Warum geht es auf Social Media so heftig zu, warum werden so viele Personen in Schubladen gesteckt, ohne überhaupt den Kontext zu kennen? Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die meisten Menschen erst dadurch selbst zu Medienproduzenten wurden. Das ist ihnen oft nicht bewusst, wie ein Urteil gegen eine Userin zeigt, die einem Tweet teilte, in dem sich jemand über die von Katharina Nehammer angestrengten Verfahren gegen andere User empörte, die bloss mal ein Facebook-Posting mit einer falschen Behauptung teilten. Ende der 1990er Jahre gab es zunehmend mehr meist noch recht einfach angelegte Webseiten, darunter relativ wenig alternative Medien. Neu war, dass im Grunde jeder publizieren konnte, während zuvor teure Printprojekte gestartet werden müssten. Indem man zu anderen Inhalten und Quellen verlinkte, erweiterte sich der Raum und es wurde nachprüfbar, was gedruckt einfach behauptet wurde. Man konnte teils zu Artikeln posten, und außerdem gab es von früher noch Newsgroups zum Diskutieren. Ehe sich aber Blogtools verbreiteten, war selbst veröffentlichen eben doch nicht für jede und jeden geeignet, denn man brauchte auch mit Editoren gewisse Kenntnisse in Programmiersprachen. Nach der Zunahme von Blogs und auch parallel zu ihr kamen Facebook und Twitter auf, weitere Plattformen wie Instagram und Telegram folgten; außerdem wurde YouTube populär, wo schließlich auch viele alternativen Content kreieren.
Was ich hier kurz zusammenfasse, vollzog sich über einige Jahre, ich war seit der Zeit der Newsgroups dabei, als man sich noch mit pfeifenden Modems einwählen musste und online sein teuer war. Immer wieder reflektierte ich, was virtueller Raum mit uns macht, ob es neben vielen Chancen nicht auch Gefahren gibt. Mit Social Media und vielen Vloggern geht einher, dass wir dank Smartphones dauernd online sein können; zugleich sind SM und Videos für viele zur Hauptinfoquelle geworden. Es findet kaum mehr eine Trennung statt zwischen online mit PC, Mac oder Laptop und offline, wenn diese Geräte ausgeschaltet sind. Daher sind Reaktionen auch unmittelbar und meist emotional als Reflex; die Nachdenkphase fällt weg; zudem sind Menschen oft stärker rechts- als linkshemisphärig unterwegs, d.h. fühlen mehr und denken weniger nach. Man kann schwer etwas erklären, das andere nicht erlebt haben und das hilfreich ist beim Verständnis von Abläufen nicht nur in Politik und Verwaltung. Politische Tätigkeit war früher auch für Politiker selbst weit weniger öffentlich als heute. Nur wenige konnten ihre Positionen überhaupt publik machen, sei es, dass sie von Medien transportiert werden, sei es, dass man bei Veranstaltungen sprach oder mit einer Gruppe Flugblätter verfasste. Stets fehlte die Unmittelbarkeit, ausser wenn Ereignisse eine solche Dynamik hatten, ständig berichtet wurde. Heute aber verliert Kritik oft jede Verhältnismäßigkeit, weil der Stammtisch ja öffentlich ist, der über Politiker herzieht.
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