Wer ist Jewgeni Prigoschin?

Es geht kaum simpler und klischeehafter: Dem bösen Wladimir Putin steht der jetzt nicht mehr so böse Jewgeni Prigoschin gegenüber. So genau weiss man nicht, was passiert ist und wie es jetzt weitergeht; Prigoschin sagt, er wollte Wagner-Leute vor der Eingliederung in reguläre Truppen bewahren. Dabei kann man Prigoschin durchaus wie andere Oligarchen behandeln, es kommt halt bei den üblich komplexen Geschäften noch das mit der Gruppe Wagner hinzu. Man findet mit Leichtigkeit auch höchst detailreiche Infos, die umfangreicher sind als die meisten meiner Artikel. Medien verkürzen gerne die Geschichte von Wagner und tun so, aus sei die Söldnertruppe eine Gründung Prigoschins gewesen. Die Idee hatte aber der russische Generalstab nach einem Vortrag am Wirtschaftsforum in St. Petersburg 2010. Danach kämpfte ein Slawisches Korps in Syrien, dem Dmitri Utkin angehörte, dessen Kampfname Wagner war. Aus Resten dieses Korps wurde dann die Gruppe Wagner gebildet, Utkin war bis 2013 beim Militärgeheimdienst GRU und zwar bei der Speznaz (Spezialeinheiten). Manche betrachten Utkin als Neonazi, er soll einschlägige Tattoos aufweisen; andere bezeichnen ihn als slawischen Neopaganen wie viele andere bei Wagner.

Natürlich spielte Wagner eine Rolle in der Ukraine ab 2014; auch Utkin mischte mit und wurde dafür 2016 im Kreml mit einem Tapferkeitsorden ausgezeichnet (auch interessant, welche österreichischen Manager und Politiker damals den russischen Orden der Freundschaft erhielten). Dass Utkin bei dieser Gelegenheit mit Wladimir Putin fotografiert wurde, bedeutete Erklärungsbedarf für Kreml-Sprecher Dmitri Peskov. Man brachte Utkin 2017 bei Prigoschins Firma Concord Management and Consulting als CEO unter, deren Töchter Concord Catering und LLC Megaline sind. 2020 wurde jedoch berichtet, dass Utkin nicht mehr an sein Handy geht und aufgehört hatte, von Krasnodar nach St. Petersburg zu reisen. Prigoschin soll das Führen einer Söldnertruppe zu riskant erschienen sein, doch schliesslich war er dazu bereit. Bis zum September 2022, als Wagner eine repräsentative Zentrale in St. Petersburg eröffnete, leugnete er aber, der Chef von Wagner zu sein und klagte Medien, die das behaupteten. Wagner erinnert an die Fremdenlegion, da Einsätze in enger Abstimmung mit dem Staat und in seinem Auftrag erfolgen; Wagner ist an die GRU angebunden und operiert auch verdeckt und betreibt hybride Kriegsführung (siehe Gerassinow-Doktrin). Zugleich werden aber die Verhältnisse über Prigoschins Firmen verschleiert, die zunächst im Bereich Gastronomie entstanden sind. Es gibt auch noch Concord Catering; bei Management and Consulting fungierte von 2008 bis 2017 Mutter Violetta als Eigentümerin, danach sein Stiefvater Samuil Zharkoy, der 2022 verstorben sein soll. Violetta hält 50 % an LLC Megaline, einem Unternehmen, das in erster Linie von Bauaufträgen des Militärs profitiert und auch Fertigrationen für Soldaten anbietet. Im Februar 2014 wurde dem Verteidigungsministerium ein Vorschlag für eine Gesetzesänderung unterbreitet, um Megaline künftig bei Ausschreibungen zu berücksichtigen, der im April 2014 durch die Duma gewunken wurde. Der Sanktionen wegen wird nun betont, dass Violetta Prigoschina heute nicht mehr wirtschaftlich mit ihrem Sohn verbunden sei.

Medien im Putsch-Fieber

Beim Laktha Center in St. Petersburg, dem höchsten Haus Europas mit der Zentrale der Gazprom gibt es auch die wesentlich niedrigeren Komplexe Lakhta Park, Lakta Park Premium und Laktha Plaza, die Prigoschins Sohn Pawel gehören, der in Syrien kämpfte. Man findet auch eine Meldung von November 2007, wonach Oleg Deripaska unter anderem mit Hochtief und Strabag, bei denen er 2007 eingestiegen ist, rege Bautätigkeit im neuen St. Petersburg entfaltet. Natürlich ist Deripaska auch heute bei der Strabag an Bord; der frühere Aufsichtsratsvorsitzende von Hochtief Thomas Eichelmann wurde AR-Vorsitzender von Wirecard. Rein zufällig gibt es auch Verbindungen von Jan Marsalek von Wirecard zu Wagner; Wirecard soll Geldtransfers für Wagner abgewickelt haben und er wollte das österreichische Verteidigungsministerium für ein Libyen-Abenteuer gewinnen (Migrationsabwehr durch russische Söldner). Zu Prigoschin gehört auch die Internet Research Agency, welche die US-Wahlen 2016 und 2018 beeinflusst hat; hier geht es um das Laktha Project. Es ging u.a. um den Aufbau falscher Anti-Trump-Gruppen auf Facebook, die mit echten interagierten; man verbreitete Memes gegen beide Seiten und steuerte so die Debatte. Es wurden auch Identitäten von US-Bürgern dazu verwendet, Konten zu eröffnen oder mit Kryptowährungen zu handeln. Von den USA wurde zum Beispiel Elena Khusyaynova in diesem Kontext verfolgt. Zugleich bietet diese Zusammenstellung von Meldungen zu Russiagate aber viele weitere Details, bei denen wir andocken können. Der aus der Sowjetunion stammende Unternehmer Len Blavatnik investierte bei Deripaskas Rusal und spendete den Republikanern, bei denen Steve Mnuchkin 2016 Finanzreferent war. Mnuchkin wurde dann bei Donald Trump Finanzminister und hob 2019 die Sanktionen gegen Deripaska auf (darum bemühte sich auch Sebastian Kurz auf Wunsch von Deripaskas Partner Siegfried Wolf). Der alte Plan eines Trump Tower Moscow wurde 2016 wieder diskutiert, und Donald Trump bot Kreml-Sprecher Dmitri Peskow über seinen Anwalt Michael Cohen ein Penthouse um 50 Millionen Dollar an.

Putin und Wagner

Bei Russiagate wird immer wieder der ehemalige Agent Konstantin Kilimnik erwähnt, ein Partner von Paul Manfort (2016 Trumps Wahlkampfmanger) in der Ukraine. Manafort machte nicht nur Geschäfte in der Ukraine und war Deripaska verbunden, er lobbyierte auch für Viktor Janukowitsch. Dies taten außerdem Alfred Gusenbauer, Romano Prodi und Aleksander Kwasniewski, die zuvor auch für Nursultan Nasarbajew in Kasachstan lobbyierten. Gusenbauers Partner Leo Specht vertritt Erik Prince, der Wagner 2020 unterstützte. Donald Trump erhielt noch Kredit von der Deutschen Bank, während andere längst abwinkten. Diese Bank ist wie Raiffeisen Russland sehr verbunden; sie gab der staatlichen VTB Bank 600 Millionen $, von denen 300 Millionen $ zur Alfa Bank weiterwanderten. Gerade wird gemeldet, dass die Deutsche Bank ihre Kunden über den Verlust russischer Anteile informieren muss. Man sieht also, wie komplex die Situation ist und dass es über das rein Militärische hinausgeht, das aber Kommentare und Videos dominiert.

Das Bundesheer und Prigoschin

Es fragt sich, ob Prigoschin wirklich all diese Geschäfte aufgeben will, die auf seinem Background beruhen. Nach Haftstrafen eröffnete er 1990 mit seinem Stiefvater den ersten Hotdog-Stand in St. Petersburg, dem mehrere folgten; die Mafia forderte Schutzgelder. Dann betrieb Prigoschin Restaurants und lernte Putin kennen; er kam zu seinem Spitznamen „Putin’s chef“ („Putins Koch“), wobei er selbst nicht kochte; Prigoschin übernimmt das Catering für den Kreml. Zum inneren Kreis um Putin gehörte er nie, weil er kein Silowiki ist, also nicht aus dem Geheimdienst- und Militärapparat stammt und nicht jemand, der selbst Schutzgelder verlangt. Wenn er Wagner übertragen bekam, hat er sich offenbar sehr mit dieser Aufgabe identifiziert, was manches erklären könnte. Putins Reaktion auf die Meuterei wird unterschiedlich interpretiert, da er nicht dafür bekannt ist, „Fehler“ zu verzeihen. Wenn seine unverbesserlichen Fans bei uns aber Bedrohungen durch die NATO vermuten oder gar annehmen, dass die CIA Prigoschin auf ihre Seite gezogen habe, sollte man dem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat zuhören. Anders als zur Zeit des Kalten Krieges sind tatsächlich einsatzbereite Truppen in Europa nur reduziert vorhanden. Es ist auch nicht mehr so, dass die Amerikaner etwa Ausrüstung von der Logistik her sofort in Deutschland zur Verfügung hätten. Übungen würden zeigen, dass luftgestützte Luftabwehr gut funktioniert, während es Defizite bei der landgestützten Luftabwehr gibt. Zur Fixierung vieler Beobachter auf Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow, nur weil Prigoschin mit ihnen zu reden verlangte, habe ich hier einige Überlegungen festgehalten.

Welchen Spielraum hat die Regierung?

Was merkwürdige dann korrigierte und vermeintlich missverstandene Äusserungen von Regierungsmitgliedern betrifft, lässt ihnen der zu allem bereite russische Geheimdienstapparat wohl kaum Spielraum. Es wird dann natürlich heikel, wenn es um Russland selbst geht. Viele fragten sich, wie innerrussische Angelegenheiten auf österreichischem Boden ausgetragen werden sollten – vielleicht als Raufereien in der Diaspora? Es klingt nach „keine Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten Russlands“, während Russland bei uns keinerlei Hemmungen hat. Und dann kommt Innenminister Gerhard Karner damit, dass man Asyl für Jewgeni Prigoschin nicht ausschliessen könne, was er dann auf seine Söldner und die übliche Einzelfallprüfung bezogen haben will. Zugleich aber haben Männer, die vor der Einberufung in den Krieg gegen die Ukraine fliehen, keine Chance auf Asyl bei uns. Hier soll dann schon gelten, dass man sich nicht der Bestrafung für ein Vergehen durch Flucht entziehen kann. Dass Wagner zuletzt stark in russischen Gefängnissen rekrutiert hatte, macht die Sache natürlich nicht besser. Beim Krisenkabinett (Kabarett?) sind auch die Chefs der Nachrichtendienste zugegen, also von Heeresnachrichtenamt, Abwehramt und Direktion Sicherheit und Nachrichtendienst, wobei DSN auch als Sanktionsbehörde fungiert. Der Unternehmer Stephan Zöchling, dessen Partner Deripaska-Partner Hans Peter Haselsteiner mit Alfred Gusenbauer an Bord ist, hat mit dem Segen des DSN eben die Sberbank Europe erworben. Der DSN hat offenbar nicht gemerkt, dass Zöchling die Bau-Sparte des Deripaska-Imperiums neu strukturierte und dabei an Sotchi-Bauvorhaben wie auch die Strabag mitwirkte. Dazu kommt, dass die USA Deripaskas wie auch Prigoschins gerne habhaft würden und sich der ukrainische Putin-nahe Oligarch Dmytro Firtash mit Wohnsitz in Wien seit 2014 dazugesellt. Seine Auslieferung verhinderte das Kreml-Netz in Wien bisher erfolgreich. Komische, peinliche, lächerliche Äußerungen von Regierungsmitgliedern und nicht ernst genommene Sanktionen können auch Ausdruck eines Balanceaktes sein, weil russische Agenten in Österreich alles tun können und DSN, AbwA, HNaA niemanden davor schützen.

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12 Kommentare zu „Wer ist Jewgeni Prigoschin?

  1. Die Politikratten machen sich wieder wichtig
    Gerhard Mangott, hat nur Politikwissenschaft studiert, also was für ganz Dumme.

    Anna Lipp und Patrick Lancaster waren vor Ort. Interviews auf youtube gibt es auch.

    A) es war kein Putsch
    B) Wagner ist beliebt in der Bevölkerung
    C) und die Westlichen Spinner haben sich wieder total blamiert mit dem Geschwätz.

    Bei den Russen sind Alle Gewinner, nur die Weiterverwendung von Wagner Soldaten ist noch unklar

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    1. Es gibt hier keine Ratten. Man beachte, dass Politiker immer von anderen bewertet werden, die selbst nie Rechenschaft ablegen müssen. Und von Unfähigkeit bis Opportunismus und unter Druck gesetzt werden ist immer alles möglich. Bei den merkwürdigen Aussagen von Nehammer und Karner würde einiges für Druck sprechen.

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    1. Interessant, da hat sich jemand auch die Geschichte von Wagner und Prigoschins Firmen angesehen und sich gefragt, was uns da verkauft werden soll.

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  2. Putin wollte wohl wissen, ob China hinter ihm steht. Und das sieht nicht so aus, sondern China wirbt um Afrika und Südamerika überschwemmt Amerika und Europa mit Drogen. Damit ist das Ende der Schreckensherrschaft der weissen Männer (in Ost und West) nach den Gräueltaten der Kolonialzeit, des Sklavenhandels, des Holocoust, der ungezählten Kriege nach dem 2. Weltkrieg, der unzähligen Atomversuche und des Raubbaus an der Natur eingeleitet.

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    1. Dass sich Menschen gegenseitig umbringen ist keine Eigenheit der weissen Rasse. Im Gegenteil! Wer glaubt, es wird besser, wenn die weissen verschwinden, wird aus dem Staunen nicht heraus kommen, zu welchen Greueln die nicht-weissen Menschen gegenseitig faehig sind.

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    2. Schwarze haben weit mehr Menschen versklavt als Weisse – in genau jenen Ländern, in denen Wagner, aber auch China aktiv sind. Es gibt keinen Grund, sich über Destabilisierung zu freuen, statt ihr entgegenzutreten, was eine normale gesunde Reaktion wäre.

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  3. Die Bundeswehr zur Entwicklung:

    Leider falsche Details zu Prigoschin und Wagner, aber man kann sich natürlich nie alles merken. Es wird darauf hingewiesen, dass Wagner-Truppen nicht entwaffnet wurden und sich die Söldner der russischen Armee anschliessen oder nach Belarus gehen können. Ausserdem arbeitet Wagner weiterhin für Russland in Afrika. Man war in den letzten Wochen in der Ukraine weniger aktiv als zuvor. Prigoschin setzt ein neues Narrativ auch auf Telegram mit 900.000 Followern, indem er Putins Kriegsgründe als Vorwand entlarvt (von wegen Ukraine und NATO).

    Es offenbarte sich auch ein Problem der inneren Sicherheit, weil ja Wagner ungehindert weit nach Russland hineinmarschieren konnte. Jetzt wird gemeldet, dass der Innenminister einen Autounfall hatte, sein Zustand ist kritisch.

    Ein Problem sieht die Bundeswehr darin, dass Wagner Leute jetzt in eine Armee eingegliedert werden, die immer wieder von Prigoschin kritisiert wurde. Es gab in britischen Medien die Vermutung (basierend auf Geheimdienstquellen), dass Wagner-Kommandanten hinsichtlich ihrer Familien gedroht wurde. Vielleicht auch Prigoschin selbst, der seine Familie aber wohl eher schützen kann, die ja auch Geschäfte mit dem System Putin macht.

    Übrigens sprach Putin gestern davon, dass Prigoschin ja bloss ganz simpel die Firma Concord betreibe. Das kommt vielen als Ausflucht vor (es geht viel konkreter siehe mein Artikel), aber ich weiss jetzt nicht, ob Putin das jemals so sagte, ich glaube eher nicht.

    Die Bundeswehr sieht Wagner der GRU untergeordnet, denn Söldner sind im Grunde auch hybrider Krieg; dazu kommen Trollfabriken. Es ist jedoch noch komplexer, denn verdeckte Operationen laufen schon lange.

    Prigoschin hat keine militärische Karriere gemacht, ist aber draussen bei den Söldnern, während Generäle die Front meiden. Die Bundeswehr bezeichnet ihn als ehemaligen Leibwächter Putins, doch diesen Background hat er nicht; man will Dinge immer konsistent erklären.

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  4. Das Nawalny-Team über eine Unzahl an Prigoschin-Firmen, die öffentliche Gelder bekommen, über Bautätigkeit, die Überwachung und das Belästigen von Journalisten und Nawalny durch Prigoschin-Leute, und wie sich Putin stets unwissend gibt

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