Ibizagate: Der U-Ausschuss und die Jagd nach dem Lockvogel

Wenn etwas wie ein kompromat aussieht, dann ist es ein kompromat – wenn jemand sich wie ein Handlanger verhält, dann ist es ein Handlanger. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn Medien uns darüber informieren, dass die Kriminalpolitzei inzwischen das gesamte Ibiza-Videomaterial und noch mehr sichergestellt hat. Es sollte auch unseren Argwohn wecken, dass oe24 und eu-infothek.com die Arbeit der Ermittler in den Himmel loben, was ja vom Aufwand her vielleicht gerechtfertigt ist. Zugleich aber wollte man sich bislang nicht mit Netzwerken im Hintergrund anlegen, die offensichtich auch versuchen, die Berichterstattung zu steuern. Da es um Seilschaften geht, die vielfältige Aktivitäten entfalten und überall zu sein scheinen, sind auch andere Verfahren davon betroffen, was ebenfalls ausgeblendet wird. Es ist natürlich ausgeschlossen, Motive offenzulegen, wenn man beim Ermitteln Stoppschilder beachten muss, damit Auftraggeber und Profiteure ungeschoren bleiben. 

Da verdeckte russische Einflussnahme über die Jahre zugenommen hat, ist sie auch in allen Parteien präsent, sodass der U-Ausschuss zur Farce wird. Das unterscheidet ihn auch nicht von Vorgängern, wenn wir etwa an Eurofighter denken, wo übrigens auch alles vertuscht wird, was diese Netzwerke tangiert. Wir sollten jetzt also zur Kenntnis nehmen, dass der Focus auf die „Oligarchennichte“, nach der weltweit gefahndet wird, und auf den „Ibiza-Detektiv“ Julian H. gerichtet wird. Der Clip unten kombiniert eine Stellungnahme von Soko-Leiter Andreas Holzer mit einem Interview bei oe24 mit „Aufdecker“ Gert Schmidt, über den diese Recherchen recht gut informieren. o2é24 bewirbt sich als „verantwortungsbewusst“ und bietet Richard Schmitt (zuvor „Kronen Zeitung“) auf, der unsere Gedanken in die gleiche Richtung lenken soll wie Schmidt. Es ist fast schon rührend, wie sehr Schmidt/Schmitt sich darum bemühen, „die Kriminellen – das sind die anderen!“ zu sagen, um vom Cui Bono abzulenken.

oe24: zuerst Bundeskriminalamt, dann Gert Schmidt

Es gibt eine Unzahl an Details, die sich zu einem Puzzle zusammenfügen, bei dem man immer noch das eine oder andere Teilchen neu bewerten muss und so auch weitere Teile finden kann. Ich habe recht viel gesammelt und kommentiert, das man nochmal durchchecken sollte im Lichte neuer Erkenntnisse. Was den Hintergrund betrifft, verwende ich nach gründlichem Überlegen bewusst den russischen Begriff kompromat, nicht nur, weil „Aljona Makarowa“ als Russin verkauft wurde. Es spricht viel dafür, dass der Aufstieg Heinz Christian Straches zur „Regierungsfähigkeit“ mit einer Lebensversicherung gewisser Kreise verbunden war, die man auch als tickende Zeitbombe bezeichnen kann. Oft ist auch entlarvend, was nicht recherchiert wurde – beispielsweise, wer Igor Makarow, der Oligarch ohne Nichte eigentlich ist, welche Connections er hat usw.

Richard Schmitt kommentiert

Der Einsatz des gut gebrieften Lockvogels setze bei Straches offenkundiger Schwäche für junge blonde Frauen an, was die Frage aufwirft, ob das zum ersten Mal erfolgte. Klischeehaft wirken auch Handlanger und scheinbare Hintermänner, denn auch da geht es um junge Frauen, außerdem um schnelle Autos und um Drogen. Wer in der Nahrungskette russischer Netzwerke höher angesiedelt ist, gerät nicht erst ins Visier von Ermittlern und mag vielleicht als Emporkömmling ähnliche Vorlieben haben. Man merkt beim Novomatic-Mann Gert Schmidt, der auch mit dem nun (pro forma) abgesetzten Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium Christian Pilnacek befreundet ist, wie die Öffentlichkeit und damit auch der U-Ausschuss gelenkt werden soll. Es wird zu sehr betont, dass die Handlanger eh kriminell seien, ergo auch von sich aus auf die Idee kamen, ein kompromat zu basteln, das man dann verkaufen wollte.

„Aljona Makarowa“ (Bundeskriminalamt)

Bezeichnend ist, dass Schmidt von einem „wirtschaftspolitischen Motiv“ spricht, denn es meint die Sazka Group, die am Sprengen der Regierung interessiert war, um weiter nach der Mehrheit bei den Casinos Austria zu greifen. Warum dfann aber ausgerechnet die Novomatic Sazka den Gefallen tut, ihre Anteile dem Oligarchen-Konzern anzubieten, verrät uns Schmidt nicht. Sieht man sich an, wie das Ibiza-Material an die „Süddeutsche Zeitung“ gelangte, die sich bei der Veröffentlichung brav an alle Vorgaben der Handlanger der Hintermänner hielt, fallen Parallelen zu den Panama Papers auf (und zuvor zu den Offshore Leaks). Es waren ebenfalls Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, die mit Datenvolumen der Kanzlei Mossack Fonseca einen Coup landeten, an dem wie drei Jahre später bei Ibizagate auch Florian Klenk vom „Falter“ partizipierte. Hier wurde der Kontakt via Mail als „John Doe“ zu einem der Redakteure allmählich hergestellt; bei Ibizagate fand auch ein vorsichtiges Heranpirschen statt. Die Panama Papers sollten Wladimir Putin und diverse Oligarchen bloßstellen, auch wenn es ebenso andere traf. Unter anderem übrigens Beny Steinmetz, Geschäftspartner von Gusenbauer und Benko, der vor Jahren bei Beutezügen in Russland mitmischte, Stichwort Hermitage Capital. Was liegt also näher, als die „transatlantischen Bots“ der Panama Papers bei Ibiza zu russischen zu machen, auch als Retourkutsche?

„Aljona Makarowa“ (Bundeskriminalamt)

Man brauchte nach dem Zünden der Ibiza-Bombe in Gestalt weniger Ausschnitte aus den heimlichen Aufnahmen nur mehr einen Bundeskanzler Sebastian Kurz, welcher der FPÖ unannehmbare Bedingungen stellt („Kickl muss weg!“) und einen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, der alles brav hinnimmt und eine „Übergangsregierung“ bastelt. Wie sehr alles miteinander verflochten ist, sieht man zum Beispiel anhand des Strache-Ausspruches „Novomatic zahlt alle!“. Denn es kommt einem irgendwie bekannt vor, wenn man an die Praxis des Lobbyisten Peter Hochegger denkt, der ebenfalls mit Novomatic verbandelt war. Dazu geben die Protokolle bisheriger U-Ausschüsse auch einiges her, wenn Abgeordnete und Ermittler diese nur unbefangen studieren dürfen. Mit der Ibiza-Prahlerei verbunden soll gewesen sein, dass der Ex-FPÖ-Abgeordnete Markus Tschank ein dann von Novomatic gesponsertes Institut für Sicherheitspolitik gegründete. Allerdings soll die Anregung von Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil gekommen sein, der das Institut via Ministerium unterstützte; außerdem saß Tschank dann mit ihm im Aufsichtsrat der burgenländischen Landesimmobiliengesellschaft BELIG.

Decken Haselsteiners NEOS wirklich auf?

Es wird nur mehr absurd, wenn sich Richard Schmitt bei Fellner dessen rühmt, gerade mit jemandem vom Bundesnachrichtendienst gesprochen zu haben. Denn dieser wolle nicht, dass so etwas wie Ibiza auch bei ihnen passiert, also dass ein kompromat hergestellt und eingesetzt wird bzw. jemand ähnliche Pläne wie Strache hat. Abgesehen von anderen Kritikpunkten neigen Schmitt & Schmidt dazu, beim Stichwort „schöne Frauen“ leuchtende Augen zu bekommen, also in Strache-Manier den Verstand auszuschalten.- Das ist auch notwendig, um die Rolle des Lockvogels überzubewerten, statt darauf hinzuweisen, dass er nur nach einem Skript agierte, das von anderen stammte. Nun wird man beim BND in der Lage sein, alles von der nüchternen nachrichtendienstlichen Warte zu analysieren und Muster erkennen, wenn es um Straches Name-Dropping auf Ibiza geht. Wenn man Punkte verbindet, kommt man zu russischen Oligarchen, aber auch zur Frage, ob nicht manch ein österreichisches – weit über die Landesgrenzen hinausreichendes – Unternehmen nur das darstellt, was Geheimdienste als „Front“ bezeichnen.

oe24 bejubelt das BK und den riesigen Fahndungserfolg

In wenigen Tagen sollen die ersten Zeugen im U-Ausschuss befragt werden; es hagelt schon Absagen, und zwar von Gaston Glock, Heidi Horten und Johann Graf, mit deren angeblicher Unterstützung Strache gegenüber „Makarowa“ angegeben hatte. Dass die Fraktionsführer Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) auch bei oe24 sofort zu Wort kamen, macht die Steuerung der parlamentarischen Arbeit umso deutlicher. Man kann aber auch von einer Gusenbauer-SPÖ und von Haselsteiner-NEOS sprechen und ist wieder mittendrin in Ibizagate. Richard Schmitt frohlockte übrigens auch, dass es nun für den „Ibiza-Anwalt“ Ramin M. eng werde. Freilich ist sein Vertreter Richard Soyer bestens vernetzt: wie M. selbst war er einmal Konzipient bei Gabriel Lansky, dem Vertrauensanwalt der russischen Botschaft. Soyer vertrat wie Lansky selbst auch schon Kasachstan in der Alijew-Aff#re und lehrt an der Johannes Kepler Universität, deren Rektor Meinhard Lukas bei Gusenbauers Eurofighter-Betrugsmanöver mitwirkte (man schob es dann Ex-Minister Norbert Darabos gemeinsam in die Schuhe).

Florian Klenk auf Twitter

Julian H. wiederum, der „Ibiza-Detektiv“, wurde sofort vom deutschen Anwalt Johannes Eisenberg vertreten, der schon mal russische Juden gegen Mafiavorwürfe verteidigte. Während einige Polizisten nun damit beschäftigt sind, das gesamte sichergestellte Videomaterial für die Staatsanwaltschaften zu transkribieren, außerdem in mehreren Gerichtsverfahren ermitteln, braucht man nur wenige Stunden, um meine Recherchen über die beteiligten Netzwerke zu lesen. Am nunmehr russischen „Bot“ Florian Klenk vom „Falter“ kann man gut erkennen, wie sehr sich Medien mit den Herstellern eines kompromats identifizieren, also jedweden moralischen Kompass verloren haben. Zwar macht der aktuelle „Falter“ mit einer Geschichte über Johann Graf auf, doch diese bleibt im Rahmen dessen. über die Einschüchterung von Journalisten zu klagen, mit der Novomatic dann nichts zu tun haben will. Interessant ist aber die Erinnerung daran, dass Graf nur ein einziges Interview (2007) gab, sich also noch rarer machte als Rene Benko, der wie er mit Gusenbauer verbunden ist.

Die Justiz deckt „russische Bots“

Auch der Gusenbauer-hörige SPÖ-Parlamentsklub stößt mit seinem Magazin kontrast.at ins gleiche Horn wie Klenk: „Die Fotos der berühmtesten, aber falschen, Oligarchennichte machen in den österreichischen Medien die Runde. Während nach der ‚Oligarchennichte‘ jetzt gefahndet wird, betreiben Kurz und Strache weiter Politik. Es ist ein Jahr seit der Veröffentlichung der Ibiza-Videos und damit höchste Zeit, den größten Skandal der zweiten Republik nochmal Revue passieren zu lassen. Was ist passiert? Was waren die Konsequenzen für Strache und Gudenus? Und wie konnte Sebastian Kurz sich so schnell aus der Affäre ziehen.“ Der größte Skandal sind jene Netzwerke, zu denen auch Gusenbauer gehört, welche die Republik mit weit über Österreich hinausreichenden Konsequenzen unterminiert haben. Man hat bei kontrast.at auch noch nicht begriffen, dass Rene Benko zwar mit Bundeskanzler Sebastian Kurz befreundet ist, seine rechte Hand aber der Signa-Aufsichtsrat und -Teilhaber Alfred Gusenbauer ist.

Von kontrast.at verwendeter oe234-Screenshot

Der U-Ausschuss wurde zur Posse, noch ehe er begann, denn man plante, Klenk zu befragen, weil er das ganze Video kennt (rund sieben Stunden, die Polizei stellte mehr als dieses sicher). Nun aber wird ihm das gesamte Material verweigert, obwohl es der zuständigen SoKo bereits seit Ende April bekannt ist. Absurd ist auch der Ausschussvorsitz von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der schon allein wegen der Novomatic befangen ist; umso mehr aber auch wegen Raiffeisen und der ÖVP Niederösterreich. Allerdings wäre seine Stellvertreterin Doris Bures aus dem Gusenbauer-Lager auch keine Alternative; Sobotka versemmelte auch schon den 3. Eurofighter-U-Ausschuss 2018/19. Von der Justiz ist auch nichts Gutes zu erwarten, denn wenn Ermittlungen eingestellt werden, weil es ja okay ist, die Integrität von Politikern auf die Probe zu stellen, dann klingt das wie eine Begründung der Auftraggeber. Die SPÖ kritisiert inzwischen das „schwarze Netzwerk“ im Innenministerium und darf nicht begreifen, dass dieses auch mit ihr selbst zu tun hat. Dass alles eins scheint, wird auch deutlich, wenn sich die FPÖ empört über Umfärbungen durch die Grünen, die den Schlaff-Mann Hubert Gorbach betreffen und die rote Brigitte Ederer für die ÖBB reaktivieren. Wie bitte, möchte man da fragen. Die Grünen geben ein Versprechen ab für den U-Ausschuss: „Im Ausschuss werden wir in Österreichs finstere Ecken schauen. Dort finden wir Postenschacher und Selbstbereicherung. Und die alles beherrschende Frage, ob sich Reiche in Österreich Gesetze kaufen können.“

2 Kommentare zu „Ibizagate: Der U-Ausschuss und die Jagd nach dem Lockvogel

  1. „Man merkt beim Novomatic-Mann Gert Schmidt, der auch mit dem nun (pro forma) abgesetzten Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium Christian Pilnacek befreundet ist, wie die Öffentlichkeit und damit auch der U-Ausschuss gelenkt werden soll.“

    Und was würden Sie zu der folgenden Wortwahl sagen, Frau Bader ?
    „Man merkt beim >>Novopaten<< Gert Schmidt, der auch mit dem nun (pro forma) abgesetzten Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium Christian Pilnacek befreundet ist, wie die Öffentlichkeit und damit auch der U-Ausschuss gelenkt werden soll." Klingt doch überzeugend, oder ? 😉

    Vielleicht hat ja die urplötzliche, kaum nachvollziehbare Verfahrenseinstellung #IbizaTape gegen die 2 erwiesenermaßen Beteiligten einer Straftat, namentlich O. & O., eh auch was zu tun gehabt mit dem Einfluss des justiziellen Alleinbeherrschers Pilnacek ? Denkbar ist es, ehrlich gestanden, allemal !!!

    „Es wird zu sehr betont, dass die Handlanger eh kriminell seien, ergo auch von sich aus auf die Idee kamen, ein kompromat zu basteln, das man dann verkaufen wollte“.

    Stimmt, genau das sollte stutzig machen und alleine deshalb liegt es mMn an uns, das uns suggerierte Narrativ, mittels unermüdlicher Hinterfragerei immer wieder zum Zerbröseln zu bringen.

    Wie auch immer

    MfG

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    1. Es wird wieder einmal bestätigt, was ich geschrieben habe, denn alles Weitere wird auch gelenkt:

      https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200529_OTS0136/hc-strache-zu-ibiza-material-medien-verdrehen-erneut-tatsachen

      – auch Strache agiert ja nicht frei, und sei es nur, weil er sich schämt…

      „Geheimdienste scheiden aus“, Krone sinngemäss:

      https://www.krone.at/2162943

      Pilz bleibt uns auch nicht erspart, er spielt jetzt einen Journalisten;

      https://www.oe24.at/oesterreich/politik/Pilz-feiert-Comeback-im-Ibiza-Ausschuss/431627877

      Die Ermittler sollen sich wohl endlos mit Videos beschäftigen:

      https://www.oe24.at/oesterreich/politik/Krimi-um-Ibiza-Tape-Ermittler-haben-noch-12-weitere-brisante-Videos/431677525

      um all dem nicht nachzugehen, auf das ich hinweise, und das ja zum größten Teil aus verfügbaren Quellen stammt.

      Und Schmidt ist Dauergast bei Fellner:

      http://www.eu-infothek.com/oe24-tv-fellner-live-professor-gert-schmidt-im-interview-2/

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