Archiv für den Monat Mai 2016

Kern, Van der Bellen und die Frauen

Die Politik scheint im 21. Jahrhundert angekommen zu sein: die Gattin des neuen Kanzlers ist Unternehmerin und legt Wert darauf, sich nicht als Kanzlergattin zu betrachten; die Ehefrau des zukünftigen Bundespräsidenten ist Geschäftsführerin des grünen Parlamentsklubs und hat vor, dies auch zu bleiben. Doch da Mainstream-Medien darauf bedacht sind, entsprechende Bilder von Eveline Steinberger-Kern und Doris Schmidauer zu schaffen, ist Skepsis angebracht.

Bisher spielten Ehefrauen nur dann in der Berichterstattung eine Rolle, wenn sie ihre Männer begleiteten oder wenn es um die Frage ging, wie sie mit Belastungen umgehen, die der Job des Mannes mit sich bringt. Martina Faymann war manchmal selbst in den Medien, jedoch weniger als Landtagsabgeordnete der SPÖ in Wien denn als Vorsitzende des Vereins Wiener Frauenhäuser (eine Aufgabe übrigens, der sie sich mit Engagement widmete). Sie stand am inzwischen negativ berühmten 1. Mai 2016 auf der Bühne vor dem Rathaus, als Werner Faymann während seiner Rede mittels organisiertem Protest ausgebuht wurde.

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„Österreich“ am 15. Mai 2016 nach Faymanns Rücktritt (am 9.Mai)

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Kein Kern-Effekt für die SPÖ

Zwar hat die SPÖ seit zwei Wochen einen neuen Kanzler und zukünftigen Parteichef, doch der Kern-Effekt bleibt aus. In Umfragen liegt die Partei weiterhin deutlich hinter der FPÖ, da sie gerade mal ein Prozent dazugewonnen hat. Auch die Beliebtheitswerte von Christian Kern können nicht mit jenen von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz mithalten, zumal Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) Kern auch dicht auf den Fersen ist.

Doskozil wäre die österreichische Alternative zum Transatlantiker Kern gewesen, den KritikerInnen (besonders dort angesiedelt, wo „Linke“ von „rechtsextrem“ sprechen) wenig schmeichelhaft auch als „Schlepper“ bezeichnen, weil er als ÖBB-Chef weit mehr getan hat als „refugees“ durch Österreich zu transportieren. Freilich wurde Kern bereits im Herbst 2015 im transatlantischen „profil“ gerade der „Schlepperei“ wegen zum „Kanzler der Herzen“ gekürt.

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Kern zu Besuch in der Parteizentrale – wie der ÖBB-Chef mit MitarbeiterInnen

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Ablenkungsmanöver nach der Wahl

Nach der Bundespräsidentenwahl untersuchen die einen Einzelergebnisse und entdecken immer mehr Unregelmässigkeiten, während andere eifrig mit Ablenkungsmanövern beschäftigt sind. Da wird spekuliert, ob Norbert Hofers Kater auf Fotos dazumontiert wurde und unterstellt, dass Hofer-Fans den (vorläufigen?) Sieger Alexander Van der Bellen bedrohen, sodass er Personenschutz braucht.

Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten bei Postings: a) sie stammen von realen Personen, die tatsächlich Hofer gewählt haben b) es sind Fake-Accounts, mit denen eine diesen Leuten in die Schuhe geschobene Gefährdung suggeriert wird c) Bellen-Fans, die gefangen sind in ihrer irrealen Weltsicht, wollen die andere Seite damit provozieren. Doch WählerInnen, für die der Sonntagabendkrimi zumindest manchmal gewohntes Ritual ist, sind damit überfordert, mehrere Erklärungsmuster auch nur als Hypothese zuzulassen. Ablenkungsmanöver nach der Wahl weiterlesen

Was wäre, wenn Hofer gewonnen hätte?

Der knappe Sieg von Alexander Van der Bellen bei der Bundespräsidentenwahl ist für eine Hälfte der WählerInnen ein Triumph über Norbert Hofer, für die andere aber ein Beweis dafür, dass man mit Wahlen nicht das Geringste ändern kann. Nur wenigen ist aber bewusst, dass man die bei einem Sieg Hofers zu erwartenden Proteste auch instrumentalisieren kann, um einen „regime change“ durchzuführen.

Wenn wir nach Frankreich blicken, zwei Wochen vor der Fußball-EM, wird dort inzwischen sogar die Stromzufuhr zu den Kernkraftwerken gekappt, man sieht auf Fotos Gewerkschafter in entschlossener Pose. Auf den Strassen wird demonstriert bzw. eigentlich schon gekämpft, weil die „Nuit Debout“-Proteste, bei denen viele Tausende die Nächte durch auf Plätzen miteinander diskutierten, längst entglitten sind. Bei näherer Betrachtung passt diese Bewegung nämlich ins Farbrevolutionsschema, das Gene Sharp für die CIA entwickelt hat. Was wäre, wenn Hofer gewonnen hätte? weiterlesen

Wie Hinterwäldler wählen

Es gibt ein Gefälle zwischen Stadt und Land, zwischen Frauen und Männern, zwischen Gebildeten und weniger Gebildeten… die Liste liesse sich endlos fortsetzen, mit der unterstellt wird, dass sich seit dem Wahlkampf tiefe Gräben durch die österreichische Bevölkerung ziehen. Dabei ist Vorsicht angebracht, weil die Spaltung der Mehrheit notwendig ist, damit eine kleine Minderheit ihre Agenda durchziehen kann.

Mittlerweile werden auch „Risse in den Großstädten“ seziert, weil der „unabhängige“ Grüne Alexander Van der Bellen doch nicht in jedem urbanen Bereich deutlich vor Norbert Hofer von der FPÖ liegt. RedakteurInnen des „Standard“, dessen Herausgeber bei keinem Bilderberger-Treffen fehlen darf, schwärmen aus, um „offene Typen“ im Salzkammergut „trotz Gebirge“ aufzuspüren. Beliebt ist auch, Hofer-WählerInnen „Abstiegsängste“ zu unterstellen, was aber zumindest gegen die „Abstiegsängste“ derjenigen hilft, die ohne das Erstellen derartiger Diagnosen vielleicht arbeitslos wären.

Auf der einen Seite ist es wichtig, die Bevölkerung zu spalten und die einen glauben zu machen, sie seien den anderen ihres Wahlverhaltens wegen überlegen. Auf der anderen Seite hat man aber auch Erklärungs- oder besser Desinformationsbedarf gegenüber dem Ausland, etwa in Deutschland. Wie praktisch, dass sich jederzeit „ExpertInnen“ für ein wenig Aufmerksamkeit bereitfinden, auf einen Teil der Leute hinzutreten, was immer begeistertes Publikum findet, aber auch empörte Reaktionen auslöst.  Bernhard Heinzelmaier vom breit geförderten Institut für JugendkulturInstitut für Jugendkultur spricht etwa von der „Rohheit des ungebildeten Mannes, der in Feindbildern denkt und von inhumaner Macht angezogen wird“ und dessen „Bildungsferne“ immer wieder betont wird.

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Politik auf dem Land: Fototermin von Landesrat Norbert Darabos (SPÖ)

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Ist Österreich wirklich gespalten?

Nach dem knappen Ergebnis der Bundespräsidentenwahl ist viel die Rede von „Gräben“, die man jetzt zuschütten sollte. Allerdings ist die Botschaft bei den meisten noch nicht angekommen, die sich etwa als UserInnen auf Facebook an der Auseinandersetzung beteiligt haben. Dazu trägt auch Berichterstattung bei, die vor und nach der Wahl transatlantisch geprägt ist. Manche bekannt gewordene Details bei den Wahlergebnissen, wo zuerst die Stimmen in den Wahllokalen und dann jene ausgezählt wurden, die per Briefwahl kamen, werfen die Frage auf, ob die OSZE nicht WahlbeobachterInnen entsenden hätte sollen.

Es gab im zweiten Wahlgang bei nur zwei Bewerbern mehr ungültige Stimmen als in ersten, bei dem zwischen sechs Namen auszuwählen war. „Dezentral“ wäre Manipulation möglich, gibt sich die FPÖ-nahe Webseite unzensuriert.at zurückhaltend und zugleich spekulativ. Während der Auszählung der Briefwahlstimmen gab die „unabhängige“ Bellen-Initiative am 23. Mai um 14 Uhr bekannt, dass ein Pressestatement im Palais Schönburg abgegeben wird; um 14:24 Uhr sandte die FPÖ aus, dass Hofer am nächsten Tag vor die Medien tritt – damit war klar, wie es ausgehen wird.

Seltsamer Weise sperrte die deutsche Facebook-Zensurstelle (eine Bertelsmann-Tochter im Auftrag des Justizministeriums) den Account von Anonymous unmittelbar nach einer Wahlempfehlung für Norbert Hofer. Ging es hierbei um die 2 Millionen AbonnentInnen, von denen ein Gutteil ÖsterreicherInnen vielleicht ihre Entscheidung überdacht hätte? Jedenfalls sind öffentliche Erklärungen für Hofer selten gewesen, sieht man von Sympathiebekundungen seitens der FPÖ mal ab.

Erste Rede im Garten eines Wiener Palais a la Obama im Rosengarten des Weißen Hauses

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Willy Wimmers Wahlkommentar

Mit 50,3 Prozent der Stimmen versus 49,7 Prozent für Gegenkandidat Norbert Hofer hat Alexander Van der Bellen die Bundespräsidentenwahl gewonnen. Bis zum Nachmittag des 23. Mai war wegen der Auszählung der Briefwahlstimmen nicht sicher, wer das Rennen machen wird. Klar ist, dass sich zwei Lager gegenüber stehen – ein Establishment, das von Künstlern über Medien alles mobilisiert, und eine Protestpartei, deren Kandidat es beinahe geschafft hätte, obwohl nichts unversucht gelassen wurde, um ihn ins Eck zu stellen. Willy Wimmer analysiert, was dieses Ergebnis über Österreich hinausgehend bedeutet:

Jetzt beklagen alle und unisono einen Rechtsruck in Österreich und in EU-Europa. Mit dem berühmten Finger zeigen dabei die auf andere, die Wettbewerber sind und nichts besseres zu tun haben. Das alles verdeckt aber eine zentrale Frage: was hat eigentlich die Christdemokraten und Sozialdemokraten in Österreich und nicht nur dort getrieben, sich so meilenweit von den Bürgern und den Wählern zu entfernen, daß diese in Scharen zu denen überlaufen, die man nicht so genau kennt? Was legitimiert die etablierten Parteien, ihr eigenes Versagen durch politische Verleumdungen an die Adresse der Emporkömmlinge zu kompensieren?

bellenobamaBellen ist Obama?`Wahlkampf in Wien

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Wer wird Bundespräsident?

Ohne Wahlkarten liegt Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer mit 1.937.863 Stimmen deutlich vor Alexander Van der Bellen mit 1.793.857 Stimmen laut Innenministerium. Der ORF macht daraus aber einen knappen Sieg Van der Bellens mit 2.208.533 versus 2.205.456 Stimmen für Hofer. In den Sendungen des ORF wird kein einziges Mal auf die bereits ausgezählten Stimmen hingewiesen; dass das eigene Ergebnis auf einer eigenen Hochrechnung basiert ist nur das Kleingedruckte.

In der ORF-Berichterstattung ist davon die Rede, dass Hofer zunächst selbst in der eigenen, vom Institut Sora durchgeführten Hochrechnung vornelag; dann stand es 50 zu 50 % und schliesslich geht Bellen mit einem hauchdünnen Vorsprung ins Ziel. Wie übiich wird zu den Wahlwerbenden geschalten, wo auch das ORF-Publikum erleben konnte, wie FPÖ-Wahlkampfleiter Herbert Kickl auf die ganz anderen Zahlen des Innenministeriums verwiesen hat, die der ORF nicht berücksichtigt. Hingegen sprach der Wahlkampfmanager des „unabhängigen“ Grünen Van der Bellen Lothar Lockl mehrfach von einem „Fotofinish“ und wurde von der wegen des zunächst gemeldeten Hofer-Vorsprungs sichtlich nervösen Helma Poschnar interviewt.

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ORF-Grafik zur Wahl, die immer wieder eingeblendet wird

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Kanzler Kern: Top oder Flop?

Seit dem 17. Mai um 17 Uhr ist Christian Kern österreichischer Bundeskanzler; zu seinen ersten Aussagen gehörte ein Rundumschlag gegen die bisherige Politik, der auch die Opposition eingeschlossen hat. Geradezu schwärmerisch sind viele Reaktionen auf ihn, obwohl er inhaltlich bislang wenig konkret ist. Diskutiert wird auch die Regierungsumbildung, und da vor allem die Bestellung der Muslima Muna Duzdar zur Staatssekretätin.

Aus der Sicht der Klubobmänner von SPÖ und ÖVP, Andreas Schieder und Reinhold Lopatka bieten sie selbst kein „Schauspiel der Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit“. Lopatka hatte zunächst Kerns Perfomance als ÖBB-Chef kritisiert, übt sich jetzt aber in Zurückhaltung, während es andere ähnlich sehen: „Es gibt jedoch auch ÖVP-Mandatare, denen ‚die Selbstbeweihräucherung‘ des ÖBB-Chefs mit dem Steuergeld der privaten Unternehmer gehörig gegen den Strich geht. Sie ernten dafür ebenfalls Zuspruch im ÖVP-Klub.“ Kanzler Kern: Top oder Flop? weiterlesen

Christian Kern, die Projektionsfläche

Die einen schreiben dem designierten Kanzlernachfolger Christian Kern geradezu messianische Eigenschaften zu, während andere ihn vor allem als Intriganten sehen, weil er Kanzler Faymann offenbar kalkuliert gestürzt hat. Da Kern selbst bislang schweigt, handelt es sich sowohl bei positiven als auch bei negativen Bewertungen auch um Projektionen.

Am 18. Mai tagt das Parlament, und hier wird Christian Kern – frisch vom Bundespräsidenten angelobt – seine erste Rede in neuer Funktion halten. Zuvor wird der SPÖ-Parteivorstand am 17. Mai zusammentreffen und hier ebenfalls erstmals mit Kern sprechen. Auf ihn festgelegt hatte man sich aber de facto bereits am 10. Mai, als sich mehrere Landesparteivorstände für ihn entschieden und damit die anderen unter Zugzwang brachten. Christian Kern, die Projektionsfläche weiterlesen