Es ist vielleicht ein wenig unfair, „profil“-Chefredakteurin Anna Thalhammer für ihre Berichterstattung zum Fall Egisto Ott zu kritisieren. Denn es kommt auch darauf an, welchen Spielraum sie überhaupt hat. Zugleich tut sie aber ständig so, als ginge es um die grösste Spionageaffäre ever (zuerst bei Jan Marsalek, jetzt bei Ott), wobei sie ohnehin ihren Schwerpunkt nicht erst jetzt auf Geheimdienste lege. Sicher müssen Frauen auch im Journalismus selbstbewusst auftreten, doch das ist schon recht dick aufgetragen. Wie ihr begegnet wird, zeigen Chats von Christian Pilnacek, der aber nicht mehr erklären kann, ob er es wirklich so meinte, wie es z.B. ich verstehe. Dass Chats Pilnaceks gesichert wurden, hat natürlich eine Vorgeschichte; jedenfalls schrieb er 2019 an Oberstaatsanwalt Johann Fuchs, Thalhammer habe „einen – von ihm geförderten – Durchblick“. Sie „sieht Zusammenhänge, die man konstruieren kann…den größeren sieht sie nicht“, was auch nicht sehr schmeichelhaft klingt. Immerhin versuchte sie, die quasi automatische Weitergabe von Chats an U-Ausschüsse durch die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Frage zu stellen.
Als gegen sie von der WKStA ermittelt wurde, nahm Pilnacek sie aber in Schutz; darauf weist Thomas Walach bei „Zackzack“ hin unter dem Titel „Wie Pilnacek Journalisten beeinflusste“. Pilz stellt sich selbst als integer dar, was Thalhammer nicht zu überprüfen wagte, und sie als Empfängerin eines stetigen Stromes an Infos unter der Hand von Pilnacek. Auch Postings von Thalhammer nach Pilnaceks Tod legen nahe, dass es kein Kontakt auf Augenhöhe war, wie man es sich angesichts der Richtschnur wünscht, dass sich Journalismus nicht mit einer Sache gemein machen soll. Dies impliziert auch grösstmögliche Objektivität gegenüber Personen und Selbstkritik, um Einschätzungen korrigieren zu können. Dabei ist ungeheuer hilfreich, so viele Fakten wie es geht zusammenzutragen. Denn allein dieser Prozess schafft schon Distanz zum Geschehen und wenn man das Gesamtbild betrachtet, tut man es tatsächlich einigermaßen objektiv.
Aus einer Analyse von „Kobuk“
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