Ist die Neutralität ein Grund zum Feiern?

Am Nationalfeiertag gibt es traditionell neben der Leistungsschau des Bundesheers in Wien auch Kundgebungen für Frieden und Neutralität. Eine wird für 13 Uhr vor dem Burgtheater angekündigt und vom Bündnis Abfang veranstaltet, dessen Mitglieder auch Infostände zwischen Theater und Volksgarten machen. Oberflächlich betrachtet ist es heute, nicht zuletzt seit dem Angriff von Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 überhaupt nicht mehr einfach, sich für Neutralität auszusprechen. Doch zugleich sterben jeden Tag immer mehr Menschen deswegen, weil Kombattanten und deren Unterstützer alles in Waffen buttern. An den Fronten der Welt sind es vor allem junge Männer, die sich das nicht selbst aussuchen, die in Russland in der Grundausbildung ins Gefecht müssen; auch wenn es viele naive Fanatiker gibt. Man sagt, dass Hamas-Kämpfer oft keine Welt ausserhalb von Gaza kennen, während die israelische Armee vor allem von ihrem Ruhm aus den Jom Kippur-Krieg zehrt und Reservisten mobilisiert hat. Nach eindreiviertel Jahren Krieg in der Ukraine steht fest, dass sowohl Ukraine als auch Russland die letzten Reserven einberufen. Nun werden Frauen eingezogen, die sich in der Ukraine auch freiwillig meldeten, und Russland sammelt Männer auf, die der Einberufung per Mail nicht Folge leisten und denen die Flucht nicht gelingt.

Bei uns wird bequem auf Social Media kommentiert und diverse Militär-Experten tingeln zuerst beim Thema Ukraine und nun zu Israel durch die Fernsehstudios oder werden zugeschaltet. Sie geraten in schwärmerische Erregung, wenn sie Waffensysteme beschreiben, Panzer und Kriegsschiffe erwähnen dürfen. Ausserdem sehen Gegner der Neutralität gerade jetzt eine gute Chance, endlich erfolgreich für einen Beitritt zur NATO zu lobbyieren. Was sich bereits beim Krieg in der Ukraine abzeichnete, ist jetzt noch deutlicher zu erkennen – dass sich viele leicht triggern lassen und emotional reagieren und Feinde in allernächster virtueller Nähe ausmachen. Immer sind nur die einen in der realen Welt ausgesprochen grausam und virtuell wird über alle möglichen dunklen Kanäle für Waffen spekuliert. Man ist auch schnell bereit, ehrenamtliche Aktivisten, die im Frühjahr intensiv für Andreas Babler warben, aus der SPÖ auszuschliessen, weil sie sich für ein freies Palästina einsetzen. Es ist nach wie vor kein Problem, wenn durch die Partei erlangte Positionen dazu missbraucht werden, sich zu bereichern und Österreich zu schaden. Babler versprach, die Basis einzubeziehen, die es satt hatte, bloss als Zettelverteiler vor Wahlen gefragt zu sein. Sie wollte sich qualifiziert beteiligen und Bescheid wissen, was man gewährleistet, indem ehrliche Informationen kommuniziert werden. Dies trägt dem Rechnung, dass Freiwillige nur begrenzt Zeit haben, selbst zu recherchieren, natürlich da und dort ein Video anklicken werden, aber mit dem nächsten Gespräch z. B. zu Nahost ändert sich die Perspektive.

Mein neues Demoschild

Vor dem Nationalfeiertag gibt es wie üblich halbherzige Bekenntnisse zur Neutralität Österreichs. Diesmal berief die FPÖ eine Sondersitzung des Parlaments zum 25. Oktober ein und betont Neutralität und Souveränität, wo man nur ihr über den Weg trauen könne; sie attackiert auch Alexander van der Bellen. Erwartungsgemäß kontert die ÖVP mit dem Vorwurf, die Blauen stünden Russland nahe, doch diesbezüglich gibt es bei jeder Partei und auch bei van der Bellen einiges zu entdecken. Wer an Friedensdemos in den 1980er Jahren teilnahm, wird enttäuscht sein, dass man heute nicht so viele Leute auf die Strasse bringt. Doch man wird angefeindet, wenn man für Frieden ist und bekommt die Häme weiter ab, mit der Corona-Protesten begegnet wurde. Dabei war allerdings das Verkünden einer Impfpflicht ein Turbo für viele Tausende, um überall im Land zu demonstrieren und immer wieder in der Kälte über die Ringstraße zu ziehen. Zum Teil hegen heutige Kundgebungsteilnehmer etwas simple Vorstellungen von Russland und Wladimir Putin und blenden vieles aus. „From the river to the sea Palestine will be free“ verstehen viele als Auslöschung Israels, dessen im eigenen Land kritisierte Vertreter aber „from the river to the sea there will be no Palestine“ anstreben. Aus unserer Vergangenheit lernen wir am besten so, wie es Holocaustüberlebende und deren Nachkommen tun, wenn sie Menschenrechtsverletzungen auch Israels anprangern. Nicht indem jeder andere leicht zum „Nazi“ erklärt wird, sondern indem wir ethisch handeln. Übrigens begann Israel mit „Durchimpfen“ und lieferte die Bevölkerung Pfizer aus; C-Regeln und Durchsetzen „der Impfung“ waren für andere, u.a. Österreich Vorbild.

Demoschild 2022

Selten finden Menschen zusammen, die bei Corona auf unterschiedlichen Seiten standen. Dies ist aber der Fall bei der Initiative engagierte Neutralität, die am 23. Oktober eine Pressekonferenz gab (Aufzeichnung siehe Video unten). Moderator Udo Bachmair kommt vom ORF, ist im Verein für Medienkultur tätig und war sehr angetan von einem Kommentar von Alfred Gusenbauer zur Ukraine 2014 im „Falter“; er unterstützte Alexander van der Bellen bei der Bundespräsidentenwahl. Erwin Buchinger kommt wie Babler und Gusenbauer aus der Sozialistischen Jugend, war 2007 bis 2008 SPÖ-Sozialminister und sprach sich 2023 für Andreas Babler als Parteichef aus. Gabriele Matzner ist ebenfalls der SPÖ zuzuordnen als Kabinettsmitglied von 1981 bis 1983 bei Bruno Kreisky und Fred Sinowatz und war Diplomatin u.a. in New York und Moskau; ausserdem war sie im Vorstand des Friedensforschungsinstituts in Burg Schlaining. Wendelin Ettmayer kommt aus der ÖVP, war von 1977 bis 1993 Abgeordneter und trat 1990 als Sicherheitssprecher seiner Partei zurück, nachden ungebührliches Verhalten (Bordellbesuch) auf einer Dienstreise nach Rumänien bekannt wurde, war danach Diplomat und galt als enger Mitarbeiter von Alois Mock. In Kommentaren kritisiert er u.a. eine Dämonisierung Putins; im Zuge der Affäre um den Lobbyisten Peter Hochegger und die Tekekom wurde berichtet, dass er sich eine Woche Urlaub in Kitzbühel bezahlen liess; auch Alfred Gusenbauer und Laura Rudas wurden gesponsert. Ettmayer gehört wie u.a. Wolfgang Schüssel, Karin Gastinger, Othmar Karas, Andreas Schieder, Herbert Cordt (wie Gusenbauer mit Martin Schlaff verbunden), Martin Bartenstein, Alois Mock, Rudolf Hundstorfer, Barbara Prammer, Karl Blecha, Peter Kostelka der Österreichisch-Chinesischen Gesellschaft an, die Gusenbauer als Präsident hatte. Man bekommt diese etwas ältere Mitgliederliste via „Meine Abgeordneten“ als PDF, wenn man nach Ettmayer und Gusenbauer sucht; 2022 war Heinz Fischer Präsident und neu in Funktion waren Muna Duzdar und Doris Bures.

Aufzeichung der Pressekonferenz

General Günther Greindl war bis in die 1990er Jahre leitend an Peacekeeping-Operationen beteiligt und wurde in Medien zum „Verschwörungstheoretiker“, weil er mit anderen Soldaten für Neutralität auf die Strasse ging. Heinz Gärtner ist Politikwissenschafter und war von 1997 bis 2008 Mitglied der Kommission innere und äußere Sicherheit in der SPÖ. Der Appell der Initiative zur Neutralität wurde bereits von zahlreichen Personen unterschrieben. Die Teilnehmer an der PK verwiesen auf langjährige Erfahrung und betonten, dass Verhandeln immer Sinn hat und sich ein neutrales Land besonders gut einbringen kann. Bruno Kreisky entsandte nicht nur (als Aussenminister) die ersten Peacekeeper (1960 in den Kongo), er verhalf auch den Palästinensern zu Anerkennung. Über Österreich fand die Ausreise sowjetischer Juden nach Israel statt, was nach Terror(drohungen) in anderer Form weiterging. Es hat etwas Gebetsmühlenartiges, wie immer wieder an der Neutralität gezweifelt wird; gerne wird behauptet, man könne in der EU nicht neutral sein. Als Österreich 1994 über einen Beitritt abstimmte, gab es aber im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union eine Erklärung zur WEU. Deren Vertrag sollte 1998 auslaufen, da er ursprünglich als Brüsseler Pakt 1948 auf 50 Jahre abgeschlossen wurde; danach sollte die EU den europäischen Pfeiler der NATO bilden. In der Kampagne zum Beitritt, in der schamlos gelogen wurde, kam dies natürlich nicht vor. Ironischer Weise wurde sie von Günther Ogris entworfen, der Andi Babler jetzt ein Strategiepapier anbot. Babler war bei der EU zu Recht kritisch, während es Erwin Buchinger jetzt zu rosig sieht; ich war damals EU-Referentin bei den Grünen mit dem Lieblingsthema Sicherheitspolitik. Im Publikum meinte Madeleine Petrovic, dass man sich natürlich mit militärischen Mitteln wehren kann; bei den Grünen sei viel diskutiert worden etwa über ein Eingreifen in Bosnien. Da aber stellte Peter Pilz alle vor vollendete Tatsachen, indem er einen US-Militäreinsatz via „profil“ forderte; Kritiker wurden auf seltsame Weise aus dem Hinterhalt attackiert, d.h. mit Geheimdienstmethoden.

Plakat von 1981 (Ausstellung beim ÖGB)

Im Parlament bezichtigt man sich nun gegenseitig des Verrats an der Neutralität; einig sind sich die meisten, dass besonders die NEOS wie eine NATO-Partei wirken. Gesponsert werden sie aber von Hans Peter Haselsteiner, dem Partner des Oligarchen Oleg Deripaska, der die von der GRU gegründete PMC Redut wie die Gazprom finanziert. Nationalspräsident Wolfgsng Sobotka gibt den Freund der Ukraine, war aber mit Jan Marsalek von Wirecard verbandelt. Es wäre viel zu einfach zu glauben, dass wir mit Sanktionen und aus diesem und jenem aussteigen weit kommen (wenn Battle Groupies schon nicht kämpfen können). In unserem eigenen Interesse ist hingegen, das Netzwerk verdeckter Einflussnahme zu zerstören, das all jene nicht anrühren, die sich verbal aggressiv über Wladimir Putin (als Ablenkung?) äussern. Man bleibt immer wieder beim Militärischen hängen, obwohl Günther Greindl zufolge auch das Bundesheer auf zu 90 % hybriden Krieg hinweist. Er schloss sich 2011 der Kritik vieler Offiziere an der Abberufung von Generalstabschef Edmund Entacher an, wobei diese Minister Norbert Darabos zugeschrieben wurde. Im November 2011 stellte eine Berufungskommission im Bundeskanzleramt fest, dass es nur eine Handvoll echter Ministerweisungen gemäss Bundesverfassung pro Jahr gab. Dafür „spielte“ ein Kabinettschef für fremde Interessen Minister. Wenn das von allen hingenommen wird, braucht man nicht mehr von Souveränität, Neutralität, dem Schutz verfassungsmässiger Einrichtungen und der Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähiger und dem Schutz der demokratischen Rechte der Bürger sprechen. Jeder bei der PK ignoriert dies, obwohl es nicht aufhörte, als Darabos nicht mehr Minister war und der Umgang mit illegaler Masseneinwanderung und dann mit Corona mit dem Kapern der Landesverteidigung zu erklären ist.

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