Ex-Bundeskanzler Christian Kern bewegt sich auf dünnem Eis, wenn er Innenminister Herbert Kickl zum Rüktritt auffordert. Denn dieser hat verkündet, dass sich der Verfassungsschutz künftig an seinem deutschen Pendant orientiert, was bedeutet, dass ein Teil der bisherigen Kompetenzen zum Bundeskriminalamt wandert. Außerdem triumphiert der „Falter“ damit auf, dass er – wie üblich, kann man sagen – die gesamte Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft in der BVT-Affäre hat. So lässt sich ein trefflicher Narrativ von einer nicht überforderten, sondern gemobbten Leiterin des Extremismusreferats stricken. Es geht auch um Listen u.a. verdeckter Ermittler, die so durchsickern könnten (z.B, zum „Falter“?): „Über diese Liste könne man herausfinden, woher der Nachrichtendienst seine Informationen bezieht: ‚Eine höchst lebensgefährliche Sache für die Zuträger des BVT‘, sagte ein Insider dem ‚Falter‘.“ Beim Stichwort Zuträger denken manche gerne an Rechtsextremismus, während aber auch Personen aus anderen politischen Lagern, die schlicht integer und gegen Spionage und Korruption sind, auf diese Weise ins Visier geraten. Eine Gefahrenlegende lässt sich gut stricken, wenn zugleich gerne von einem geschaßten „Top-Spion“ und einer „Geheimagentin“ die Rede ist, die im Akt eine Rolle spielt.
Der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer postete auf Twitter: „Verzögern, vertuschen, verhindern: das Motto von schwarz/blau zum #BVT Untersuchungsausschuss. Akten werden nur zum Teil, verspätet und dann noch geschwärzt geliefert. Wir werden uns das nicht gefallen lassen!“ Da scheint er wie auch Kern den Eurofighter-Ausschuss 2017 zu vergessen, dem angeblich alles aus Justiz- und Verteidigungsministerium geliefert wurde, wo aber sowohl Wolfgang Brandstetter als auch Hans Peter Doskozil die Machenschaften von Ex-BMLV-Kabinettschef Stefan Kammerhofer deckten. Und man via Verteidigungsressort auch genau getimt dem Ausschuss den Vergleichsentwurf zuspielte, sodass der richtige Zeuge dazu befragt werden konnte, um Ex-Minister Norbert Darabos unter Schonung von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer und anderen einen Strick zu drehen. Leicht schräg wirkt das Posting eines Journalisten: „Die Falter-Mails belegen, dass Infos von ausländischen Geheimdiensten das BVT verlassen haben. Damit ist die Behörde offiziell am Sand.“ „Verlassen“ heißt offenbar auch in Richtung der Medien, was in anderen Ländern ja wohl schon mal vorkommen wird. Natürlich ist Kern begeistert von allen Enthüllungen, die ihn gegen Kickl zu unterstützen scheinen, doch dabei blendet er aus, dass solche Veröffentlichungen immer auch einiges ausblenden.
Pressekonferenz am 29. Mai 2018
So deckte der Mainstream inklusive „Falter“ immer Mißstände im BMLV und recherchierte nicht; da Anzeigen nicht behandelt wurden, gab es auch nichts, was man über Quellen bei der Staatsanwaltschaft in Erfahrung bringen konnte. Hingegen bewähren sich etablierte Beziehungen zur Justiz, die mit jenen korrespondieren, die man zum Verfassungsschutz hat und denen nun durch den bösen Innenminister der Garaus gemacht wird. Meldungen wie „Innenminister Kickl lässt BVT-Chef Gridling einen Geheimdienst bauen“ sollten doch niemanden beunruhigen, der/die schon die ganze Zeit kritisierte, dass Kickl „unseren Geheimdienst zerstört“, denn man sieht nun, dass es noch gar keinen gab. „Kurier“-Herausgeber Helmut Brandstätter, der gerade ein Buch mit seinem Freund Wolfgang Brandstetter herausgegeben hat, sieht gleich Gefahren am Horizont aufdämmern, da Kickl „umfärben“ wolle. Sehr gerne zitiert der „Kurier“ Kern mit Sätzen wie „Kickl ist Sicherheitsrisiko für die Republik“, was auch zu Kerns Warnungen vor einer „Unterwanderung durch Burschenschafter“ passt. Weil Zeugen in der BVT-Affäre nach mehreren Hausdurchsuchungen Ende Februar 2018 auch via BMI-Kabinett vermittelt wurden, gibt es nun auch diese Schlagzeile: „Der Fall BVT: Nun wurden auch zwei ranghohe BMI-Vertreter (anonym) angezeigt“.
Anonyme Anzeigen zum passenden Zeitpunkt verwundern nicht, wenn man sich z.B. den ersten Eurofighter-Ausschuss 2006/7 unter dem Vorsitz von Peter Pilz angesehen hat, denn dies passierte denen, die nicht in sein Muster passten. Nicht von ungefähr versprach Kickl bei seiner Pressekonferenz am 29.Mai 2018, dass der neue Verfassungsschutz einen 360 Grad-Rundumblick haben wird und nicht mehr die meisten Ressourcen durch strafrechtliche Ermittlungen gebunden sind. Medial konzentrierte sich auch einiges auf den wiedereingesetzten BVT-Chef Peter Gridling, der nicht begeistert gewirkt haben mag, sich aber von Kickl damit beauftragen ließ, die Reform zu leiten. Wenn Rufe nach Kickls Rücktitt wegen Gridlings Rückkehr laut werden, bewegt sich die SPÖ wiederum auf dünnem Eis. Denn es wird einige an die Abberufung von Generalstabschef Edmund Entacher 2011 erinnern, der seine Rückkehr via Berufungskommission im Bundeskanzleramt erstritt, während Gridling zum Bundesverwaltungsgericht ging. Doch viel interessanter ist der Unterschied, dass bei Gridling eine Disziplinarkommission die Suspendierung wegen Ermittlungen der Justiz empfahl, während Entacher von SPÖ-Kabinettschef Stefan Kammerhofer gegen den Willen des unter Druck gesetzten Ministers Norbert Darabos abberufen wurde. Das gehört zu den vielen Leichen im Keller der Löwelstraße, die sich Kern bis dato nicht ansehen wollte.
„Falter“ vom 30.5.2018
Da auch der Verfassungsschutz in der Causa Mißstände im BMLV versagt hat, ist Kickls Ansagen vom „Tag eins des neuen Verfassungsschutzes“ bei seiner PK für Kern und Co. eine indirekte Drohung. Denn das BVT deckte nicht nur Druck auf Darabos, es gab auch Schikanen gegen mich von BVT-Zuträgern, weil ich dies thematisierte. Mit diesem Hintergrund kann man die „Falter“-Geschichte zur Verteidigung der Leiterin des Extremismusreferats Sibylle Geißler auch anders sehen; als wieder einmal Hilfsdienst für die bedrängte SPÖ und zur Wahrung des bisherigen Zuganges. Bereits jetzt soll sich das BVT, wie Kickl zitiert, um die Prävention verfassungsgefährdender Angriffe kümmern, was erfordert, auch tatsächlich alle Angriffe sehen zu wollen. Dazu gehört unweigerlich der Schutz verfassungsmäßiger Einrichtungen wie Regierung oder Parlament, und da gibt es bislang erschreckende Lücken. Während SPÖ und Medien so tun, als seien Ermittlungen der Justiz ohnehin Rohrkrepierer, betont das Innenministerium, dass Erkenntnisse aus dem Verfahren auch in den Reformprozess einfließen werden.
Man kann derzeit auch dank der Anklage der Staatsanwaltschaft Graz gegen die Identitären nachvollziehen, wie das Extremismusreferat arbeitet und wie generell Strafrechtsbehörden unterstützt werden. Hier scheint vielfach weniger ermittelt als bei anderen abgeschrieben zu werden; es geht weniger um gesetzte konkrete Handlungen, sondern um das Unterstellen einer Gesinnung basierend auf in der Antifa-Szene voneinander kopierten Texten. Zuarbeiter des BVT und seines Referats scheinen auch eine Art Allmachtsgefühl zu genießen, weil ihnen bisher niemand konnte und gedeckt wurde, was sie taten; dabei wurden sie auch gegen kritische Menschen eingesetzt, die mit rechts nichts am Hut haben. Peinlicherweise sprach Kern einmal von einem nicht existenten „Rechtsextremismusreferat„, was zeigt, dass einfach alles unter „rechtsextrem“ abgelegt wird und man so selbst bequem aus dem Schneider ist. Freilich macht, siehe Video von der PK bei Minute 11, auch Florian Klenk vom „Falter“ den Fehler, von der „Leiterin des Referats für Rechtsextremismus“ zu sprechen. Wenn es aber um Extremismus allgemein geht, muss man ebenso nach weit links und in den islamistischen Bereich schauen bzw. Verfassungsgefährdungen auch breiter erkennen, wenn z.B. das Recht eines Staates auf Kontrolle über das eigene Staatsgebiet und wer sich dort aufhält abgesprochen wird.
Aus dem „Falter“
Derzeit sieht man in Polen, was eine wirkliche Spionageaffäre ist – oder doch nicht, denn der „AfD-Vertraute“ Mateusz Piskorski war zuvor bei der Partei Samoobrona (Selbstverteidigung), die gegen US-Militäroperationen und die Raketenabwehr war, was ihr zum Verhängnis wurde. Da immer gerne ein Rechtsextrem-Narrativ geschaffen wird, ohne hinzusehen, ob jemand vielleicht nur dem Imperium nicht passt, machte dies auch das „profil“, als Piskorski 2012 auf Einladung des damals noch existenten BZÖ in Wien war. Extremismusbekämpfung liest sich auf der BVT-Webseite übrigens so: „Eine zentrale Aufgabe der Abteilung 2 ist die die Bekämpfung von rechts- und linksextremistischen Straftaten sowie sonstiger extremistischer Strömungen, wie beispielsweise Staatsfeindliche Verbindungen, Drohungen gegen heimische Politiker oder politische Einrichtungen, internationale und NS-Kriegsverbrechen sowie damit zusammenhängenden Cybercrime-Delikte und die Betreuung der der NS-Meldestelle. Zur Bekämpfung des Extremismus werden Präventionsmaßnahmen initiiert und umgesetzt sowie bundesländerübergreifende strafprozessuale Ermittlungen und der internationale Informationsaustausch im Fachbereich wahrgenommen.“
Offenbar verstand man es bisher im BVT als „Extremismus“, auf mögliche „Drohungen gegen heimische Politiker“ hinzuweisen, sodass Provokateure, die z.B. helfen, sog. Staatsverweigerer dingfest zu machen, auch gegen eine integre Journalistin auftreten. Zu meinen bitteren Erfahrungen passt auch, dass der wieder eingesetzte Gridling bei einer Geheimdienst-Diskussion netterweise mit Agent Pilz im November 2015 in Wien so tat, als sei das BVT gar nicht zuständig für Spionageabwehr und den Schutz von Politikern. Pilz wiederum wusste im Juni 2015 in der Diplomatischen Akademie nicht, was er sagen sollte, als ich ihn auf Spionage als logische Erklärung für Mißstände im Kabinett im Verteidigungsministerium ansprach. Dabei brüstete er sich bei Pressekonferenzen damit, dass er selbst und Erich Möchel von FM4, dessen Bruder Kid beim „Kurier“ berichtet, die einzige Spionageabwehr Österreichs seien. Dies gehörte zu einer Abrechnung mit dem Verfassungsschutz und Leiter Gridling, den er selbst mit herbeigeführt hatte, weil er gegen Vorgänger Gert Polli agitierte, der keine Nebentätigkeiten für die Amerikaner dulden wollte. Pilz wird übrigens nun doch zur Rede gestellt, statt wie jahrelang eine Agenda vorzugehen: „Dem Vernehmen nach ebenfalls Überlegungen in den nicht gerade wohlgesonnen Reihen: Dass man Aufdecker Pilz etwa in den Eurofighter-U-Ausschuss als Auskunftsperson laden könnte – was ihm dann wegen schiefer Optik die Mitgliedschaft in dem Untersuchungsgremium zumindest bei einzelnen Kapiteln erschweren könnte.“
„Österreich“ über Kern gegen Kickl
„Aufdecker“ ist ebenso eine Seifenblase wie „Antifaschist“ in Verbindung mit charakterlosen Personen, die einfach ein Alibi dafür brauchen, dass sie sich austoben können. Wenn Teile des BVT parteiisch und fehlgeleitet sind, kann logischerweise nur ein Minister etwas daran ändern, dessen Partei nicht Teil dieser Geschichte ist. Das wird sofort als „Umfärben“ ausgelegt, obwohl keineswegs reihenweise Leute von Funktionen entfernt werden, wenngleich der Chef der (fehlenden) Spionageabwehr entlassen wurde. Wenn diese aber nicht erkennen will, wo Spionage stattfindet, kann man sie nur neu aufstellen. Es wird vollkommen absurd, wenn gerade Kern Kickl gemäß dem Mainstream-Narrativ vorwirft, er zerstöre „unseren Geheimdienst“. Denn zum einen gibt es zwei Dienste, Heeresabwehramt und Heeresnachrichtenamt (Ersteres versagte beim Schutz von Ex-Minister Darabos) und eine Sicherheitsbehörde, das alte BVT, zum anderen ließ sich Kern von einem Agentenführer des Mossad ebenso wie vom Agenten Pilz beraten und verschloß immer die Augen vor der Situation seines Parteigenossen Darabos. Hinzusehen hätte bedeutet zu erkennen, dass eigene Genossen offenbar für einen fremden Dienst tätig sind, um dessen Agenda sowohl im BMLV als auch in der SPÖ durchzuziehen.
Aktuell zeigen auch Pilz-Meldungen, wie Kerns Felle davonschwimmen, denn die SPÖ sollte darauf aufbauen, dass Pilz die beiden U-Auschüsse zur BVT-Affäre und wieder einmal zu den Eurofightern schon in die richtigen Bahnen lenken wird. Denn was ihm bevorstehen wird, sind Untersuchungen, die auch die Rolle von Pilz und Co. als Tageslicht befördern und einige bisherige Annahmen über den Haufen werfen. Daneben sollte man, wenn man einen Rücktritt nicht durchsetzen kann, maßvoll in der Wahl der Mittel sein; sich also besser auf sachlich begründete Mißtrauensanträge stützen. Diese werden zwar auch abgeschmettert, werden aber im Gedächtnis bleiben, wenn sie Substanz haben. Kern und die SPÖ vergessen jedoch, dass sie sich vollkommen am Mainstream orientieren, nichts Eigenes mehr herausarbeiten und daher nur Ausschnitte sehen. Zugleich ist man unter anderem in der FPÖ aufgrund von Erfahrungen bei Medienmeldungen immer recht verhalten und erkennt selbstverständlich, dass hier die SPÖ unterstützt wird. Jedes Detail, das Kern öffentlich frohlocken lässt, hat also ganz anderes Gewicht, wenn man jemanden von der Regierung fragt, die nun einmal derzeit die Mehrheit hat. Und die man unaufgeregt dort kritisieren sollte, wo es wirklich angebracht ist.
Was für ein wichtiger Satz(aus dem Artikel):
„Kern und die SPÖ vergessen jedoch, dass sie sich vollkommen am Mainstream orientieren, nichts Eigenes mehr herausarbeiten und daher nur Ausschnitte sehen.“
Das sehe ich bei der SPÖ seitdem sie in die Opposition gehen musste, seit nunmehr gut 5 Monaten. Es gibt keine kreativen Köpfe, kein Herausarbeiten von Themen, im Gegensatz zur in der Opposition sehr erfolgreichen FPÖ.
Die SPÖ verlässt sich zu sehr auf ihre Stammwähler und ihr Image, das zwar von den Medien aufpoliert, aber dann von der Realität immer wieder eingeholt wird.
Für mich stellt sich da ein wenig die Frage, wer sollte Kern ersetzen? Würde sich das überhaupt jemand antun wollen? Es gibt sicher bessere als ihn, nur wer wäre da geeignet?
Von Kickl bin ich überzeugt, dass er der womöglich beste Regierungspolitiker im derzeitigen Kabinett ist. Ein Sachpolitiker, der permanent nach Lösungen sucht, nicht emotionalisiert, sondern konstruktiv arbeitet. Bei den vielen Emos und Schnellschreiern heutzutage ist das überaus wertvoll.
Gerade in Zeiten der Wirtschaftsmigrantenschwemme ist es wichtig, im Innenministerium gut gewappnet zu sein. Da gibt es keinen besseren als Kickl, würde ich sagen.
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Mainstream meine ich mehr auf die Medien bezogen, aber es gilt auch allgemein…
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