Schlagwort-Archive: Helmut Schmidt

Worauf Grüne und Klima-Kleber aufbauen

Was heute politisch geschieht und gepusht wird, geht Jahrzehnte zurück; dies ist gerade wegen des nächsten Klimagipfels interessant. Wer die Zeit der 1968er und des Deutschen Herbstes noch nicht bewusst erlebt hat, muss jedoch ergründen, was damals bewegte und wo die Verbindungslinien sind. Da es um viele Namen, Ereignisse und Gruppen geht, ist jeder schlichte Artikel unvollständig. Ich kann aber zeigen, wie man Muster erkennt und das Puzzle selbst komplett machen kann. Die Militanz einiger Klima-Aktivisten erinnert viele an früher, wobei die „Letzte Generation“ besonders auffällt, da sie sich auf die Strasse klebt. Man schätzt neue Interessenten ein, ob sie sich verhaften und einsperren lassen würden, oder nur festnehmen oder ob sie bloss unterstützen wollen. Ein bisschen klingt da fast die Frage aus der Zeit der RAF auf der Flucht an, was man tun würde, wenn Andreas Baader und Ulrike Meinhof vor der Tür stehen. Die 2021 in Deutschland gegründete „Letzte Generation“ wird von einer US-Stiftung und vom Grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck unterstützt. Wie früher wird etwas geschaffen, bei dem jeder Bilder im Kopf hat und andocken kann; auch negative Stimmen sorgen nur für weitere Popularität.

Gerade blockierten Greenpeace und Extinction Rebellion Privajets auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol. 500 Personen hatten sich mit Fahrrädern Zutritt verschafft; 200 wurden festgenommen. Nachdem eine Radfahrerin in Berlin nach einem Unfall verstarb, weil zur Rettung notwendige Fahrzeuge blockiert wurden, tun sich manche mit Terrorvergleichen leicht. Doch die gesellschaftliche Situation war in den 1960er und 1970er Jahren eine andere, weil überall noch alte Nazis Funktionen hatten. Richter, Polizisten und andere Berufsgruppen waren vielfach noch nicht in der Demokratie angekommen. Zugleich aber wurde Widerstand in vielen linksradikalen Gruppierungen in einer Weise artikuliert, die wenig Bezug zum Alltagsleben der Mehrheit hatte. Heutige Klima-Aktivisten wirken oft so, als würden sie dort ohne Erkenntnisprozesse und Jahre dazwischen anknüpfen. Nicht von ungefähr spricht Greta Thunberg jetzt offen vom Kampf gegen den Kapitalismus; hätte sie dies gleich getan, ihre Beliebtheit wäre enden wollend gewesen.

Zur „Letzten Generation“

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Willy Wimmer: Fluchtursachen schaffen-NATO-Kriegsetat aufstocken

Als Nachlese zur Münchner Sicherheitskonferenz und als Kommentar zur Weltpolitik mit einem vom „deep state“ bekämpften US-Präsidenten zeigt Willy Wimmer auf, was wirklich getan werden müsste. Der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete, der erfolgreich für das Bewahren des Parlamentsvorbehalts bei Auslandseinsätzen kämpfte, schreibt Klartext:

Manchmal genügt ein Blick auf das Ganze: der Westen ist seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien auf dem absteigenden Ast. Wir führen nur noch Krieg und können uns nicht herausreden. Wir sind mit der Bundeswehr zur Hilfstruppe des angelsächsischen militärisch-industriellen Komplexes verkommen. Wir führen zwischen Afghanistan und Mali ohne Rücksicht auf die Charta der Vereinten Nationen Krieg und verraten die Konsequenzen aus den Nürnberger Prozessen. Es kommt nicht mehr darauf an, sich völkerrechtskonform zu verhalten. Maßgebend ist, auf der Seite des vermeintlich Stärkeren das Völkerrecht in Schutt und Asche zu legen und zu hoffen, damit durchzukommen. Die Migrationsbewegungen aus dem Staaten, die vom Westen mit Krieg und Untergang überzogen werden, lehrt uns das Gegenteil. Die Menschen sind auf der Flucht vor unseren Regierungen und Armeen und sie fliehen zu uns.

Lisa Fitz bei Demo gegen die Münchner Sicherheitskonferenz

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Frieden statt NATO!

Mit dem Hashtag #NATOSummit kann man gut die Debatten im Vorfeld des NATO-Gipfels in Warschau verfolgen. Etwa eine Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel oder die Diskussion über einen Antrag der Linken, aus den militärischen Strukturen der  NATO auszutreten. Es scheint, dass in Deutschland die Entwicklung der NATO stärker als in Österreich reflektiert wird, obwohl Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nach Warschau reist.

Die „Kronen Zeitung“ schreibt: „Die notwendige Zusammenarbeit mit NATO- Staaten wie Slowenien, Kroatien und Bulgarien spätestens seit der Migrationskrise sowie die Teilnahme an NATO-geführten Einsätzen im Kosovo oder in Afghanistan begründet Doskozil wie folgt: ‚Die NATO ist die wesentliche Sicherheitsorganisation in Europa, deshalb ist mir auch eine professionelle Zusammenarbeit wichtig. Die Neutralität Österreichs steht dabei selbstverständlich außer jeglicher Diskussion.'“ Doskozil sieht die Rolle der NATO vor allem im Zurückdrängen von Migrationsströmen, die jedoch – etwa aus Afghanistan – eine Folge von US-Interventionen sind.

Zum NATO-Aufmarsch gegen Russland äussert er sich nicht, und der Mainstream bezeichnet Österreich als „einsamer geworden„, da Schweden und Finnland nicht mehr neutral sind: „Auch ein Beitritt zum Framework Nations Concept, einer Kooperation im Bereich Verteidigungsfähigkeiten, hat keine Priorität. Deutschland lud Österreich als erstes Nicht-Nato-Land dazu ein. Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil wird am Freitag dennoch nicht mit leeren Händen nach Warschau reisen: Sein Ressort hat auf Nato-Anfrage zugesagt, sich am Aufbau der Verteidigungsstrukturen in Jordanien zu beteiligen. Mehrere Experten könnten Soldaten ausbilden, aber auch bei der Minenräumung unterstützen. Das Wüstenkönigreich Jordanien ist der letzte Stabilitätshort in der Unruheregion im Nahen Osten – und spielt deshalb auch in der Flüchtlingskrise eine gewichtige Rolle. Doskozil sieht in der Nato einen Partner zur Bekämpfung der Migrationsströme. Kriegsschiffe des Bündnisses sind in der Ägäis zur Überwachung von Schlepperrouten stationiert. Die Nato plant nun, die Mission als Ergänzung der EU-Marinemission Sophia auf das zentrale Mittelmeer auszudehnen, also dorthin, wo die Route über Libyen verläuft.“

Rede von Sahra Wagenknecht im Bundestag

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Sozialdemokratie und Wellness-Politik

„SPD-Frauen: Plädoyer gegen die weibliche Wellness-Politik“ wird ein Kommentar von Ulrike Posche auf der Titelseite des „Stern“ angekündigt. Nicht nur die Autorin hat beim SPD-Parteitag beobachtet, dass Wohlfühlen wollen und schwammige Aussangen kantige Positionen und harte Auseinandersetzung um die Ausrichtung der Partei ersetzen.

„Glockensüß klingt es am Parteitag der SPD, die früher eine Machopartei war“, beginnt Posche ihren Text. Unter all den mit Vornamen angeredeten Genossinnen, die  miteinander für Selfies posieren, fällt eigentlich nur die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann auf, weil sie die Rede von Parteichef Sigmar Gabriel kritisierte. Posche war froh, dass Uekermann Gabriel „ans Bein pinkelt“, hebt sich dies doch von der braven Konformität anderer Frauen ab.

Sie sehnt sich zurück nach jenen Parteitagen, bei denen Männer einander „mit Verachtung geduzt“ haben, aber da war ja auch Oscar Lafontaine noch in der SPD. Während die Genossinnen heute vielleicht mal Fieber bekommen, stand Helmut Kohl 1989 einen CDU-Parteitag mit Schmerzen durch und liess sich erst danach operieren, und am Rande „verzwergte er ein paar Aufständische“ in der Partei. Heute gibt es stattdessen „das Leidenschaftsneutrale, das Loben und das Hudeln“ und Sprechblasen,  in denen von der „tollen gemeinsamen Arbeit“ geschwärmt wird, man von „integrativer Flüchtlingsarbeit“ und davon spricht, dass sich die SPD „auch um die Menschen kümmern muss, die es schwer haben“.

Mit anderen Worten stellt Posche eine „Verweiblichung“ der Sozialdemokratie fest, die dieser nicht gut tut. Die Journalistin ist des Antifeminismus unverdächtig, hat sie doch einmal den Medienpreis der „Emma“ gewonnen. (1) Vor wenigen Wochen war sie mit Gabriel in einem riesigen Flüchtlingslager in Jordanien, (2) zu ihren SPD-Stories gehören aber auch privatere Geschichten. (3)

Sucht man im Archiv des „Stern“ nach der SPD, erhält man neben zahlreichen Artikeln diese Erklärung: „Die SPD ist die älteste parlamentarisch vertretene Partei Deutschlands, Gründungsdatum: 23. Mai 1863. Ihr Kernanliegen ist die soziale Gerechtigkeit, ihre Kernwählerschaft sind Arbeiter. Derzeit macht die Partei eine menschliche Erfahrung: Sie schwächelt. 1977 hatten die Sozialdemokraten noch eine Million Mitglieder. Heute sind es weniger als die Hälfte. Ihr bestes Wahlergebnis erreichte die SPD unter Willy Brandt, der Ikone der Partei. Ihr bisher schlechtestes mit dem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Zweimal stellte sie den Bundespräsidenten, dreimal den Kanzler. Einer von ihnen, Helmut Schmidt, ist nach seiner Amtszeit eine Art Ratgeber der Nation geworden.“ (4)

Allerdings sehen andere Schmidt als Paradebeispiel für einen nur scheinbar weisen alten Mann, weil er an manchen Überzeugungen starr festhielt, egal welche politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen es gab. „Schmidt und Scholl-Latour: Eine Zusammenkunft alter Männer“ nennt daher Jens J. Korff seinen „Ungebetenen Doppelnachruf auf einen ‚weisen Staatsmann‘ und einen ‚weisen Beobachter'“, nämlich auf Helmut Schmidt und Peter Scholl-Latour und schreibt: „Politisch hatten Schmidt und Scholl nicht viel gemeinsam. Schmidt blieb zum Beispiel, anders als Scholl, stets einer auf Kriegsvermeidung abzielenden internationalen Diplomatie verpflichtet.Was sie aber eint, sind zwei Haltungen: eine persönliche Arroganz und Überheblichkeit, die mich ein ums andere Mal fassungslos zurückgelassen hat; und eine schneidende Härte, eine Neigung zu brutal-technokratischen oder – bei Scholl – offen gewaltsamen ‚Lösungen‘, die, wie alle gewaltsamen Lösungen, nie etwas gelöst haben.“ (5)

Dämonisierte Scholl den Islam und klang immer so, als würde er sich von der Front zum Mikrofon durchgekämpft haben, liegen die fatalen Irrtümer von Helmut Schmidt etwa im Bereich Rüstung oder bei Atomkraft und Großprojekten. Zudem trat Schmidt immer für eine Dominanz der USA und der NATO ein und sah anders als die Friedensbewegung im Wettrüsten keine Zunahme der Kriegsgefahr. Zwischen „Verweiblichung“ der Politik und unbelehrbarem Altmacho-Gehabe ist aber viel Spielraum, der angesichts schwammig argumentierender Vorsitzender sowohl der SPD als auch der SPÖ nicht genutzt wird.

Albrecht Müller war Sekretär von Willy Brandt und beschreibt ein Verhalten von Sigmar Gabriel, das sehr an Werner Faymann erinnert: „Er wertete die Zustimmung der 74,3 Prozent als Auftrag, Politik in seinem Sinne weiterzumachen und keine Rücksicht mehr auf die Nein-Stimmen und die Unzufriedenheit vieler Mitglieder und Sympathisanten nehmen zu müssen. Beim Durchmarsch mit seinen Vorstellungen zum Freihandelsabkommen TTIP wurde dann am nächsten Tag gleich erfolgreich probiert, was dieses absichtliche Missverständnis in der Praxis bedeutet: Die Linie des Führungspersonals um Gabriel und Steinmeier und der anderen eher konservativen bis inhaltsleeren Sozialdemokraten wird ohne Rücksicht auf Verluste durchgehalten und in praktische Politik umgesetzt.

Die harte Antwort des Sigmar Gabriels auf die kritische Anmerkung der Juso-Vorsitzenden, bei ihm gebe es eine große Lücke zwischen Reden und Tun, war ein weiteres Signal für die harte Linie mangelnder Rücksicht auf die Vielfalt der SPD. Dieser Kurs ist geeignet, das Wahlergebnis bei der nächsten Bundestagswahl sogar noch unter die zur Zeit bei Umfragen gemessenen 25 Prozent zu drücken.“ (6) Auch in Österreich werden knapp über 80 % am Parteitag (wobei jene nicht mitgerechnet wurden, die gar nicht erst an der Wahl des Vorsitzenden teilnehmen wollten) als Bestätigung des „Kurses“ von Faymann gewertet, und ein Jahr danach grundelt die SPÖ bei 22 Prozent in Umfragen.

Mit einer anderen Argumentation kommt Müller zu ähnlichen Schlüssen wie Ulrike Posche: „Es ist immer wieder erstaunlich, mit anzusehen und anzuhören, wie primitiv die strategischen Vorstellungen vor allem der eher konservativen bzw. sogenannten pragmatischen Sozialdemokraten und spiegelbildlich der meisten Medien aussehen: Geschlossenheit, ‚in die Mitte rücken‘ – das sind die Hauptforderungen und die Ideen für eine erfolgreiche Bewerbung um eine Mehrheit. Sigmar Gabriel hat in seiner Rede ausführlich das Ziel beschworen, die Mitte und speziell die ‚arbeitende Mitte‘ unserer Gesellschaft erreichen zu wollen. Und er legt wie viele andere Wert auf Geschlossenheit und wird von den Medien mehrheitlich darin unterstützt, dass Geschlossenheit ein eigenständiger Wert sei.“

Sätze ohne jede Substanz sind bezeichnend für einen eher gefühlsorientierten Zugang ganz im Sinn traditioneller Weiblichkeit, während die „harten“ männlichen Fakten nur stören würden; beispielsweise das Ausmaß  der Armut in Deutschland, das durch ein auf Flüchtlinge und MigrantInnen konzentriertes „Wir schaffen das!“ nicht geringer wird. „Die SPD tritt relativ geschlossen auf und hat in den Umfragen ihr Ergebnis von 2013 (25,7%) nicht überschritten sondern unterboten. Die Ankündigung des Vorsitzenden, den linken Teil, der wesentlich für die Nein-Stimmen bei der Vorsitzenden-Wahl verantwortlich sein dürfte, mit Missachtung zu strafen, wird dazu führen, dass Wählerinnen und Wähler dieses Teils die Lust zu dieser Wahlentscheidung verlieren“, stellt Müller fest.

Auch für die SPÖ ist charakteristisch, dass die Parteidisziplin nach wie vor sehr gross ist, selbst wenn immer wieder Kritik artikuliert wird; diese hat bislang aber keine verändernde Dynamik entwickeln können, vielleicht weil sie die Ursachen des Niedergangs der Partei nicht berührt hat. Müllers Urteil über Gabriels Positionen fällt vernichtend aus: „Sigmar Gabriel hat lange gesprochen. Ich habe mir die Rede angehört und sie noch einmal durchgelesen und finde darin keinen Programmpunkt und kein Thema, die sich für eine nachhaltige und günstige Profilierung eignen würden.

Ich fand auch kein Thema, das geeignet wäre, den Konflikt mit der Union zu eröffnen und durchzuhalten und dabei positiv zu gewinnen. Das Flüchtlingsthema ist es nicht; das Thema soziale Gerechtigkeit ist widersprüchlich abgehandelt; Krieg und Frieden sind als Profilierungs- und Konfliktthema aufgegeben. Das ist das eigentlich Dramatische an der jetzigen Entwicklung.“ Da man in Deutschland rhetorisch immer noch etwas mehr draufhaben muss als in Österreich, wird Gabriel allerdings von einem unterboten, nämlich von SPÖ-Chef Werner Faymann.

Die Kritik ist in beiden Ländern ähnlich, da seit Jahren Standardfloskeln in Richtung der eigentlichen Klientel der Sozialdemokratie abgesondert werden, denen keine Handlungen folgen: „Die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann hat beim Parteitag den Parteivorsitzenden nach dessen Rede kritisch hinterfragt und ihm vorgeworfen, es gebe viele Lücken zwischen Reden und Tun. Er hat sich anschließend dagegen verwahrt. Und Johanna Ueckermann ist auch von anderen darob heftig kritisiert worden.“ In Österreich mussten junge KritikerInnen erleben, dass sie von Regierungsmitgliedern wie Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek gemaßregelt werden; Parteitage sind zwar etwas weniger Frauensache als in Deutschland; „Verweiblichung“ in Richtung Konturlosigkeit gibt es aber auch hier.

Welch gefährliche Falle es ist, Fakten zu vernachlässigen und (kreierte) Gefühle sprechen zu lassen, zeigt das Flüchtlingsthema. Da genügt es eben nicht zu sagen, dass „Menschlichkeit“ keine Obergrenze kennen darf oder dass es keine „Stopp-Taste“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen geben kann. Sondern es gibt nüchterne Realitäten wie die Budgetsituation, die Lage am Arbeitsmarkt, existierende soziale Not und nicht zuletzt Vorgaben der eigenen Verfassung. Vom Standpunkt des Amtseides und der Verantwortung für Österreich ist es gleichgültig, womit sich ein „verweiblichter“ Politik anhängender Bundeskanzler wohlfühlen würde, sondern er hat seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Bei der Performance der SPÖ insbesondere seit sie dem Flüchtlingshype erlegen ist besteht ohnehin der Eindruck, dass fast alle vernebelt sind und auch ein Interesse daran haben, in der harten Wirklichkeit aufzuwachen. Es ist sicher kein Zufall, dass keine Politikerin, sondern ein Politiker dagegen auftritt, nämlich der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl, der von sich sagt, sich nicht bei allen beliebt machen zu wollen. Wiederholt verwies er auf Fakten, die man nicht ignorieren dürfe, die aber seine GenossInnen in Wien und auf Bundesebene lieber weiter leugnen.

„Ich kenne kaum jemanden, der so konsequent, so fachkundig, so sachorientiert politische Lösungen sucht und zustande bringt, wie Hans Niessl. Das zeichnet das Burgenland aus“, meinte gerade der von Niessl kritisierte Faymann, als Niessl 15 Jahre als Landeshauptmann feierte, was zum „Spiel“ vor den Kulissen gehört. (7) Sarkastisch könnte man fragen, was Faymanns Lob für Niessl über ihn selbst aussagt; auch wenn er das Burgenland als „fleißig, leistungsbereit und gut geführt“ bezeichnet. Wie Männer abseits der „Verweiblichung“ der Sozialdemokratie Karriere machen, sieht man übrigens an Niessl und seinem Wahlkampfmanager.

Im Jahr 2000 wurde der bis dahin weitgehend unbekannte Lehrer Hans Niessl Landeshauptmann, weil der zuvor ebenfalls unbekannte Wahlkampfmanager Norbert Darabos strategisch geschickt agierte und selbst ein Bankskandal der SPÖ nichts anhaben konnte. Darabos wurde 2003 Bundesgeschäftsführer, rückte nach Heinz Fischers erfolgreichem Präsidentschaftswahlkampf 2004 ins Parlament nach, wo er u.a. aktives Mitglied des Landesverteidigungsausschusses war. 2007 wurde er Verteidigungsminister, 2013 wieder Bundesgeschäftsführer, ehe er im Juli 2015 in die neue Landesregierung wechselte.

Faymanns Lob dient auch deswegen nur der Bühne der Öffentlichkeit, weil er Darabos nie den Rücken stärkte gegen Druck der USA – denn ein cleverer Stratege, der zeitweise als „unbesiegbar“ galt, sollte seine Fähigkeiten in den Dienst der verdeckten US-Einflussnahme auf heimische (und EU-) Politik stellen, wozu Darabos nie bereit war. Diese Zusammenhänge habe wiederum ich exakt herausgearbeitet, weil ich – anders als die „Verweiblichungs“-Tendenzen in der SPÖ – an Fakten und nüchterner Lagebeurteilung interessiert bin und wissen will, wer wie warum reagiert oder was nicht tut, das er in seiner Postion tun müsste.

Aber welchen Spielraum hätte eine Regierungspartei SPÖ, wäre sie nicht auf transatlantischem Kurs (gegen den die SPÖ Burgenland implizit auftritt)? Gerade hat Podemos in Spanien besonders von den Sozialdemokraren gewonnen, als linke Alternative. (8) „Die Ergebnisse der Wahl in Spanien hinterlassen wieder einmal den Eindruck, es sei möglich, auch in Zeiten der Vorherrschaft des Neoliberalismus und militärisch geprägter Sicherheitspolitik Alternativen durchzusetzen. Vorsicht scheint geboten zu sein. Immerhin hatte in Griechenland mit Syriza eine fortschrittliche Partei die Wahl deutlicher gewonnen als Podemos in Spanien. Was wurde politisch daraus? Weitgehend die Fortsetzung der Austeritätspolitik.

Unter dem Druck neoliberal geprägter deutscher und europäischer Politiker. In Portugal haben sich auf Umwegen die linken Gewinner der Wahl durchgesetzt. Mühsam. Und vermutlich bedroht vom Druck von außen und medialem Druck von außen und innen. In Großbritannien hat sich ähnlich wie in Spanien mit Unterstützung einer Volksbewegung Corbyn als Vorsitzender von Labour durchgesetzt. Daran, dass diese Veränderung politisch inhaltlich nicht wirksam wird, arbeiten Konservative und Medien gemeinsam. Die Medien sind ein wesentlicher Machtfaktor. Sie können Mehrheiten von Wählerinnen und Wählern ins Leere laufen lassen“, schreiben die „NachDenkSeiten“. (9)

Sie zitieren aus einem Kommentar von Owen Jones im „Guardian“ zum Umgang mit dem NATO-kritischen Labour-Chef Corbyn: „Egal, was man von Jeremy Corbyn, seinem Führungsstil oder seiner Politik halten mag: Vor drei Monaten hat er in einer offenen und demokratischen Wahl einen erdrutschartigen Sieg errungen und ist zum Führer der größten Oppositionspartei des Landes aufgestiegen. Und seitdem ist er einem fast universellen Medienhass und –hohn ausgesetzt.“ Und: „Es ist schlimm, dass unsere Presse oft eher wie eine aggressive politische Maschine aussieht als wie ein Mittel der Bildung und Information. Aber schließlich ist unsere Presse im Besitz einer sehr kleinen Gruppe von Moguln, die unbestreitbar sehr ausgeprägte politische Ansichten haben.“

Ist es bei uns denn anders? Nicht nur, dass durchgängig ein Flüchtlingshype erzeugt wurde, ist auch die Berichterstattung über politische AkteurInnen manipulativ. (10) Tatsächliche Zustände hinter den Kulissen werden nicht angesprochen; stattdessen werden Desinformationen ewig  wiedergekäut. Es ist kein Wunder, dass es medial (nicht immer zu Unrecht) angefeindete Partei wie die FPÖ längst auf eigene Medien setzt und auf Facebook sehr präsent ist. Viele meinen freilich, „unsere“ Medien seien links, weil sie wie SPÖ und Grüne Flüchtlings- und Migrantenströme bejubeln, doch dies hat nichts mit linken Positionen zu tun. Weil wir hier ja wieder auf konturlose Wellness-Politik treffen, die bloss auf Gefühlslagen aufbaut und diese selbst kreiert. Dies vereinnahmt auch freiwillige HelferInnen gnadenlos, weil Ambivalenz und negative Erfahrungen keinen Platz haben dürfen.

(1) http://www.emma.de/artikel/der-11-journalistinnenpreis-die-preistraegerinnen-265161
(2) http://www.stern.de/politik/ausland/fluechtlingslager-zaatari-in-jordanien–sigmar-gabriel-besucht-syrische-fluechtlinge-und-ist-sprachlos-6464338.html
(3) http://www.stern.de/lifestyle/leute/spd-vizechefin-nahles–ja–wir-haben-uns-getrennt–3086000.html
(4) http://www.stern.de/politik/deutschland/themen/spd-4541456.html?order=DESC&month&year&pageNum=1
(5) http://www.heise.de/tp/artikel/46/46804/1.html
(6) http://www.nachdenkseiten.de/?p=29563
(7) http://kurier.at/politik/inland/15-jahre-als-landeshauptmann-des-burgenlands-niessl-liess-sich-feiern/170.871.016
(8) http://www.heise.de/tp/artikel/46/46925/1.html
(9) http://www.nachdenkseiten.de/?p=29669
(10) aktuelles Beispiel: http://derstandard.at/2000027903564/Hans-NiesslDer-Mann-der-doch-das-Klo-gefunden-hat