Wie kommt die SPÖ zu einem neuen Vorsitzenden?

Die SPÖ wird wohl nach den Kärntner Landtagswahlen am 5. März die Führungsfrage klären. Aber wie handhabte sie so etwas früher? Und was hat das mit der Situation heute zu tun? Nachdem Alfred Gusenbauer im Jahr 2000 plötzlich Parteichef wurde, verfasste Andreas Pittler ein Buch über ihn. Pittler war mit Gusenbauer bei der Sozialistischen Jugend, aber das war vielleicht nicht der einzige Grund dafür, dass es ein peinliches Politiker-Buch wurde. Wer mehr als zwei davon pro Jahr liest, muss wohl mit bleibenden Schäden rechnen. Passender Weise erwarb ich es bei einem Flohmarkt im Vorwärts-Haus an der linken Wienzeile mit U-Bahn-Baustelle vor den Fenstern und Angestellten mit FFP2-Masken drinnen.

Aus dem Buch geht nicht hervor, dass Pittler auch mit anderen Personen sprach und nicht bloss Gusenbauers Behauptungen wiedergibt. Das Buch eignet sich gut als Schlafmittel, etwa wenn 22 von Gusenbauer und Pittler ausgearbeitete Thesen für den Verbandsvorstand im Dezember 1986 abgedruckt werden (Vorstand von welchem Verband? VSStÖ? SJ?). Auch die Schilderung des Parteitags im April 2000, als Gusenbauer offiziell zum SPÖ-Vorsitzenden gekürt wurde, übersteht man nur mit einer kräftigen Dosis Kaffee. Alles wirkt fast so, als sei Gusenbauer Pittlers Ghostwriter bei „Alfred Gusenbauer – ein Porträt“ gewesen (es erschien übrigens im Molden-Verlag, der nun zur Styria Media Group gehört). Pittler sagte mir paradoxer Weise ein paar Jahre zuvor, dass im „Falter“ Kommentare von Peter Pilz unter dem Namen eines Redakteurs erscheinen. Aktuell können wir uns vielleicht fragen, ob sich wirklich der Landesgeschäftsführer der SPÖ Burgenland für Hans Peter Doskozil in der „Presse“ unter dem Titel „Seine Stimme hat Gewicht!“ ins Zeug wirft oder ob Roland Fürst bloss seinen Namen herborgt.

Doskozil beim ORF 2022

Viele erinnern sich noch schemenhaft, dass Wolfgang Schüssel Viktor Klima nach der Wahl 1999 ausgetrickst hatte und am 4. Februar 2000 die schwarzblaue Regierung angelobt wurde. Bei Verhandlungen wurde der SPÖ zuvor alles abverlangt, etwa die Aufgabe des Finanzministeriums, was dann doch Widerstand hervorrief. Ironischer Weise sollte später Gusenbauer dafür sorgen, dass die Genossen dauerhaft auf dieses Ministerium verzichten; Gusenbauer wird jetzt wie Schüssel von dessen ehemaliger Sprecherin Heidi Glück als „Top-Speaker“ vermarktet. Klima erholte sich zunächst eine Woche in Italien, nachdem ÖVP und FPÖ vollendete Tatsachen geschaffen hatten. Vorher fiel noch auf, dass Bundespräsident Thomas Klestil lange zögerte, der SPÖ einen Regierungsbildungsauftrag zu geben, obwohl sie stimmenstärkste Partei war; sie scheiterte dann allerdings. Seine Gattin und ab 2004 Witwe Margot wurde später österreichische Botschafterin in Russland und Russland-Beauftragte von Aussenministerin Karin Kneissl; Wladimir Putin reiste zu Klestils Beerdigung an. Klestils Sohn Stefan war für Wirecard tätig, einen in den Sand gesetzten Konzern mit vielen Russland-Connections auch über Österreich. Gusenbauer war wenige Monate zuvor Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich geworden, um am 31. Jänner 2000 in die Löwelstrasse in Wien als Bundesgeschäftsführer zu wechseln.

Das Vorwärts-Haus

Noch-Parteichef Klima kamen unter anderem sein Sprecher Josef Kalina und Bundesgeschäftsführer Andreas Rudas abhanden. Kalina ist an Unique Research beteiligt und übernimmt heute die PR für Siegfried Wolf, ehemals Magna-CEO und zeitweise mit Gusenbauer im Aufsichtsrat der Strabag; Wolf ist Geschäftspartner des Oligarchen Oleg Deripaska. Rudas ging zu Magna siehe Aussendung vom 28. Jänner 2000, während Karl Heinz Grasser, der dort erst 1998 begonnen hatte, Finanzminister wurde und wild drauflosprivatisieren sollte. Grasser wollte per Geheimprojekt Minerva die VOEST an Magna verscherbeln und so zerschlagen; am Projekt arbeiteten auch Magna-Manager mit. Ausserdem verhandelte Grasser, ob wohl nicht zuständig, über die Nachfolge für die Saab Draken und hätte auch dank Wolf wie Gusenbauer russische MiG-29 bevorzugt. Im Jahr 2000 wurden Karl Schlögl und Caspar Einem als mögliche Klima-Nachfolger gehandelt. Am 14. Februar 2000 zitierte das „profil“ ein ungenanntes SPÖ-Präsidiumsmitglied mit dem Satz: „Vielleicht sollten wir gleich den ganz großen Schnitt machen und den Gusenbauer nehmen.“ Tags darauf trafen sich auf Einladung von Michael Häupl (einem Freund des damaligen Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow, bekannt als Kleptokrat und Stalinist) Heinz Fischer, Karl Stix (Landeshauptmann des Burgenlandes), Karl Schlögl (Ex-Innenminister und Chef der SPÖ NÖ), Viktor Klima und Alfred Gusenbauer, um die Weichen zu stellen. Schlögl sah sich als logischer Nachfolger Klimas, warf aber im Verlauf dieser Sitzung das Handtuch. Am 17. Februar kürte das Parteipräsidium Gusenbauer zum designierten neuen Vorsitzenden, dem dann Andrea Kuntzl und Doris Bures als Bundesgeschäftsführerinnen zur Seite stehen sollten.

Das Gusenbauer-Buch

Man wies in der Berichterstattung darauf hin, dass Gusenbauer bislang nur ein Mal Erstredner seiner Partei im Parlament gewesen ist, was sich nun aber ändern werde. Im Vorwort schrieb Pittler: „Obwohl noch jung an Jahren, kann Gusenbauer auf ein 20jähriges Schaffen zurückblicken, in dem er sich schon frühzeitig mit jenen Problemen befasst hat, um die es heute in Österreich geht: Wirtschafts- und Sozialpolitik, Antifaschismus und Weltoffenheit.“ Gusenbauer (geboren 1960) war im Schlepptau von Josef Cap (geboren 1954) aktiv. Cap war Vorsitzender der Sozialistischen Jugend von 1978 bis 1984; Gusenbauer managte seinen Vorzugsstimmenwahlkampf 1983, bei dem Leute aktiv waren, die später plötzlich ergrünten. Von 1984 bis 1990 war Gusenbauer dann selbst SJ-Chef; 1980 gehörten u.a. Karl Schlögl, Brigitte Ederer, Josef Ackerl, Ernst Woller, Andreas Rudas, Peter Pelinka, Renate Brauner dem SJ-Vorstand an. Cap war von 1979 bis 1985 Vizepräsident der Sozialistischen Jugendinternationale IUSY, in der sich Organisationen wie die SJ auch mit Eurokommunisten zusammengeschlossen hatten; Gusenbauer war von 1985 bis 1989 IUSY-Vizepräsident. 1990 wurde Gusenbauer Referent bei der Arbeiterkammer Niederösterreich (in der Wiener Windmühlgasse) und man versprach ihm ein Mandat im Bundesrat, das er 1991 antrat. 1993 wechselte er in den Nationalrat und sollte auch zu den Politikern gehören, die uns vor der EU-Volksabstimmung 1994 bei vielen Veranstaltungen das Blaue vom Himmel versprachen. Bei Gusenbauers internationaler Tätigkeit als Jungsozialist zur Zeit des Kalten Krieges fällt nicht nur das Engagement in der Friedensbewegung auf, sondern auch, dass er mal in Kuba, das er mit Renate Brauner, Maria Berger und Peter Pelinka besuchte, vor Fidel Castro sprach, und dass er die Weltjugendfestspiele in Moskau 1985 besuchte und mit Michail Gorbatschow zusammentraf. 1986 fand eine Konferenz der Blockfreien statt, über die sich Gusenbauer (heute Berater der serbischen Regierung) bei jugoslawischen Kommunisten informierte. 1987 reiste Gusenbauer nach Berlin, um mit Vertretern von FDJ und sowjetischen Jungkommunisten über „die Perspektiven des Kontinents“ zu diskutieren, was für die Medien der DDR sehr wichtig war. In Österreich forderte der Vorsitzende der Jungen ÖVP Othmar Karas von Bundeskanzler Fred Sinowatz ein Schiedsgerichtsverfahren gegen Gusenbauer. Heute wird Karas von Christian Kern beraten, der über Gusenbauers Verbindungen zu Wladimir Jakunin russischer Aufsichtsrat wurde. Wie Gusenbauer und Franz Vranitzky ist Kern mit Martin Schlaff verbunden, einem der Embargohändler des Ostblocks, der später als Zwischenhändler zur Russenmafia fungierte.

Ehrung für Gusenbauer (Facebook 2021)

Wie unsäglich peinlich das Buch ist, erkennt man auch an Sätzen wie diesen: „Schon seit seiner Jugend dem anderen Geschlecht nicht abhold, hatte er der Politik dessen ungeachtet Priorität eingeräumt. Bis zum Maturaball des Wieselburger Gymnasiums am 22. November 1986 jedenfalls. Dort traf er nämlich auf die 24jährige Eva Steiner.“ Seltsamer Weise wirkt der Gusenbauer authentischer, dessen Chats mit Peter Pilz ich seit einiger Zeit basierend auf Tatsachen erfinde, als der von Pittler porträtierte. Im Sommer 2021 wurde Gusenbauer auf Initiative von Franz Schnabl (einst Magna-Sicherheitschef und bis nach der Wahl 2023 an der Spitze der SPÖ NÖ) für vermeintliche Verdienste um die Sozialdemokratie ausgezeichnet. Anwesend waren unter anderem Heinz Fischer, Werner Faymann, Hans Niessl und natürlich Gusenbauer plus Mutter. Für alle vier Politiker hatte Norbert Darabos erfolgreich wahlgekämpft, der im Jahr 2000 Landtagsabgeordneter im Burgenland war. Alle vier haben ihn verraten, was auch damit zusammenhängt, dass er Verteidigungsminister wurde und der russische Militärgeheimdienst GRU das Ministerium unterwanderte. Was in der SPÖ bis heute tabuisiert wird, kümmerte auch das Abwehramt nicht, das doch den Minister vor Druck, Überwachung und Abschottung hätte schützen müssen. Kürzlich interviewte die „Kronen Zeitung“ Pamela Rendi-Wagner und zeigte ein Foto in ihrem Büro mit ihr und fünf Ex-Kanzlern (Gusenbauer, Klima, Vranitzky, Faymann, Kern).

Bericht über Gusenbauer und Jakunin

Gusenbauer pflegt Beziehungen zu jenem Netzwerk aus KGB und/oder St. Petersburg, das typisch ist für die Machtverteilung in Russland. Man sieht ihn oben in einem Bericht mit dem Kleptokraten Wladimir Jakunin vom KGB, der Gusenbauer im November 2008 auszeichnete, Chef der russischen Staatsbahnen war und sehr von Olympia in Sotchi profitierte. Dies tat auch die Strabag, bei der Raiffeisen an Bord ist – jener Konzern, über den Russland 50 % seiner Geschäfte mit dem Ausland abwickelt. Jakunins Sohn Andrej berät Putin und wurde in Norwegen verhaftet, weil er eine Drohne über Spitzbergen steigen liess. Weil Darabos immer daran gehindert wurde, das Ministeramt gemäss Verfassung auszuüben, verschleierte man dies nach Kräften. Auch um Darabos im Burgenland für Doskozil aus dem Weg zu räumen, wurde der Eurofighter-U-Ausschuss 2017 eingesetzt und via Peter Pilz manipuliert. Daher kann es in der SPÖ auch nicht Rendi oder Doskozil heissen, sondern beide müssen zurücktreten. Übrigens engagierten sich Gusenbauer und Pilz 1985 gegen den geplanten Anlauf von Saab Draken; Pilz wurde damals von Heinz Fischer und Alexander van der Bellen gegen Spionagevorwürfe in Schutz genommen. Eine Hagiographie gab es auch über Doskozil, 2017 verfasst von Margareta Kopeinig, die beim Raiffeisen-„Kurier“ war. Der „Kurier“ unterstützte Pilz und Doskozil und damit auch Gusenbauer; auch für Drohungen von Pilz gegen Darabos stand die Zeitung zur Verfügung.

PS: Viktor Klima kam wie Caspar Einem von der OMV; Klimas Finanz-Staatssekretär Wolfgang Ruttenstorfer war von 2002 bis 2011 OMV-Chef. Ihm folgte Gerhard Roiss, für den Patricia Pawlicki PR machte, die Gattin von Ex-Kurier-Herausgeber Helmut Brandstätter. Vor Ruttenstorfer war Richard Schenz OMV-Chef, der nach Ludwig Scharinger von der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich an der Spitze der Österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft stand. Inzwischen haben Schenz und Ex-ORFG-Vizepräsident Christoph Matznetter das Forum Österreich-Russland gegründet. Im Oktober 2002 versicherte Gusenbauer unter Berufung auf Matznetter, dass die Partei „finanziell wieder voll handlungsfähig“ sei. Später wurde Matznetter Gusenbauers Finanz-Staatssekretär und sollte den Troubleshooter in der Silberstein-Affäre spielen. Ruttenstorfer war einmal Aufsichtsrat des Flughafen Wien; über die Erne Group, wo er dem Aufsichtsrat angehört, ist er via PIPES Holding mit ZMH (Hans Peter Haselsteiner mit Alfred Gusenbauer) verbunden. Bei der SJ sollte man auch an deren Vorsitzenden von 1964 bis 1972 Peter Schieder denken, der in diesem Zeitraum auch in der IUSY aktiv war. Sein Sohn Andreas war von 1994 bis 1997 IUSY-Vizepräsident und 2008 ein paar Monate lang Staatssekretär im Bundeskanzleramt bei Gusenbauer und danach Finanz-Staatssekretär der Regierung Faymann. Bei den Vorsitzenden der SJ fällt Thorsten Engelage (geboren 1981) auf, der das Amt zwischen November 2006 und Oktober 2007 innehatte und vorzeitig aus „privaten Gründen“ zurücktrat. Er wollte eine SPÖ-geführte Minderheitsregierung und protestierte gegen das Koalitionsabkommen zwischen Gusenbauer und Schüssel. Engelage war 2007 und 2008 Vorsitzender der Bundesjugendvertretung. Der Vorsitzende des VSStÖ von 1983 und 1984 Alexander Wrabetz wurde noch vor der Angelobung der neuen Regierung 2007 zum ORF-Generaldirektor designiert und gilt heute als mögliche Alternative zu Rendi und Doskozil.

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3 Kommentare zu „Wie kommt die SPÖ zu einem neuen Vorsitzenden?

  1. Erich Vogl von der „Kronen Zeitung“ u.a. zur SPÖ:

    Er war kürzlich in der Kulisse, wo Peter Pilz mit Andi Babler sprach. Ich redete ein paarmal mit Vogl am Telefon über Eurofighter, wies ihn auf Details hin, schickte ihm Artikel; nie fand es Zeit für ein Gespräch. Natürlich vertritt er weiterhin das Pilz-Narrativ….

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  2. Jetzt, wo die Plandemie in den USA aufgedeckt wird, wäre es für die SPÖ vorteilhaft jemanden zu nominieren, der nicht wie PRM vorher im Rahmen einer Bilderbergerkonferenz „approbiert“ wurde. Spätestens zur nächsten NR-Wahl ist keine Partei wählbar auf deren Kandidatenliste Befürworter der Impfpflicht aufscheinen.

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  3. Treuhand Partner Austria prüfte auch Wirecard CEE in Graz; man ist eng mit Rene Benko und Signa verbunden. 2015 wurde TPA von der Prüfung der Commerzialbank Mattersburg gesetzlich ausgeschlossen, aber weiterhin als Prüfer bestellt. Diese Kanzlei bleibt da hartnäckig dran:

    https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230302_OTS0069/commerzialbank-mattersburg-strafverfahren-gegen-wirtschaftspruefer-anhaengig-bild

    Das Land Burgenland bestellte immer TPA als Revisor für den Mehrheitseigentümer der Bank. Also geht es auch um Niessl und Doskozil….

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