Welche Bedeutung hat Thomas Schmid für die Koalition?

Es sieht so aus, als ob die türkisgrüne Koalition ein Ablaufdatum hätte, denn Bundeskanzler Sebastian Kurz attackiert Gesundheitsminister Rudi Anschober. Dazu wurde zunächst Kritik an der EU artikuliert, um dann dem Ministerium Pannen bei der Bestellung von Corona-impfstoff vorzuwerfen. Zu Recht fällt manchen auf, dass anscheinend eine Schwäche – eine Erkrankung – Anschobers ausgenutzt wird, was an den Umgang mit Ex-Parteichef  Reinhold Mitterlehner erinnert. Aber wer lenkt die Geschicke der ÖVP, die wieder einmal einen Koalitionspartner loswerden will? Dieser Frage kann man nachgehen, indem man sich die Laufbahn von ÖBAG-Chef Thomas Schmid genauer ansieht und mit Regierungsdaten abgleicht. Schmid arbeitete zuerst für Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, als dieser 2007 und 2008 Klubobmann der ÖVP war und begleitete dann Michael Spindelegger ins Außenministerium, um mit ihm 2013 ins Finanzministerium zu wechseln.

Dort blieb Spindelegger Ressortchef, bis ihn im Sommer 2014 Reinhold Mitterlehner an der Parteispitze ablöste, was bedeutete, dass Hans Jörg Schelling neuer Finanzminister wurde und bis Dezember 2017 im Amt blieb. Thomas Schmid verweilte im Kabinett, bei Hartwig Löger, der dann auf Schelling folgte, war er bereits ÖBAG-Chef; ehe er bei Spindelegger landete, versuchte er es bei Josef Pröll, mit dem aber die Chemie nicht stimmte. Auch Gernot Blümel war einmal für Spindelegger tätig, als dieser noch Abgeordneter war; Sebastian Kurz hingegen wurde 2011 Staatssekretär bei Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und 2013 Aussenminister anstelle von Spindelegger. Es hat schon seine Berechtigung, dass Thomas Schmid im Ibiza-U-Ausschuss eine zentrale Rolle zuerkannt wird, auch weil die Justiz 300.000 SMS, Bilder und andere Nachrichten forensisch wiederherstellen konnte, die Schmid sicherheitshalber gelöscht hatte.

Über Thomas Schmid im „trend“

Vielleicht fallen Muster eher auf, wenn wir eine kurze Chronologie anfertigen:

2007 und 2008 war Schüssel Klubobmann, ÖVP-Chef Wilhelm Molterer kündigte die Koalition mit der SPÖ im Juli 2008 auf. Sebastian Kurz besuchte Kurse in Cambridge und war Praktikant an der österreichischen Botschaft in Washington. Michael Spindelegger war 2. Nationalratspräsident und wurde nach der Wahl Aussenminister; Molterer folgte Josef Pröll nach. Gernot Blümel war von 2006 bis 2008 zuerst parlamentarischer Mitarbeiter und dann im Büro Spindeleggers tätig. Thomas Schmid arbeitete für Schüssel und ging nach der Regierungsbildung zuerst zu Pröll und dann zu Spindelegger.

2008 bis 2013: Josef Pröll ist bis 2011 Vizekanzler und Finanzminister; es klappte ja wie erwähnt nicht mit Thomas Schmid als Sprecher, doch dies wurde dann Daniel Kapp, der jetzt selbständig ist und u.a. den Oligarchen Dmytro Firtash berät. Pröll folgte Maria Fekter nach, was bedeutete, dass es mit Johanna Mikl-Leitner eine neue Innenministerin gab, die mit Sebastian Kurz einen Staatssekretär bekam. Nach der Wahl 2013 schied Fekter aus, während Spindelegger selbst Finanzminister wurde und Kurz Aussenminister.

2014 trat Spindelegger zurück, dem Reinhold Mitterlehner nachfolgte; Harald Mahrer wurde Staatssekretär und war nach Mitterlehners Rücktritt von Mai bis Dezember 2017 Wirtschaftsminister. Als Finanzminister folgte Spindelegger Hans Jörg Schelling nach, der zuvor Aufsichtsratsvorsitzender der Volksbanken AG war, die ihre Osteuropa-Tochter an die Sberbank verkauften. Schelling beriet später die Sazka Group, die Mehrheitseigentümerin der Casinos Austria wurde und berät die Gazprom bei North Stream 2. Noch ehe Mitterlehner Spindelegger ablöste, gelangte Siegfried Wolf an die Spitze der Staatsholding ÖIAG, der Aufsichtsratsvorsitzender der Sberbank Europe (Ex-Volksbanken) und von Oleg Deripaskas Russian Machines ist.

Christian Pilnacek und Thomas Schmid 

2016 und 2017: In der SPÖ weicht Werner Faymann im Mai 2016 Christian Kern. Nach einem überlangen Wahlkampf wird Alexander van der Bellen Bundespräsident, der auch von Teilen der ÖVP unterstützt wurde. Im Mai 2017 treten Reinhold Mitterlehner und Eva Glawischnig, die 2018 zu Novomatic gehen wird, als Parteichefs zurück. In Niederösterreich ist Mikl-Leitner bereits Erwin Pröll gefolgt, während Wolfgang Sobotka Innenminister wurde, der bei Türkisblau Herbert Kickl weichen musste.

Thomas Schmid wurde übrigens Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium und 2019 dann Chef der ÖBAG, die inzwischen auch mal ÖBIB hiess. Da wiederum wurde erneut der Name Siegfried Wolf als Chef ins Spiel gebracht, was Kurz aber gesicherten SMS zufolge zu heikel war. Wir wissen, dass Schmid zum Freundeskreis der Unternehmensberaterin Gabriela Spiegelfeld gehört und sie anders als Kurz tatsächlich auf Mallorca besucht hatte. Kann es sein, dass Schmid die zentrale Figur ist, deren reale Bedeutung über jener von Kurz und Blümel liegt? 

Alle haben etwas davon…

Interessantes Detail am Rande: nicht nur Spiegelfeld, auch Antonella Mei-Pochtler profitiert von der ÖBAG, denn Gatte Christian wurde in den Vorstand der Luftverkehrs-Privatstiftung berufen. Wenn diskutiert wird, wie eng der Kontakt von Harald Neumann von Novomatic zu Gernot Blümel war, so ist bekannt, dass sich Neumann und Schmid trafen. Als die Novomatic ihre Anteile an den Casinos Austria an die Sazka verkaufte, die dadurch Mehrheitseigentümerin wurde, gab es keinen Einwand von Schmid. Dieser zeichnet auch für einen auf 99 Jahre angelegten Deal der Bundesimmobiliengesellschaft mit Rene Benko (mit)verantwortlich. Was geschieht hier wirklich? Ist Türkisgrün nur die Fortsetzung von Schwarzblau mit den damaligen Privatisierungen? Wird die selbst inszenierte Corona-Krise nicht zuletzt zu einem gigantischen Raubzug, vom radikalen Umgestalten des Staates abgesehen? Lassen wir einmal außer Acht, was in anderen Ländern mit dem Vorwand Corona passiert und sehen uns an, wer bei uns was fordert, umsetzt, wovon profitiert und welche Vorgeschichte dies hat. Dann verstehen wir auch, warum die SPÖ 2007 weder das Finanz- noch das Aussen- oder das Innenministerium wollte und mit dem Verteidigungsressort Eurofighter-Scheinverhandlungen verbunden waren.

Gudenus bei Fellner 

Oder auch, warum es – selbst wenn sich jetzt alles auf Novomatic konzentriert – andere fixe politische Grössen z.B. mit Magna gibt; nicht von ungefähr schwebte Schüssel vor, dass ihm Karl Heinz Grasser an der Spitze der ÖVP nachfolgt. Was bedeutet es, dass 2013 zwei quasi ganz offen mit dem Oligarchen Oleg Deripaska verbundene Parteien kandidierten, nämlich NEOS und Team Stronach? Sicher kann man Johann Gudenus zu Ibiza schon nicht mehr hören, und doch erinnert er an gewisse Aspekte wie die Tätigkeit des „Ibiza-Detektivs“ Julian Hessenthaler für einen österreichischen und einen osteuropäischen Konzern, wo er ja auch auf Tarnen und Täuschen setzte. Interviewer Wolfgang Fellner wirft ein, dass Hessenthaler in Berlin in einer WG mit Carola Rackete gelebt haben soll; da gäbe es dann sogar eine indirekte Haselsteiner-Verbindung (und eine zu Mikl-Leitner). Im Wirecard-U-Ausschuss sagte Hessenthaler aus, er habe mit dem BVT, aber auch dem ukrainischen Geheimdienst kooperiert; wenn man die ÖVP kennt, passt beides durchaus zusammen. Man denke an Spindelegger und die Agentur zur Modernisierung der Ukraine oder an den heutigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, aber auch an Anwälte mit rotem Parteibuch und an Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer. Gibt es überhaupt einen Ausweg aus diesem Korruptionssumpf? Fest steht, dass es mit „Kurz muss weg!“ alleine nicht getan ist, weil alles von langer Hand vorbereitet wurde.

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