Zu hohe Erwartungen an Andi Babler?

Leicht bekommt man das Gefühl, dass der neue SPÖ-Chef Andreas Babler bei vielen kurz vor der Heiligsprechung steht. Dies sieht man an Reaktionen auf Twitter auf die ORF-Pressestunde mit Babler, man hört es aber auch in SPÖ-Sektionen. Es ist ein Indiz dafür, welch eine Wüste die Partei lange war, sodass Babler wie Wasser für Verdurstende wirkt. Dennoch hatte es Gründe, warum die SPÖ verödete, und diese verschwinden nicht plötzlich. Babler hat sie geerbt, weil er keinesfalls mit ihnen aufgeräumt hat. Zwei neue Bundesgeschäftsführer und das Versprechen von mehr innerparteilicher Demokratie reichen bei Weitem nicht.

Schon wird attackiert, wer gerade auch im Sinne eines Gelingens von Bablers Mission darauf hinweist, dass kika/Leiner kein reiner ÖVP-Skandal ist, sondern Rene Benkos rechte Hand Alfred Gusenbauer heisst. Beobachter stellen fest, dass Babler bei einem U-Ausschuss zu Benkos Geschäften zögert, lieber eine dafür lückenlose Aufklärung durch die Justiz will. Diese irrt jedoch schon länger im Geflecht an Tochterfirmen und beauftragten Kanzleien herum, sodass Abgeordnete für zusätzlichen Druck sorgen könnten. Babler wird auch aus anderen Gründen nicht um das Thema Gusenbauer herumkommen, denn die Austrocknung der SPÖ hat u.a. damit zu tun.

Babler-Anhänger auf Twitter

Immer noch muss die Basis den turbulenten Sonderparteitag am 3. Juni verdauen, der zuerst ein ganz anderes Resultat brachte. Dies wird deutlich, wen man Sektionen besucht, in denen natürlich darüber gesprochen wird, was das jetzt bedeutet und wie es nun weitergeht. Immer wieder sagen Neumitglieder, dass sie anderen davon erzählten, die erwidern, dass sie ebenfalls beigetreten seien. Und wer schon lange dabei ist, kann schon mal berichten wie in Wien-Favoriten, dass er als Roter nicht von den Leuten anfangen wird, sondern stolz sein kann, weil nun positives Feedback kommt. Man darf all dies nicht gering schätzen, wenn man es nüchterner betrachtet oder kein Babler-Fan ist. Für die Identität der SPÖ als Gruppe sind diese Gefühle und dieser Enthusiasmus – vor wenigen Monaten noch komplett unvorstellbar – sehr wichtig. So oft sind die Leute von der eigenen Partei abgeblockt worden, man nahm sie nicht ernst.

Babler-Fan auf Twitter

Niki Kowall spielte eine wichtige Rolle bei Bablers Kandidatur für den Parteivorsitz und wird auch weiterhin mitmischen. Bei der Sektion am Wasserturm in Favoriten berichtete er vom Parteitag und meinte, der ursprüngliche Leiter der am letzten Parteitag gewählten Wahlkommission Harry Kopietz sei hinausgebissen worden für seine Stellvertreterin Michaela Grubesa aus dem Doskozil-Lager. Es schwingt stets mit, dass die Wahl zunächst pro Doskozil gedreht wurde, zumal jeder schon mal in einem Sprengel ausgezählt hat und das Ergebnis mehrfach überprüft wurde; eigentlich sei nicht erklärbar, was passierte. Kowall war beteiligt, als beim Landesparteitag der Wiener SPÖ 2018 mit der Wahl zwischen Michael Ludwig und Andreas Schieder 1000 Stimmen dreimal kontrolliert wurden. Eine (nach der Mitgliederbefragung geforderte) Stichwahl zwischen Babler und Doskozil unter den Mitgliedern wäre wohl 60 zu 40 ausgegangen, meint er.

Die Frauenvorsitzende auf Twitter

„Wir waren 48 Stunden lang faire Verlierer“, sagt Kowall zu den beiden Tagen, an denen sich Doskozil als Sieger fühlte. Und dann, als das Ergebnis gedreht wurde, „haben wir die nicht gedemütigt“, Doskozil und seine Anhänger nämlich. Vielfach wird bedauert, dass Babler um den Triumph am Parteitag gebracht wurde. Man kann es aber auch anders sehen, weil es für Doskozil weniger schlimm gewesen wäre, am Parteitag geschlagen zu werden. Nun aber erlitt er eine „doppelte Niederlage“ und ist gebrochen, vermutet Kowall, und Babler zeigt in Interviews menschliches Verständnis für Doskozil. Beide wollen nicht wahrhaben, dass Leichen dessen Weg pflastern und dass Bablers Wille, Korruption zu bekämpfen, im Nu zu einem Lippenbekenntnis wird, wenn Doskozil, Gusenbauer und andere davon ausgenommen sind. Sicher sind Doskozils Erwähnungen im Moment halt derart, dass er und Leonhard Schneemann mit 100 % zur SPÖ-Doppelspitze im Bezirk Oberwart gekürt wurden. Oder dass das Burgenland 100 Jahre feierte und weil er schon mal da war, traf der Bundespräsident auch die Erdbeerkönigin.

Grün-NEOS-Rot

Die neuen Bundesgeschäftsführer Sandra Breiteneder und Klaus Seltenheim sind Kowall zufolge integer; die letzte herzeigbare Person in Löwelstrasse war aber eh Brigitte Ederer, was schon lange her ist. Unter welchen Umständen aber z.B. der dann von Doskozil endgültig ausgeknockte Norbert Darabos dort war, wollen Babler und Kowall nicht wahrhaben. Oder aber es würde Babler schmälern, wenn auch andere mit Doskozils Methoden Bekanntschaft machten. Im Parlamentsklub ist, so Kowall, eine salomonische Lösung gefunden worden, indem Philip Kucher, der Doskozil unterstützte, geschäftsführender Klubobmann wurde. Inzwischen ist von Kucher die Aussage überliefert, dass er zu Babler aufschaue, der ihn inzwischen wohl restlos überzeugt hat. Jan Krainer hingegen, der am 15. Juni Julian Hessenthaler für die Sektion Acht befragte, ist zwar nicht der Beliebteste im Klub, aber der beste Abgeordnete der SPÖ. Probleme erwartet Kowall weniger vom seit dem 5. Juni 2023 „doppelt toten“ Doskozil als vielmehr bei der Wiener SPÖ selbst, wo einige Bablers Kurs nicht mittragen. Eine Kostprobe davon gab es dann in der Pressestunde, weil Babler sich gegen die heiss umkämpfte Lobau-Autobahn ausspricht. Nicht mit Babler einverstanden sind natürlich Doskozil-Unterstützer wie David Egger in Salzburg und Georg Dornauer in Tirol.

Tweet eines neuen Mitglieds

Hauptamtliche in der SPÖ sollen nun Ehrenamtlichen die Möglichkeit geben, sich selbst zu organisieren. Das ist nicht sensationell neu, war aber bisher nicht realisierbar; auch dank Social Media und erfolgreicher Babler-Kampagne wissen jetzt alle, dass es auch ohne den Sanktus der Partei geht. Babler wird hinsichtlich Strategie damit zitiert, dass die anderen kein Tor schießen können, wenn man selbst den Ball hat. Neumitglieder können übrigens beim Club 22.März andocken, der virtuell vernetzt. Babler ist gegen alle Machtkartelle, gegen die Korrupten und die Superreichen und hat daher auch die Medien gegen sich, besonders „Heute“ und „Kronen Zeitung“, die tatsächlich klar auf Doskozils Seite waren. Kowall und andere rechnen jetzt mit einer Mega-Auseinandersetzung, in der sich Babler eher an Herbert Kickl als am blassen Karl Nehammer reiben wird. Zugleich haben monatelange Streitereien die SPÖ beschädigt, so dass jetzt nichts mehr passieren dürfe. Was aber ist mit dem, das bereits passiert ist und das Menschen grossen Schaden zufügte, weil alle wegsehen, wenn Skrupellose sich nehmen, was ihnen nicht zusteht?

Hessenthaler zu Gast

Während die Babler-Verehrung fast schon etwas von „ich liebe dich, weil ich dich brauche (weil du mir Hoffnung gibst)“ hat und nicht von „ich brauche dich, weil ich dich liebe (weil es mit dir gemeinsam auf Augenhöhe funktioniert)“, müssen nüchterne Fakten angesprochen werden. Da geht es nicht nur um Benko, wo zumindest die „Krone“ immer wieder Gusenbauer ins Spiel bringt. Sondern auch um Magna Powertrain, das als erstes in einen Gewerbepark in die für Bablers Biografie wichtige ehemalige Semperit-Fabrik in Traiskirchen zog (siehe „Kurier“ vom 19. April 2014; in jenem Jahr wurde Babler im April Bürgermeister). Bei Magna denkt man nicht nur an Traiskirchen, sondern auch an Siegfried Wolf, der bis 2010 CEO war und dann Aufsichtsratsvorsitzender von Oleg Deripaskas Russian Machines wurde. 2007 beteiligte sich Deripaska an Magna und Strabag, wobei Wolf auf Deripaskas Wunsch von 2007 bis 2015 dem Strabag-AR angehörte und heute mit Deripaska verdeckt dort investiert. Seit 2010 ist Gusenbauer AR-Vorsitzender der Strabag wohl kaum ohne Einverständnis von Deripaska und Wladimir Putin. Bei Wolfs Wikipedia-Eintrag wird vermerkt, dass er über Thomas Schmid Steuererleichterungen erreichen wollte und aufgrund von Funden auf seinem Handy gegen ihn wegen Eurofighter ermittelt wird. Anfang Juni 2014 besuchte Putin Wien, und Ende Juni wurde Wolf AR-Chef der ÖIAG, die inzwischen ÖBAG heisst und an deren Spitze dann Schmid stand. Es heisst, dass Sebastian Kurz, der übrigens von Gusenbauer beraten wurde, Wolf als ÖBAG-Chef gewollt hätte. Wolf war von 2012 bis 2022 AR-Vorsitzender der Sberbank Europe, die Benko Kredit gab und an der es jetzt mehrere Interessenten gab. Heutige ÖBAG-Chefin ist Edith Hlawati, die aus der Kanzlei Cerha Hempel kommt, welche die Sberbank vertritt. Noch mehr Kohle bekam Benko von Raiffeisen, das als Putins Bank gilt, an der Strabag beteiligt ist und an der Sberbank Europe interessiert war. Als Wolf noch Magna-CEO war, wollte der Konzern gemeinsam mit der Mutter Sberbank Opel übernehmen.

Pressestunde mit Babler

Mitarbeiter von Magna wie Wolf, Günther Apfalter und Franz Schnabl waren daran beteiligt, Putin-Berater Walentin Jumaschew samt Familie einzubürgern, wobei ein Scheinwohnsitz im Burgenland eine Rolle spielte. Vor dem nächsten Parteitag der SPÖ im November, auf dem Babler bestätigt wird und es um Inhalte geht, bleibt doch die Frage der Korruption in vielerlei Hinsicht offen. Denn er betonte immer wieder, innerhalb der SPÖ nicht Teil des Systems zu sein, was man nicht bestätigen kann angesichts seiner Verbindungen. Auf Magna weist ein Artikel im „Standard“ hin, weil man ja auch Traiskirchen einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen muss. Übrigens wird der neue SPÖ-Chef durch alle Bezirke Touren, wie er es bei der Mitgliederbefragung versprochen hat. Beim Thema Korruption wird er sich damit befassen müssen, warum Michaela Steinacker von der ÖVP, die vor Vorwürfen beim Immobilien-Bereich ÖBB zu Raiffeisen und Strabag (dort war sie bis Dezember 2017) flüchtete, Gusenbauer bei Eurofighter deckte. Doch ihr Verhalten im Eurofighter-U-Ausschuss unterschied sich nicht so sehr vom mit Babler verbundenen SPÖ-Abgeordneten Otto Pendl, wenn es darum ging, Darabos zum Bauernopfer zu machen. Bei Gusenbauer sollte Babler auch an seine Verstrickungen mit Tal Silberstein, Malta und Glücksspiel denken, nachdem es einen Disput zwischen Österreich und Malta bei Glücksspielgesetzen gibt.

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3 Kommentare zu „Zu hohe Erwartungen an Andi Babler?

  1. Babler ist die Hoffnung für die Medienmacher, die Haltungsjournalimus betreiben und abweichende Meinungen oder Realitäten ignorieren oder ins rechte Eck abschieben, obwohl sie ansonsten jede Abschiebung verurteilen jeden Rechten aufnehmen wollen, sofern er Ausländer ist.

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  2. Meine Sympathie für Babler ist äußerst begrenzt, aber mit seiner Aussage zum „Teufelskreis Straßenbau“ und seiner Ablehung des Lobautunnels hat er auch bei mir gepunktet.
    Bei Bladymir Ludwig, der ihn mit in den Sattel gehoben hat, wird das allerdings auf wenig Gegenliebe stoßen! Und ob ein hypothetischer (glücklicherweise!) Bundeskanzler Babler das Rückgrat gegen STRABAG & Co. bewahren würde, ist angesichts der guten Verankerung letzterer auch in der SP (Gusenbauer!) mehr als fraglich…

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  3. Jup.

    Einst stolperte ich über den Ausdruck einer freudigen Erwartung vom Gusti Onki, also Hayek zum Neoliberalismus. Er, ein alter Optimist der nun einmal war, ging davon aus, dass nach dem Zerfall der neoliberalen Wirtschaftsordnung plus gesellschaftlichen Überbau nach ca. 45 Jahren (Reproduktionszeitprunkt einer angelsächsischen klassischen Linie/Industrielinie) der Mensch, ob des sich erneut manifestierenden und in erstaunlichem Maße um sich greifenden Sozialismus, von diesem empört/verstört/angewidert abwendet und dem klassischen Liberalismus zuwendet.

    Somit verschwindet das demokratische Spektrum, mit ihm links vs. rechts und es kommt aus der damaligen Perspektive zu einer Entscheidungsschlacht zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft resp. mehren mit den Gesellschaften an sich. Anders und basis-demokratische Betrachtet findet eine Neuverhandlung mit dem zentralen Knoten statt. Je nach Sichtweise stellt sich einer einen Markt(platz) bspw. der Meinungen vor und die kommunitaristisch organisierten eine Neuverhandlung wie in den 1960ern.

    Es ist jedoch keine zwischen den Ideologien des Kommunitarismus vs. Individualismus, auch wenn diese zum Schein und vermutlich auch diesem und dessen Abgang geschuldet, egal in welcher Interpretation dieses Wortes immer und auf welchem Wege, inszeniert geschlagen wird.

    Steht jedem frei die Entscheidung zumindest einmal im eigenen Sinne und den eigenen folgend zu schlagen und die sich leerenden Hüllen hinter sich zu lassen.

    Ob dem wirklich so ist oder allein genug Neoliberale diese herbeisehnen, von irgendwo habe ich diese Aussage auch her (bspw. Umfeld CATO Institute), sie wird vermutlich geschlagen, egal ob nötig oder auch nicht.

    Ich stehe auf jeden Fall der Gesellschaft gegenüber, jene die weder links noch rechts kennt und wehre die Übergriffe aus der sich leerenden Hülle der einst prachtvollen Festung ab und decke somit jenen den Rücken, die sich gemütlich vom Acker machen. Denn wo einst holde Maiden die Zinnen zierten, von dort bahnen sich vernebelnde Giftwolken den Weg einerseits zum einst prachtvollen Marktplatz in der Mitter oder die entlang der Festungsmauer auf der Innenseite im Kreis laufenden aka. den Progressiven folgend und an dessen auch Medien und andere Propagandisten immer neue bunte Bilder projizieren und auf dem Wege mediale Karotten vorhängen.

    Tja. Bezüglich Karotten, kann einer einem Häschen nicht viel vor machen, wir sind wohl die Experten auf dem Feld schlechthin und besuchen die lieben Leutchen auch gerne durch die sich zusehends vergrößernden Löcher in besagter Festungsmauer. Bald ist wohl kaum mehr genügend Projektionsfläche vorhanden und so entsteht die gele(e|h)rte Hülle.

    Der Babler reitet halt auf einem einst prachtvollen Schlachtross entlang der Festungsmauer auf deren Innenseite im Kreis und ruft den wandernden Menschen zu, ‚Immer mir nach‘ und der Herbert K. auf deren Außenseite und ruft den dort wandernden Menschen zu, ‚…‘, eh schon wissen. Somit ist klar wohin die Reise geht und es kommt allein darauf an, läuft einer auf der Innenseite, der Außenseite oder macht sich zuvor noch gekonnt eilig genug vom Acker. Aber die Löcher stopfen, das wird auch der Andreas Babler nicht mehr schaffen.

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