Archiv für den Monat Dezember 2015

Politik als Paarlauf

Noch gibt es nur eine Bewerberin für das Amt des Bundespräsidenten, doch zu Jahresbeginn werden sich die anderen Kandidaten deklarieren. Da ein wahrscheinlicher Bewerber, der Grüne Alexander Van der Bellen, kürzlich zum zweiten Mal geheiratet hat, werden Politik und Beziehungen im Blickpunkt der Medien, aber auch v0n UserInnen in Foren und in sozialen Medien stehen. Wie klischeebehaftet die Verbindung Politik und Privates sein kann, sieht man an der Berichterstattung über Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine.

Die beiden PolitikerInnen der Linkspartei waren ein paar Jahre zusammen (waren jedoch noch mit anderen PartnerInnen verheiratet), ehe sie sich scheiden ließen und einander heimlich heirateten. Dies geschah im Dezember 2014, fand jedoch erst im März 2015 den Weg in die Medien. Diese zogen dafür dann alle Register, als ob es sich bei dem „Politik-Traumpaar“ um Stars handeln würde. (1) „Ganze 26 Jahre Altersunterschied liegen zwischen Oskar Lafontaine und seiner Sahra Wagenknecht, und zusammen bringen sie es tatsächlich auf vier Ehen. Ist es schlichtweg Liebe am Arbeitsplatz oder steckt die ‚Erotik der Macht‘ hinter der ungewöhnlichen Polit-Paarung? Und wie stehen ihre Noch-Ehepartner zu dem scheinbar plötzlichen Outing?“, schrieb vip.de, als die Beziehung bekannt wurde. (2)

„Kritiker fanden das Liebesgeständnis des Paares haarsträubend, aber jeder der die beiden bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt beobachtet hat, konnte sehen, dass das Liebe sein muss“, heisst es. Daher hat sich  „das neue Traumpaar der Linken“ beim Landesparteitag in Saarbrücken, wo Lafontaine Vorsitzender der Fraktion der Linken ist, „selbst geoutet, bevor jemand anders ihnen zuvor gekommen wäre“. Lafontaine sagte:  „Der eine oder andere wird sich gewundert haben, dass Sahra heute unser Gast ist, das hat einen ganz einfachen Grund: Ich lebe seit einiger Zeit getrennt und bin seit einiger Zeit eng mit Sahra befreundet. Das war’s dann auch, und mehr habe dann dazu auch nicht zu sagen.“ Er sei „schon lange Mentor“ von Wagenknecht gewesen, wird als Erklärung hinzugefügt.

Dass Wagenknecht bei der Hochzeit 45 war und Lafotaine bereits 71, bietet natürlich Stoff für weitere Artikel im Stil von „Diese Politiker lieben jüngere Frauen“. (3) Der „Focus“ versucht sich (schein) wissenschaftlich, indem er behauptet, dass jüngere Partnerinnen das Leben von Männern verlängern, während Frauen mit jüngerem Partner früher sterben. Fast bedauernd wird aber festgestellt, dass im deutschen Durchschnitt die Frau 2,8 Jahre jünger ist als der Mann. (4) Solche Stories erwecken den Eindruck, dass Politiker sich nie oder fast nie zu Gleichaltrigen hingezogen fühlen; jedenfalls fühlt sich niemand bemüßigt, entsprechende Fälle zu erwähnen. Als Trost für alle, die nicht ins Klischee-Schema passen, zitiert „Focus“ einen Psychologen: „Menschen wählen sich nicht aus, weil sie das gleiche Alter haben, sondern weil sie gemeinsame Lebens- und Liebesthemen haben.“

Die „Welt“ entscheidet sich für einen anderen Aufhänger, weil Lafontaine jetzt bereits zum vierten Mal geheiratet hat: „Sie erwarten jetzt Schadenfreude? So ein kräftiges Sozialistenbashing nach dem Motto ‚Typisch für die moralische Verkommenheit der Kommunisten?‘ Das werden Sie nicht bekommen. Denn hinter der Zahl Vier steckt Drama. Unvorstellbar viel Drama. Zerschmissene Vasen, geöffnete Briefe, ausspionierte Handys, enttarnte Geheimnisse. Und warten. Warten auf Zuwendung, auf Verständnis, auf Neuanfang, aufs Nachhausekommen. Warten, warten, warten.“ (5)

Aus irgendeinem Grund bringt die „Welt“ Lafontaines Agieren mit seinem ursprünglichen Beruf in Verbindung: „Physiker sind die Rationalsten unter den Menschen. Sie gehören außerdem zu den Klügeren unter den Menschen. Sie sind darauf trainiert, zu beobachten und aus dem Konkreten auf das Allgemeine zu schließen, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Ganz sicher hat Oskar Lafontaine sich bei allem, was er bisher auf dem Standesamt und später vor dem Zivilgericht tat, genau beobachtet. Er hat sich lieben und hassen sehen, er hat sich ewige Treue schwören und seine eigenen Schwüre brechen sehen. Der Naturwissenschaftler in ihm hat längst verstanden, dass er dem Menschen in ihm nicht hundertprozentig vertrauen kann.“

Bekanntlich ist auch Angela Merkel Physikerin, verhält sich aber mit ihrem Flüchtlingshype vollkommen irrational, den übrigens bei den Linken vor allem Wagenknecht und Lafontaine kritisieren. Der Parteivorstand ist im Konflikt mit dem früheren Parteichef Lafontaine und der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Wagenknecht, denn beide sind für eine Begrenzung der Flüchtlingsanzahl in Europa. (6)

Während bei Alexander van der Bellen und der Geschäftsführerin des grünen Parlamentsklubs Doris Schmidauer die Zeitung „Kurier“ unmittelbar nach der Hochzeit davon erfahren hat, dauerte es bei Wagenknecht und Lafontaine drei Monate: „Die standesamtliche Trauung der beiden Politiker der Linkspartei habe bereits am 22. Dezember in aller Stille in der saarländischen Stadt Merzig stattgefunden, berichtete die Zeitung „Bild“ in ihrer Samstagsausgabe. ‚Ja, es stimmt, wir haben geheiratet und wir sind sehr glücklich‘, bestätigte Wagenknecht dem Blatt. Die Trauung fand demnach unter Ausschluss der Öffentlichkeit in kleinem Kreis statt. Mit dabei gewesen seien nur die engsten Vertrauten des Paares. Getraut wurden die beiden nach ‚Bild‘-Informationen zwei Tage vor Heiligabend von Merzigs Bürgermeister Marcus Hoffeld (CDU) persönlich, um die Verschwiegenheit über die Zeremonie sicherzustellen.“ (7)

Die „FAZ“ schreibt weiters: „Ihre Namen haben beide behalten. ‚Es besteht keine Gefahr, dass künftig eine Sahra Lafontaine oder ein Oskar Wagenknecht irgendwo auftauchen‘, sagte Wagenknecht der ‚Bild‘. In der Traurede sprach Hoffeld der Zeitung zufolge über die Balance zwischen Politik und Privatleben. In ihren Internet- und Facebook-Auftritten schweigen sich beide über ihr Privatleben und ihre Beziehung übrigens aus.“ Sieht man sich die Webseiten der beiden an, kommt der jeweils andere tatsächlich nicht vor. (8) Sie geben Interviews wie Wagenknecht der „Tagesschau“ (9) oder halten Reden wie Lafontaine im November dieses Jahres zum Thema „Alternativen für eine echte Friedens- und Sicherheitspolitik in Europa“ (10); auch Wagenknechts Auftritte im Bundestag sind sehenswert. (11) Man muss länger suchen, bis man etwas über Wagenknecht und Lafontaine als politisches Paar findet, bei dem auf Klischees verzichtet wird; nicht von ungefähr ist es ein Artikel in einer regional erscheinenden Zeitung.

Die „Mainpost“ bezeichnet sie als „gutes Team“ und zitiert Lafontaine: „Nein, wir wollen nicht nur noch als Paar wahrgenommen werden“, sagt Oskar Lafontaine „sehr charmant und sehr bestimmt“. Es hat wohl damit zu tun, dass entsprechende Interviews sich darauf konzentrieren würden, wer von ihnen kocht. Die „Mainpost“ will aber wissen, „wie es ist, als Paar im gleichen Job, für den gleichen Verein zu arbeiten. Es wäre schon faszinierend zu erfahren, wie es die beiden klären, wenn sie in einer politischen oder parteilichen Frage unterschiedlicher Meinung sind. Sie zu fragen, ob sie gegenseitig ihre Auftritte bewerten. Oder ob es manchmal nervt, dass die Arbeit immer mit daheim ist. Aber diese Seite des Teams Wagenknecht/Lafontaine kennen wohl nur wenige.“ Auch so gewinnt man aber einen Eindruck von ihnen, und dieser scheint positiv zu sein, wobei zu Lafontaine angemerkt wird, dass er „die Größe“ hat, „eine so starke, populäre Frau an seiner Seite akzeptieren zu können. Und die Herausforderung, nach ihr ans Rednerpult zu treten, nimmt er gerne an. Wagenknecht legt nämlich einiges vor. Das muss erst mal jemand toppen, auch wenn er einige Jahre länger im Politgeschäft ist.“ (12)

Wagenknecht wird vom Mainstream meist mit Begriffen belegt, gegen die sich dann UserInnenpostings (wo es noch Kommentarforen gibt) zur Wehr setzen. Als „freie Radikale“ porträtierte sie die „Zeit“ im Juli 2014, was LeserInnen damit quittieren, dass Wagenknechts Positionen keineswegs radikal seien, sie halt keine „Marionette“ wie Merkel ist. Man hängt ihr gerne das Mäntelchen der einst unzugänglichen, aber hochintelligenten Politkerin; dabei hat sie von Lafontaine gelernt, damit umzugehen, dass in einer Partei manche einfacher gestrickt und naiver sind, man dies andere aber nicht spüren lassen sollte.

„Sahra Wagenknecht ist ein Star, ihre Strahlkraft reicht weit in die bürgerlichen Kreise. Die Feuilletons konservativer Zeitungen feiern ihre Belesenheit, selbst die Wirtschaftszeitung Handelsblatt berichtete in einer achtseitigen Titelgeschichte über sie. Nicht einmal die Gala schreckt vor dieser Kommunistin zurück, die Illustrierte veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Fotostrecke, für die Wagenknecht zurechtgemacht war wie die berühmte mexikanische Malerin Frida Kahlo. Der Playboy zeigte zwar keine Bilder von ihr, platzierte sie aber auf Platz zwei einer Rangliste der begehrenswertesten Politikerinnen“, schreibt die „Zeit“. (13) Schliesslich werde kein anderer deutscher Politiker „so oft in Talkshows eingeladen wie sie. So prägt Wagenknecht auch ohne Spitzenamt das öffentliche Bild ihrer Partei. Wie Emily, die geflügelte Dame auf dem Kühler des Rolls-Royce, verleiht sie der Linken ein interessantes Äußeres, ohne auf Kurs oder Tempo Einfluss zu nehmen. Vermutlich ist sie sogar gerade deshalb so beliebt.“

Freilich vergisst die Verfasserin des Artikels, dass man Wagenknecht nicht in Fernsehsendungen holt, um ihr eine Bühne zu bieten, sondern in der Hoffnung, sie vorführen zu können. Stattdessen bringt sie Episoden wie diese: „‚Heute hab ich zum ersten Mal einen Gast, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird‘, sagt der Fernsehmoderator Erwin Pelzig fröhlich, als er Wagenknecht in seiner Sendung begrüßt. Es klingt, als stelle er eine Person mit besonders interessantem Hobby vor. ‚Ich hab schon überlegt, ob wir Plätze freihalten sollen für die Herren‘, frotzelt er.“ Lafontaine verbindet mehr als Wagenknecht mit Personen aus anderen Bereichen des politischen Spektrums das Eintreten für ein souveränes Deutschland und für Unabhängigkeit von den USA über Parteigrenzen hinweg. Er ist jener aktive Politiker, dem der Kohl-Weggefährte Willy Wimmer (CDU) höchste Wertschätzung entgegenbringt und der sich vor Jahren mit Peter Gauweiler (CSU) anfreundete, was ihm auch Kritik von ganz links einbrachte. (14)

Zwar ist Wagenknecht fraglos kompetent, eloquent und couragiert, doch sich als Frau politisch durchzusetzen ist immer noch schwieriger; zudem ist parteiübergreifende Bündnispolitik etwas, das Männer, nicht aber Frauen gelernt haben. Der gegenseitigen Wertschätzung von Lafontaine, Wimmer und Gauweiler steht entgegen, dass Politikerinnen in Österreich bislang nur selten gemeinsame Anliegen vor Parteiräson gestellt haben. So kamen zwar – als Initiative von SPÖ, ÖVP und Grünen – die „Töchter“ in die Bundeshymne; darüber hinausgehende Frauensolidarität sucht man aber vergebens. Ohne spekulieren zu wollen, wie sehr die Beziehung zu Lafontaine Wagenknechts Position in der eigenen Partei und in der Politik beeinflusst, ist doch vorstellbar, dass sie deswegen nicht weniger hart, sondern eher noch härter arbeiten, sich noch mehr beweisen muss.

Wahrscheinlich wird es im Jänner eine Regierungsumbildung geben, zu der es im „Standard“ heisst: „Bei den Planspielen in der SPÖ wird immer wieder Beamtenstaatssekretärin Sonja Steßl genannt, die bei Faymann sehr gut angeschrieben sei und für alle möglichen Jobs genannt wird.“ (15) Dass Steßl jung und blond und offenbar für mehrere Ressorts im Gespräch ist, verleitet einige UserInnen dazu, Unterstellungen bezüglich ihres „Mentors“ zu machen. Es wird auch zu einem Video von einem Auftritt der Staatssekretärin in der „Zeit im Bild“ verlinkt, das sie zwar nicht eigenständig wirken lässt; es gibt aber noch ganz andere Performances von SPÖ-Politikerinnen. (16) Wenn selbst über Hochzeiten von PolitikerInnen klischeehaft berichtet wird, ist es natürlich kein Wunder, dass Frauen in der Politik nach wie vor damit rechnen müssen, dass ihnen anderes Verhalten als Männern nachgesagt wird.

Auch als bekannt wurde, dass Alexander Van der Bellen (72) Parlamentsklub-Geschäftsführerin Doris Schmidauer (52) geheiratet hat, gingen die Wogen unter den UserInnen hoch. (17) Da wurde bewusst übersehen, dass Schmidauer keinesfalls Sekretärin ist, ergo auch nicht das Klischee von „Sekretärin verführt Chef“ zutrifft. Freilich war Van der Bellen einmal Schmidauers Chef, bis er 2008 das Amt des Klubobmannes und des Parteichefs an Eva Glawischnig übergab. Doch auch in anderen Arbeitsumfeldern werden Betroffene mit ähnlichen Konstellationen professionell umzugehen wissen, sodass man es in diesem Fall ebenso erwarten kann. „Polit-Doyen heiratete Freundin“, schrieb „Österreich“ am 30. Dezember 2015 und verrät, dass Schmidauer bereits 1990 als Referentin des Abgeordneten Peter Pilz (der jetzt Van der Bellens Kandidatur verkündete) anheuerte.

Sie sei neben Glawischnig Van der Bellens „wichtigste Mitarbeiterin“ gewesen, als er Parteichef war. „Neue First Lady für Grünen Van der Bellen“ titelte „Heute“ am 29. Dezember zu einem kurzen Artikel, weil die Grünen keine Details bekanntgegeben haben.
Wirken Lafontaine und Wagenknecht sehr dynamisch, ist von Van der Bellen selbst wenig zu hören, wie auch sein Wikipedia-Eintrag deutlich macht (der eben um zwei Zeilen zum Privatleben ergänzt wurde): „Am 14. Juni 2012 gab er bei einer Pressekonferenz bekannt, vom Nationalrat in den Gemeinderat zu wechseln. Die offizielle Angelobung erfolgte im September 2012 bei der ersten Gemeinderatssitzung nach der Sommerpause. Im Jänner 2015 wurde bekannt, dass er sich mit Ende der Legislaturperiode aus der Wiener Kommunalpolitik zurückziehen werde. Seit August 2014 wird Alexander Van der Bellen als Kandidat für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten gehandelt. Er selbst sagte darauf, frühestens ein halbes Jahr vor der 2016 anstehenden Wahl etwas dazu sagen zu wollen. Die Grünen ließen im November 2014 bereits die Domain vdb2016.at für eine allfällige Präsidentschaftskandidatur Van der Bellens reservieren.“ (18)

Dass Van der Bellen in den Wiener Gemeinderat wechselte, ist auch an vielen politisch Interessierten spurlos vorübergegangen, da er dort wenig von sich reden machte. Auf Youtube findet man seinen letzten Auftritt im Gemeinderat im Herbst 2015 (mit sehr leisem Ton) und seinen Abschied aus dem Parlament 2012. (19) Im Mai 2015 war er in der Fernsehsendung „Bei Stöckl“ zu Gast und wurde da als möglicher Kandidat bei den Bundespräsidentenwahlen gehandelt; sein Part war es, über die Rolle „der Alten“ in der Politik zu sprechen. (20) Relativ aktuell, da am 11. November 2015 online gestellt, ist sein Auftritt beim Nachhaltigkeitstag an der Universität für Bodenkultur. (21) Die Wiener Grünen, für die er ja drei Jahre im Gemeinderat saß, bewerben auf ihrer Webseite sein Buch „Die Kunst der Freiheit“. (22)

In einem kurzen Interview dazu bei der Buchwoche tritt Van der Bellen gegen nationale Souveränität auf und wünscht sich, dass Europa „ein echter Staat“ wird, statt „mit 28 Landeshauptleuten“ ausgestattet zu sein, die „recht und schlecht durch die Krise führen“. (23) Mit dieser transatlantischen Position passt er sowohl in die heutigen Grünen, aus denen alle vertrieben wurden, die nicht auf US-Linie sind, als auch in die SPÖ, aus der er ja stammt. Hat auch die merkwürdig zögerliche Kandidatur – samt dazu passender Eheschliessung, von wegen „First Lady“ etwas damit zu tun? Was „Politik als Paarlauf“ betrifft, scheint jedenfalls eher Lafontaine als Van der Bellen Vorgaben zu machen. Es sei auf die Beschreibung der „Mainpost“ verwiesen, die Lafontaine die „Größe“ zugesteht, eine „starke, populäre Frau an seiner Seite“ zu haben, mit der man(n) argumentativ erstmal mithalten können muss. Die deutschen Grünen sind übrigens ebenso entpolitisiert wie die österreichischen, wie man an diesen Videos gut erkennen kann. (24)

(1) http://www.gala.de/stars/news/sahra-wagenknecht-oskar-lafontaine-heimliche-hochzeit_1228816.html
(2) http://www.vip.de/cms/lafontaine-und-wagenknecht-neues-politiktraumpaar-931137.html
(3) http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.wie-wagenknecht-und-lafontaine-diese-deutschen-politiker-lieben-juengere-frauen.30a7238d-0ad7-4cda-9372-27960e77f8a0.html
(4) http://www.focus.de/politik/deutschland/tid-24166/oskar-lafontaine-und-sahra-wagenknecht-eine-juengere-partnerin-verheisst-ein-laengeres-leben_aid_683889.html
(5) http://www.welt.de/vermischtes/article138729883/Oskar-Lafontaine-hat-wieder-geheiratet-Warum-nur.html
(6) http://frankfurter-erklaerung.de/2015/12/fluechtlingskontingente-linke-vorstand-stellt-sich-gegen-wagenknecht-und-lafontaine/
(7) http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/geheime-hochzeit-oskar-lafontaine-und-sahra-wagenknecht-haben-geheiratet-13497210.html
(8) http://www.oskar-lafontaine.de/ und http://www.sahra-wagenknecht.de
(9) https://www.tagesschau.de/inland/wagenknecht-interview-101.html
(10) https://www.youtube.com/watch?v=PDh_ojOhauM#t=89
(11) zu Merkel als Vasallin der USA: https://www.youtube.com/watch?v=2Dlqnf43eDo und Forderung nach Sanktionen gegen die USA: https://www.youtube.com/watch?v=8hYoN6wdvG4
(12) http://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/Gutes-Team-Wagenknecht-und-Lafontaine;art742,8029159 und http://www.mdb-klaus-ernst.de/wahlkreis/mainpost-wagenknecht-und-lafontaine-ein-gutes-team/
(13)  http://www.zeit.de/2014/29/sahra-wagenknecht-linkspartei
(14) https://www.wsws.org/de/articles/2015/04/09/lafo-a09.html
(15) http://derstandard.at/2000028232432/Heikle-Plaene-fuer-grosse-Regierungsumbildung
(16) https://www.youtube.com/watch?v=a6uE3e7S628 – hier eine Parodie auf die SPÖ und auf die nunmehrige Nationalratspräsidentin Doris Bures: https://www.youtube.com/watch?v=rUQMgKp8v7A
(17) http://derstandard.at/2000028190926/Van-der-Bellen-hat-wieder-geheiratet und https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/29/in-welchem-jahrhundert-leben-wir-eigentlich/
(18) https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Van_der_Bellen
(19) https://www.youtube.com/watch?v=IK1Z-wlPhcg
(20) https://www.youtube.com/watch?v=6hIrYaGwgu4
(21) https://www.youtube.com/watch?v=dBLA0njjxjY
(22) https://wien.gruene.at/wahl2015/vanderbellen
(23) https://www.youtube.com/watch?v=8tyyC9BXuQA –  dazu passend Eintrag von Peter Pilz vom 1. Jänner 2016: http://www.peterpilz.at/kommentar/2716/peter-pilz-tagebuch.htm – zum Buch siehe auch http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4828916/Van-der-Bellen_Wurde-FPOgefuhrte-Regierung-nicht-angeloben
(24) „Auch in dieser Legislaturperiode berichten Jan und Ska wieder aus jeder Plenarsitzung. Jetzt wird auch Terry dazukommen, sie ist als Kandidatin der Grünen Jugend neu ins Parlament gewählt worden. Diese Woche wurden die neuen Ausschüsse verteilt und der Präsident des Parlaments gewählt. Aber seht selbst“: https://www.youtube.com/watch?v=XRNkVSuvNC4&feature=youtu.be und Parteitag der Grünen, Rede zur Ukraine-Krise von Johannes Steen und Rebecca Harms samt Applaus: https://www.youtube.com/watch?v=9UNM6Ul1yK0&feature=share (man beachte, dass diese grünen Videos viel mehr negative als positive Bewertungen haben, ganz anders als Reden von Wagenknecht)

In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?

Nur beim Job des Bundespräsidenten erwartet man, dass es eine als „First Lady“ fungierende Ehefrau gibt. Dass Alexander Van der Bellen von den Grünen am Wochenende seine Freundin geheiratet hat, wird nun als „erstes wirkliches Indiz“ dafür gehandelt, dass Van der Bellen bei der Wahl antritt. UserInnenkommentare in den Foren der Medien mit allen möglichen Unterstellungen gegen Ehefrau Doris Schmidauer werfen die Frage auf, in welchem Jahrhundert wir eigentlich leben.

Van der Bellen, der politisch in letzter Zeit kaum in Erscheinung getreten ist, kann es durchaus recht sein, dass er jetzt mit unerwarteten Neuigkeiten Schlagzeilen macht. Prompt steigen Medien darauf ein: „Am Montag gab es das erste wirkliche Indiz für die Bundespräsidentschaftskandidatur von Alexander Van der Bellen (demnächst 72). Der KURIER berichtete, dass der grüne Professor privat für klare Verhältnisse gesorgt hat. Im Herbst ließ er sich von seiner ersten Ehefrau einvernehmlich scheiden. Vor Kurzem ehelichte er seine Lebensgefährtin Doris Schmidauer (52), Geschäftsführerin im grünen Parlamentsklub.“ (1)

So berichtet der „Kurier“ in seiner aktuellen Ausgabe, dem man offenbar gesteckt hat, dass Van der Bellen und Schmidauer am Wochenende geheiratet haben, und der im Klub nachfragte. Es erinnert an das Tauziehen um van der Bellens Antreten bei der Wahl 1994, dass jetzt wieder Peter Pilz die Bühne betritt und anstelle des Kandidaten in spe dessen Antreten zusagt. „Er ist ein ruhiger, intelligenter, weltoffener Mensch, der aus diesem Amt wirklich etwas Gutes machen kann“, streut Pilz seinem Freund Rosen. 1994 spielte Pilz dem „profil“ die Information zu, dass Van der Bellen fürs Parlament kandidieren wolle, was diesen unter Zugzwang brachte.

„Bundespräsident: Hofer kandidiert nicht, Van der Bellen heiratete“ ist der Titel, den die „Tiroler Tageszeitung“ ihrem Bericht gibt. (2) Norbert Hofer ist burgenländischer FPÖ-Politiker und Dritter Nationalratspräsident, fühlt sich aber mit 44 zu jung für das Amt des Bundespräsidenten. Das Thema eignet sich auch für Geschichten darüber, wer welches hohe Amt schon mit oder ohne Ehering innegehabt hat. (3) Beim „Standard“ wird in mehr als 400 Postings – in einer Zeit, in der innenpolitisch wenig los ist – über van der Bellens zweite Ehe diskutiert. (4) Dabei fällt auf, dass viele UserInnen sofort Klischees parat haben, ohne die näheren Umstände zu kennen. So wird geflissentlich überlesen, dass nicht nur der „Standard“ Doris Schmidauer als Geschäftsführerin des grünen Parlamentsklubs bezeichnet. Dies ordnen einige aber ein unter „aha, Mann fängt etwas mit seiner Sekretärin an, die natürlich viel jünger ist“.

Schmidauer war jedoch lange Referentin im Klub und ist jetzt zuständig für  Personalführung und Klubmanagement, was eher weniger nach inhaltlicher Tätigkeit klingt. (5) UserInnen haben geschwind eine Meldung in der „Presse“ im Jahr 2006 gefunden, in der Schmidauer zu jenen Menschen gezählt wird, mit denen sich van der Bellen berät. (6) Der ehemalige Tiroler Landtagsabgeordnete Franz Klug beschwert sich in einem Userkommentar beim „Standard“ über „die Scheinheiligkeit der Postinggemeinde und der Medien“: „Was hätten denn slle die hier nun herumkritteln gepostet, wenn vdB nichts gemacht und so wie bisher von seiner 1. Frau getrennt und schon seit Jahen mit Doris lebend weitergemacht hätte? Die hätten gepostet unmöglich, typisch grün gschlampertes Verhältnis, geht gar nicht, unwählbar dieser Kettenraucher etc. etc. Jetzt hat VdB sein Privatleben was eigentlich eh niemand etwas angeht, was aber in der Seitenblickegesellschaft leider mehr interessant ist als politische Aussagen aus spießbürgerlicher Sicht in Ordnung gebracht und schon wieder passts nicht. Mir wärs wurscht gewesen wenn, Vdb weiterhin verheiratet und trotzdem mit Doris zusammenlebend BP gewesen wäre, aber wahrscheinlich hätten das die Medien und viele Poster nicht ausgehalten.“

Wenn all jene, die es schon mal ähnlich gemacht haben, Van der Bellen wählen würden, wäre sein Ergebnis sicher beachtlich. Und wenn auch noch die Menschen  dazu kommen, die ohne Scheidung getrennt leben und es dabei belassen werden trotz oder wegen neuer Beziehung, hat er den Wahlsieg praktisch in der Tasche. Nicht vergessen werden darf, dass Van der Bellen ja nicht Thomas Klestil ist, der auf heile Familie machte im Wahlkampf, damit aber die Menschen täuschte. Doch wenn man sich einige Reaktionen auf Schmidauer ansieht, fühlt man sich daran erinnert, wie die berufliche Kompetenz von Margot Löffler negiert wurde. Aus Van der Bellens Wikipedia-Eintrag geht interessanterweise nichts Privates hervor, (7) Infos über Birgit van der Bellen findet man aber im Netz. So beschreibt sie die „Presse“ zur Wahl 2008 als ehemalige Volksschullehrerin, die in der politischen Karriere ihres Mannes kaum öffentlich aufgetreten ist. (8)

Sicher spiegeln sich in Postings auch individuelle Erfahrungen wider; so bezeichnen manche Van der Bellen als „Ehebrecher“ und bezweifeln, dass die Scheidung von seiner ersten Frau wirklich „einvernehmlich“ war und sie auch weiterhin befreundet sind. Für manche zeigt es, wie spießig auch die Grünen geworden sind, wenn Van der Bellen, einer Kandidatur wegen, seine Beziehung legitimiert. Besonders krass sind aber diverse Unterstellungen in Richtung Doris Schmidauer, die negieren, dass sie schon sehr lange im grünen Klub arbeitet, also einen eigenen Job und Qualifikationen aufweisen kann, ergo keinen älteren Mann als „Versorger“ braucht. Da müssten eigentlich viele Frauen solidarisch sein, weil es ja jeder, die mehr erreichen will, schon passiert ist, dass Kompetenz bei Frauen ignoriert oder gar bekämpft wird. Einfach, weil nicht sein kann, was nicht sein darf – dass sich eine Frau in eine berufliche Tätigkeit hineinkniet und dass sie Politik mitgestalten will.

Als ich bei den Grünen war, befand sich Schmidauer gewissermaßen auf der anderen Seite, weil Personen aus der Partei kaum Chancen auf eine Beschäftigung in der Partei hatten – besser, kritische Leute powerten sich in ehrenamtlichem Engagement aus, damit man die Grünen Schritt für Schritt umfunktionieren kann. Ich war aber dann Referentin in Wien vor dem EU-Beitritt und sollte für die Wiener Grünen etwas aus den Unterlagen machen, die Schmidauer und Co. eben nicht bereitstellten. Jene leeren Regale, die ich mit Material füllen sollte, wären leer geblieben, wäre es nach Schmidauer und ihren KollegInnen gegangen. Ich recherchierte aber selbst, und dies am liebsten zu Sicherheitspolitik und der militärischen Entwicklung in der EU, da diese laut Maastricht-Vertrag europäischer Pfeiler der NATO werden sollte, was den Betritt zum No-Go für einen neutralen Staat werden ließ. Freilich wurde ich als nicht NATO-kompatible (echte) Grüne schliesslich gemobbt, doch ich habe bei den Grünen zu den Themen gefunden, die mich am meisten interessieren.

Aber wie manche Reaktionen auf Frau Schmidauer, die jetzt erstmals ins Rampenlicht rückt, sehr klischeehaft ablaufen und an den Umgang mit Margot Klestil-Löffler oder auch Benita Ferrero-Waldner erinnern, erlebte auch ich diskriminierendes Verhalten wegen meines Engagements später wieder. Wäre ich ein Mann und keine Frau, würden etwa die Vertreter wehrpolitischer Vereine sich viel leichter damit tun, dass ich den Zustand des Bundesheers als Folge der Zustände im Verteidigungsministeriums klar analysiere. Und dass ich keine emotionalen, von medial kreierten Bildern geprägten Bewertungen der letzten beiden Minister Norbert Darabos und Gerald Klug gelten lasse, sondern die Herren dazu auffordere, eine Lagebeurteilung vorzunehmen. Dieser zufolge ist es unwahrscheinlich, dass ein intelligenter und als guter Stratege geltender Politiker wie Darabos sich freiwillig abschotten lässt, sodass von Druck auszugehen ist, dessen Urheber man rasch identifiziert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Darabos NATO-kritisch ist. Auch die Tatsache, dass Klug schlicht keine Ahnung vom Ressort hat, wirft die Frage auf, wer ihn dann in eine Funktion setzt, der er in keiner Weise gewachsen sein kann.

Für viele ist nach wie vor denkunmöglich, dass sich eine Frau mit Sicherheitspolitik, Militär und Geheimdiensten befasst; und auch, dass eine Frau kompetente Beraterin von Politikern sein kann, wie es bei Doris Schmidauer offenbar der Fall ist. Wer Klischees verinnerlicht hat, führt gerne eine Menge an Einwänden an, um sich nicht der Frage zu stellen, ob er bei einem Mann auch so urteilen würde. Bei einer Frau darf aber nur das kritisiert werden, was auch bei einem Mann unangemessen erscheint oder wo sofort Zweifel an den nach außen genannten Motiven aufkommen. Da aller Wahrscheinlichkeit nach drei Männer und eine Frau bei der Bundespräsidentenwahl kandidieren, wird es genügend Gelegenheit geben, auf Genderaspekte zu achten  – und dies gilt auch für die „First Ladies“ bzw. den „First Husband“ (von Irmgard Griss) in spe. Und selbstverständlich gilt gleiches Recht für alle, die sich für ein Amt bewerben, was den Umgang mit ihrem Privatleben betrifft bzw. dass bei all jenen PolitikerInnen, die nicht vorhaben, BundespräsidentIn zu werden, die private Seite auch tatsächlich irrelevant ist, wie Medien jetzt beteuern. (9)

(1) http://kurier.at/politik/inland/hofburg-weggefaehrte-pilz-ist-sich-sicher-dass-van-der-bellen-antritt/172.183 und vorher http://kurier.at/politik/inland/van-der-bellen-hat-geheiratet-vorbereitung-fuer-die-hofburg/172.004.830 – ich gehe hier auch darauf ein: alexandrabader.wordpress.com/2015/12/28/regierung-umbildung-aber-kein-ruecktritt/
(2) https://www.tt.com/politik/10937516-91/bundespr%C3%A4sident-hofer-kandidiert-nicht-van-der-bellen-heiratete.csp
(3) http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4895742/Staatsraeson_Auch-ohne-Ehering-in-die-Hofburg?_vl_backlink=/home/politik/innenpolitik/index.do
(4) http://derstandard.at/2000028190926/Van-der-Bellen-hat-wieder-geheiratet
(5) https://www.gruene.at/partei/organisation/parlamentsklub/klubgeschaeftsfuehrung
(6) http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/nrwahl/87253/Grune_Ein-Professor-der-Widerspruch-einfordert
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Van_der_Bellen
(8) http://diepresse.com/home/leben/mensch/418183/Die-neue-Frau-Kanzler
(9) http://kurier.at/politik/inland/van-der-bellen-hat-geheiratet-vorbereitung-fuer-die-hofburg/172.004.830

Regierung: Umbildung, aber kein Rücktritt

Viele Menschen wünschen sich, dass die Regierung zurücktritt, statt sich bis zur Wahl 2018 durchzuwursteln. Realistisch ist aber eine Regierungsumbildung, die deswegen notwendig wird, weil SPÖ und ÖVP im Jänner bekanntgeben werden, wen sie bei der Bundespräsidentenwahl nominieren.

Vorgeprescht sind andere, allen voran die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Irmgard Griess, die noch vor Weihnachten ihre Kandidatur bekanntgegeben hat. (1) Alexander van der Bellen, der Kandidat der Grünen werden könnte, drehte vor Kurzem ein Video (2) und schien sich in sozialen Medien als Kandidat zu verstehen. Vor allem aber hat er zum zweiten Mal geheiratet, was als starkes Indiz in Richtung Kandidatur interpretiert wird.

„Der grüne Professor hat sein Privatleben neu geordnet. Das könnte auf seine Kandidatur hindeuten“, schreibt der „Kurier“ und zitiert eine karge Stellungnahme eines Sprechers der Grünen: „Alexander Van der Bellen und Doris Schmidauer, Geschäftsführerin im grünen Parlamentsklub, haben vor Kurzem geheiratet.“ Die Grünen fügen hinzu: „Seine erste Frau und er sind einvernehmlich geschieden und weiterhin freundschaftlich verbunden. Van der Bellen ersucht um Respektierung seiner Privatsphäre und der Privatsphäre seiner Familie.“

Der „Kurier“ stellt klar: „Selbstverständlich hat Van der Bellen wie jeder Politiker das Recht auf eine Privatsphäre. Und das wurde auch respektiert. Dass Van der Bellen von seiner Frau getrennt lebte und eine Freundin hatte, war in der Medienbranche seit Längerem bekannt, aber es wurde nicht darüber geschrieben, eben weil es zum Privatleben gehört und nichts in der Öffentlichkeit verloren hat, wenn der Betroffene dies nicht will.“ (3)

Da es sich beim „Kurier“ und dem, was man in der Redaktion unter „Medienbranche“  versteht, um den Mainstream handelt, gilt dieser Respekt für das Privatleben freilich nur für NATO-kompatible PolitikerInnen. Schliesslich gehören Enthüllungen welcher Art auch immer, die nicht einmal auf Tatsachen beruhen müssen, zu einem beliebten Instrument gegen jene Personen, die dem vorgegebenen Kurs nicht folgen wollen. Wer privat ins Visier geraten kann,  lässt sich daraus erkennen, wie mit ihm oder ihr politisch umgegangen wird. Was van der Bellen betrifft, ist seine private Seite aus einem bestimmten Grund von Belang: „Allerdings hat sich die Situation insofern geändert, als Van der Bellen als Kandidat für die Bundespräsidentenwahl gehandelt wird. Und die einzige kleine Einschränkung bezüglich des Politiker-Privatlebens gilt dem Bundespräsidenten: Die Partner von Staatsoberhäuptern haben eine quasi-offiziöse Funktion, nicht nur bei uns, sondern international.“

Doris Schmidauer arbeitete übrigens bereits in jener Zeit im grünen Klub, als Freda Meissner-Blau als Klubobfrau zurückgetreten wurde.  (4) Später dann gehörte sie zu jenen ReferentInnen, die eine Umsetzung grüner Bundeskongressbeschlüsse in puncto EU sabotierten. Damals engagierte sich auch Meissner-Blau (außerhalb der Grünen mit Personen, die bereits gegen Zwentendorf und Hainburg aktiv waren) gegen den Beitritt zur EU.

Der Politologe Peter Filzmaier meint in seinem Ausblick auf das politische Jahr 2016:  „In der Präsidentschaftswahl geht es Kleinparteien um billige Medienpräsenz. Daher unterstützt Strolz Irmgard Griss. Die Grünen haben geschickt Alexander van der Bellen als lange nachdenkenden Eventualkandidaten aufgebaut. Tritt van der Bellen schließlich doch nicht an, waren alle Journalisten naiv genug, der Partei gratis Öffentlichkeit zu verschaffen. Kandidiert van der Bellen, geht das Spiel weiter. Was kommt aber, wenn die Wahl vorbei und er nicht Präsident ist?“ (5)

Freilich haben sich weder die Neos noch die FPÖ festgelegt, was Irmgard Griss betrifft. Die FPÖ möchte zunächst einmal einen Rücktritt der Bundesregierung, die den Weg zu Neuwahlen freimachen soll. (6) Dabei fühlt sich die SPÖ offenbar ohnehin wie eine Regierungspartei ohne Koalitionspartner, kürt sie doch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka zum „Oppositionspolitiker des Jahres“. (7) Die Abwertung ist aber etwas daneben gegangen, da es fast wie eine Auszeichnung klingt und eine Retourkutsche für Kritik der  ÖVP an der Untätigkeit von Bundeskanzler Werner Faymann ist. (8)

Die ÖVP wird wohl am 10. Jänner  bekannt geben, wen sie für die Bundespräsidentenwahl nominiert; alles deutet auf den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll hin, dem Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nachfolgen könnte. Dann wäre denkbar, dass Lopatka Innenminister wird, doch dabei könnte es nicht bleiben, da Parteichef Reinhold Mitterlehner auf die ohnehin bescheidene Frauenquote achten muss. Bei der SPÖ dürfte Infrastrukturminister Alois Stöger Sozialminister Rudolf Hundstorfer nachfolgen, wenn dieser ab 15. Jänner als Bundespräsidentschaftskandidat gilt. Stögers Ressort könnte Staatssekretärin Sonja Steßl übernehmen, und bei der Gelegenheit kann man auch Verteidigungsminister Gerald Klug ersetzen:

„Mit der voraussichtlichen Kür von Rudolf Hundstorfer muss das Sozialministerium möglichst zeitnah neu besetzt werden. In der SPÖ wird bereits an der Nachfolge gebastelt. Dem Vernehmen nach zeichnet sich eine größere Umbildung ab. Kanzler Werner Faymann will offenbar den burgenländischen Polizeichef Hans Peter Doskozil in die Regierung holen. Dieser hat die Flüchtlingskrise im Burgenland bestens gemanagt, erst am Montag hat ihm die Kirche in Anerkennung seiner Leistungen den Martinsorden verliehen. Doskozil soll Verteidigungsminister Gerald Klug nachfolgen, der zuletzt eine unglückliche Figur gemacht hat und auch beim Generalstab keine Rückendeckung mehr genießt. Im APA-Vertrauensindex belegt Klug unter den roten Ministern den letzten Platz.“ (9)

„Keine Rückendeckung mehr“ ist ein Euphemismus, da ja selbst ich als investigative Zivilistin Klugs „Amtieren“ bereits im April 2013, also nach ein paar Wochen als reine Farce bezeichnet habe. Aber ebenso, wie Medien Klug durchgängig hochgejubelt haben, stellen sie ihm jetzt ein vernichtendes Zeugnis aus. Dabei hat es sich an einem charakteristischen Merkmal der Klug-Desinformationen nichts geändert, nämlich dass zugleich Ex-Minister Norbert Darabos gebasht wurde, der sehr wohl regieren hätte können, aber unter Druck gesetzt wurde, weil er nicht auf NATO-Linie ist. Einer der letzten Nicht-Auftritte von Klug als Minister fand übrigens im November dieses Jahres beim SPÖ-eigenen Renner-Institut statt, wo er nicht einmal ein kurzes Referat zur Neutralität halten konnte. (10)

In „Österreich“ bietet Herausgeber Wolfgang Fellner Bundeskanzler Werner Faymann stets Platz für gewünschte transatlantische Positionen wie Griechenland-Kritik oder Flüchtlingshype. Am 28. Dezember benotet Fellner die Bundesregierung und gibt Faymann eine Zwei, da dieser „das Flüchtlingschaos mit ruhiger Hand“ manage, was ein wenig an den Wahlkampf 2013 erinnert, in dem Faymann als Steuermann verkauft wurde („Stürmische Zeiten. Sichere Hand“). Faymann habe „Bussi-Bussi-Kontakt“ zu Kanzlerin Angela Merkel und werde „zur wichtigen Stimme in der Asylfrage“ in der EU. Dies passt zu einem Posting auf der Webseite des „Standard“:

„Werner Faymann macht als Europapolitiker gute Figur (Christian Rainer).Er stieg zum Jahresabschluss zu einer international anerkannten Persönlichkeit auf. ‚Österreichs Kanzler in einer neuen Rolle‘, schrieb die ‚Neue Zürcher Zeitung‘ am vergangenen Freitag. ‚Der Kanzler einer Regierung, die sich primär durch Reformunfähigkeit auszeichnet, hatte zuletzt einige seiner glaubwürdigsten Auftritte.‘ Tatsächlich ist man beeindruckt, wie Faymann die Europäische Union in der Flüchtlingsfrage aufmischt. Ich kann mich an keinen Zeitpunkt in der jüngeren Vergangenheit erinnern, zu dem Österreich derart zielgerichtet Außenpolitik betrieben hat. (Profil)“ (11) Nur dass diese Art Außenpolitik nicht für Österreich, sondern für Destabilisierungspläne anderer Staaten eintritt und von der eigenen Bevölkerung immer mehr abgelehnt wird.

Fellner, der den Klug-Hype wie alle anderen mitgetragen hat, bezeichnet den Verteidigungsminister jetzt als „größte Fehlbesetzung dieser Regierung“, denn er „hat das Image des Heeres in die Grube gefahren“. Dass Klug nur Statist ist, während ganz andere das Sagen haben, ist in den Redaktionen bekannt, und doch wird mit jedem Artikel, jedem Kommentar so getan, als gehe es nur um politische Unfähigkeit. Bleibt die Frage, ob sich die Zustände mit einem neuen Minister tatsächlich ändern würden;  jedenfalls wird der mögliche Nachfolger, der burgenländische Polizeichef Hans Peter Doskozil, medial immer wieder gelobt. (12) Er arbeitete bereits im Innenministerium und war Büroleiter von Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der ihn in einem Interview als „sehr politiktauglich“ bezeichnet. (13)

Was das Bundespräsidentenamt betrifft, ist die Performance von Heinz Fischer nicht gerade Werbung für diese Funktion. Jüngst fiel Fischer durch unrealistische Äußerungen auf, dass es „keine Obergrenze“ bei Menschlichkeit geben dürfe; natürlich nur  dann, wenn wir zu Menschen „menschlich“ sein sollen, die nicht hier leben; hingegen sieht Fischer immer dann weg, wenn Menschenrechte Einheimischer verletzt werden. (14) 2013 schrieb die „Wiener Zeitung“ über Norbert Leser: „Leicht hat es der gebürtige Oberwarter, der am heutigen Freitag seinen 80. Geburtstag feiert, seiner SPÖ nie gemacht. Seine Habilitation von 1969 ‚Zwischen Reformismus und Bolschewismus‘ ist längst ein Standardwerk zur Geschichte der Sozialdemokratie. In den letzten Jahren überwog die Kritik: Bundespräsident Heinz Fischer bezeichnete er als ‚bösen Geist der SPÖ‘, Kanzler Werner Faymann als ‚Ausgeburt des Apparats‘, an dessen Vorgänger Alfred Gusenbauer, der nun in der Wirtschaft sein Glück findet, lässt er detto kein gutes Haar. Was Leser vermisst: eine moralische Instanz als Person oder Gremium, das den ärgsten Auswüchsen einen Riegel vorschiebt.“ (15)

(1) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/18/irmgard-griss-will-bundespraesidentin-werden/
(2) http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Van-der-Bellen-Erster-Werbe-Spot/216946906
(3) http://kurier.at/politik/inland/van-der-bellen-hat-geheiratet-vorbereitung-fuer-die-hofburg/172.004.830 und http://derstandard.at/2000028190926/Van-der-Bellen-hat-wieder-geheiratet und http://www.kleinezeitung.at/k/politik/innenpolitik/4895139/GRUeNE_Gruner-ExParteichef-Van-der-Bellen-heiratet – hier gibt es nichts Privates:  https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Van_der_Bellen
(4) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/24/zum-tod-von-freda-meissner-blau/
(5) http://www.krone.at/Oesterreich/Parteien_im_Dilemma_Das_wird_das_Politikjahr_2016-Filzmaier_analysiert-Story-488564
(6) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151228_OTS0046/fpoe-darmann-mikl-leitner-muss-asyl-auf-zeit-endlich-exekutieren
(7) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151228_OTS0018/lopatka-erhaelt-titel-oppositionspolitiker-des-jahres
(8) http://kurier.at/politik/inland/fuer-lopatka-ist-die-spoe-der-bremsklotz/171.935.272 und http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4894764/Asyl_Lopatka-fordert-von-Faymann-Handeln-statt-Reden
(9) http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/innenpolitik/SP-bastelt-an-Regierungsumbildung-Volkspartei-wartet-noch-ab;art385,2066303 und http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Hundstorfer-tritt-2016-an-Stoeger-wird-sein-Nachfolger/217568336
(10) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/11/die-spoe-und-die-neutralitaet/
(11) bei  den Postings zu diesem Artikel: http://derstandard.at/2000028181620/Fluechtlinge-Lopatka-fordert-von-Faymann-handeln-statt-reden
(12) http://kurier.at/chronik/burgenland/burgenlands-landespolizeichef-doskozil-als-fels-in-der-brandung/171.654.470
(13) http://kurier.at/chronik/burgenland/hans-niessl-doskozil-ist-sehr-politiktauglich/170.585.559
(14) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/27/bundespraesident-gegen-fluechtlings-obergrenzen/
(15) http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/549792_Der-letzte-Kampf-den-Atheisten.html

Bundespräsident gegen Flüchtlings-Obergrenzen

Es überrascht nicht, dass der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer gegen Obergrenzen auftritt; eher schon, wie er bei einhelliger Ablehnung seiner Aussagen im Netz zu hohen Beliebtheitswerten in Meinungsumfragen kommt. Nicht von ungefähr bescheinigt ihm die Bevölkerung aber Abgehobenheit und Untätigkeit.

Zu den Rahmenbedingungen am Jahresende sei bemerkt, dass nach wie vor mehrere tausend Leute täglich an unseren Grenzen eintreffen und dies bereits als relative Ruhe betrachtet wird. Mit dem bisher möglichen Weiterreichen der meisten nach Deutschland wird es in Zukunft nicht mehr so einfach sein, auch wenn Bayern bislang mit dem Vorstoß scheiterte, die Grenze selbst zu kontrollieren, statt dies der Bundespolizei zu überlassen. (1)

Als ob es keinerlei Unterschied zwischen Deutschland und Österreich gäbe, sind der aus der SPÖ stammende Bundespräsident und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nach wie vor voll auf Merkel-Linie. Dabei ist Deutschland besonders aktiv, was den von den USA angestrebten „regime change“ in Syrien betrifft, wobei man inzwischen Syrer zu deutschen Agenten ausbildet. (2) Wenn die Bundeswehr ohne Mandat AWACS-Missionen fliegt, sagt dies eine Menge aus über Politik, die der „Atlantik-Brücke“ untergeordnet scheint. (3)

In Deutschland ziehen CDU/CSU, SPD und Grüne an einem Strang (auch die Linkspartei verhält sich recht zahm), und in Österreich fragt man sich, wann die Regierungspartei ÖVP und jene Opposition, die tatsächlich eine sein will, etwas gegen den transatlantischen Faymannschen Willkommenskurs unternimmt. Welch wichtige Rolle Medien spielen, die unabhängige, dem eigenen Land dienende Politik gar nicht erst aufkommen lassen, zeigt die lange Liste an Mitgliedern der „Atlantik-Brücke“ in  Medienunternehmen. (4)

Heinz Fischer gab der Austria Presse Agentur ein Interview, das dann beispielsweise vom „Standard“ zitiert wird: „Im Blick zurück auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise, die das Jahr 2015 dominiert hat, stellt Fischer Österreich grundsätzlich kein schlechtes Zeugnis aus. Niemand könne verlangen, ‚dass man eine solche komplizierte und schwierige Situation völlig reibungslos und fehlerlos über die Bühne bringen kann‘. Doch ‚es steht fest, dass Österreich zu den drei oder vier Ländern gehört, die sich in dieser Frage wirklich positiv unterscheiden von jenen, die wegschauen und möglichst unbelastet diese Krise durchtauchen wollen. Natürlich hat es da und dort tragische, schwierige oder unerfreuliche Situationen gegeben. Aber die Position Österreichs lautet: Wir sind bereit, Mitverantwortung zu tragen und Flüchtlingen aus einer Kriegsregion bestmöglich zu helfen.‘

Als ‚wichtigen, klugen Schritt‘ bezeichnet Fischer auch die Bestellung des Flüchtlingsbeauftragten der Regierung, Christian Konrad. Das Durchgriffsrecht wiederum sei wohl ein ’notwendiger Schritt‘, solange die ‚gemeinsam vereinbarten Quoten‘ nicht erfüllt würden: ‚Das ist in meinen Augen eine durchdachte Lösung.‘ Keinesfalls sinnvoll fände er es, wenn der Bund die Betreuung der Asylwerber wieder ganz in seine Hände nehmen würde. ‚Das wäre ganz schlecht, weil sich die regionalen Institutionen und vor allem die Bürgermeister einfach bevormundet fühlen würden. Das würde Widerstände auslösen, die das Problem nicht einfacher, sondern schwieriger machen.'“ (5)

Fischer kostet die SteuerzahlerInnen 24.000 Euro im Monat; dazu kommen die Kosten für einen stattlichen Stab an 80 MitarbeiterInnen, die  bei Anrufen für alles unzuständig sind. In der Pension wird die Bevölkerung 23.400 Euro mal 14 für Fischer aufwenden müssen, der sich zugute hält, in einer reinen Berufspolitikerlaufbahn viel gearbeitet zu haben. Vom Leben jener Menschen, denen er die Last einer – wenn es nach ihm geht – nie endenden Welle an Einwanderern zumutet, hat er nicht die geringste Ahnung. Als sich Fischer im Sommer im überfüllten Erstaufnahmezentrum  Traiskirchen mit Medientroß blicken ließ und feststellte, dass er niemanden im Freien schlafen sehen will, waren viele Menschen bereit, vorübergehend jemanden aufzunehmen.

Daraus wurden Dauerlösungen, denen die betroffene Bevölkerung ambivalent gegenüber steht: einerseits möchte man ja helfen, andererseits gibt es ständig Konflikte etwa zwischen Syrern und Irakern, und viele der Männer grüßen Frauen nicht einmal, geschweige denn, dass sie Helferinnen die Hand geben oder selbst etwas tragen etc. Fischer ficht dies ebenso wenig an wie die Tatsache, dass zahlreiche Gemeinden über die Quote hinaus belastet werden und nur energischer Widerstand diesem Vorgehen des Bundes gewisse Grenzen setzen kann. (6) Ob Fischer aber „die Position Österreichs“ meint oder (wie Merkel, Gauck, Faymann) in Wirklichkeit transatlantische Interessen, sei dahingestellt.

Der „Standard“ zitierte die APA weiter: „In der immer wieder aufflammende Debatte über eine ‚Obergrenze‘ für die Aufnahme von Flüchtlingen hat Fischer zwar Verständnis ‚für einen auf den ersten Blick naheliegenden Gedanken‘ – betont aber im gleichen Atemzug: Dieser ‚erweist sich bei genauerem Hinschauen nicht als praktikabel‘. Denn es gebe einen ‚grundsätzlichen Widerspruch zwischen einem Menschenrecht und der Festsetzung einer Obergrenze: Ich kann nicht ein Menschenrecht auf eine bestimmte Zahl reduzieren und sagen, alle, die über dieser Zahl liegen, haben Pech gehabt.'“

Zu Recht weisen UserInnen darauf hin, dass es für Fischer und Co. sehr wohl „Obergrenzen“ bei Sozialleistungen gibt; man kann auch feststellen, dass die Menschenrechte Einheimischer für den Bundespräsidenten insofern „Obergrenzen“ haben, als dass er schwere Menschenrechtsverletzungen ignoriert, wenn sie an ihn herangetragen werden. Es fragt sich auch, welche Sorte Jurist Fischer ist, wenn er ausblendet, dass die Genfer Konvention zum einen für politisch Verfolgte gilt, zum anderen jeder Staat aber auch bei 100% Asylberechtigten (damit haben wir es ja nicht zu tun) seine eigene Sicherheit an die erste Stelle setzen kann.  

In der Regel stösst man bei Fischer und seinem Apparat auf dicke Mauern, etwa wenn man ihn dazu auffordert, als Oberbefehlshaber des Heeres gegen die verfassungs- und rechtswidrigen Zustände im Verteidigungsministerium einzuschreiten. Denn es kann nicht von einer ordnungsgemässen Befehlskette die Rede sein, wenn der Befehlshaber des Heeres, Minister Gerald Klug, keine Ahnung von der Materie hat und sein Vorgänger Norbert Darabos am Regieren gehindert wurde, weil er NATO-kritisch ist. Dass ich Schikanen ausgesetzt bin, weil ich diese Situation thematisiere, lässt Fischer ebenso kalt wie seine „First Lady“ Margit, die sich angeblich so sehr gegen Armut engagiert.

Gegenüber der APA lobte Fischer auch das „durchaus ordentliche und menschliche Klima“ zwischen Kanzler und Vizekanzler und meinte, es sei „demokratiepolitisch normal“, dass zwei Parteien unterschiedliche Positionen vertreten:
„Beim vorweihnachtlichen Mittagessen mit der Regierung habe er sich von ‚einer kameradschaftlichen und harmonischen Stimmung‘ überzeugen können. ‚Ich kann bezeugen, dass es zwischen dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler gegenseitige Achtung und menschlichen Respekt gibt.‘ Und die beiden seien sich auch bewusst, ‚dass das Sichtbarmachen von Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit negativ interpretiert wird‘.“

Fischer betont (allzu sehr?), dass es keine „Österreichische Einheitspartei“, sondern mit SPÖ und ÖVP in der Regierung zwei „sehr unterschiedlichen Parteien“ mit „ihren eigenen jahrzehntelangen Traditionen und Positionen“ gibt. Aber was, wenn es so wie in Deutschland ist, wo keine wesentlichen Unterschiede zwischen CDU/CSU und SPD feststellbar sind und auch die Opposition auf Linie ist? (3) Davon kann auch nicht ablenken, dass CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble öffentlich Mitleid für SPD-Chef Sigmar Gabriel nach dessen magerem Parteitagsergebnis bekundet. (7) Wenn es um „Menschenrechte“ geht, wird auf die Politik jedoch nicht nur von Medien, sondern auch von transatlantischen „NGOs“ wie Amnesty Druck ausgeübt. (8)

Der Regierung rät Fischer, weder alle Konflikte öffentlich auszutragen noch alles „unter der Tuchent“ zu regeln; dabei ist das gelobte Weihnachtessen ja selbst eine typische Inszenierung. Denn Kanzler Faymann schenkte seinen Gästen (neben Fischer den MinisterInnen und StaatssekretärInnen) drei Bücher: „Die Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek, „Malina“ von Ingeborg Bachmann und „Freuds verschwundene Nachbarn“ über die NS-Zeit (laut „Heute“, 23.12.). Gäbe es Politik für die Republik Österreich gemäß den auf die Verfassung und die Gesetze abgelegten Eiden, müsste man nicht so viel Pose in Buchpräsente legen. Dann könnte es auch mal ein besonders spannender Krimi sein oder ein historisches Buch, das nichts mit Zeitgeschichte zu tun hat.

„Sie will als Präsidentenfrau das gleiche Leben führen wie zuvor. Bodenhaftung ist ihr das Wichtigste, erzählte sie Barbara Tóth“, schrieb der „Standard“ 2004 über Margit Fischer, als ihr Ehemann gegen Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) kandidierte. (9) Das Porträt wurde zur Werbung für die „First Lady“ in spe: „Sollte Heinz Fischer Präsident werden (Margit Fischer sagt: ‚Sollten wir es schaffen‘), möchte sie keine First Lady der ‚Seitenblicke‘ werden. ‚Da habe ich ein ganz anderes politisches Verständnis. Unsere Gesellschaft soll für einen Rechtsanspruch auf ein würdiges Leben sorgen. Niemand soll auf den guten Willen von Privatpersonen angewiesen sein.‘ Stattdessen würde sie dafür sorgen, dass bestehende Vereine die Förderungen bekommen, die sie brauchen. So präsent wie Margot Klestil-Löffler möchte sie nicht sein. ‚Ich würde mich zurückhalten, auch wenn ich eine sehr politische Person bin.‘ Auch als Frau Bundespräsident möchte Margit Fischer ganz normal auf die Straße gehen und in den Geschäften rund um ihre Wohnung einkaufen. ‚Es ist wichtig zu sehen, was sich die Leute leisten können.'“

Zwar war die Trennung von Thomas Klestil von seiner Frau Edith unter konservativen WählerInnen höchst umstritten; der späteren Botschafterin in Moskau Margot Klestil-Löffler kann man aber berufliche (= diplomatische) Qualifikation nicht absprechen. Wenige Tage, bevor Klestil sein Amt im Juli 2004 an Heinz Fischer übergeben konnte, starb der scheidende Bundespräsident an Herzversagen. Bittere Pointe am Rande: Fischers erfolgreichen Wahlkampf führte der damalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, der danach ins Parlament kam, u.a. im Landesverteidigungsausschuss aktiv war und nach dem nächsten Wahlsieg Verteidigungsminister wurde. Zwar schätzen „wir den Norbert Darabos sehr“, so die Sprecherin von Herrn und Frau Fischer, Astrid Salmhofer; mit Druck der NATO, Abschottung (z.B. via  Kabinettschef), Überwachung und Medien-Desinformationen blieb Darabos aber allein gelassen.

Als der „Standard“ Frau Fischer Rosen streute, machte eine Userin ihrem Unmut via Posting Luft: „In welcher Welt lebt diese hauptberufliche Gattin eigentlich? Eine Frau, die stolz darauf ist, sich 36 (!!!) Jahre lang nicht geändert zu haben, die sich freut, wenn ein Mann sie einen Lausbub nennt, die von sich sagt, sie habe sich für die Kinder und ihren Mann ‚zurückgenommen‘, diese Frau verkörpert doch wohl perfekt das Frauenbild der ÖVP.  Und vielleicht sollte sie mal nicht in ihrem Grätzel, der Josefstadt, einkaufen, sondern beim Hofer im Favoriten – dort kann sie bedeutend besser sehen, was sich ‚die Leute leisten können‘. Der Dünkel dieser hauptberuflichen Gattinnen ist zu Kotzen. Und dass die SPÖ-Frauen Herrn Fischer als Feministen verkaufen – da erübrigt sich jeder weitere Kommentar.“

Letzteres war tatsächlich der Fall und für mich als berichtende Journalistin nicht nachvollziehbar; über das bevorzugte Modell, solange Kinder eine/n brauchen, lässt sich trefflich streiten, doch wir haben es hier mit Kandidat und Ehefrau zu tun, die bereits das gesetzliche Pensionsalter ansteuerten. Wie bei den Klestil-Löfflers war auch bei den KandidatInnen die ÖVP progressiver, da der Ehemann der Außenministerin natürlich berufstätig war. Allerdings entsteht bei der nach wie vor engen Verflechtung zwischen Politik und Privatem bei SPÖ Bund / Wien ohnehin der Eindruck, dass manch eine Gattin eher pro forma als berufstätig gilt, dies jedoch selten den Anforderungen nahekommt, die „nichtverbandelte“ Frauen im Job zu bewältigen haben.

„Margit Fischer gilt als eine der beliebtesten Persönlichkeiten Österreichs: Dabei hatte sie selbst nie ein politisches Amt inne. Trotzdem prägte sie an der Seite ihres Mannes Heinz Fischer die Geschichte der Zweiten Republik maßgeblich mit“, stellt der Brandstätter-Verlag das Buch „Was wir weitergeben“ von Frau Fischer und der erwähnten Journalistin Barbara Tóth vor. (10) Was sie „weitergeben“ will, „beginnt mit ihrer Familiengeschichte (‚Was mich prägte‘) und führt über Gedanken zu Exil und Heimat (‚Was ich suchte & fand‘), Bildung (‚Was uns weiterbringt‘), Partnerschaft (‚Was wir brauchen‘) und Emanzipation (‚Was wir wollen‘) bis zum Aufruf zum Lernen aus der Geschichte (‚Was wir weitergeben‘)“. (11)

Wie aber die UserInnen des „Standard“ den Aussagen des Gatten eine klare Absage erteilen, verstehen jene der „Presse“ nicht, was am Buch der Gattin so bemerkenswert sein soll. (12) „Österreichs 1. Hausfrau lässt ihre ‚Memoiren‘ schreiben? Beeindruckend uninteressant“, meint eine/r und ist nur neugierig, wer außer in der SPÖ-Zentrale dieses Werk kauft. Eine/r andere/r postet „wow. Ehefrau als Beruf. austria, 2015….“, und ein/e weitere/r UserIn verspricht sich nichts von der „literarischen Verewigung“ des „nichtstuendsten BP aller Zeiten“. Allerdings sollte man, um fair zu sein, ein Buch von Frau Fischer mit Co-Autorin nicht (un)kritischer aufnehmen als andere prominent platzierte und beworbenene Neuerscheinungen, etwa von Hugo Portisch, Peter Rabl, Alexander Van der Bellen (der vielleicht bei den Bundespräsidentenwahlen kandidiert) oder diversen ORF-RedakteurInnen.

(1) http://www.n-tv.de/politik/Bayern-darf-Grenzen-nicht-selbst-kontrollieren-article16646451.html
(2) http://einarschlereth.blogspot.se/2015/12/syrer-werden-zu-deutschen-agenten.html
(3) https://www.radio-utopie.de/2015/12/27/opposition-wusste-seit-18-dezember-von-mandatlosen-awacs-einsatz-der-bundeswehr-im-syrien-krieg/
(4) http://krisenfrei.de/kennen-sie-n-a-r-ii-und-weitere-atlantiker/
(5) http://derstandard.at/2000028128886/Fluechtlinge-Fischer-spricht-sich-gegen-Obergrenze-aus
(6) siehe das Beispiel Bruckneudorf im Burgenland: https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/17/asylrealitaet-am-beispiel-bruckneudorf/
(7) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/schaeuble-hat-laut-bams-mitleid-mit-spd-chef-gabriel-a-1069575.html und zur Sozialdemokratie: https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/22/sozialdemokratie-und-wellness-politik/
(8) https://www.contra-magazin.com/2015/12/amnesty-international-ein-kind-westlicher-geheimdienste-und-ein-propaganda-instrument/
(9) http://derstandard.at/1635305/Die-Frau-mit-der-Lausbubenfrisur
(10) https://www.brandstaetterverlag.com/brandaktuell/margit-fischer-erstmals-der-1-reihe
(11) http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/literatur/buecher_aktuell/785454_Was-Margit-Fischer-weitergeben-will.html
(12) http://diepresse.com/home/leben/mensch/4862734/Margit-Fischer_Eine-Frau-der-kleinen-Gesten

Frauenrechte, Flüchtlinge, Feminismus

KritikerInnen beklagen, dass Vergewaltigung durch Flüchtlinge vertuscht werde, vergessen dabei aber, wie mit einheimischen Tätern umgegangen wird. Alice Schwarzer, die vor Jahren die mediale Hinrichtung von Eva Herman einleitete und betrieb, beklagt heute zunehmende Denkverbote. Was ist also wirklich gemeint mit Frauenrechten und Feminismus?

Zunächst einmal geht es um Selbstbestimmung, sodass niemand einer ehemaligen Fernsehmoderatorin wie Eva Herman vorwerfen kann, dass sie sich auf Recherche begibt, nachdem sie als Mutter bemerkt hat, welch falsche Erwartungen an sie herangetragen werden. Im Grunde ist es ebenso feministisch, aus eigener Überzeugung die Ansicht zu vertreten, dass Kinder in den ersten drei Jahren von ihren Mütter betreut werden sollen, wie zu betonen, dass jede Frau selbst entscheidet, ob sie überhaupt Kinder haben will.

Feminismus war einst von persönlicher Erfahrung getragen und eine Bewegung, in der auch Frauen mit Kindern aktiv waren. Es war nicht „mainstream“, strukturelle Benachteiligung, Diskriminierung in der Arbeitswelt, Gewalt zu beklagen. Mit den Grünen kam dann „frauenspezifische Kommunalpolitik“, die  noch kein verwaschenes „Gender Mainstreaming“ darstellte, sondern sich zum Beispiel die Verkehrs- und Raumplanung vornahm.

Dabei erwies sich, dass Stadtplaner „autofahrende Männer“ sind, wie einmal griffig formuliert wurde, und auf die Bedürfnisse von Müttern (und Vätern) mit Kindern, auf RollstuhlfahrerInnen, auf Gebrechliche keine Rücksicht genommen wurde. Heute geht es um „Gender“ und um „Barrierefreiheit“, oft in Maßnahmen, viel häufiger aber nach wie vor nur in der Theorie.

Wie weit viele exponierte Frauen von Leben und Leben lassen oder gar von Bündnisstrategien, die Männern vertraut sind, in Wahrheit noch entfernt sind, zeigen besonders untergriffige Angriffe auf andere Frauen. Bei Sandra Maischberger diskutierte vor Weihnachten ein „Quartett der Querdenker“, in dem Querdenkerinnen „natürlich“ unterrepräsentiert waren. Denn neben Alice Schwarzer waren drei Männer eingeladen, Thomas Gottschalk, Heiner Geißler und Daniel Cohn-Bendit.

Es ging selbstverständlich vor allem um die Flüchtlingswelle: „Der Kanzlerin wurde allgemein Lob gezollt, auch wenn sich Schwarzer überzeugt zeigte, dass Merkel die Folgen ihrer großzügigen Geste nicht bedacht habe.Die ‚Emma‘-Herausgeberin war es auch, die vor den Gefahren eines Zuzugs orthodoxer Muslime für den Rechtsstaat und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern warnte. Zudem wandte sich Schwarzer gegen die Unterdrückung abweichender Meinungen in der Flüchtlingsdebatte. Große Teile der Bevölkerung hätten ‚inzwischen Angst zu sagen, dass sie Angst haben, weil sie sonst als rassistisch diffamiert werden‘, so die Journalistin.“ (1) Der „Emma“ ist auch zugute zu halten, dass sie die Seite der Frauen, als Flüchtlinge und als Helferin, auch mit kritischen Tönen thematisiert. (2)

Allerdings scheint sich Alice Schwarzer nicht daran erinnern zu wollen, dass sie Eva Herman mit jenen Denkverboten begegnete, die sie heute beklagt. Es war Schwarzer, die Hermans Aussagen zu frühkindlicher Erziehung mit der Ideologie der NS-Zeit in Verbindung brachte, obwohl Herman sich mit ihrem Plädoyer jeder totalitären Ideologie entgegenstellte. Eine Frau, die auf Schwarzers Mailingliste stand, leitete Herman dann einen geradezu generalstabsmäßigen Plan weiter, erinnert sich die Journalistin in einem Gespräch 2014 mit Michael Vogt und Andreas Popp. (3) Alice Schwarzer rief ihre LeserInnen dazu auf, sich beim Chefredakteur der „Tagesschau“ per Mail und telefonisch zu beschweren – weil die „Neutralität“ der Sendung gefährdet sei – und vergaß auch nicht darauf, Hermans blonde Haare zu erwähnen. (4)

Bald wurde Herman denn auch zum Chefredakteur gerufen, der auf einen Stapel an Briefen verwies, von denen sich viele nach Schwarzers „Vordruck“  gerichtet, also einfach den Text der Mail unterschrieben haben. Nun orientieren sich viele scheinbar so eigenständige Frauen brav nach dem, was verlangt wird; in diese Kategorie kann man Alice Schwarzer aber nur schwer einordnen. Im Interview 2014 fragt Herman denn auch, was Schwarzers Verhalten unter dem Aspekt der gerne propagierten „Solidarität unter Frauen“ bedeutet. Schwarzers Kampagne wirkte so, als ob sie auf einen Weg geschickt wurde; Herman will der Kontrahentin nichts unterstellen, fragt aber schon, woher die acht Millionen Mark kamen, die Schwarzer mit dem Auto in die Schweiz gebracht hat, und sie setzt sich mit Schwarzers „Frauen-Media-Turm“ kritisch auseinander. (5)

Heute ist der breiten Öffentlichkeit viel mehr im Bewusstsein, dass Menschen mit falschen Zitaten fertiggemacht werden können, auch wenn sie darauf hinweisen, dass manipuliert wurde; als man Eva Herman etwas ans Zeug flickte, war eine Journalistin als Opfer noch eher eine Ausnahme. (6) Geradezu gespenstisch muss es gewesen sein, als die Johannes B. Kerner-Show Herman zum Schein die Möglichkeit einer „Rehabilitation“ angeboten hat, denn zunächst wurde sie allein ins Studio geführt. Herman saßen Schauspielerin Senta Berger, Moderatorin Margarete Schreinemaker und der Comedy-Star Mario Barth gegenüber, man bot auch den Historiker Wolfgang Wippermann auf, alle waren gegen sie, (7) und schliesslich warf sie Kerner aus der Sendung. (8)

Herman sagt von sich, dass sie lange Zeit eine jener ModeratorInnen war, die Nachrichten vom Blatt lasen, ohne selbst zu recherchieren, doch wie andere KollegInnen interessierte sie sich dann zunehmend für Hintergründe. Sie war schliesslich ebenso bekannt wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, da 97% der Menschen in Umfragen angaben, von ihr gehört zu haben. Inzwischen bekommt sie viel Post von JournalistInnen, die darunter leiden, dass alles, was auch nur leicht vom Mainstream abweicht, im Papierkorb landet. Man liest heute nur mehr die Artikelüberschriften und geht dann gleich zu den Kommentaren der UserInnen, die sich über den Inhalt beschweren („das trifft die Journalisten, denn sie sind eitel“ und wollen eigentlich Zuspruch bekommen).

Der Unternehmer Andreas Popp gründete die Wissensmanufaktur und kritisiert „Agenturjournalismus“, der auf Presseaussendungen basiert. Man kann die veröffentlichte Meinung sehr schnell verändern, doch dabei folgt lediglich ein neues Dogma auf das, was bisher geglaubt werden musste. Popp führt den Begriff „Nazitheoretiker“ für Personen ein, die mit der Nazikeule kommen, sobald ihnen die Aussagen anderer nicht passen. Wer auch gerne diese Keule auspackt, ist eine weitere Frau, nämlich Jutta Ditfurth, die sich damit am Herausgeber des „Compact“-Magazins Jürgen Elsässer abarbeitet.

Auf ihrer Webseite erklärt Ditfurth, die permanent Spenden für ihren Prozess gegen Elsässer sammelt: „Als Publizistin und Wissenschaftlerin forsche und schreibe ich seit Jahrzehnten auch über Antisemitismus. Zwei deutsche Zivilgerichte haben im Jahr 2014 (Landgericht München I) und 2015 (OLG München) mit Ignoranz und geringem Kenntnisstand über modernen Antisemitismus geurteilt und mein Grundrecht auf Meinungsfreiheit zugunsten des ‚Persönlichkeitsrechts‘ eines einflussreichen antisemitischen Ideologen eingeschränkt.“ (9) Ditfurth geht auch auf ein Fest für Flüchtlingen ein, das sicher gut gemeint war, bei dem  aber nicht bedacht wurde, dass Übersetzungen nur ins Arabische nicht aureichen und beispielsweise Menschen aus Afghanistan ausschließen:

„Die politisch Verantwortlichen sollte vielleicht, bevor sie ein rauschendes Fest machen, alles tun, damit die Flüchtlingen hier wirklich glückliche neue Deutsche werden können. Denn die Erfahrungen, die Kinder und Jugendliche und erwachsene Flüchtlinge jetzt machen, werden das gesellschaftliche Klima Deutschlands in den kommenden Jahren und Jahrzehnten beeinflussen. In den nächsten Monaten wird sich die Situation in Frankfurt am Main zuspitzen, weil mindestens 4 bis 6 verschiedene völkische, rassistische, Halb- und Ganz-Nazi-Parteien und -Listen den rassistischen und antisemitischen Hass in der Stadt schüren werden, um sich, auch in harter Konkurrenz untereinander, in Stellung zu bringen für die Kommunalwahl. Das wird gefährlich für das Leben, die Unversehrtheit und für das Glück der Geflüchteten!“

Wohin die Reise gehen soll, macht nicht nur der polemische Stil deutlich, denn Ditfurth wirbt mit Thomas Ebermann (der einst mit ihr bei den Grünen war) für „Nie wieder Deutschland!“. Damit outen sich gerade jene ehemaligen Grünen, welche die Partei ursprünglich wegen des Einflusses der NATO verlassen haben, als UnterstützerInnen einer Destabilisierungsstrategie, die auf Nationalstaaten in Europa abzielt. Dies verbindet Ditfurth auch mit PolitikerInnen bei den Grünen (in Deutschland wie in Österreich) und mit jenen SozialdemokratInnen, die als größtes frauenpolitisches Problem Väterrechtler betrachten. Nicht Übergriffe junger muslimischer Männer oder an den Tag gelegte Frauenverachtung selbst Helferinnen gegenüber sollen thematisiert werden, sondern Sorgerechtsstreitigkeiten, bei denen Gerichte willkürlich durchaus auch gegenüber Männern agieren.

Dies ist als Linie auch im Mainstream zu beobachten, wo die als kritisch geltende „profil“-Kolumnistin Elfriede Hammerl nichts Heikleres als ebensolche Verfahren aufzugreifen wagt. (10) Wenn Hammerl vereinzelt staatliche Brutalität gegenüber Schwachen aufzeigt, hat dies keine Konsequenzen; es wirkt eher wie ein Ventil oder ein Alibi, weil sie ja als „Paradefeministin“ gilt. (11) Selbstverständlich hat Hammerl auch eine klare Meinung von Eva Herman, die auf der vorgegebenen Linie liegt. Herman ist übrigens teuer zu stehen bekommen, dass sie keine Chance mehr hat als Moderatorin und versuchen muss, Bücher zu verkaufen und gelegentlich abseits des Mainstream auftritt. (12) Obwohl man ihr ein falsches Zitat untergeschoben und dies als Vorwand zur Kündigung verwendet hat, verlor sie übrigens vor dem Arbeitsgericht. (13) Als sie mit dem „Eva-Prinzip“, dann dem „Arche Noah-Prinzip“ und diversen Artikeln abseits der Moderationen an die Öffentlichkeit trat, wurde sie zunehmend redaktionell geschnitten. Die Leute verstummten, wenn sie hereinkam; auch in der Frauenredaktion; sie sei „mit jeder Veröffentlichung mehr unter Verdacht geraten“. (3)

Auf der Webseite des gerne als „rechts“ und „verschwörungstheoretisch“ bezeichneten Kopp-Verlags befasst sich ein Artikel mit den wichtigsten Tabus im Mainstream im vergangenen Jahr: „Wie die Flüchtlingswelle die Sache der Frau zurückwirft. Dass muslimische Migranten sich  nicht gerne von Frauen beraten, behandeln und betreuen lassen, das haben Massenmedien lange als den Erguss von fremdenfeindlichen ‚Rechtspopulisten‘ abgetan oder lieber ganz ignoriert. Erst als Frauenverbände im September wegen sexueller Übergriffe gegen Frauen in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen aufschrien, war es nicht mehr möglich, das brisante Thema auszuklammern. Und erst als Familienministerin Manuela Schwesig Mitte Dezember ein neues Schutzkonzept für Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften mit einem Volumen von 200 Millionen Euro vorstellte, wurde durch die Bekanntgabe dieser Nachricht widerwillig eingeräumt, dass hier ein großes Problem vorliegt.“ (14)

Das hier beschriebene Verhalten habe ich vor zwei Wochen selbst bei einer freiwilligen Helferin beobachtet, die einige Menschen bei sich aufgenommen hat, unter denen sich aber auch Männer befinden, die sie nicht einmal grüßen, ihr nicht die Hand geben wollen und auch keinen Finger rühren. Verständlicherweise wollte sie diese Typen rauswerfen, doch die Gemeinde wurde vom Bund damit konfrontiert, dass man ihr trotz Erfüllung der Quote ein Massenlager aufs Aug drücken wollte. Nun besteht aber die Möglichkeit, dass bei ihr untergebrachte Leute in ein neues Quartier ziehen werden, was aber damit einher geht, dass im Ort vorübergehend doppelt so viele Menschen wie vorgesehen aufgenommen werden. (15) Andere listen bereits penibel auf, welche Fälle von Vergewaltigung erst nach und nach bekannt wurden, weil die Polizei mauert, da sie mauern soll. (16)

Es wäre aber falsch, hier den Focus auf Flüchtlinge und Migranten zu richten, da auch die Opfer einheimischer Vergewaltiger ähnliche Erfahrungen machen. Eine Bekannte steht für viele Frauen, wenn sie schildert, dass die Polizei verständnisvoll war, als sie die Anzeige aufnahm und sie vom Frauennotruf der Stadt Wien gut begleitet wurde – aber was will man machen, wenn eine Staatsanwältin einem Täter glaubt, der trotz DNA-Spuren (ausgerissenen Haarbüscheln) und Verletzungsspuren am Opfer dreist behauptet, sie hätten eine Beziehung gehabt? Den Einwand der Bekannten, dass dies nicht stimme und Vergewaltigung auch in Beziehungen strafbar wäre, wischte die Staatsanwältin barsch vom Tisch. Viele Frauen machen aufgrund einheimischer Täterschaft (und weiblicher Komplizenschaft in der Justiz) die Erfahrung, dass sie selbst Freiwild sind und Männer ihnen alles antun können.

Da muten dann „Wertekurse“ absurd an, weil diese ja davon ausgehen, dass Gleichberechtigung ein tatsächlich gelebter Wert sei. Hier müsste eigentlich realer Feminismus ebenso ansetzen wie die Frauenpolitik der Parteien, doch diese beschränkt sich auf das Strafbarmachen der Abbildung von Magermodels und des Pograbschens (ein schlechter Scherz angesichts einer Justiz, die Täter sowieso schützt).Wahrscheinlich geht es hier aber auch um Angst vor den Folgen eines Abweichens vom Mainstream, da ja gelegentlich Exempel an Frauen statuiert werden. Um nichts in der Welt möchten brave Gefolgsfrauen, sei es in den Redaktionen, im Parlament, in der Regierung oder in der Justiz selbst in die Lage geraten, für eigenständiges Denken und Handeln gebrandmarkt zu werden.

Da akademischer Feminismus den gelebten ersetzt, wiederholen sich (scheinbar) gewonnene Erkenntnisse wie in einem Perpetuum Mobile. Wenn Barbara Blaha und Sylvia Kuba 2012 ein Buch unter dem Titel „Das Ende der Krawattenpflicht“ veröffentlichen, (17) klingt dies sehr nach einem davon unabhängigen Vortrag der amerikanischen Sprachwissenschafterin Deborah Tannen vor einigen Wochen an der Universität Wien. (18) Denn auch Tannen ging auf eine informelle Kleiderordnung in der Politik ein, die für Frauen insofern ein Nachteil  ist, weil man(n) mit Anzug und Krawatte immer passend gekleidet ist, bei Frauen aber viel mehr auf Äußerlichkeiten geachtet wird. Wie sich akademischer Feminismus im Kreis dreht, sieht man auch daran, dass Nina Horaczek vom „Falter“ bei der Buchpräsentation (mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek) moderierte und das Buch natürlich auch positiv rezensierte. (19)

Natürlich wird positiv aufgenommen, was Blaha und Kuba, beide mit SPÖ-Background, zum vermeintlichen Funktionieren der Politik von sich geben, (20) doch ohne Hintergrundwissen bleiben Diskussionen an der Oberfläche. In der SPÖ haben sich Frauen bislang in der Regel nicht als Generalistinnen mit allen Themen befasst oder sich auf eher Männern Vorbehaltenes wie Sicherheit, Verteidigung, Finanzen  konzentriert. Wo kein profundes, machtpolitisch relevantes Wissen in Frauenhand verfügbar ist, kann es durchaus so sein, dass mangels interessanter Inhalte und Überlegungen Äußerlichkeiten eine große Rolle spielen. Kompetente Frauen egal wo hatten aber noch nie das Problem, an Kostüm. Hosenanzug oder gar Jeans gemessen zu werden, ebenso wie Politiker, die Handschlagqualität haben, oft bewusst nicht mit Anzug und Krawatte in Erscheinung treten.

(1) http://www.welt.de/vermischtes/article150011240/Wir-neigen-mehr-denn-je-zu-Denkverboten.html
(2) ein Beispiel: http://www.emma.de/artikel/islamisten-sind-rassisten-331083
(3) http://www.wissensmanufaktur.net/medien-macht-manipulation
(4) http://www.eva-herman.de/microsite/alice-schwarzers-denunziationskampagne.html
(5) http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/eva-herman/zickenkrieg-rote-und-gruene-gegen-schwarzers-gender-turmbau.html
(6) http://diepresse.com/home/kultur/literatur/560736/Wie-Eva-Herman-zu-Eva-Braun-wurde
(7) siehe https://www.youtube.com/watch?v=v5a02uRbaqQ und https://www.youtube.com/watch?v=43NRPdov91I
(8) siehe TV-Kritik: https://www.youtube.com/watch?v=8h478X2lQ1w und http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/rausschmiss-bei-kerner-wie-eva-herman-den-fernsehtod-starb-1490687.html
(9) siehe http://www.jutta-ditfurth.de/allgemein/News.htm und https://de.wikipedia.org/wiki/Els%C3%A4sser-Ditfurth-Prozess
(10) http://www.profil.at/meinung/elfriede-hammerl-zu-bindung-6126637
(11) http://www.profil.at/meinung/elfriede-hammerl-gebloekt-282416
(12) http://www.bild.de/unterhaltung/leute/eva-herman/so-verlor-ich-mein-ganzes-geld-26702440.bild.html
(13) http://www.focus.de/kultur/kino_tv/tag-der-wahrheit-eva-herman-wirbt-fuer-medien-protesttag_id_4164051.html
(14) http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/markus-gaertner/alzheimer-journalismus-14-grosse-themen-die-2-15-unterschlagen-wurden.html und http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-12/fluechtlinge-unterkuenfte-schutz-gewalt-frauen-kinder-sanitaeranlagen-manuela-schwesig
(15) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/17/asylrealitaet-am-beispiel-bruckneudorf/
(16) http://de.gatestoneinstitute.org/6547/vergewaltigungen-migranten
(17) http://www.endederkrawattenpflicht.at
(18) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/10/22/deborah-tannen-zu-medien-und-gender/
(19) siehe Termine: http://www.endederkrawattenpflicht.at/?page_id=4 und https://www.falter.at/falter/rezensionen/buecher/?issue_id=420&item_id=9783707603064
(20) http://www.eskarina.at/ende-der-krawattenpflicht/ und http://blog.sektionacht.at/2012/03/frauen-vor-aber-wie/#more-1701 bzw. http://fm4.orf.at/stories/1695641/

Nach-Weihnachtsgedanken

Wenn Bischöfe in ihren Weihnachtspredigten wahre Nächstenliebe in der Hilfe für Flüchtlinge verorten, lässt dies Schlimmes für bereits bisher vernachlässigte sozial Schwache befürchten. Zugleich trommeln Medien weiter dafür, mehr Wohnraum für Flüchtlinge zu finden, während Obdachlose und Arme ausgeblendet werden.

Natürlich ist die propagierte Fernstenliebe nicht christlich, sondern transatlantisch, aber warum muss die Kirche auf diese Zug aufspringen? Immerhin hat Kardinal Christoph Schönborn inzwischen entdeckt, dass Kriege etwas mit Flucht und Massenmigration zu tun haben; er nennt jedoch die verdeckte Kriege nicht beim Namen, geschweige denn deren Urheber. (1)

Neben „refugees welcome“ gilt in Wien auch „tourists welcome“, wie man am Weihnachtsabend besonders deutlich am Stephansplatz sieht (dort, wo Schönborn und Co. feiern). Die einen sind auch ohne Kohle willkommen (böse Zungen behaupten, dass etwa die Caritas gut an ihnen verdient), die anderen bringen Kohle, und beide sehen ein Wien, das mit der Realität wenig zu tun hat.

Im Stadtbild fallen zahlreiche Obdachlose auf, die oft von Hunden begleitet werden; Menschen in Not werden vom harten Fonds „Soziales“ Wien dazu gezwungen, auf Tiere zu verzichten, wenn sie nicht auf der Straße leben wollen. Angesichts der Heuchelei, der Gleichgültigkeit, der Brutalität vieler Menschen ist verständlich, dass manche sich lieber für ihren tierischen Gefährten und damit für ein Leben auf der Straße entscheiden als ihren Freund aufzugeben.

Dies fällt in die Kompetenz von „Sozial“-Stadträtin Sonja Wehsely von der SPÖ, die selbstverständlich ungeheuer menschlich und mitfühlend tut, wenn es um Fernstenliebe geht. In einer Mischung aus bezahltem und ehrenamtlichem Engagement kümmern sich „Wärmestuben“ (meist kirchlich geführt) um jene Menschen, die auf der Straße „zuhause“ sind, die Drogen nehmen oder auf Entzug sind oder die sonst wie an den Rand der Gesellschaft geraten sind.

Es gibt Essen und Ansprache, doch keine Einrichtung hat die Nacht über geöffnet. Dabei wäre es Sache der Stadt, bei immerhin 1,8 Millionen EinwohnerInnen, von denen Hunderttausende arm sind, dafür zu sorgen, dass immer jemand da ist, dass es immer Anlaufstellen gibt. Während Flüchtlinge auf Bahnhöfen Rührung und Spontanprojekte auslösen, ist kaum im Bewusstsein, dass nur für wenige Stunden nachts geschlossene Bahnhöfe auch Anlaufstelle für andere Menschen sind.

Die Tierunfreundlichkeit der Stadt wird teilweise von privaten Einrichtungen aufgefangen, mutet aber auch deswegen heuchlerisch an, weil vor ein paar Monaten die Story über die angebliche Flucht eines syrischen Burschen mit einem Hund verbreitet wurde. Zwar sah der Hund wie ein sibirischer Husky aus, aber vielleicht gibt es diese ja auch in Syrien?

Typisch weihnachtlich sind auch Peinlichkeiten wie der Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer samt Gattin in einer privaten Obdachloseneinrichtung. (2) Fischer stammt ja aus der Sozialdemokratie, die in Wien dafür verantwortlich ist, dass so viele Menschen an den Rand gedrängt und nicht aufgefangen werden – aber verliert er darüber kritische Worte? Ganz bestimmt nicht.

Alle Jahre wieder gibt es Banalität anstatt Berichterstattung, nämlich wie „Österreichs Politiker“ Weihnachten feiern. „Im Familienkreis“ natürlich, wie gerne der oder die eine oder andere auch ganz woanders wäre; unfreiwillig erheiternd ist die Information, dass Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) mit seiner 12jährigen Tochter in die Kindermette geht. (3) Oft ist das eigentlich Interessante, wer nicht vorkommt, nämlich Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ). 2014 teilte man uns noch mit, dass er mit Freundin und wenige Wochen zuvor geborener Tochter feiert, die Vorspeise zubereitet und den Baum mit blauen, weißen und roten Kugeln schmückt.

„Bedürftige“ müssen, weil sie keine Flüchtlinge sind, Familie vorweisen können, um als Menschen in Not betrachtet zu werden. Auf diese Weise verteilt der rote Samariter Bund Geschenke an Kinder sozusagen als Pause von der Flüchtlingsfürsorge, die ihn wie andere „NGOs“ stark in Anspruch nimmt. Wenn er dabei aber vom Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) unterstützt wird, fragt sich doch, ob dieser sich nicht darum kümmern sollte, dass es weniger Wohnungsnot gibt. (4)

Im Faymann-Propagandablatt „Österreich“ finden wir am 25. Dezember ein ganzseitiges SPÖ-Inserat, bei dem links oben in der Ecke ein kleines Faymann-Foto prangt. Daneben steht „Lange gefordert. Hart erkämpft. Jetzt durchgesetzt.“ Weiter unten vor grauem Hintergrund eine rote Börse in Österreich-Form, darüber „Mehr Netto vom Brutto!“ und darunter: „Ab 1. Jänner: Die größte Steuerentlastung aller Zeiten!“. Von den Kosten abgehen ist das Design der Anzeige umwerfend hässlich.

Zu Weihnachten wurden in der Frauenbeilage zu „Österreich“ Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser und die neue Kanzlersprecherin Anja Richter gefeiert (ihr Lebensgefährte Christian Deutsch stammt wie Faymann aus der SPÖ Liesing und arbeitet bei Kanzleramtsminister Josef Ostermayer). Und für die Leserinnenschaft gibt es, nachdem vorher wochenlang getrommelt wurde, was frau alles schenken und wie sie feiern sollte, Silvestertipps und ein Jahreshoroskop.

Der weihnachtliche Einkaufsrummel bedeutet übrigens für VerkäuferInnen besonderen Stress. So müssen Supermarktangestellte, wenn am 24. Dezember um 7 Uhr aufgesperrt wird, ihren Dienst um 5.30 Uhr beginnen. Wenn dann um 14 Uhr geschlossen wird, ist der Arbeitstag ja noch nicht ganz vorbei. Eine Pointe am Rande, Supermärkte betreffend: Am 23. Dezember schnappte sich eine Kundin vor mir beim Penny schnell noch einen der angebotenen Bumentöpfe, drei Amaryllis-Zwiebeln in Glasbehälter, rundum Jute mit Sprüchen. Dass das Band falsch aufgeklebt war, bemerkte sie nicht, denn da stand „rohe Weihnachten“. Ist sie Rohkost-Fan, ist es in Erwartung häuslicher Gewalt, oder geht es um BDSM?

(1) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151224_OTS0015/fluechtlinge-schoenborn-mahnt-europaeische-solidaritaet-ein
(2) http://derstandard.at/2000027938384/Der-Praesident-Herr-Josef-und-die-Sexfilme?ref=rec
(3) http://derstandard.at/2000028032683/Oesterreichs-Politiker-feiern-im-Familienkreis
(4) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151224_OTS0014/str-ludwig-beim-weihnachtsfruehstueck-im-samariterbund-sozialmarkt

Zum Tod von Freda Meissner-Blau

Im Alter von 88 Jahren ist die erste Klubobfrau der Grünen Freda Meissner-Blau am 22. Dezember 2015 in Wien gestorben. Meissner-Blau, die ursprünglich aus der SPÖ kam, gehörte 1984 zu den BesetzerInnen der Hainburger Au und kandidierte 1986 bei den Bundespräsidentenwahlen.

Bei vorverlegten Nationalratswahlen im Herbst desselben Jahres kamen die Grünen erstmals ins Parlament, jedoch mit einem Klub, der als sieben Männern und einer Frau bestand. Entgegen damaligen Geredes war dies Meissner-Blau selbst ganz und gar nicht recht, denn sie hatte erwartet, dass Listen im Reißverschlußprinzip erstellt werden und so die Frauenparität (wie es die Grünen nannten) abgesichert wird. (1) Zum Tod von Freda Meissner-Blau weiterlesen

Sozialdemokratie und Wellness-Politik

„SPD-Frauen: Plädoyer gegen die weibliche Wellness-Politik“ wird ein Kommentar von Ulrike Posche auf der Titelseite des „Stern“ angekündigt. Nicht nur die Autorin hat beim SPD-Parteitag beobachtet, dass Wohlfühlen wollen und schwammige Aussangen kantige Positionen und harte Auseinandersetzung um die Ausrichtung der Partei ersetzen.

„Glockensüß klingt es am Parteitag der SPD, die früher eine Machopartei war“, beginnt Posche ihren Text. Unter all den mit Vornamen angeredeten Genossinnen, die  miteinander für Selfies posieren, fällt eigentlich nur die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann auf, weil sie die Rede von Parteichef Sigmar Gabriel kritisierte. Posche war froh, dass Uekermann Gabriel „ans Bein pinkelt“, hebt sich dies doch von der braven Konformität anderer Frauen ab.

Sie sehnt sich zurück nach jenen Parteitagen, bei denen Männer einander „mit Verachtung geduzt“ haben, aber da war ja auch Oscar Lafontaine noch in der SPD. Während die Genossinnen heute vielleicht mal Fieber bekommen, stand Helmut Kohl 1989 einen CDU-Parteitag mit Schmerzen durch und liess sich erst danach operieren, und am Rande „verzwergte er ein paar Aufständische“ in der Partei. Heute gibt es stattdessen „das Leidenschaftsneutrale, das Loben und das Hudeln“ und Sprechblasen,  in denen von der „tollen gemeinsamen Arbeit“ geschwärmt wird, man von „integrativer Flüchtlingsarbeit“ und davon spricht, dass sich die SPD „auch um die Menschen kümmern muss, die es schwer haben“.

Mit anderen Worten stellt Posche eine „Verweiblichung“ der Sozialdemokratie fest, die dieser nicht gut tut. Die Journalistin ist des Antifeminismus unverdächtig, hat sie doch einmal den Medienpreis der „Emma“ gewonnen. (1) Vor wenigen Wochen war sie mit Gabriel in einem riesigen Flüchtlingslager in Jordanien, (2) zu ihren SPD-Stories gehören aber auch privatere Geschichten. (3)

Sucht man im Archiv des „Stern“ nach der SPD, erhält man neben zahlreichen Artikeln diese Erklärung: „Die SPD ist die älteste parlamentarisch vertretene Partei Deutschlands, Gründungsdatum: 23. Mai 1863. Ihr Kernanliegen ist die soziale Gerechtigkeit, ihre Kernwählerschaft sind Arbeiter. Derzeit macht die Partei eine menschliche Erfahrung: Sie schwächelt. 1977 hatten die Sozialdemokraten noch eine Million Mitglieder. Heute sind es weniger als die Hälfte. Ihr bestes Wahlergebnis erreichte die SPD unter Willy Brandt, der Ikone der Partei. Ihr bisher schlechtestes mit dem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Zweimal stellte sie den Bundespräsidenten, dreimal den Kanzler. Einer von ihnen, Helmut Schmidt, ist nach seiner Amtszeit eine Art Ratgeber der Nation geworden.“ (4)

Allerdings sehen andere Schmidt als Paradebeispiel für einen nur scheinbar weisen alten Mann, weil er an manchen Überzeugungen starr festhielt, egal welche politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen es gab. „Schmidt und Scholl-Latour: Eine Zusammenkunft alter Männer“ nennt daher Jens J. Korff seinen „Ungebetenen Doppelnachruf auf einen ‚weisen Staatsmann‘ und einen ‚weisen Beobachter'“, nämlich auf Helmut Schmidt und Peter Scholl-Latour und schreibt: „Politisch hatten Schmidt und Scholl nicht viel gemeinsam. Schmidt blieb zum Beispiel, anders als Scholl, stets einer auf Kriegsvermeidung abzielenden internationalen Diplomatie verpflichtet.Was sie aber eint, sind zwei Haltungen: eine persönliche Arroganz und Überheblichkeit, die mich ein ums andere Mal fassungslos zurückgelassen hat; und eine schneidende Härte, eine Neigung zu brutal-technokratischen oder – bei Scholl – offen gewaltsamen ‚Lösungen‘, die, wie alle gewaltsamen Lösungen, nie etwas gelöst haben.“ (5)

Dämonisierte Scholl den Islam und klang immer so, als würde er sich von der Front zum Mikrofon durchgekämpft haben, liegen die fatalen Irrtümer von Helmut Schmidt etwa im Bereich Rüstung oder bei Atomkraft und Großprojekten. Zudem trat Schmidt immer für eine Dominanz der USA und der NATO ein und sah anders als die Friedensbewegung im Wettrüsten keine Zunahme der Kriegsgefahr. Zwischen „Verweiblichung“ der Politik und unbelehrbarem Altmacho-Gehabe ist aber viel Spielraum, der angesichts schwammig argumentierender Vorsitzender sowohl der SPD als auch der SPÖ nicht genutzt wird.

Albrecht Müller war Sekretär von Willy Brandt und beschreibt ein Verhalten von Sigmar Gabriel, das sehr an Werner Faymann erinnert: „Er wertete die Zustimmung der 74,3 Prozent als Auftrag, Politik in seinem Sinne weiterzumachen und keine Rücksicht mehr auf die Nein-Stimmen und die Unzufriedenheit vieler Mitglieder und Sympathisanten nehmen zu müssen. Beim Durchmarsch mit seinen Vorstellungen zum Freihandelsabkommen TTIP wurde dann am nächsten Tag gleich erfolgreich probiert, was dieses absichtliche Missverständnis in der Praxis bedeutet: Die Linie des Führungspersonals um Gabriel und Steinmeier und der anderen eher konservativen bis inhaltsleeren Sozialdemokraten wird ohne Rücksicht auf Verluste durchgehalten und in praktische Politik umgesetzt.

Die harte Antwort des Sigmar Gabriels auf die kritische Anmerkung der Juso-Vorsitzenden, bei ihm gebe es eine große Lücke zwischen Reden und Tun, war ein weiteres Signal für die harte Linie mangelnder Rücksicht auf die Vielfalt der SPD. Dieser Kurs ist geeignet, das Wahlergebnis bei der nächsten Bundestagswahl sogar noch unter die zur Zeit bei Umfragen gemessenen 25 Prozent zu drücken.“ (6) Auch in Österreich werden knapp über 80 % am Parteitag (wobei jene nicht mitgerechnet wurden, die gar nicht erst an der Wahl des Vorsitzenden teilnehmen wollten) als Bestätigung des „Kurses“ von Faymann gewertet, und ein Jahr danach grundelt die SPÖ bei 22 Prozent in Umfragen.

Mit einer anderen Argumentation kommt Müller zu ähnlichen Schlüssen wie Ulrike Posche: „Es ist immer wieder erstaunlich, mit anzusehen und anzuhören, wie primitiv die strategischen Vorstellungen vor allem der eher konservativen bzw. sogenannten pragmatischen Sozialdemokraten und spiegelbildlich der meisten Medien aussehen: Geschlossenheit, ‚in die Mitte rücken‘ – das sind die Hauptforderungen und die Ideen für eine erfolgreiche Bewerbung um eine Mehrheit. Sigmar Gabriel hat in seiner Rede ausführlich das Ziel beschworen, die Mitte und speziell die ‚arbeitende Mitte‘ unserer Gesellschaft erreichen zu wollen. Und er legt wie viele andere Wert auf Geschlossenheit und wird von den Medien mehrheitlich darin unterstützt, dass Geschlossenheit ein eigenständiger Wert sei.“

Sätze ohne jede Substanz sind bezeichnend für einen eher gefühlsorientierten Zugang ganz im Sinn traditioneller Weiblichkeit, während die „harten“ männlichen Fakten nur stören würden; beispielsweise das Ausmaß  der Armut in Deutschland, das durch ein auf Flüchtlinge und MigrantInnen konzentriertes „Wir schaffen das!“ nicht geringer wird. „Die SPD tritt relativ geschlossen auf und hat in den Umfragen ihr Ergebnis von 2013 (25,7%) nicht überschritten sondern unterboten. Die Ankündigung des Vorsitzenden, den linken Teil, der wesentlich für die Nein-Stimmen bei der Vorsitzenden-Wahl verantwortlich sein dürfte, mit Missachtung zu strafen, wird dazu führen, dass Wählerinnen und Wähler dieses Teils die Lust zu dieser Wahlentscheidung verlieren“, stellt Müller fest.

Auch für die SPÖ ist charakteristisch, dass die Parteidisziplin nach wie vor sehr gross ist, selbst wenn immer wieder Kritik artikuliert wird; diese hat bislang aber keine verändernde Dynamik entwickeln können, vielleicht weil sie die Ursachen des Niedergangs der Partei nicht berührt hat. Müllers Urteil über Gabriels Positionen fällt vernichtend aus: „Sigmar Gabriel hat lange gesprochen. Ich habe mir die Rede angehört und sie noch einmal durchgelesen und finde darin keinen Programmpunkt und kein Thema, die sich für eine nachhaltige und günstige Profilierung eignen würden.

Ich fand auch kein Thema, das geeignet wäre, den Konflikt mit der Union zu eröffnen und durchzuhalten und dabei positiv zu gewinnen. Das Flüchtlingsthema ist es nicht; das Thema soziale Gerechtigkeit ist widersprüchlich abgehandelt; Krieg und Frieden sind als Profilierungs- und Konfliktthema aufgegeben. Das ist das eigentlich Dramatische an der jetzigen Entwicklung.“ Da man in Deutschland rhetorisch immer noch etwas mehr draufhaben muss als in Österreich, wird Gabriel allerdings von einem unterboten, nämlich von SPÖ-Chef Werner Faymann.

Die Kritik ist in beiden Ländern ähnlich, da seit Jahren Standardfloskeln in Richtung der eigentlichen Klientel der Sozialdemokratie abgesondert werden, denen keine Handlungen folgen: „Die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann hat beim Parteitag den Parteivorsitzenden nach dessen Rede kritisch hinterfragt und ihm vorgeworfen, es gebe viele Lücken zwischen Reden und Tun. Er hat sich anschließend dagegen verwahrt. Und Johanna Ueckermann ist auch von anderen darob heftig kritisiert worden.“ In Österreich mussten junge KritikerInnen erleben, dass sie von Regierungsmitgliedern wie Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek gemaßregelt werden; Parteitage sind zwar etwas weniger Frauensache als in Deutschland; „Verweiblichung“ in Richtung Konturlosigkeit gibt es aber auch hier.

Welch gefährliche Falle es ist, Fakten zu vernachlässigen und (kreierte) Gefühle sprechen zu lassen, zeigt das Flüchtlingsthema. Da genügt es eben nicht zu sagen, dass „Menschlichkeit“ keine Obergrenze kennen darf oder dass es keine „Stopp-Taste“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen geben kann. Sondern es gibt nüchterne Realitäten wie die Budgetsituation, die Lage am Arbeitsmarkt, existierende soziale Not und nicht zuletzt Vorgaben der eigenen Verfassung. Vom Standpunkt des Amtseides und der Verantwortung für Österreich ist es gleichgültig, womit sich ein „verweiblichter“ Politik anhängender Bundeskanzler wohlfühlen würde, sondern er hat seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Bei der Performance der SPÖ insbesondere seit sie dem Flüchtlingshype erlegen ist besteht ohnehin der Eindruck, dass fast alle vernebelt sind und auch ein Interesse daran haben, in der harten Wirklichkeit aufzuwachen. Es ist sicher kein Zufall, dass keine Politikerin, sondern ein Politiker dagegen auftritt, nämlich der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl, der von sich sagt, sich nicht bei allen beliebt machen zu wollen. Wiederholt verwies er auf Fakten, die man nicht ignorieren dürfe, die aber seine GenossInnen in Wien und auf Bundesebene lieber weiter leugnen.

„Ich kenne kaum jemanden, der so konsequent, so fachkundig, so sachorientiert politische Lösungen sucht und zustande bringt, wie Hans Niessl. Das zeichnet das Burgenland aus“, meinte gerade der von Niessl kritisierte Faymann, als Niessl 15 Jahre als Landeshauptmann feierte, was zum „Spiel“ vor den Kulissen gehört. (7) Sarkastisch könnte man fragen, was Faymanns Lob für Niessl über ihn selbst aussagt; auch wenn er das Burgenland als „fleißig, leistungsbereit und gut geführt“ bezeichnet. Wie Männer abseits der „Verweiblichung“ der Sozialdemokratie Karriere machen, sieht man übrigens an Niessl und seinem Wahlkampfmanager.

Im Jahr 2000 wurde der bis dahin weitgehend unbekannte Lehrer Hans Niessl Landeshauptmann, weil der zuvor ebenfalls unbekannte Wahlkampfmanager Norbert Darabos strategisch geschickt agierte und selbst ein Bankskandal der SPÖ nichts anhaben konnte. Darabos wurde 2003 Bundesgeschäftsführer, rückte nach Heinz Fischers erfolgreichem Präsidentschaftswahlkampf 2004 ins Parlament nach, wo er u.a. aktives Mitglied des Landesverteidigungsausschusses war. 2007 wurde er Verteidigungsminister, 2013 wieder Bundesgeschäftsführer, ehe er im Juli 2015 in die neue Landesregierung wechselte.

Faymanns Lob dient auch deswegen nur der Bühne der Öffentlichkeit, weil er Darabos nie den Rücken stärkte gegen Druck der USA – denn ein cleverer Stratege, der zeitweise als „unbesiegbar“ galt, sollte seine Fähigkeiten in den Dienst der verdeckten US-Einflussnahme auf heimische (und EU-) Politik stellen, wozu Darabos nie bereit war. Diese Zusammenhänge habe wiederum ich exakt herausgearbeitet, weil ich – anders als die „Verweiblichungs“-Tendenzen in der SPÖ – an Fakten und nüchterner Lagebeurteilung interessiert bin und wissen will, wer wie warum reagiert oder was nicht tut, das er in seiner Postion tun müsste.

Aber welchen Spielraum hätte eine Regierungspartei SPÖ, wäre sie nicht auf transatlantischem Kurs (gegen den die SPÖ Burgenland implizit auftritt)? Gerade hat Podemos in Spanien besonders von den Sozialdemokraren gewonnen, als linke Alternative. (8) „Die Ergebnisse der Wahl in Spanien hinterlassen wieder einmal den Eindruck, es sei möglich, auch in Zeiten der Vorherrschaft des Neoliberalismus und militärisch geprägter Sicherheitspolitik Alternativen durchzusetzen. Vorsicht scheint geboten zu sein. Immerhin hatte in Griechenland mit Syriza eine fortschrittliche Partei die Wahl deutlicher gewonnen als Podemos in Spanien. Was wurde politisch daraus? Weitgehend die Fortsetzung der Austeritätspolitik.

Unter dem Druck neoliberal geprägter deutscher und europäischer Politiker. In Portugal haben sich auf Umwegen die linken Gewinner der Wahl durchgesetzt. Mühsam. Und vermutlich bedroht vom Druck von außen und medialem Druck von außen und innen. In Großbritannien hat sich ähnlich wie in Spanien mit Unterstützung einer Volksbewegung Corbyn als Vorsitzender von Labour durchgesetzt. Daran, dass diese Veränderung politisch inhaltlich nicht wirksam wird, arbeiten Konservative und Medien gemeinsam. Die Medien sind ein wesentlicher Machtfaktor. Sie können Mehrheiten von Wählerinnen und Wählern ins Leere laufen lassen“, schreiben die „NachDenkSeiten“. (9)

Sie zitieren aus einem Kommentar von Owen Jones im „Guardian“ zum Umgang mit dem NATO-kritischen Labour-Chef Corbyn: „Egal, was man von Jeremy Corbyn, seinem Führungsstil oder seiner Politik halten mag: Vor drei Monaten hat er in einer offenen und demokratischen Wahl einen erdrutschartigen Sieg errungen und ist zum Führer der größten Oppositionspartei des Landes aufgestiegen. Und seitdem ist er einem fast universellen Medienhass und –hohn ausgesetzt.“ Und: „Es ist schlimm, dass unsere Presse oft eher wie eine aggressive politische Maschine aussieht als wie ein Mittel der Bildung und Information. Aber schließlich ist unsere Presse im Besitz einer sehr kleinen Gruppe von Moguln, die unbestreitbar sehr ausgeprägte politische Ansichten haben.“

Ist es bei uns denn anders? Nicht nur, dass durchgängig ein Flüchtlingshype erzeugt wurde, ist auch die Berichterstattung über politische AkteurInnen manipulativ. (10) Tatsächliche Zustände hinter den Kulissen werden nicht angesprochen; stattdessen werden Desinformationen ewig  wiedergekäut. Es ist kein Wunder, dass es medial (nicht immer zu Unrecht) angefeindete Partei wie die FPÖ längst auf eigene Medien setzt und auf Facebook sehr präsent ist. Viele meinen freilich, „unsere“ Medien seien links, weil sie wie SPÖ und Grüne Flüchtlings- und Migrantenströme bejubeln, doch dies hat nichts mit linken Positionen zu tun. Weil wir hier ja wieder auf konturlose Wellness-Politik treffen, die bloss auf Gefühlslagen aufbaut und diese selbst kreiert. Dies vereinnahmt auch freiwillige HelferInnen gnadenlos, weil Ambivalenz und negative Erfahrungen keinen Platz haben dürfen.

(1) http://www.emma.de/artikel/der-11-journalistinnenpreis-die-preistraegerinnen-265161
(2) http://www.stern.de/politik/ausland/fluechtlingslager-zaatari-in-jordanien–sigmar-gabriel-besucht-syrische-fluechtlinge-und-ist-sprachlos-6464338.html
(3) http://www.stern.de/lifestyle/leute/spd-vizechefin-nahles–ja–wir-haben-uns-getrennt–3086000.html
(4) http://www.stern.de/politik/deutschland/themen/spd-4541456.html?order=DESC&month&year&pageNum=1
(5) http://www.heise.de/tp/artikel/46/46804/1.html
(6) http://www.nachdenkseiten.de/?p=29563
(7) http://kurier.at/politik/inland/15-jahre-als-landeshauptmann-des-burgenlands-niessl-liess-sich-feiern/170.871.016
(8) http://www.heise.de/tp/artikel/46/46925/1.html
(9) http://www.nachdenkseiten.de/?p=29669
(10) aktuelles Beispiel: http://derstandard.at/2000027903564/Hans-NiesslDer-Mann-der-doch-das-Klo-gefunden-hat

Mauern ist auch keine Lösung, Herr Bundeskanzler!

„Zäune sind keine Lösung“ ist das Mantra von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), diesem blieb er auch in der ORF-Pressestunde am 20. Dezember treu. Und er delegiert an die EU, wo er als Kanzler die Interessen der österreichischen Bevölkerung vertreten müsste. Denn allen ist klar, dass es – schon allein wegen des Widerstandes anderer Staaten – keine EU-Lösungen geben wird, sodass  Deutschland, Österreich, Schweden die Einwanderungswelle weiterhin schultern werden müssen.

„Gefragt nach einer ‚Obergrenze‘ bei der Aufnahme von Flüchtlingen, sagte Faymann, es könne keine ‚fiktive Stopp-Taste‘ geben. „Wer eine Reduktion will und wer will, dass der Satz der deutschen Kanzlerin *Wir schaffen das* auch Realität wird, der muss dafür sein (…), dass es Europa gemeinsam unternimmt: Die Frage der Aufteilung, die Frage der Grenzsicherung und die gemeinsame Politik in Syrien.'“, fasst der „Standard“ Faymanns Auftritt zusammen. (1) Dabei kann dies niemand wollen, der seinen Amtseid ernst nimmt und sich der eigenen Bevölkerung, dem eigenen Land verpflichtet fühlt.

Und was die „Stopp-Taste“ anbelangt, so ist sie allein dadurch schon vorgegeben, dass jedes EU-Land nur eine begrenzte Fläche,  begrenzte Ressourcen und begrenzte (als Hilfswillige eingespannte) Bevölkerung zur Verfügung hat. Auch die Genfer Konvention sieht sie vor, weil selbst bei 100% politisch Verfolgten (davon kann in der Praxis bekanntlich nicht die Rede sein) stets die Sicherheit des Gastlandes vorgeht. Faymann kann Österreich nicht sehr gut kennen, sonst wüsste er, dass viele Gegenden tagsüber verlassen wirken, weil kaum jemand vor Ort Arbeit hat.

Flüchtlinge und Migranten sind dort zunächst Fremdkörper, haben nichts zu tun und kommen mit falschen Erwartungen; sie wissen nicht, dass auch in Österreich Armut existiert, sie haben keine Ahnung von unserer Kultur oder davon, dass Frauen hierzulande nicht als Menschen zweiter Klasse behandelt werden dürfen. Faymann bürdet der Bevölkerung ein „Wir schaffen das!“ auf, ohne sie je gefragt zu haben, er ignoriert, wie ausgepowert viele sind, die anfangs gerne freiwillig geholfen haben, sich jetzt aber einer Dauerbelastung gegenüber sehen und fürchten, dass es nächstes Jahr noch schlimmer wird.

Wenn Zäune keine Lösung sind, sollten wir Faymann und die Bundes-SPÖ in mehrfacher Hinsicht beim Wort nehmen, denn hier wird nach dem Motto verfahren, dass Mauern die einzige Lösung ist. So darf der vorgegebene Kurs nicht kritisiert werden; man gibt der SPÖ Burgenland, die aus gutem Grund und aus Erfahrungen in der Praxis (die Faymann fehlen) eine andere Linie verfolgt, zu verstehen, dass sie innerparteilich damit isoliert sei. Aber ist sie dies wirklich, oder mauert man nach außen, um eine Geschlossenheit zu vermitteln, die längst nicht mehr existiert?

Bei den Landtagswahlen 2015 erreichte die SPÖ in der Steiermark 29,3 %; ÖVP und FPÖ waren fast gleichauf; aus der ÖVP war danach zu hören, dass die Vorverlegung der Wahl auf den 31. Mai eine weise Entscheidung war, weil die FPÖ angesichts der Flüchtlingsströme sonst noch mehr dazu gewonnen hätte. In Oberösterreich wurde die SPÖ nur drittstärkste Partei mit einem Minus von 6, 57 % und 18, 37 % (diesen Trend geben Umfragen auch für die Bundesebene vor). In Wien erreichte die SPÖ noch 39,5 %, überschreitet aber nicht mehr die 40%-Marke; die stets gemiedene FPÖ kam  auf 31,0 % und stellt erstmals den Vizebürgermeister. Die SPÖ Burgenland hat zwar auch Verluste eingefahren, ist aber mit 41,9 % die stärkste Landesorganisation; zudem ist nicht unwahrscheinlich, dass sie Zugewinne einfahren könnte, würde jetzt wieder gewählt. (2)

In der Sonntagsfrage kommt die SPÖ mittlerweile nur mehr auf 22 %, hinter der ÖVP mit 24  % und der FPÖ, die mit 31 % konstant an der Spitze bleibt. (3) Würde also jetzt gewählt werden, könnte die FPÖ den Bundeskanzler stellen, während die ÖVP komfortabel abgesichert ist, um als Koalitionspartner zu dienen. Dass die ÖVP gegenüber der SPÖ Boden gutgemacht hat, mag auch daran liegen, dass sie einen Kurs zu fahren versucht, den Außenminister Sebastian Kurz „nicht rechts, sondern realistisch“ nennt. Dass Kurz die Wiener (= Bundes-) SPÖ an wunden Punkten trifft, wird angesichts des Verhaltens von Stadträtin Sonja Wehsely bei einem Pressekonferenz-Auftritt mit Kurz deutlich. (4) Tags darauf gaben übrigens Kurz und Landesrat Norbert Darabos (SPÖ) bekannt, dass Kurz‘ „Wertekurse“ als Pilotprojekt im Burgenland starten. (5)

Faymanns Aussagen wirken stets wie reine PR, ohne politische Substanz, ohne dass man das Gefühl hat, hier nimmt jemand die Dinge in die Hand, wie er oder sie es in seiner Funktion sollte. Dazu trägt wohl auch bei, dass sein Umfeld Cliquenstruktur aufweist, wie man stets an Personalrochaden erkennen kann. Als Norbert Darabos von der Bundesgeschäftssstelle ins Burgenland wechselte, war die PR  bemüht, Nachfolger Gerhard Schmid (Vorsitzender der SPÖ Hietzing) als positive Alternative zu Darabos hinzustellen. Wie zuvor im Verteidigungsministerium warf man Darabos vor, nicht zu kommunizieren, stellte sich aber nicht der Frage, ob jemand, der als guter Stratege, als intelligent und umgänglich gilt (aber kein Fan der NATO ist), sich freiwillig so verhält. Ich sammelte entsprechende Erfahrungsberichte und stieß auf massive Mauern, denn nur wenige in der Partei sprachen mit mir darüber; offiziell wurde aber stets abgeblockt; am Warum dieses Verhaltens war man nicht interessiert (und auch nicht daran, Schikanen gegen mich zu verhindern, weil ich dies thematisiere).

Schmid wurde als „stellvertretender Kabinettschef“ Faymanns tituliert, bearbeitete aber in der Praxis Interventionen, also Mails dieser Art: Herr Bundeskanzler, ich habe meinen Job verloren, können Sie mir helfen? Solche Eingaben wurden dann z.B. an das Arbeitsmarktservice weitergeleitet. Darabos wurde mit keiner einzigen Silbe für seine Tätigkeit als Bundesgeschäftsführer gedankt;  wie merkwürdig dies ist, sollte spätestens dann auffallen, als sein früheres Gegenüber in der ÖVP-Zentrale, Generalsekretär Gernot Blümel, in die ÖVP Wien wechselte. Denn bei ihm bedankten sich viele auch per Aussendung, und wünschten ihm viel Glück in seiner neuen Funktion. Pointe am Rande: auch Schmid gehörte zu den dankbaren Gratulanten, der keine Worte des Dankes an Darabos verloren hat; zudem hat auch Blümel die Erfahrung gemacht, nie mit Darabos reden zu können, bei Terminwünschen abgeblockt zu werden. (6)

Selbstverständlich mauert auch Faymann selbst, wenn es um Darabos, aber auch um das Bundesheer geht; dies konnte ich bei einer Diskussion vor der Wahl 2013 bei der „Presse“ erleben, als der Kanzler einfach nicht auf entsprechende Fragen einging. Mauern scheint der Bundes-SPÖ auch der richtige Weg, wenn die heikle Frage gestelllt wird, welche Kompetenz eigentlich Darabos‘ Nachfolger Gerald Klug als Minister hat, zumal er nicht einmal in den eigenen Reihen, beim Renner-Institut, ein Referat über Sicherheitspolitik halten kann. (7) Wenn wir Faymann beim Wort nehmen – „Zäune sind keine Lösung“ – dann sollte er sofort seinen Gartenzaun in Wien-Liesing entsorgen und zudem die Mauern des Bundeskanzleramts einreißen; warum stellen sich er und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer nicht in Zelten am Ballhausplatz der besorgten Bevölkerung, die klaglos schultern soll, was die beiden ihr einbrocken?

Im übertragenen Sinn sind auch Gesetze „Zäune“, ebenso für Investitionen oder als Transfers veranschlagte Summen, oder die Begrenzung von Terminen und die Entscheidung, dies zu tun und etwas anderes zu lassen, weil es für beides zugleich weder genug Zeit noch genug Ressourcen gibt. Der wichtigste „Zaun“, der für Faymann „keine Lösung“ darstellt, ist natürlich die Bundesverfassung, auf die er vereidigt ist, damit er seiner Verantwortung für Österreich nachkommt. Grenzenlosigkeit und damit die Auflösung des Nationalstaates wird dadurch erreicht, dass die eigene Bevölkerung mit ihren Rechten und Bedürfnissen gedanklich durch Menschen ersetzt wird, die hier fremd sind. Es trifft zuerst die Armen in Österreich und die ausgelaugten HelferInnen, es richtet sich aber gegen uns alle. Für jene Menschen, die fassungslos sind oder es noch werden, lohnt der Blick „über den Zaun“ nach Deutschland, wo viele die SPD (auf deren Parteitag Faymann vor Kurzem auftrat) sehr nüchtern beurteilen. (8) Und was über Angela Merkel gesagt wird, kann auch für Faymann gelten, (9) wobei noch der völkerrechtswidrige Bundeswehr-Einsatz in Syrien dazukommt. (10)

Es sei noch einmal auf Faymannn in der Pressestunde verwiesen: „Und jetzt verspreche ich auch nicht eine Stopp-Taste, auf die wir dann gemeinsam als Bundesregierung alle draufdrücken und sagen ‚jetzt ist Schluss, die Leute sollen bitte wieder umdrehen, nach Hause gehen , in Frieden leben‘. Sondern ich verspreche, dass wir uns dafür einsetzten, dass weniger kommen, weil wir vor Ort mehr machen.“  – sagt der Chef einer Partei, von der es keinerlei eigenständige sicherheitspolitische Analysen gibt, deren Verteidigungsminister sich keiner Diskussion stellen kann, die keine auch nur ansatzweise unserer verfassungsrechtlichen Neutralität entsprechenden Positionen vertritt. Die vereinfachenden, vagen Formulierungen lassen zudem erkennen, dass sich Faymann auf nichts festnageln lassen will. Es ist auch bezeichnend, dass der SPÖ zu den Bundespräsidentenwahlen, nachdem Irmgard Griss am 18. Dezember vorgeprescht ist, (11) nichts weiter einfällt als Sozialminister Rudolf Hundstorfer zu loben.

Zu Faymann meint der ungarische  Außenminister Peter Szijjarto lapidar, dass er „keinen Unterschied zwischen Solidarität und Dummheit“ sieht. (12) Es ist Solidarität, Notleidenden zu helfen, nahe ihrer Heimat unter menschenwürdigen Bedingungen zu leben, sodass sie Beendigung der Konflikte zurückkehren können. Es ist aber Dummheit, wenn „jemand Hunderttausende, Millionen unkontrolliert nach Europa holen will“. Es sei ohnehin jedem klar, dass weder die EuropäerInnen noch die MigrantInnen „das erhalten, womit sie gerechnet haben“. Faymann beschuldigt er, „wie üblich Lügen über Ungarn zu verbreiten“; der Kanzler versuche zudem, mit  der „prinzipienlosen Erpressung“ von EU-Ländern, noch mehr Einwanderer nach Europa zu holen. Ob es Faymann und seinem Umfeld passt oder nicht, aber ungarische Politiker sprechen vielen Menschen in Österreich aus der Seele, wie man auch an einer Rede von Ministerpräsident Viktor Orban erkennen kann. (13)

Dass die FPÖ an einer Faymann-Pressestunde kein gutes Haar findet, ist zu erwarten; aber hat sie mit Aussagen wie dieser so unrecht? „Faymann träumt von einer Lösung auf EU-Ebene statt eigenverantwortlich zu handeln, seine Träumereien werden zum finanziellen, gesellschafts- und arbeitsmarktpolitischen Albtraum für die Österreicher werden.“ (14) Man kann sich auch fragen, ob die Grünen von der Oppositions- zur Regierungspartei mutiert sind, wenn sie von Faymanns Auftritt schwärmen. (15) Um fair zu sein, muss man aber berücksichtigen, wie der ORF interviewt (16) und dass Faymann am Sonntag auch von Margaretha Kopeinig vom „Kurier“ befragt wurde, die Nationalstaaten pfui findet und NATO-Fan ist. (17) Schliesslich üben die „Asyl-Parallelwelten“, zu denen die Geschäftsführer jener Organisationen gehören, deren Freiwillige sich endlos selbst ausbedeuten sollen, auch starken Druck aus. (18)

Nicht von ungefähr postet ein User beim „Standard“, wo denn die von Faymann beklagte „Negativdiskussion“ zu finden ist, wo doch alle nach wie vor auf Hype machen; es ist bekannt, dass vieles nicht von den Medien erwähnt wird, sodass auch Übertriebenes oder Erfundenes leicht abseits des Mainstream kursieren kann; weil eben auch das nicht vorkommt, was Sache ist, was passiert ist. Tabu ist beispielsweise die große Belastung für Helfende auch dadurch, dass sie ihr eigenes Mensch-Sein vollkommen zurückstellen müssen, dass viele der (oftmals ja vermeintlichen) Flüchtlinge Frauen als Menschen zweiter Klasse betrachten, aber zugleich viele Helferinnen aktiv sind. Einiges, das im fernen Wien (und von Faymann) als großartige Mitmenschlichkeit verkauft wird, kommt nur deswegen zustande, weil man andere halt nicht im Stich lässt. Sowohl Helfende einander als auch sie jene Leute nicht, die man ihnen nachts vor die Tür stellt, damit in Traiskirchen niemand mehr im Freien schläft oder aus anderen Gründen.

„Der Bund fährt über uns drüber“ ist die Meinung der Bevölkerung in vielen Gemeinden, die erleben müssen, dass sie auch die Erfüllung der Quote von 1,5 % nicht schützt. Bruckneudorf im Burgenland ist ein Paradebeispiel, zumal hier wegen des anhaltenden Widerstandes gegen ein Massenlager ein Exempel statuiert werden sollte. Als der Bürgermeister nach der 5. Kundgebung am 4. Dezember dem Innenministerium schriftlich mitteilte, dass nunmehr 50 Flüchtlinge im Ort untergebracht sind und man daher vom Plan Abstand nehmen sollte, am Truppenübungsplatz ein Containerdorf für 400 Personen zu errichten, war Funkstille angesagt. Diese Vorgangsweise wundert in Gemeinden und auf Landesebene niemanden mehr, ist aber auch ein Beispiel für „Mauern ist keine Lösung“. Am 11. Dezember erfuhr SPÖ-Bürgermeister Gerhard Dreisker, dass es bereits Erschließungsarbeiten auf einem anderen Bundesheer-Grundstück gibt und setzte alle Hebel in Bewegung, um ein Massenlager zu verhindern; schlussendlich wird die Gemeinde als „Kompromiss“ den Winter über 50 Flüchtlinge zusätzlich aufnehmen. (19) Während die Leute sich von der Gemeinde- und Landespolitik unterstützt fühlen, würden sie Faymann wohl ausgebuht und zum Rücktritt aufgefordert haben.  

(1) http://derstandard.at/2000027839364/Faymann-zu-Fluechtlingen-Einzaeunen-loest-keine-Probleme
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Ergebnisse_der_Landtagswahlen_in_%C3%96sterreich
(3) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151219_OTS0004/profil-umfrage-oevp-ueberholt-spoe
(4) http://kurier.at/politik/inland/islam-kindergaerten-wehsely-an-kurz-haben-sich-schon-genug-profiliert/169.027.528
(5) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151211_OTS0198/integrationsminister-kurz-und-integrationslandesrat-darabos-burgenland-als-pilotbundesland-fuer-wertekurse-fuer-fluechtlinge
(6) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150703_OTS0205/spoe-vorstand-2-gremien-nahmen-personelle-weichenstellungen-in-bundesgeschaeftsstelle-und-eu-delegation-vor und als ein Beispiel von vielen zu Blümel: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151015_OTS0127/lopatka-peter-mcdonald-ist-ein-offensivspieler und hier dankt Schmid Blümel: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151015_OTS0141/schmid-gratuliert-neuem-oevp-generalsekretaer-peter-mcdonald – hier ein typischer Bericht: http://kurier.at/politik/inland/rote-suchen-in-der-hoehe-wege-aus-dem-politischen-tief/161.842.545 – siehe auch https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/05/mainstream-gegen-medienluegen/ und https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/09/zwischen-den-zeilen-lesen/
(7) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/11/die-spoe-und-die-neutralitaet/
(8) http://www.altermannblog.de/spd-parteitag-piep-piep-piep
(9) siehe Schreiben von Jens Christian Pech Petersen, Theologe und pensionierter Oberstleutnant: http://www.wertewandelblog.de/brief-eines-daenen-an-angela-merkel/
(10) Interview mit dem Verfassungs- und Völkerrechtler Norman Paech, der auch Bundestagsabgeordneter war: http://www.net-news-express.de/index.php?page=player&v=tlCgtOA_0ms
(11) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/18/irmgard-griss-will-bundespraesidentin-werden/
(12) http://www.kleinezeitung.at/s/politik/fluechtlinge/4891529/Kritik-an-Faymann_Unterschied-zwischen-Solidaritaet-und-Dummheit
(13) http://www.info-direkt.eu/viktor-orban-zur-aktuellen-lage-und-uber-werner-faymann/
(14) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151220_OTS0020/fpoe-kickl-faymann-klingt-nicht-wie-ein-oesterreichischer-kanzler-sondern-wie-ein-reserve-eurokrat
(15) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151220_OTS0019/korun-zu-faymann-scheitern-von-dublin-fuer-beschluss-eines-solidarischen-eu-asylsystems-nuetzen
(16) ein typisches Beispiel: https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/03/spoe-asylstreit-wie-der-orf-landesrat-darabos-interviewt/
(17) http://kurier.at/politik/inland/faymann-beklagt-in-oesterreich-negativdiskussion/170.696.789 – zur Linie des „Kurier“ siehe auch: http://kurier.at/meinung/kommentare/innenpolitik/wenn-geruechte-mehr-gelten-als-berichte/170.563.961
(18) zu einer Pressekonferenz von Rotem Kreuz, Caritas, Volkshilfe und Co. am 15. Dezember: https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/15/asyl-parallelwelten/
(19) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/17/asylrealitaet-am-beispiel-bruckneudorf/

Ein Hauch von Freiheit…

„Unglaublich, was derzeit in Polen läuft“ ist für  Meret Baumann in der „NZZ“, dass die Regierung in der Nacht auf den 18. Dezember eine NATO-Spionagezentrale in Warschau stürmen liess. Wenn aber Verteidigungs- und Außenminister gegen Beamte vorgehen, die gegen das eigene Land arbeiten, klingt das für andere Staaten wie ein Hauch von Freiheit. Man musss vorgeführt bekommen, wie es sein sollte, um zu verstehen, wie krass der Unterschied zur deutschen und österreichischen Realität ist. (1)

„Mitten in der Nacht hat das polnische Verteidigungsministerium in einem Nato-Spionageabwehrzentrum die Kontrolle übernommen. Deutschland ist an dem Projekt beteiligt“, meldete die „Zeit“, was für viele Menschen DIE Nachricht des Tages war. (2)  „Die neue polnische Regierung hat ein Spionageabwehrzentrum der Nato in Warschau stürmen lassen, um dort die Kontrolle zu übernehmen. Beamte des Verteidigungsministeriums und der Militärpolizei seien kurz nach Mitternacht in das polnisch-slowakische Zentrum eingedrungen, sagte dessen Chef Krzysztof Dusza im Fernsehen. ‚Ich habe ihnen gesagt, dass ihre Anwesenheit hier illegal ist.‘

Nach der Razzia habe er die Polizei aufgefordert, die Türen zu versiegeln. Die Slowakei und andere ausländische Partner seien über die nächtliche Aktion informiert worden. Der Sender TVP Info berichtete indes unter Berufung auf ungenannte Quellen, es gebe einen Verdacht auf Spionage für die USA. Das Nato-Spionageabwehrzentrum wird unter Führung von Polen und der Slowakei errichtet, aber auch Deutschland ist an dem Projekt beteiligt. Das polnische Verteidigungsministerium veröffentlichte eine knappe Mitteilung, nach der ein neuer Übergangschef für das Zentrum eingesetzt worden sei. Dabei handele es sich um Oberst Robert Bala. Außenminister Witold Waszczykowski sagte im Radio, dass die in dem Zentrum beschäftigten polnischen Beamten ihre Berechtigung verloren hätten, Zugang zu vertraulichen Dokumenten zu bekommen. ‚Sie sollen durch andere ersetzt werden, die solche Rechte haben.'“

Zwischen den Zeilen gesagt geht es wohl um Operationen gegen die polnische Souveränität, was diese Aktion zum Vorbild für die gesamte EU macht, auch für Deutschland und Österreich. Denn es ist keineswegs so, dass man nicht weiss, was gegen das jeweils eigene Land spionagetechnisch läuft; es ist aber bei den gegebenen Regierungsverhältnissen undenkbar, dass wie in Polen im eigenen Interesse durchgegriffen wird. Zuerst müsste man eine/n neue/n KanzlerIn haben und dann einen Paradigmenwechsel im jeweiligen Verteidigungsministerium herbeiführen.

Die triste Realität sieht hingegen so aus, dass auch Völkerrechtler keine Handhabe gegen die Relaisstation im US-Drohnenkrieg auf der Basis Ramstein sehen (wollen). (3) Und dass Drohnen – in diesem Fall Richtung Baltikum – frei  im deutschen Luftraum fliegen dürfen. (4) Wer sich etwa als korrekter Steuerfahnder mit Mitgliedern der Atlantik-Brücke anlegt, dessen Berufslaufbahn und Leumund wird schon mal via  Fake-Gutachten zerstört. (5) In Deutschland werden Opfer solcher Methoden immerhin rehabiliert; in Österreich wird Fake-Gutachtern hingegen kein Härchen gekrümmt. Und es bleibt im Wesentlichen der FPÖ (und dem Team Stronach) überlassen, für ein Ende der Sanktionen gegen Russland aufzutreten. (6)

Wie es hinter den Kulissen zugehen kann, beschreibt die kritische US-Abgeordnete Cynthia McKinney in einem Artikel: „Robert Baer machte gerade ein unglaublich wichtiges Eingeständnis, das für mich leider viel zu spät kommt. Aber es ist dennoch gut zu wissen. Der ehemalige CIA-Offizier gibt zu, dass ihm Millionen Dollar gegeben wurden, die er erfolgreich benutzte, um Politiker in Jugoslawien zu bestechen, die Interessen ihres Landes zu verraten. Robert Baer beschreibt, wie die USA Demokratie nach Jugoslawien brachten, indem sie es zerstörten.

Natürlich hat diese Politik, die von meinen Steuergeldern finanziert wurde, weder mir noch meinen Nachbarn nebenan genutzt; aber gewisse Individuen in sowohl der USA als auch in Jugoslawien haben kräftig an dem Spiel profitiert. Aber hoppla, zu dumm für die hunderttausenden Menschenleben; zu dumm das mit Srebenica. Und nun versucht Robert Baer, es wiedergutmachen, indem er die ganze Affäre offenlegt. Damit im Hinterkopf möchte ich erforschen, wie die US-Politik massenhaft Menschen schaden kann, und dennoch eine kleine Clique davon profitiert, was dann als ‚erfolgreich‘ angesehen wird.

Die US-Politik in Jugoslawien hat das Land buchstäblich von der Karte gewischt. Wenn man keine Person des Friedens und der Gerechtigkeit ist, kann man sagen, dass die US-Politik der Zerstörung jenes Landes effektiv und erfolgreich war, trotz dem daraus resultierenden enormen Verlust an Menschenleben. Und jetzt versucht die USA ‚Demokratie‘ nach Haiti zu bringen. Bei den Wahlen von 2010 hatte das US-Außenministerium Kommentare gemacht, wie etwa, dass Celestin ‚dem [venezolanischen Präsidenten] Chávez zu nahe stünde‘. Die US-Regierung griff direkt ein, um den Haitianern die Demokratie zu verweigern, weil sie für einen Chávez-Alliierten gestimmt hatten. Nun, Hugo Chávez gibt es nicht mehr und auch nicht die Bolivarianische Republik von Venezuela, die gerade dem Protégé Präsident Nicolas Maduro einen verheerenden Schlag bei den Wahlen vom 10. Dezember 2015 versetzt hat.

Unterdessen zeigte sich später, dass die Clinton durch die USAID an eine Organisation, die Clintons Wahl Martelly unterstützte, eine Summe von 100 000 $ überwiesen hatte. Nach seiner Amtseinführung war einer der beliebtesten Sprüche von Martelly ‚Haiti ist offen für Geschäfte‘. Für die damalige Außenministerin erwies sich das als Untertreibung. Zuerst gab es die Enthüllung, dass Tony Rodham, ihr Bruder, mit einem Vertrag für eine Goldmine belohnt wurde. Tony Rodham hat keine Kenntnisse über Goldgewinnung, außer dass er Hillary Clintons Bruder ist.“ (7)

Haiti wollte nicht mehr Gold fördern, weil man immer noch vergeblich die Rückgabe ihres 1945 von den USA geraubten Goldes fordert. Frau Clinton weiss angeblich nicht, wie ihr Bruder zu einem Goldminen-Kontrakt gekommen ist; ausserdem ist die Clinton-Stiftung in Haiti gut im Geschäft, und zwar mit Erdnüssen. McKinney erklärt: „Die USA besetzten Haiti militärisch bis 1934, aber behielten auch danach die ökonomische Kontrolle über das Land. Diese ökonomische Kontrolle über die haitianischen Resourcen stehen im Zentrum des haitianischen Kampfes für Selbstbestimmung.“

Die US-Botschaft versuchte, den Kandidaten Jude Celestin unter Druck zu setzen, der aber meinte: „Ich bin kein Dealer, ich bin ein Leader.“ McKinney schreibt: „Jude Celestin wurde schon mal eine Wahl von den Clintons gestohlen, aber diesmal hat er mit den anderen Kandidaten eine Einheit hergestellt. Sie nennen sich selbst ‚die G8‘. Bis jetzt hat die G8 standgehalten und nannte die erste Runde der Präsidentenwahl betrügerisch. Sie will kein Wahlergebnis anerkennen, das von der bereits befleckten Präsidentenwahlkommission kommt ohne eine unabhängige Untersuchung der Betrugsvorwürfe. Der US-Botschaft ist es nicht gelungen, einzelne Kandidaten aus der G8 abzuspalten. Von einer kürzlichen Reise nach Haiti musste Botschafter Kenneth Merten mit leeren Händen heimkehren.“

Mit anderen Worten ist in Haiti also eine Mehrheitsbildung gegenüber den USA im Gange, die Interessen des eigenen Landes voranstellt. Egal, wer gewinnt – das Land wird auf jeden Fall gewonnen haben, wenn die Protagonisten ihrer Linie treu bleiben. Was hindert uns, die wir uns als wache und kritische Bevölkerung verstehen, eigentlich daran, es Haiti nachzumachen? Bzw. welche Faktoren beeinflussen jene Menschen, die es nie schaffen, sich als Teil eines Landes zu begreifen, sondern sich leicht gegen alle möglichen ausspielen lassen? Im Folgenden einige Überlegungen dazu:

Die Hollywood-Falle: Das Leben ist nicht wie im Film, Politik und Medien funktionieren eher wie in „Borgen“ als wie in „House of Cards“; Widerstand hat mit „Game of Thrones“ wenig zu tun. (8)  Es geht darum, die eigene Umgebung, die Rahmenbedingungen, die AkteurInnen wahrzunehmen statt sich an irrealen Vorstellungen zu orientieren. Auf diese Weise lernt man auch schätzen, was Menschen unter widrigen Bedingungen zuwege bringen, auch wenn nichts an ihnen Hollywood-tauglich scheint.

Die Gender-Falle: Es muss uns bewusst sein, dass Gender-Beauftragte, Studien, Kampagnen, Statements sehr wenig an tatsächlich existierender Diskrimierung ändern, deren Wurzeln alte Rollenbilder sind. Zudem dient Gender dazu, die Gesellschaft zu spalten, Mehrheiten (für österreichische Politik) zu verhindern. Gender ist auch mit Feminismus aus der Retorte verbunden, der – wie man etwa an den SPÖ-Frauen in Wien und Bund erkennen kann – in Wahrheit weit weg führt von eigenständigem, selbstbewusstem politischem Handeln von Frauen. Als „tragisches persönliches Schicksal“ bezeichneten es diese SPÖ-Frauen einmal, dass ich von ihren Genossen wegen allzu brisanter Recherchen über die Zustände im Verteidigungsministerium fertiggemacht werde. Der Unterschied zu Opfern häuslicher Gewalt oder von Umständen, die nichts mit der Partei zu tun haben, scheint Frauen nicht einzuleuchten, die zwar vehement für Quoten sind, es aber im Grunde unweiblich finden, dass sich eine Frau mit Sicherheitspolitik befasst.

Die „Du willst doch zu den Besseren gehören“-Falle: Wann immer etwas medial als provinziell oder kleingeistig abgewertet wird, ist dies ein Hinweis darauf, dass hier etwas bewahrt werden soll, das zur Substanz unseres Landes gehört. Dass damit auch Konflikte verbunden sind, weil manche Menschen selbst sinnvolle Neuerungen ablehnen, darf nicht davon ablenken, dass immer noch wir, die BürgerInnen der Republik Österreich, das unter uns ausdiskutieren müssen – ohne Zurufe transatlantischer Mainstream-Medien.

Die „Mit dem Strom schwimmen macht beliebt“-Falle: Als der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) lapidar meinte, er wolle nicht „everybodies darling“ sein, verstanden viele, was er damit signalisiert: Dass man es aushalten muss, für seine Überzeugungen gescholten zu werden, dass man gegen den Strom schwimmen muss, wenn es für das Land wichtig ist, wenn man seine Aufgaben nur so erfüllen kann. Als Niessl mit der FPÖ koalierte und wenn er jetzt für eine andere Asylpolitik eintritt, reagier(t)en einige damit (es sind stets die Gleichen), sich lautstark zum Schwimmen mit dem Strom zu bekennen. (9) Man sollte sich ansehen, aus welcher Perspektive sie sich artikulieren, welchen konkreten (bzw. abstrakten) Bezug sie überhaupt zur Materie haben.

Die Gruppenzugehörigkeits-Falle: Oft genügt es, dass jemand einer anderen Organisation angehört, und schon wird alles verworfen, was sie oder er sagt.  Bei Parteien gehört dies zum „Spiel“, wobei eine Minderheit andere Wege geht und inhaltlich mit anderen punktuell zusammenarbeitet, aber auch zahlreiche NGOs, Plattformen, selbst KirchenvertreterInnen, auch KünstlerInnen und WissenschafterInnen (und natürlich Medien) machen dabei mit. „Teile und herrsche“ auf dieser Ebene führt dazu, dass es fast nie gesellschaftliche Mehrheiten (jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung) im Interesse des eigenen Landes gibt.

Die Hype-Falle: Plötzlich wird entdeckt, dass es Flüchtlinge gibt; zuvor wurde der russische Präsident in dämonisierender Weise durchs Dorf getrieben. Man kann sowohl positiv als auch negativ emotionalisieren und Bilder schaffen, die dann nur mehr beim Publikum abgerufen werden müssen. Das Gefühl ersetzt die nüchterne, faktenorientierte Wahrnehmung; was als Informationen präsentiert wird, ist sehr oft Desinformation. Der Definition nach ist Desinformation nicht nur Lüge, sondern auch bewusste Weglassung, das Herstellen falscher Zusammenhänge oder der Verzicht auf alle Berichte, die der verfolgten Linie widersprechen.

Einst gab es investigativen Journalismus, sagt Gerhard Wisnewski in einem Interview; seine Vorbilder waren die „Helden“ des früheren Journalismus und er schätze den „Spiegel“, bis er selbst kritisch zu recherchieren begann. Wer heute investigativ arbeitet, wird leicht als „Verschwörungstheoretiker“ gebrandmarkt, weil er „der Wahrheit viel zu nahe kommt“. (10) Nicht umsonst sagte schon George Orwell: „Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relations.“

Die Reflex-Falle: Es ist einfacher denn je, reflexhafte Reaktionen mit allen zu teilen. Einst dachte man sich vielleicht, etwas sei genau so, wie es in den Fernseh-Nachrichten dargestellt wird und sprach darüber mit jemandem; heute postet man es auf Facebook oder Twitter. Natürlich gab es früher auch viel weniger Möglichkeiten, sich alternativ zu informieren; zugleich weigern sich gegenwärtig viele Menschen, sich selbst schlau zu machen (sehr zum Ärger derjenigen, die dies sehr wohl praktizieren und zu anderen als den offiziellen Schlüssen kommen).

Die rosarote Brille-Falle: Es mag paradox klingen, aber Verallgemeinerungen auch negativer Art sind Beschönigungen, mit denen man sich selbst daran hindert, wirkungsvolle Aktivitäten gemeinsam mit anderen zu setzen. „Die“ Politik und „die“ Medien suggerieren einen monolithischen Block, von dem sich all jene, die eine andere Politik wollen, nur distanzieren können. Es ist aber stets heterogen, schon allein, weil die Handelnden Menschen mit unterschiedlicher Funktion, Motivlage, verschiedenen Verhaltensweisen, einem mehr oder weniger grossen oder kleinen Wissensstand sind. In der kritischen Auseinandersetzung vereinfacht man zwar, weil nicht bei jeder Erwähnung von Politik und Medien in die Details umfangreicher Erfahrungen gegangen werden kann. (11)

Es geht aber darum, wer in welcher Position wie agiert, was sagt, was berichtet, sich als PolitikerIn oder JournalistIn wie verhält, wie zugänglich ist (oder auch nicht). Falsche Vorstellungen dienen natürlich auch dem „Teile und herrsche“, damit man nur ja nicht PolitikerInnen als PassagierInnen im gleichen Boot wahrnimmt. Nicht von ungefähr nennt sich die SPÖ-„Rettungsinitiative“ Kompass und will der Partei einen neuen, den eigenen Grundsätzen, aber auch den Interessen der Bevölkerung entsprechenden Kurs verpassen. Bereits dadurch wird auch klar, dass „die“ Politik vielleicht auf manchen Ebenen homogen wirkt, es jedoch nicht ist (wie ja auch die andere Linie der SPÖ Burgenland zeigt). (12)

Die „Wir wollen etwas komplett anderes“-Falle: Es ist nichts dagegen einzuwenden, sich vegan zu ernähren, mit dem Fahrrad zu fahren, in irgendeiner Weise alternativ leben zu wollen. Bedenklich wird es, wenn Menschen sich z.B. darauf kaprizieren, dass Deutschland oder Österreich ja gar keine Staaten, sondern Firmen seien und wir nicht als Menschen, sondern als „Personal“ gelten. Vieles, was an Unzufriedenheit existiert, bahnt sich den Weg in eskapistische Vorstellungen und folgt unbewusst dem „Teile und Herrsche“-Prinzip. So tragen gerade diejenigen, die Veränderungen herbeiführen wollen, selbst dazu bei, dass diese nicht kommen werden, weil sie nicht dort ansetzen, wo sie stehen. Es gibt nun mal DIESES Land, DIESE Politik, DIESE Medien – und die Menschen, die gestaltend wirken, sind Menschen, die ansprechbar sein könnten, aber nur dann, wenn man sie dort abholt, wo sie sich befinden.

Die „Die Bäume vor lauter Wald nicht sehen“-Falle: Man sollte sich weder am organisierten Ausblenden der Nöte und Sorgen Einheimischer beteiligen, wenn alle „Menschlichkeit“ nur mehr „refugees“ gelten soll, noch daran, die Situation und das Handeln Einzelner zu übersehen. Dazu gehört, statt „die“ Politik zu geißeln, sich anzusehen, wie Individuen agieren, wie sie dabei wirken, was sie versprechen, was sie halten, wie sie sich erklären, welchen Rahmenbedingungen sie ausgesetzt sind. (13) Es geht auch um kritischen Journalismus und dessen reale Situation abseits allen Geredes über Pressefreiheit, mit dem meist nur gemeint ist, von der NATO goutierte Positionen zu vertreten. Wo auch immer wer auch immer Haltung zeigt, sollte man dies nicht kleinreden, sondern ihn / sie unterstützen, weil man meist nicht weiss, mit welchen Härten dies verbunden ist. Es ist auch davon abzuraten, unrealistische Erwartungen zu hegen; so  kann ein Politiker, eine Politikerin um den Einfluss der NATO wissen und dagegen auftreten, ohne sie je beim Namen zu nennen (er/sie ist ja kein User, keine Userin, die/der unter Nicknamen postet).

Die Klischee-Falle: Je mehr Klischees verbreitet werden, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass alles in Wahrheit ganz anders ist oder mehr Facetten hat, als man annehmen will. Wenn Klischees über politische AkteurInnen etabliert werden, dienen sie dazu, dass das Publikum deren Handlungsweise nicht objektiv bewerten soll, sondern Vorurteile an die Stelle der Vernunft treten. Die Klischee-Falle wirkt in zwei Richtungen: Zum einen werden Personen hochgejubelt, zum anderen werden sie gebasht. Manchmal wird beides miteinander verbunden, der Gepushte soll sich auch dadurch auszeichnen, dass er angeblich das genaue Gegenteil der medialen Darstellung des Gebashten verkörpert. Ein Paradebeispiel dafür ist, dass Gerald Klug, als er 2013 Verteidigungsminister wurde, als Kontrastprogramm zu Norbert Darabos gezeichnet wurde: Heeresaffin, da einst Grundwehrdiener, mit Glatze sogar militärisch aussehend; Darabos hingegen sei dem Militärischen stets fern gewesen, weil er einmal Zivildiener war, und zudem sieht er (obwohl ein paar Jahre älter als Klug) sogar noch jugendlich aus.

Man unterschlug dabei, dass Darabos als Abgeordneter aktives Mitglied im Landesverteidigungsausschuss war und sich sicherheitspolitisch als NATO-Kritiker positioniert hatte; auch dass er als cleverer Strategie und als hochintelligent gilt. Da nicht einmal der Generalstabschef jederzeit mit dem Minister (also seinem direkten Vorgesetzten) sprechen konnte, sondern wochenlang beim Kabinettschef auf Termine warten musste (die andere überhaupt nie bekamen), kann von einem Aushebeln der verfassungsmässigen Befehlskette ausgegangen werden. In den Redaktion weiss man, dass Darabos abgeschottet wurde; schob aber ihm die Schuld in Form eines angeblichen Desinteresses am Heer zu, wenn man erwähnte, wer sich beklagte, nicht mit dem Minister (und danach dem SPÖ-Bundesgeschäftsführer) sprechen zu können.

Hingegen wurde weiter munter suggeriert, Klug sei ein Minister, der für das Heer da ist, der jederzeit zu sprechen sei und der sich auch passend kleidet, wenn er Soldaten im Auslandseinsatz besucht. (14) Man zeigte ihn in kakifarbenem Anzug und stellte wieder einen Gegensatz zu Darabos her, der bei derlei Gelegenheiten auch keinen dunklen Anzug, sondern helle Jeans getragen hat. Dass Darabos trotz verletzter Soldaten den Golan-Einsatz aufrechthielt, ihn Klug aber abrupt beendete, straft das Märchen vom angeblich so toughen Klug ohnehin Lügen. Nach wie vor gilt übrigens unter kritischen Offizieren eine Satire, in dem ich mir Klugs Argumentation auf Englisch vorzustellen versuche, als beste Beschreibung seines „Amtierens“. Denn ich nahm (auf der Ceiberweiber-Seite) ein heimliches Schreiben an den US-Verteidigungsminister mit dem Angebot von Soldaten für Syrien (inklusive Jagdkommando) zum Anlass der Satire.

Die Oberflächlichkeits-Falle: Wenn Irmgard Griss bekanntgibt, dass sie Bundespräsidentin werden will, sind ihre ersten Ansagen vage, denn in welchem Kontext sieht sie sich als „moralische Instanz“, was meint sie konkret mit Ehrlichkeit, Mut und Verantwortung? Somit sind Worte, die nicht durch Taten unterstrichen werden, zu wenig, um das politische Gewicht einer Person einschätzen zu können. Oberflächlich sind aber auch zahlreiche Reaktionen, die sich an Details festklammern, die keinesfalls ausreichen, um die Frage zu beantworten, ob Griss tatsächlich eine Alternative darstellt. (15)

Die Antifa-Falle: Auch hier wird gerne reflexhaft reagiert, als ob jede Meldung unter dem Etikett „Antifaschismus“ sich tatsächlich auf Situationen und Aussagen bezieht, bei denen man zu Recht den Anfängen wehren muss. Inflationär verwendet führt der Begriff Antifaschismus dazu, dass auch Wiederbetätigung und rechtsextremes Gedankengut verharmlost werden, weil inzwischen ja weit mehr damit in einen Topf geworfen wird. Vor allem scheinen viele nicht zu erkennen, dass ein Verurteilen arger Facebook-Postings des siebten Zwergs von rechts auf einer FPÖ-Seite nicht ausreicht, sondern Handlungen im politischen Alltag entgegen getreten werden muss, die an finstere Zeiten erinnern. Dazu gehört alles, wo eingeschüchtert und mundtot gemacht wird, wo die Presse- und Meinungsfreiheit verletzt wird, wo mit Sanktionen, Mauern, Drohungen, existentieller Vernichtung auf demokratische Mitbestimmung reagiert wird. Dass immer egal sein muss, wer demokratische Rechte verletzt und in jedem Fall dagegen vorgegangen werden muss, vergessen viele AntifaschistInnen gerne.

Wie Widerstand gegen Fremdeinfluss aussehen kann, macht gerade die norwegisch-französische Serie „Occupied“ deutlich, in der Russland und die EU es nicht dulden, dass sich Norwegen von der Erdölförderung abwendet, weil man eine alternative Energieform gefunden hat. Medienberichte wollen die zehn Teile, die gerade bei Arte ausgestrahlt wurden, als Reaktion auf den „russischen Einmarsch auf der Krim“ sehen; und tatsächlich kann man ja schwer behaupten, der reale Staat Russland sei symbolisch für irgendein anderes Land gemeint. Wie die Serie aber beschrieben wird, steht sie eher für bestehende Erfahrungen auch Norwegens mit Druck der USA; als Jo Nesbø das Konzept lieferte, war noch nicht bekannt, dass in US-Botschaftsdepeschen beschrieben wird, wie der norwegische Widerstand gegen den US-Raketenschild gebrochen wurde.

Arte erklärt auf seiner Webseite zum Inhalt: „Norwegen in naher Zukunft: Jesper Berg wurde aufgrund seines ökologischen Programms zum Premierminister gewählt und will nun sein Wahlversprechen umsetzen: die norwegische Öl- und Gasförderung einzustellen, um die nationale Energieproduktion ganz auf erneuerbare Ressourcen zu konzentrieren. Auf einer Pressekonferenz, die vor Ort in einem brandneuen Thorium-Kraftwerk stattfindet, stellt Jesper Berg das Mineral Thorium vor, das zukunftsweisend für die Umstrukturierung des norwegischen Energiemarktes sein soll. Doch kurz darauf wird er von maskierten Männern in einem Hubschrauber entführt. Sein Sicherheitsbeamter Hans Martin Djupvik nimmt über GPS die Verfolgung auf und findet den Premierminister kurze Zeit später verstört am Rande eines Waldwegs wieder.

Der Journalist Thomas Eriksen von der Zeitung ‚Ny Tid‘ hat die Entführung mitverfolgt und wittert eine gute Story. Doch bevor er seinen Artikel veröffentlichen kann, erscheint Premierminister Berg im Fernsehen und kündigt zur Überraschung aller die Wiederaufnahme der Gas- und Ölproduktion an. Was ist im Helikopter vorgefallen? ‚Occupied – Die Besatzung‘ ist ein Zukunftsdrama, in dem ein demokratischer Staat schrittweise seine Souveränität verliert. Untersucht wird, wie sich Regierung und Bevölkerung verhalten, wenn sie nach und nach ihre politischen und gesellschaftlichen Rechte verlieren und in einem Land unter Besatzung leben.“ (16)

Im Lauf der Folgen kristallisiert sich heraus, dass es eine Widerstandsbewegung gibt, als deren Anführerin sich schliesslich die Chefin des Geheimdienstes entpuppt – da die Serie europäisch und nicht Hollywood ist, wird hier darauf hingewiesen, wo Widerstand entsteht, nämlich in der Politik selbst. Man denke daran, dass lateinamerikanische Politiker den USA eine Niederlage in puncto Freihandelszone bereiteten. Denn die Vereinigten Staaten wollten eine gesamtamerikanische Freihandelszone, die an fünf Staatschefs scheiterte: „Damit einhergegangen wäre auch eine Einbindung in das neoliberale System des Weltmarkts, die Konsolidierung der US-amerikanischen Hegemonie auf dem Kontinent sowie die endgültige Unterordnung unserer Völker unter die Interessen der nordamerikanischen Großmacht und ihrer transnationalen Unternehmen.

Das war die Auffassung der Präsidenten von Argentinien, Néstor Kirchner, Brasilien, Lula da Silva, und von Venezuela, Hugo Chávez, sowie der Staatschefs von Paraguay und Uruguay, Nicanor Duarte Frutos und Tabaré Vázquez. In Anbetracht der ideologischen Prämissen, aber auch der praktischen Konsequenzen des Projekts, die für unsere Länder die Konzentration der Ökonomien auf den Primärsektor und die regionale Desintegration bedeutet hätten, stellten sich die Präsidenten koordiniert und geschlossen gegen Alca und brachten sie so zum Scheitern.“ (17) Der bolivianische Präsident Evo Morales besuchte vor ein paar Wochen Berlin und hatte unter seinen begeisterten ZuhörerInnen auch die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU). Morales sprach über Pressionen der USA und meinte, dass sie einigermaßen Ruhe hätten, seitdem sie den US-Botschafter des Landes verwiesen haben. Es überrascht nicht, dass Süßmuth zu Morales‘ Fans  gehört, gibt es doch längst überparteiliche Zusammenarbeit derjenigen in der Politik, die Freiheit von US-Druck wollen – auch in Österreich kann man bei genauem Hinsehen jene AkteurInnen erkennen, die das Bekenntnis zu einem souveränen Staat eint.

(1) „Unglaublich, was derzeit in Polen läuft“ ist Baumanns Tweet zu diesem Artikel: http://www.nzz.ch/international/europa/polens-regierung-laesst-nato-zentrum-stuermen-1.18665529
(2) http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-12/polen-warschau-nato-zentrum-stuermung siehe auch: http://www.heise.de/tp/artikel/46/46915/1.html und dieser Userkommentar: http://www.heise.de/tp/foren/S-Die-Geschichte-hat-wohl-einen-etwas-anderen-Hintergrund/forum-296712/msg-27066110/read/
(3) http://www.heise.de/newsticker/meldung/Voelkerrechtsbeauftragter-sieht-keine-echte-Handhabe-gegen-Drohnen-Relaisstation-Ramstein-3046789.html
(4) http://www.epochtimes.de/politik/welt/kontrollverzicht-us-drohnen-duerfen-frei-im-deutschen-luftraum-fliegen-a1292596.html
(5) http://www.heise.de/tp/artikel/46/46902/1.html
(6) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151218_OTS0119/fpoe-huebner-eu-gipfel-muss-wirtschaftssanktionen-gegen-russland-endlich-beenden
(7) http://einarschlereth.blogspot.se/2015/12/demokratie-verweigert-usa-verwandeln.html
(8) Borgen: https://de.wikipedia.org/wiki/Borgen_%E2%80%93_Gef%C3%A4hrliche_Seilschaften Game of Thrones: https://de.wikipedia.org/wiki/Game_of_Thrones House of Cards: https://de.wikipedia.org/wiki/House_of_Cards_%28Fernsehserie%29
(9) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/07/spoe-richtungsstreit-um-refugees/
(10) siehe Interview mit Gerhard Wisnewski: http://www.net-news-express.de/index.php?page=player&v=sp2Rm1Q3rg8
(11) siehe https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/28/welche-spielraeume-hat-politik/
(12) siehe https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/01/zum-asylstreit-in-der-spoe/  bzw. http://initiativekompaass.at und https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/03/spoe-asylstreit-wie-der-orf-landesrat-darabos-interviewt/
(13) siehe https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/17/asylrealitaet-am-beispiel-bruckneudorf/
(14) siehe https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/11/die-spoe-und-die-neutralitaet/
(15) siehe https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/18/irmgard-griss-will-bundespraesidentin-werden/
(16) siehe http://occupied.arte.tv/de/ und derzeit online Folge 9 und 1: http://www.arte.tv/guide/de/049448-009/occupied-die-besatzung-9-10?autoplay=1 – außerdem bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Occupied_%E2%80%93_Die_Besatzung (ab 24.12. wiederholt Arte die ersten zehn Folgen)

(17) https://amerika21.de/analyse/136447/zehn-jahre-alca
(18) https://deutsch.rt.com/inland/35472-evo-morales-in-berlin-erst/