Gerade wird verhalten über Julian Assanges Anhörung in London und die begleitenden Proteste berichtet. Nicht von ungefähr erweckt dies den Eindruck, dass sich Medien anders als bei Alexej Nawalny nicht wirklich engagieren und seine Haftbedingungen hinnehmen, obwohl sie von Wikileaks profitierten. Wenn wir Zeitungen wie die „Kronen Zeitung“ beiseite lassen, die uns am 20. Februar versichert „Alle EU-Spitzenkandidaten sind gegen Atombombe“, ist die Heftigkeit auf Social Media durchaus lehrreich. Es sind kurze Ausschnitte aus Interviews und Diskussionen, die dazu führen, dass empört oder mit Begeisterung auf Personen reagiert wird. Das verkürzt komplexe Sachverhalte und lenkt ab, sodass es nur denen nützt, die eine Agenda vorantreiben. Hier ist ein Ukraine-Unterstützer entrüstet (jedoch nicht ent-rüstet) über den ehemaligen Diplomaten Wolfgang Petritsch, der den Maidan für einen Putsch hält. Es geht so unter, dass Alfred Gusenbauer ihn 2002 zum Außenminister machen wollte, wenn er die Wahl gewonnen hätte. Heute wirkt Petritsch mit an einer eigenen Sicherheitsstrategie der SPÖ, in die man frühere Verteidigungsminister nicht einbindet. Was geht hier vor sich, möchte man fragen, doch es gehört auch zum Gesamtbild, dass Gusenbauer für Viktor Janukowitsch lobbyierte. Regelmässig zeigt sich, dass ein zweiter Blick lohnt, wenn jemand wegen ein oder zwei Sätzen attackiert wird; man bekommt einen differenzierten Eindruck oder weiss wenigstens, dass Kritik in diesem Fall berechtigt ist. Bei Patrick Baab, dem man vorwirft, dass er den Donbass bereiste, sprechen frühere Russland-Berichte für ihn.
Nun lässt er sich von der „Weltwoche“ interviewen, deren Herausgeber Roger Köppel gerade seinen umstrittenen Senf zu Nawalnys Tod hinzugab. Man hält Baab „russische Propaganda“ vor, was von Mainstream-Medien kommt, die sich da und dort aufpudeln, selbst aber die Aktivitäten des Kreml-Netzes im Westen verschleiern. Grundsätzlich sind verbale Äußerungen ungenauer als schriftliche und können auch mal missverstanden werden. Wenn dann nur mehr kurze Clips zählen, geht komplett unter, was jemand tatsächlich meint. Keiner von uns kann alles verfolgen und auf die Schnelle ein umfassendes Bild zusammenstellen, aber man kann selektiv vorgehen. Dazu gehört, die merkwürdige Situation zu reflektieren, dass die Münchner Sicherheitskonferenz so etwas wie ein Mädelsabend mit ein bisschen Atombombengerede war. Warum aber fühlen wir uns wie in einer Dystopie? Das lässt sich nicht ergründen, indem wir uns über Surreales ereifern und diejenigen attackieren, die dazu beitragen.
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