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In Russland und hier: Im Schatten des Kreml

Um Spionage und verdeckte Einflussnahme zu verstehen, muss man sich mit Russland beschäftigen. Dabei sind auch Bücher hilfreich, wenn man weitere Recherchen anstellt oder bereits Assoziationen zu erwähnten Personen, Firmen und Ereignissen hat. Udo Lielischkies war für die ARD ab 1999 mit einer längeren Unterbrechung bis 2018 in Russland tätig und veröffentlichte das Buch „Im Schatten des Kreml“. Im Februar 2022 hielt er noch wie viele Militärexperten, wie er betont, einen russischen Angriff auf die gesamte Ukraine für unwahrscheinlich. Dies obwohl oder weil er über die Annexion der Krim und den Krieg im Donbass berichtet hatte, inzwischen russisch spricht und mit einer Russin verheiratet ist. Im Buch spricht er nicht nur von Geopolitik, Kleptokraten und Wladimir Putins „Machtvertikale“, er besucht auch Menschen in vergessenen Dörfern. Obwohl und weil sie zur Zeit der Sowjetunion Infrastruktur, eine gewisse Versorgung und Arbeit hatten, wählen sie Putin, fühlen sich nicht von ihm im Stich gelassen. Oft beuten mafiöse Organisationen in Kooperation mit korrupten Politikern der Putin-Partei „Einiges Russland“ Wälder und Ressourcen aus, stehlen sogar mühevoll eingebrachte Ernten. Hier muss man als Österreicher*in innehalten und an die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft und das Forum Österreich-Russland denken (Deutsche finden bei sich das gleiche Muster). Es geht nicht um „Freundschaft“ mit der russischen Bevölkerung, sondern dirigiert von der russischen Botschaft darum, fremde Interessen bei uns durchzusetzen. Jede Partei, viele Betriebe, auch Interessensvertretungen und Ministerien sind in solchen Organisationen präsent und so an der Leine Moskaus.

Lielischkies beschreibt auch das katastrophale Gesundheitssystem, dem immer weniger Personal zur Verfügung steht und das unter Korruption leidet. Dazu begab er sich in den Ural und drehte im Oblast Swerdlowsk, in dessen Hauptstadt Jekaterinburg es Generalkonsulate u.a. von Deutschland und Österreich gibt und wo 2018 vier Spiele der Fußball-WM stattfanden. Ludwig Scharinger, einst Chef der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich und danach deren Konsulent, hatte 2013 einen Unfall in Jekaterinburg. Er sei zur Jagd dort gewesen und fiel rücklings eine Stiege hinunter; weil die medizinische Versorgung vor Ort zu wünschen übrig liess, flog man ihn nach Linz aus; ein befreundeter Primar war mitgereist. Scharinger war von 2012 bis 2015 (nach Ex-Innenminister Ernst Strasser) Präsident der Österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft, er gehörte den Aufsichtsräten von ÖBB und Asamer Bau an. Die ÖBB sind nach wie vor im Geschäft mit den russischen Staatsbahnen RZD, deren Chef bis 2015 Wladimir Jakunin vom KGB war. Asamer Bau spielte später bei der Wirecard-Affäre im Kontext von Jan Marsalek und Libyen eine Rolle; inzwischen ist die Strabag an Asamer beteiligt. Von diesem Unfall erholte sich Scharinger nicht mehr, hiess es nach seinem Tod 2019. Bei Scharinger muss man auch die Privatisierung der Bundeswohnungen mit Karl Heinz Grasser und bei der RLB OÖ Kredite für Signa sowie Verluste bei Wirecard und bei der Commerzialbank Mattersburg.

Udo Lielischkies 2014

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Julia Nawalnaja und Frauen gegen Putin

Einige Menschen empfinden Unbehagen bei der Art und Weise, wie Julia Nawalnaja nun offenkundig medial gepusht wird. Das könnte ihr Unrecht tun, weil sie Berichterstattung braucht und nicht bestimmen kann, in welcher Form sie stattfindet. Auf jeden Fall hat sie bezüglich politischer Aussagen eine weiße Weste, während man Alexej Nawalny frühere sehr rechte Positionen vorhalten konnte. Nawalnaja mag wie ein unbeschriebenes Blatt wirken, weil sie bisher öffentlich kaum in Erscheinung trat. Sie ist Ökonomin und organisierte 2020, dass ihr Gatte nach einer Vergiftung in der Berliner Charite behandelt wurde. Jetzt war sie nach ihrem kurzen Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz Gast beim Rat der EU-Außenminister, der auch eine Erklärung verabschiedet hat. Nawalnaja eignet sich wie jede Person, die plötzlich im Rampenlicht steht und bisher nicht so sehr im Focus von Berichterstattung war, gut als Projektionsfläche. Somit werden ihr Eigenschaften und Haltungen unterstellt, die sie erst einlösen muss.

Es ruft andere auf den Plan, die ihr Berechnung nachsagen wegen eines winzigen Lächelns vor ihrem kurzen Statement in München. Ausserdem wird behauptet, sie amüsiere sich längst mit anderen Männern, namentlich dem Unternehmer Evgeny Chichvarkin und Christo Grozev von Bellingcat. Wie jedoch Bellingcat selbst aufzeigt, handelt es sich um gefälschte Hotelbelege und ein Foto im August 2021 mit Chichvarkin am Strand in Lettland. Chichvarkin steuerte 100.000 € zur Behandlung Nawalnys in Deutschland bei und forderte 2022 einen Einsatz der NATO in der Ukraine. Grozev lebte zeitweise in Wien, fühlte sich hier jedoch nicht sicher vor Russland und zog in die USA. Nun kündigte er an, dass er aufklären will, ob dasselbe FSB-Team, das Nawalny vergiftet hat, jetzt wieder zugeschlagen hat. Als Grozev, der Nawalny bei der Suche nach den Tätern half, Österreich verlassen hatte, gab er dem „Falter“ ein Interview wie er es in dessen Ausgabe vom 21. Februar 2024 wieder tut. Seltsamer Weise interessierte Bellingcat nie, das Netzwerk des Kreml und dessen Vorgangsweise in Österreich zu outen. Es hätte ihnen sonst merkwürdig vorkommen müssen, dass der „Falter“ teilweise im Besitz von Hans Michel Piech ist, dem grössten Aktionär von Porsche, wo Putin-Freund Siegfried Wolf dem Aufsichtsrat angehört.

„Beeindruckend mutige Frauen“

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Wer spaltet uns? Warum erkennen so wenige, was passiert?

Es gibt anscheinend nur mehr verrückte Debatten oder auch solche, bei denen die Gesellschaft extrem gespalten ist. Absonderlich ist etwa die plötzliche Begeisterung für Waffen und Kriege, auf die man eigentlich nur mit dem Hinweis antworten kann, dass auch Ausländer für die Ukraine kämpfen dürfen. Verrückt ist aber ein Ver-rücken der Wahrnehmung von Realität, das der KGB-Überläufer Yuri Bezmenov in Vorträgen, Interviews und Büchern schon vor Jahrzehnten beschrieben hat. Er sagt auch, dass entgegen Klischees von Spionage 85 % der Tätigkeit aus aktiven Maßnahmen besteht, die man ebenso ideologische Subversion oder psychologische Kriegsführung nennen kann. Zuerst wird die Bevölkerung eines fremden Landes demoralisiert, dann wird destabilisiert, weil ja schon erfolgreich Verwirrung gestiftet wurde, schliesslich gibt es eine erzeugte Krise und dann wird neue Normalität geschaffen. Wir können diese vier Schritte wiedererkennen, sind aber oft zu sehr in diese perfide Strategie verstrickt, die unsere Auffassungen und Ansichten untergräbt. Von diesem „Wir“ schliesse ich mich aus, weil ich schon lange darstelle, was passiert und dazu sehr viele Details liefere, die jeder selbst überprüfen und durch eigene Recherche ergänzen kann. Doch Bezmenov weist auch darauf hin, dass man die meisten Menschen mit Fakten überschütten kann, ohne dass sie etwas verstehen, weil Demoralisierung sie für echte Informationen unempfänglich macht.

Dennoch muss dieser wahre Kampf gefochten werden, der sich von peinlichen Posen Demoralisierter abhebt. Es klingt zunächst paradox, Wladimir Putin nicht mit Waffen und Rüstung entgegenzutreten, doch es geht um unsere eigenen Prioritäten (endlich wieder, nach all dem, das per psychologischer Kriegsführung getriggert wurde). Es ist so betrachtet auch falsch, jetzt aus russischem Gas aussteigen zu wollen und einander über diese Frage zu bekriegen. Denn im Sinne eigener hybrider Kriegsführung, von Counterintelligence sollten wir jede Verbindung zum russischen System nutzen, um uns von verdeckten Einflüssen zu befreien. Dafür müssen zuerst all die nützlichen Idioten von der Öffentlichkeit und von Entscheidungen ferngehalten werden, die jetzt Russland dienen, ohne es zu ahnen. Sie mögen gehypt worden sein, als Experten gefragt sein, als Politiker mit allem durchkommen – im Sinne einer alten Einteilung des KGB in Hauptagenten, Vertrauenspersonen (z.B. Unternehmer, die den Russen zuarbeiten) und Unwissende (oder nützliche Idioten) sind sie meist nützliche Idioten. Der frei nach Lenin verwendete Begriff suggeriert, dass sie oft sogar mehr bewirken als der vorsichtigere Hauptagent, aber sehr leicht zu manipulieren sind. Mit Dialektik müssen wir uns auch vertraut machen, etwa mit These – Antithese – Synthese, da sich jeder heftige Konflikt der letzten Jahre immer zum Vorteil des wahren Gegners ergänzt. In den 1980er Jahren war Bezmenov pessimistisch, ob ein derart langfristig verdeckt angegriffener Staat sich überhaupt noch ohne militärische Gewalt (auch intern eingesetzt) retten kann.

Das „Handelsblatt“ am 10.2.

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Führungsstärke und Politik(er)

„Zweifel? Ich doch nicht!“ ist der Titel eines Artikels in der Rubrik Management & Karriere in der „Wirtschaftswoche“ 03/2024, online wird unter „Wie gewinnt man Autorität ohne autoritär zu werden?“ darauf aufmerksam gemacht. Er passt zum Titel mit einer Shilouette von Donald Trump und der Schlagzeile „Sind wir vorbereitet?“, die dazugehörige Geschichte trägt den Titel „Macht euch bereit“. Zitiert wird unter anderem der Transatlantik-Koordinator der deutschen Bundesregierung Michael Link mit: „Wir müssen zumindest tun, was wir können, um uns vorzubereiten.“ Die Zweifel-Story dreht sich um Führungsstärke und wird illustriert mit Zeichnungen von Wladimir Putin, Giorgia Meloni und Geert Wilders in einem Bild und extra einem Boris Pistorius in Denker-Pose. Offenbar soll dieser Text mit dazu beitragen, dass Pistorius Bundeskanzler Olaf Scholz ablöst. Am 19. Jänner berichtete die „taz“ über einen „Aufstand gegen Scholz“ von 20 SPD-Abgeordneten, die mit Kollegen aus Kanada und den USA einen Waffenstillstand in Gaza fordern. Die „Sehnsucht nach Stärke“ sei so gross wie lange nicht mehr, heisst es in der „Wirtschaftswoche“, und man kann auch angesichts der Auseinandersetzungen vor der Nationalratswahl in Österreich schwer widersprechen. Inflation, individuelle Abstiegsangst, Krieg in Europa und Kriegsgefahr anderswo sorgten dafür, dass sich die Menschen nach Politikern sehnen, die Stärke ausstrahlen, „selbst wenn manche von ihnen wohl ahnen, dass diese nur ein Schein ist. Differenziertheit oder gar Zweifel werden kaum goutiert“. Es könnte daher „das Jahr der kraftmeiernden Typen werden, die vorgeben zu wissen, wo es langgeht“. Es drängen Männer und auch ein paar Frauen auf die politische Bühne, die „lieber referieren als zu reflektieren“ und nie öffentlich zugeben würden, dass sie einmal etwas nicht wissen oder gar falschliegen“. Die Situation von Politikern wird mit jener von Managern verglichen, aber (Vorsicht, Fehler) die Unterschiede werden nur im Verantwortungsbereich und in Wahlen gesehen. Dabei spielt eine grosse Rolle, dass Medien Politiker ständig im Focus haben, während sie seltener und wenn, dann meist wohlwollend über Manager berichten; das fällt uns z.B. bei Signa und dem gehypten Rene Benko auf den Kopf. Die Psychologin Stephanie Stahl meint, es liegt in unseren Genen, auf archaisches Verhalten zu reagieren und anzunehmen, wir hätten eine echte Führungspersönlichkeit vor uns. Deshalb inszenierten „populistische Alphatiere“ gerne ihre körperliche Stärke, nehmen Raum ein und machen Konkurrenten klein; es ist typisches Machogehabe.

Stahl meint, das Eingeständnis von Fehlern werde von den Menschen gewürdigt, doch man braucht dazu eine reflektierte und differenzierte Bevölkerung. Ein wirklich guter Politiker sei unabhängig von der Meinung anderer; es ist auch ein Zeichen von Stärke, seine Haltung zu überdenken. Nicht Boris Pistorius kommt zu Wort, sondern der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer, der 2021 von chinesischen Sanktionen (Einreiseverbot) betroffen war, was ihm zu ungeahnter Popularität in den USA verhalf. Er spricht von einem „inneren Kompass“, der die Einordnung neuer Fakten erleichtert; man müsse das Wesentliche herausfiltern. Seiner Biografie zufolge war er in der Gesellschaft für deutsch-chinesische Freundschaft aktiv, studierte Sinologie ohne Abschluss und engagierte sich wie Winfried Kretschmann im maoistischen Kommunistischen Bund Westdeutschland. Es fällt bei Berichten über das gerade stattfindende WEF in Davos auf, dass Russlands Bündnispartner China sehr wohl präsent ist und darauf auch hinweist, während die Russen fehlen; dies gehört zu den geopolitischen Aspekten, die wir einordnen müssen.

Artikel der „Wirtschaftswoche“

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Robert F. Kennedy Jr und der Mord an JFK und RFK

Ist nach 60 Jahren das Attentat auf John F. Kennedy immer noch relevant? Wer in dem Alter ist, das der Täter Lee Oswald hätte, zählt inzwischen schon 84 Jahre. Doch es spielt eine grosse Rolle, wie stets neue Veröffentlichen zeigen, und schliesslich möchte Robert F. Kennedy Jr. US-Präsident werden. In seinem Podcast spricht er mit Ex-Navy Seal und Buchautor Jack Carr über den militärisch-industriellen Komplex und meint, dass das Cover up die ursprüngliche Lüge war. Dass sie damit davonkamen, beeinflusste Vietnam und weitere US-Interventionen, wenn es diese nicht erst ermöglichte; manche meinen, JFK hätte den kalten Krieg beendet. RFK Jr.s Vater Bobby Kennedy, der selbst 1968 ermordet wurde, dachte 1963 zuerst an die CIA. Als Jack Ruby Lee Oswald erschoss, wollte er wissen, ob Mafiaboss Carlos Marcello der Auftraggeber ist, der Exilkubaner finanzierte, die 1961 in der Schweinebucht landeten. Die CIA unterstützte dies hinter dem Rücken von JFK, der danach durchgriff. Zuvor hatte CIA-Chef Allen Dulles Präsident Dwight D. Eisenhower auflaufen lassen, sodass er fälschlich behauptete, die USA hätten ihr U-2-Spionageprogramm eingestellt. In seinem kurzen Leben war Lee Oswald als Marineangehöriger in Japan auf der Basis Atsugi stationiert, von der aus Lockheed U-2 eingesetzt wurden; die Flugzeuge wurden vom Militär und primär von der CIA verwendet. Auf dieser Basis wurde auch mit psychedelischen Drogen experimentiert, mit denen man dann gerne das Essen z. B. von Fidel Castro versetzt hätte; es ist ein verlockender Gedanke anzunehmen, dass diese Drogen auch an Oswald ausprobiert wurden.

Castro war übrigens nicht von Anfang an Kommunist und hatte als Rechtsanwalt mit wohlhabendem Vater einen bürgerlichen Hintergrund; erst 1959 begann die Hinwendung zum Kommunismus; die für nach der Revolution versprochenen freien Wahlen fanden nicht statt. Nach einem persönlichen Treffen mit Nikita Chrustschow 1960 am Rande der UN-Vollversammlung fing er an, sich allmählich positiv zur Sowjetunion zu äussern. Als Chrustschow 1962 doch keine Atomraketen in Kuba stationieren wollte – in der Kubakrise war auch die Rolle von JFK wichtig -, reagierte Castro wütend und in Kuba wurde gegen die Sowjetunion demonstriert. Ein Gespräch auf Youtube über das Buch „LBJ: The Mastermind of JFK’s Assassination“ von Phillip Nelson führt unweigerlich auch zu Oliver Stones Film „JFK“ (1991), der auf dem Buch von Jim Garrison basiert (von 1988, auf Deutsch 1992 als „Wer erschoss John F. Kennedy?“ erschienen). Stone gilt im Mainstream als Putin-Verteidiger, drehte Filme über Castro und ist wie Pierce Brosnan und Eric Clapton bei Events mit Robert F. Kennedy Jr. anzutreffen. Wir werden niemals alle Details berücksichtigen können, die von Bedeutung sein mögen. Es bringt auch wenig, in einem Artikel, einem Video oder gar einem Buch das nachzuerzählen, was andere bereits dargestellt haben.

Interview mit Robert F. Kennedy Jr.

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QAnon, Corona, Putin: Warum jeder falsch abbiegen kann

Warum geht es auf Social Media so heftig zu, warum werden so viele Personen in Schubladen gesteckt, ohne überhaupt den Kontext zu kennen? Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die meisten Menschen erst dadurch selbst zu Medienproduzenten wurden. Das ist ihnen oft nicht bewusst, wie ein Urteil gegen eine Userin zeigt, die einem Tweet teilte, in dem sich jemand über die von Katharina Nehammer angestrengten Verfahren gegen andere User empörte, die bloss mal ein Facebook-Posting mit einer falschen Behauptung teilten. Ende der 1990er Jahre gab es zunehmend mehr meist noch recht einfach angelegte Webseiten, darunter relativ wenig alternative Medien. Neu war, dass im Grunde jeder publizieren konnte, während zuvor teure Printprojekte gestartet werden müssten. Indem man zu anderen Inhalten und Quellen verlinkte, erweiterte sich der Raum und es wurde nachprüfbar, was gedruckt einfach behauptet wurde. Man konnte teils zu Artikeln posten, und außerdem gab es von früher noch Newsgroups zum Diskutieren. Ehe sich aber Blogtools verbreiteten, war selbst veröffentlichen eben doch nicht für jede und jeden geeignet, denn man brauchte auch mit Editoren gewisse Kenntnisse in Programmiersprachen. Nach der Zunahme von Blogs und auch parallel zu ihr kamen Facebook und Twitter auf, weitere Plattformen wie Instagram und Telegram folgten; außerdem wurde YouTube populär, wo schließlich auch viele alternativen Content kreieren.

Was ich hier kurz zusammenfasse, vollzog sich über einige Jahre, ich war seit der Zeit der Newsgroups dabei, als man sich noch mit pfeifenden Modems einwählen musste und online sein teuer war. Immer wieder reflektierte ich, was virtueller Raum mit uns macht, ob es neben vielen Chancen nicht auch Gefahren gibt. Mit Social Media und vielen Vloggern geht einher, dass wir dank Smartphones dauernd online sein können; zugleich sind SM und Videos für viele zur Hauptinfoquelle geworden. Es findet kaum mehr eine Trennung statt zwischen online mit PC, Mac oder Laptop und offline, wenn diese Geräte ausgeschaltet sind. Daher sind Reaktionen auch unmittelbar und meist emotional als Reflex; die Nachdenkphase fällt weg; zudem sind Menschen oft stärker rechts- als linkshemisphärig unterwegs, d.h. fühlen mehr und denken weniger nach. Man kann schwer etwas erklären, das andere nicht erlebt haben und das hilfreich ist beim Verständnis von Abläufen nicht nur in Politik und Verwaltung. Politische Tätigkeit war früher auch für Politiker selbst weit weniger öffentlich als heute. Nur wenige konnten ihre Positionen überhaupt publik machen, sei es, dass sie von Medien transportiert werden, sei es, dass man bei Veranstaltungen sprach oder mit einer Gruppe Flugblätter verfasste. Stets fehlte die Unmittelbarkeit, ausser wenn Ereignisse eine solche Dynamik hatten, ständig berichtet wurde. Heute aber verliert Kritik oft jede Verhältnismäßigkeit, weil der Stammtisch ja öffentlich ist, der über Politiker herzieht.

Will Sommer über QAnon

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Wir befinden uns im (Des-) Informationskrieg

Wahrheit ist komplex und einfach zugleich; es ist unmöglich, alles zu wissen, wenn vieles zugleich Thema ist. Eigentlich ist dieser Satz nichts Besonderes, und doch schaffen es nur wenige, auch danach zu handeln. Ablenkung droht permanent, wenn zur selben Zeit Krieg in der Ukraine, Hitze, Klima, Corona-Nachwehen, Migration, Vermögensverteilung, Korruption, Wahlen, die Situation in vielen Ländern usw. diskutiert werden. Es sind beste Bedingungen für Manipulation, die viele weder sofort noch später durchschauen.Warum reagieren wir, statt das Phone wegzulegen, statt mit anderen voll Emotionen darüber zu reden? Um etwas zu unterstützen oder zu verhindern, oder ist es – oder wird es – zur reinen Ego-Sache? Substanzlos wirken viele Politiker und einige scheinbar Kritische, die sich über eine Mainstream-Meldung erregen und dafür möglichst viel Aufmerksamkeit erhalten wollen. Zwischen zynischem Benutzen jedweden Anliegens für den eigenen Vorteil und erstaunlicher Naivität ist alles drinnen; wir verstärken das, wenn wir es nicht ignorieren, fürchten aber oft, dass Nicht-Kommunikation anderen erst recht Raum verschafft.

Schauen wir uns mal konkret an, wie Stimmungen erzeugt werden, denn jetzt halten sich Mitarbeiter von Jewgenij Prigoschins Trollfabriken nicht mehr an die Verschwiegenheitsverpflichtung, die sie unterzeichneten. Sie sprechen davon, dass Schauspieler vor der Kamera von Ukrainern attackierte Zivilisten darstellten. Sie verbreiteten nicht nur solche Videos auf Social Media, sondern lenkten auch mit Postings über Stars ab, wenn allzu sehr über den Krieg diskutiert wurde. Es gab immer wieder Fakes, in denen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskij Sätze unterlegt wurden, die sie nie sagten. Dass es sich um AI handelte, konnte man durch aus erkennen, wenn man mit Originalvideos verglich, und doch wird derlei von vielen Tausenden geteilt. In China posierte ein Mann als Soldat an der Front vor diversen Hintergründen für Social Media-Clips, wurde jedoch entlarvt, weil er mit Akzent sprach und eines der Bilder ein chinesisches und nicht ukrainisches AKW zeigte.

Täuschung im Krieg

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Wer ist Jewgeni Prigoschin?

Es geht kaum simpler und klischeehafter: Dem bösen Wladimir Putin steht der jetzt nicht mehr so böse Jewgeni Prigoschin gegenüber. So genau weiss man nicht, was passiert ist und wie es jetzt weitergeht; Prigoschin sagt, er wollte Wagner-Leute vor der Eingliederung in reguläre Truppen bewahren. Dabei kann man Prigoschin durchaus wie andere Oligarchen behandeln, es kommt halt bei den üblich komplexen Geschäften noch das mit der Gruppe Wagner hinzu. Man findet mit Leichtigkeit auch höchst detailreiche Infos, die umfangreicher sind als die meisten meiner Artikel. Medien verkürzen gerne die Geschichte von Wagner und tun so, aus sei die Söldnertruppe eine Gründung Prigoschins gewesen. Die Idee hatte aber der russische Generalstab nach einem Vortrag am Wirtschaftsforum in St. Petersburg 2010. Danach kämpfte ein Slawisches Korps in Syrien, dem Dmitri Utkin angehörte, dessen Kampfname Wagner war. Aus Resten dieses Korps wurde dann die Gruppe Wagner gebildet, Utkin war bis 2013 beim Militärgeheimdienst GRU und zwar bei der Speznaz (Spezialeinheiten). Manche betrachten Utkin als Neonazi, er soll einschlägige Tattoos aufweisen; andere bezeichnen ihn als slawischen Neopaganen wie viele andere bei Wagner.

Natürlich spielte Wagner eine Rolle in der Ukraine ab 2014; auch Utkin mischte mit und wurde dafür 2016 im Kreml mit einem Tapferkeitsorden ausgezeichnet (auch interessant, welche österreichischen Manager und Politiker damals den russischen Orden der Freundschaft erhielten). Dass Utkin bei dieser Gelegenheit mit Wladimir Putin fotografiert wurde, bedeutete Erklärungsbedarf für Kreml-Sprecher Dmitri Peskov. Man brachte Utkin 2017 bei Prigoschins Firma Concord Management and Consulting als CEO unter, deren Töchter Concord Catering und LLC Megaline sind. 2020 wurde jedoch berichtet, dass Utkin nicht mehr an sein Handy geht und aufgehört hatte, von Krasnodar nach St. Petersburg zu reisen. Prigoschin soll das Führen einer Söldnertruppe zu riskant erschienen sein, doch schliesslich war er dazu bereit. Bis zum September 2022, als Wagner eine repräsentative Zentrale in St. Petersburg eröffnete, leugnete er aber, der Chef von Wagner zu sein und klagte Medien, die das behaupteten. Wagner erinnert an die Fremdenlegion, da Einsätze in enger Abstimmung mit dem Staat und in seinem Auftrag erfolgen; Wagner ist an die GRU angebunden und operiert auch verdeckt und betreibt hybride Kriegsführung (siehe Gerassinow-Doktrin). Zugleich werden aber die Verhältnisse über Prigoschins Firmen verschleiert, die zunächst im Bereich Gastronomie entstanden sind. Es gibt auch noch Concord Catering; bei Management and Consulting fungierte von 2008 bis 2017 Mutter Violetta als Eigentümerin, danach sein Stiefvater Samuil Zharkoy, der 2022 verstorben sein soll. Violetta hält 50 % an LLC Megaline, einem Unternehmen, das in erster Linie von Bauaufträgen des Militärs profitiert und auch Fertigrationen für Soldaten anbietet. Im Februar 2014 wurde dem Verteidigungsministerium ein Vorschlag für eine Gesetzesänderung unterbreitet, um Megaline künftig bei Ausschreibungen zu berücksichtigen, der im April 2014 durch die Duma gewunken wurde. Der Sanktionen wegen wird nun betont, dass Violetta Prigoschina heute nicht mehr wirtschaftlich mit ihrem Sohn verbunden sei.

Medien im Putsch-Fieber

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Der ver(w)irrte Widerstand

Die Stadt Wien warnt gerade vor gefälschten Flugblättern, weil Desinformation die Bevölkerung in Angst versetzen kann. Man selbst sagte ja immer die Wahrheit etwa bei Corona mit besonders rigiden Massnahmen, nicht wahr? Tatsächlich wurde das bis März 2020 bestehende mehr oder weniger vorhandene Vertrauen der Menschen in ihre Umgebung erschüttert, das auch einigermaßen Sicherheit in gewohnte Abläufe beinhaltete. Spätestens nun setzte aber eine seither oft beklagte Spaltung ein, denn viele suchten sich ein neues Umfeld, weil sich andere in Panik versetzen liessen. Man konnte früh feststellen, dass eine Seite vor allem das Virus fürchtete und die andere die in seinem Namen ausgeübte Kontrolle. Längst aber gibt es auch im Bereich der Kritik und der mit ihr verbundenen Personen Entwicklungen, die nicht hingenommen werden sollten.

Man findet im Grunde genau die Mechanismen wieder, denen man entkommen wollte, indem man sich von Corona-Gläubigen anwandte. Es lässt sich mit vielen Beispielen illustrieren, aber der Aktualität wegen verwendete ich unten Statements von Anhänger:innen von Sucharit Bhakhi, die diesen Tenor haben: „Herr Professor, Sie haben mein Leben gerettet, ich habe mich deswegen nicht impfen lassen!“. Bhakdi stand wegen Verhetzung vor Gericht, weil er sich über Juden in einer Weise äusserte, die bei manchen schon den Verdacht weckt, dies sei antisemitisch gewesen. Es ist wirklich nicht nachvollziehbar, warum er solche Worte wählte, zumal man auch schlicht aus kritische Dokus aus Israel Bezug nehmen und erklären kann, wie die Impfung in diesem Land umgesetzt wurde.

Bhakdi-Anhänger

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Russland und Ukraine im Labyrinth der Lügen

Man kann jederzeit ansetzen, wenn man ergründen will, was wirklich gespielt wird. Die meisten Leute lassen sich jedoch lieber von einzelnen Details einlullen, auf die sie wie getriggert reagieren. Zum Beispiel, wenn Exxpress.at meldet, dass die Ukraine dem in Wien lebenden Oligarchen Dmytro Firtash vorwirft, zwischen 2016 und 2022 Gas im Wert von 450 Millionen Euro gestohlen zu haben. Man zitiert eine Erklärung von Firtashs Firma, wonach dies bolschewistische Praktiken seien, vergisst aber zu erwähnen, dass Exxpress Eva und Alexander Schütz gehört. Letzterer ist nicht nur Geschäftspartner von Sebastian Kurz, sondern auch Vermieter von Firtash, was ihn mit Siegfried Wolf verbindet. Ausserdem setzte sich Schütz für Wirecard ein, wo Firtash über Jan Marsalek, der 2020 nach Moskau flüchtete, ein Konto erhielt; Bedenken hatte man bei Wirecard wegen Firtashs Verbindungen zur russischen Mafia; die USA möchten Firtashs Auslieferung. Man kann sehr vieles selbst rekonstruieren, hat aber das Problem, dass beispielsweise das Publikum von Daniele Ganser oder auch viele, die eifrig Corona-Demos besuchten, die Ohren runterklappen.

Kürzlich fand an der Uni Basel eine Diskussion über Gansers Methoden statt, die viele zutreffende Feststellungen beinhaltete, über die man jedoch hinausdenken muss. Denn das Bild ist viel grösser, als dass es Leute gibt, die nach Harmonie streben und zu einer „Menschheitsfamilie“ gehören wollen, sodass sie meist recht banalen Aussagen Gansers folgen. Im Rahmen der „Menschheitsfamilie“ werden Auftritte von Gerhard Huber, Ulrike Guerot, Andreas Sönnichsen, Gudula Walterskirchen und auch Monika Donner angeboten. Die anwesenden Professoren (und ein Journalist) bauten unbewusst eine Mauer zum eigenen Verständnis ein, indem sie akademische Beschäftigung mit Osteuropa und Russland fast als Bedingung fürs Durchschauen hinstellten; zweifellos erfüllt Ganser dieses Kriterium nicht. Sie meinten zu Recht, dass Russland bei den meisten Menschen nicht auf dem Schirm ist, sodass auch nicht weiter auffällt, dass Ganser nichts zur Unterdrückung der Opposition sagt. Die Leute folgen daher einem Narrativ, das russischen Imperialismus ausblendet und die Entwicklung seit 2000 nicht kritisch reflektiert. Freilich gilt dies auch für Menschen, die keine Putin-Trolle sein möchten und Ganser reserviert gegenüberstehen (ohne so genau zu wissen, warum sie ihn ablehnen).

Diskussion an der Uni Basel

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