener Kahlenberg weider gemeinsam vor die Presse zu treten. Dieser geschichtsträchtige Ort wurde sicher nicht zufällig gewählt, da hier im Jahr 1683 die Türken zurückgeschlagen wurden, die Wien belagerten. Alle sollten den Bundespräsidenten beim Wort nehmen, wenn er von der neuen Regierung erwartet, dass die Europäische Menschenrechtskonvention und die EU-Grundrechtscharta eingehalten werden, denn bislang haben kriminelle Netzwerke in der Justiz alle Menschenrechte Zehntausender brutal mit Füßen getreten. Wenn der neue Justiz- und Reformminister Josef Moser am 18. Dezember sein Amt antritt, müssten bei den ersten Anwälten, Richtern, Gutachtern und Sozialarbeitern etc. die Handschellen klicken. Da das bisherige Justizministerium organisierte Kriminalität nach NS-Vorbild (Arisierung…) deckte, sollte der neue Minister z.B. Abgeordnete seiner Fraktion wie Efgani Dömnez fragen, die über entsprechende Recherchen informiert wurden. Für die selbsternannte Zivilgesellschaft ist es freilich noch ungewohnt, österreichischen Opfern massiver Menschenrechtsverletzungen beizustehen, statt feige wegzusehen.

Van der Bellen, Kurz und Strache

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Wer fürchtet sich vor Schwarzblau?

Als am 4. Februar 2000 die erste ÖVP-FPÖ-Koalition angelobt wurde, musste sie wegen massiver Proteste einen unterirdischen Gang zwischen Bundeskanzleramt und Hofburg benützen. Die steinerne Miene von Bundespräsident Thomas Klestil ist ebenso unvergessen wie zwei Wochen mit täglichen Demonstrationen auch über weite Strecken und schliesslich einer Großkundgebung am Heldenplatz. Als Wortführer/innen traten freilich Personen in Erscheinung, die auch medial gepusht wurden und in ihrer Pose ein gutes Auskommen fanden, was mit echtem Widerstand, der Nachteile in Kauf nimmt, wenig zu tun hat. Wie damals ergehen sich auch heute viele (oftmals die gleichen) in Horrorvisionen, was auf uns zukommen soll, wenn die neue Regierung steht. Daher ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, was vor 17 Jahren befürchtet oder erwartet wurde und was dann tatsächlich geschah. Es wurde viel über die FPÖ und teils auch die ÖVP geredet, aber nicht mit ihr; manche der heutigen Aussagen wecken den Eindruck, bloß von „damals“ übernommen worden zu sein.

Nach so langer Zeit ist es aber eine neue Generation, die seitens ÖVP und FPÖ die Hauptverhandlungen führt. Zahlreiche Artikel weisen jetzt darauf hin, dass sich die FPÖ dennoch überhaupt nicht verändert habe. Anders als im Jahr 2000 ist die SPÖ jetzt auf Platz zwei gelandet und nimmt sich aus dem Spiel, sagt aber, sie würde eine ÖVP-Minderheitsregierung unterstützen. Realistische Beobachter erwarten relativ wenig Aufsehen verglichen mit 2000, wenn diese schwarzblaue Regierung angelobt wird. Freilich wird schon für eine Demo an diesem „Tag X“ mobilisiert, wobei man sich an jene Menschen wendet, die sich „der“ Zivilgesellschaft zugehörig fühlen und schablonenartig für „Schutzsuchende“, für „Weltoffenheit“ und gegen „Rassismus“ und „Faschismus“ sind. Was im Jahr 2000 noch individuell wirkte und in Österreich selbst entstanden schien, wirkt spätestens seit der illegalen Masseneinwanderung 2015 wie ein Bestandteil von Destabilisierungs- und regime change-Szenarien. Wer differenziert Kritik üben will, muss sich Gleichgesinnte außerhalb der Unterstützer der Rechtsparteien suchen. Es wird absurd, wenn z.B. der „Standard“ „prorussische“ Webseiten kritisiert, die Fake News verbreiten,wonach Kurz Soros-NGOs aus Österreich hinauswerfen wolle. Denn die Zeitung ist Mitglied in Soros‘ Project Syndicate, was man ihm immer wieder anmerkt.

Kurz auf Twitter

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