Am 26. und 27. Juli 2023 treten Rammstein in Wien auf. Der Andrang zum Ernst Happel-Stadion im Prater sprach eine deutliche Sprache, denn Öffis waren überfüllt. Zugleich wirkten Fans irgendwie typisch, meist älter, meist entweder zwei Männer oder Mann und Frau, die auf dem Platz um das Stadion voll mit Buden herumgingen. Die Polizei war auch dazu da, um Fans und eine Protestkundgebung voreinander zu trennen. Es passierte aber zunächst nichts; nach dem Konzert prügelten sich Fans untereinander und die Polizei musste auch Reporter schützen. Es lag vorher etwas in der Luft, als ich mir Kundgebung und Fans ansah. Vielleicht ist auch passend, dass Sinead O’Connor starb, die sexuellen Missbrauch in kirchlicher Obhut erlebte und von Musikerkollegen im Stich gelassen wurde, als sie dies ansprach.
Der beste Text zu Rammstein und weit darüber hinausgehend stammt von Samira El Ouassil und stellt Mechanismen sexualisierter Gewalt gegen Frauen und die Akzeptanz dieser Gewalt dar. Sofort ist „man“ dabei, das Verhalten von Opfern zu sezieren und diesen Mitschuld zu geben, sodass Täter in den Hintergrund treten. In einer Situation, in der es für Opfer unbekannte, nicht ihren Erwartungen, nicht dem Normalen entsprechende Komponenten gibt, welche vom Täter abhängen, muss es ungeheuer gewitzt, mutig und schnell reagieren; auch in Wien sagen Konzertbesucherinnen, Frauen müssten ja wissen, dass „etwas passiert“, wenn sie sich einladen lassen. Es ist viel von im „Spiegel“ erhobenen Vorwürfen die Rede, auf die Till Lindemanns Anwälte reagierten. Man sollte sich schon ein wenig damit befassen, denn es wurde nur zurückgewiesen, dass Frauen unter Substanzen gesetzt wurden, um ihre Fähigkeit zu reagieren zu mindern. El Ouassil zerstört auch die Legende von publicitygeilen Frauen, die selbst nichts auf die Reihe kriegen, aber so ihre fünf Minuten Ruhm hätten. Alle Frauen haben Angst vor Öffentlichkeit, weil sie den Shitstorm ahnen, weil sie das Machtgefälle zwischen den Tätern, ihren Anwälten und sich selbst kennen.
Protest gegen Rammstein