Schlagwort-Archive: Stay Behind-Strukturen

Whistleblower, Aufdecker und Agenten

Unsere Vorstellungen von Whistleblowern, Aufdeckern und Agenten werden oft romantisch verklärt durch Filme und Berichte. Ab 25. August 2023 gilt in Österreich das neue Hinweisgeberschutzgesetz, das es Informanten etwas leichter machen und sie vom Nimbus des „Anpatzens“ befreien sollte. Aus diesem Anlass wurde am 23. August unter anderem mit Julian Hessenthaler im Museumsquartier diskutiert, der als „Ibiza-Detektiv“ bekannt wurde. Freilich ist es etwas anderes, spannend und aufregend zu finden, was andere erlebt haben, aber selbst kein Risiko einzugehen und nichts auf sich zu nehmen. Es gibt natürlich Parallelen zur realen wie fiktiven Darstellung und zu guten Thrillern, die Wert auf Faktenreichtum und eine psychologische Komponente legen. Nicht zu unterschätzen ist, dass manche Leute Fans um sich scharen, indem sie sich mit Attentaten befassen, die schon Jahre zurückliegen. Natürlich bieten seriöse Recherchen interessante Ansatzpunkte, wenn es um Kontinuitäten bei Personen, Institutionen und Einstellungen geht.

Dass man in einer aktuellen Situation leicht vorschnell urteilt, zeigen die Einschätzungen vieler Kommentatoren von Jewgenj Prigoschins Meuterei vor knapp zwei Monaten (ich konzentrierte mich eher darauf, Fakten zu Prigoschin und PMC Wagner zusammenzutragen). Angesichts des Absturzes einer Embraer Legacy 600 auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg mit Prigoschin, PMC Wagner-Gründer Dmitri Utkin, Prigoschins Bodyguards und anderen an Bord werden manche einiges neu bewerten müssen. Es kursiert ein Video mit einem senkrecht abstürzenden Flugzeug und es ist davon die Rede, dass das Seitenleitwerk oder eine Tragfläche abgerissen sein soll, was aus der Sicht von Wagner für russische Luftabwehr spricht; man sagt, dass Prigoschin auf der Passagierliste war, dessen Wikipedia-Eintrag bereits aktualisiert ist.

Am 23. August im Museumquartier

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Neutral gerade jetzt!

Nicht nur in Umfragen ist der Bevölkerung die österreichische Neutralität gerade jetzt wichtig. Sie wurde aber gezielt untergraben, was man davon auseinanderhalten muss, dass sich die geopolitischen Rahmenbedingungen seit 1955 geändert haben. Leider wird jetzt oft so getan, als könne Österreich gar keine ernsthafte Vermittlerrolle einnehmen, obwohl dies fast unmittelbar nach dem (betont freiwilligen) Beschluss des Verfassungsgesetzes über immerwährende Neutralität der Fall war. Welch klischeehafte und vorurteilsbeladene Vorstellungen mit Neutralität in Verbindung gebracht werden, konnte man gut beim Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer bei Wladimir Putin sehen. Als besonders krasses Beispiel kann Robert Misik bei oe24 dienen, der Nehammer nichts zutraut, sondern ihn als Spielball Putins sah, der auch vor Korruptionsermittlungen gegen die ÖVP auf der Flucht sein muss. Misik gehörte einst der Gruppe Revolutionärer Marxisten an, was er mit Peter Pilz gemeinsam hat, und spekulierte bei Wolfgang Fellners oe24, dass „wir“ am Ende „von Putin erpressbar“ bzw. aus der Sicht der EU eh schon „ein halber Aussenposten Russlands“ seien.

Komisch nur, dass er selbst dem Putin-Netzwerk bei uns nahesteht, was aber beim Biografen von Christian Kern, der bei Fellner und bei der SPÖ auftritt, nicht anders zu erwarten ist. Es trifft sich ausgezeichnet, dass es auch neue wissenschaftliche Argumentationshilfe in Gestalt des am 24. Juni 2022 im Presseclub Concordia vorgestellten Buches „Österreich und der Kalte Krieg – ein Balanceakt zwischen Ost und West“ gibt. Wir sehen unten in der Mitte den Historiker Stefan Karner (der sich u.a. mit Margarethe Ottilinger befasste) und links bzw. rechts von ihm die beiden Autoren Peter Ruggenthaler (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung) und Günter Bischof (Marshall Plan Chair). Bei der Veranstaltung wurde auf die Vermittlerrolle Österreichs verwiesen, etwa als es das erste Gipfeltreffen nach dem Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion 1961 in Wien gab mit John F. Kennedy und Nikita Chrustschow. Damals war Bruno Kreisky Außenminister, den wohl beide Seiten dazu verwendeten, der anderen etwas auszurichten. Derlei ist jedoch nichts Ungewöhnliches, wenn direkte Verhandlungen vorbereitet werden, wie die Historiker betonen.

Im Presseclub Concordia

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Lehren aus der BVT-Affäre

Manche bedauern, dass es heuer keine Befragungen im BVT-Untersuchungsausschuss mehr gibt, war doch das kollektive Agentenfieber so schön spannend. Doch vom verdeckten Bereich wurde nur ein Zipfelchen erhascht, etwa wenn der Vorwurf aufkam, die Identitäten verdeckter Ermittler seien gefährdet worden. Das kann aber auch ohne Hausdurchsuchung oder Anfragen des Ministerbüros geschehen und wird das Funktionieren verdeckter Abläufe nicht ernsthaft in Frage stellen. Aber worüber reden wir da eigentlich? In diesem Fall bietet Wikipedia doch Anregungen, weil es hier Definitionen rund um Verdeckte Ermittler und Agents Provocateurs gibt. Dabei muss klar sein, dass es ein Graubereich ist, Menschen eventuell zu Handlungen zu verleiten, die sie von sich aus nicht setzen würden. Oder eben doch? Am ehesten, wenn man sie in eine psychische Ausnahmesituation  bringt, wobei sich labile Personen gut benutzen lassen. Und man denke daran, dass oft jene Leute, die bloß beobachten und dabei sein sollten, andere radikalisierten siehe Verfassungsschutz und NPD. Andererseits muessen verdeckt Arbeitende glaubwürdig sein, sich also der jeweiligen Szene und Situation anpassen.

Nicht notwendiger Weise werden aber ethische Grundsätze verletzt, denn viele Personen agieren so unreflektiert, dass sie einer Sting Operation bedenkenlos in die Falle gehen.  Da geht  es nicht um Anstiftung, sondern darum, dass viele glauben, z.. B. Agenten ohne offizielle Rückendeckung ballern drauf los, wenn sie in Bedrängnis sind, bildlich gesprochen, weil man es so aus dem Kino kennt. Doch sie halten die Tarnung ihrer Rolle nach aussen aufrecht und sind vielleicht amüsiert, dass andere sie so krass unterschätzen. die Arglosigkeit anderer, die sich meist als große Durchblicker sehen. Es hat aber etwas davon, in die Falle mit  spitzen Bambusstäben in Henning Mankells „Die fünfte Frau„zu tappen. Dabei basteln diejenigen selbst daran, die leicht zu täuschen oder zu beeindrucken oder zu sehr von sich überzeugt sind. Es ist auch fatal, nicht überall damit zu rechnen; gerade bei geheimdienstaffinen U-Ausschüssen, was auch für Rüstungsangelegenheiten gilt. Vom Wäschelabel einmal abgesehen gibt es ständig Meldungen, in denen Agents Provocateurs vorkommen.

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