Es ist zunächst unverständlich, dass zur Lesung eines verkleideten Mannes für Kinder in Begleitung ihrer Eltern Kundgebungen veranstaltet werden. Drag gibt es schliesslich nicht nur als Unterhaltung in Clubs für Erwachsene und es hat nicht zwangsläufig eine sexuelle Konnotation. Kinder werden die Begegnung mit einer Dragqueen wohl unter Spass an der Kostümierung, an Personen einordnen, die sie in ihrer Fantasie darstellen. Es scheint, als würden zwei Seiten an Kindern zerren und damit vor allem etwas über sich selbst sagen. Eine Dragqueen wird definiert als Mann, der in künstlerischer oder humoristischer Absicht eine Frau darstellt und dafür auch einen Namen kreiert. Man weiss nicht genau, woher der Begriff stammt; wahrscheinlich kommt er von „drag“ für am Boden schleifen, was sich auf die Schleppe eines Kleides bezieht. Einer Legende zufolge ist „drag“ eine Abkürzung, die Shakespeare bei seinen Stücken ab den Rand schrieb, für „dressed as a girl“, da zu seiner Zeit Männer Frauenrollen spielten.
Kritiker:innen sehen Drag als sexualisierend, doch das muss nicht der Fall sein; alle erinnern sich wohl noch an Dame Edna Everage als alter ego des australischen Komikers Barry Humphries. Die Drag Queen Story Hour kommt aus den USA und fand dort erstmals 2015 statt; weil Fronten auch bei Demos aufeinander prallen, finden sich „normale Eltern“ zwischen zwei Stühlen. Zwar wirkt es harmlos, wenn schrill „weiblich“ gekleidete Männer Kindern Bücher vorlesen, es wird aber erwachsene Sexualität dekonstruiert und kindliche Sexualität rekonstruiert. Bis in die 1960er Jahre war Drag nicht unbedingt mit einer sexuellen Komponente versehen; nun wurde es politisiert gegen heterosexuelles Patriarchat und gegen sexuelle Hierarchien. Sexualität soll „gleichberechtigt“ wahrgenommen werden, was auch bedeutet, dass es Kinder diskriminieren würde, ihnen nicht zuzubilligen, dass sie einverstanden sein könnten. Das erinnert fatal an lange tabuisierte Auswüchse der Kinderläden, die eigentlich eine positive Entwicklung darstellten. Die Zielgruppe der Drag Queen Story Hour besteht nicht nur aus kleineren Kindern, da von Fünf- bis Zwölfjährigen die Rede ist. Mit anderen Worten sind wir damit schon in einer Altersgruppe, in der einige wollen, dass sich Heranwachsende für ein anderes Geschlecht entscheiden. Biologisch bleibt es bei zwei X-Chromosomen (Frauen) oder XY (Männer), was sich weder hormonell noch operativ ändern lässt.