Nur „moralisch nicht in Ordnung“? Zu Babler, Gusenbauer und Benko

Im Sommer dieses Jahres protestierte die SPÖ gegen Rene Benko, vermied aber sorgfältig den Namen Alfred Gusenbauer. Noch am Bundesparteitag am 11. November 2023 war SPÖ-Chef Andreas Babler darauf bedacht, Benkos unternehmerisches Agieren als „Raubüberfall“ mit ÖVP-Unterstützung darzustellen. Da immer mehr über Benko enthüllt wird angesichts der höchst prekären Lage der Signa Holding kommt die SPÖ damit nicht mehr durch. Nun meinte Babler, Gusenbauers Funktionen bei Signa seien „moralisch nicht in Ordnung“, als ob sich durch diese Bemerkung etwas ändert und es nicht eine Menge andere Probleme mit Gusenbauer gäbe. Die Zeitschrift „News“ hat jede Woche eine Titelgeschichte über Benko, sodass Babler unter Zeitdruck steht, denn am 24. November ist das Thema „Der Lobbyist: welche Rolle Alfred Gusenbauer spielt“. Es wird am Ende der Story vom 17. November angekündigt, deren Titel „Die ‚Gesetzesbrecher‘ – Wie Rene Benkos Signa-Gruppe ihren Managern systematischen Gesetzesbruch von Transparenzvorschriften finanziert“ anknüpft an den 10. November mit „Das Konstrukt: Rene Benkos Signa-Gruppe erlaubt keine vollständigen Einblicke in ihr verschachteltes Netz aus mehr als 1000 Firmen. News kennt das Geheimpapier“. Bisher tat die SPÖ so, als würde es sie nichts angehen, weil Gusenbauer bereits im Dezember 2008 das Bundeskanzleramt verlassen hat. Wer darauf hinweist, dass Gusenbauer ja im Signa-Beirat sitzt, im Vorstand der bei Signa investierenden Haselsteiner Familien-Privatstiftung und Aufsichtsratschef schwer defizitärer Signa-Gesellschaften ist, bekommt von Bablers Fanbase zu hören, dass man da ja nichts mit dem operativen Geschäft am Hut habe.

Von der Webseite des Österreichischen Aufsichtsratstags, der immer im Februar an der WU stattfindet, kann man ein Interview herunterladen, das Gusenbauer dem „trend“ im Juli 2021 gegeben hat. Seine Tätigkeit besteht zu zwei Drittel aus Arbeit für Strabag und Signa, wobei er meint, es sei bei Signa sogar noch intensiver; er sei sieben Tage die Woche aktiv mit allen zur Verfügung stehenden technischen Mitteln. Ich verwende hier Screenshots aus dem Interview, damit klar wird, dass Gusenbauer in alles involviert ist. Dies zeigt, dass sich einige Genossen sehr viel vormachen und Gusenbauer selbst Babler Lügen straft. Es ist üblich, dass ein besonders prägnanter Sager als Titel eines Interviews verwendet wird. Hier ist es „Macht braucht Kontrolle, Kontrolle braucht Macht“; Gusenbauer beschreibt sich als rechte Hand Benkos, den er bereits seit 2005 unterstützt. Außerdem lobbyiert Gusenbauer für Autokraten und macht Geschäfte unter anderem mit Alon Shklarek, Leo Specht, Gerald Gerstbauer und Gabriel Lansky.

„trend“ im Juli 2021

Es empfiehlt sich, das PDF selbst von der Seite des Aufsichtsratstags herunterzuladen. Hier verwende ich jene Passagen, die gerade jetzt im Kontext des Signa-Kollapses von Bedeutung sind. Gusenbauer gibt auch (damit) an, dass seine politischen Kontakte von grossem Nutzen sind. Zum Beispiel, wenn ein Bürgermeister Gewissheit möchte, dass ein Projekt auch realisiert wird, bei dem „wir“ der Bestbieter sind. Es wird skurril, wenn sich Gusenbauer gegen Allmachtsfantasien in der Politik wendet oder seinen Senf zu Wirecard und Commerzialbank Mattersburg abgibt. Die „News“-Geschichte vom 10. November befasst sich nämlich mit einem „Geheimplan“ von Treuhand Partner Austria zur Umgehung der gesetzlichen Konsolidierungspflicht. Somit weiss wie beim absichtlichen Verletzen von Transparenzvorschriften, um keine Jahresabschlüsse zu machen („News“ vom 17. November) niemand ausserhalb so genau, wie es um Signa wirtschaftlich bestellt ist. TPA prüfte Wirecard CEE in Graz und die Commerzialbank Mattersburg und im Auftrag des Burgenlands auch deren Mehrheitseigentümer. 2015 sperrte die FMA zwei Prüfer von TPA, was einem gesetzlichen Ausschluss von TPA bei der Prüfung der CBM gleichkommt; es änderte sich jedoch nichts, bis die Bank unmittelbar nach Wirecard im Sommer 2020 crashte. TPA trennte die Wirtschaftsprüfersparte als „Pro Revisio“ ab, der mitverantwortlich war und der inzwischen selbst Pleite ist. Die Korruptionstaatsanwaltschaft macht einen grossen Bogen um Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und seinen Vorgänger Hans Niessl, was man nicht nur bei der Affäre um die CBM bemerkt.

„trend“ im Juli 2021

Im zweiten „trend“-Screenshot siehe unten betont Gusenbauer, dass er auch Chef des Prüfungsausschusses, nicht nur des Aufsichtsrats ist und „vor allem auch des Investitionsausschusses“. Jedes Projekt und jede Finanzierung, jede Kapitalmassnahme muss durch diesen Ausschuss, der wöchentlich Beschlüsse für den Aufsichtsrat fasst. Wie „News“ am 10. November darlegte, wurde mithilfe von TPA das Legen einer Konzernbilanz umgangen; wer sich aber damit beschäftigt und alles zusammenzählt, was verfügbar war, kam bereits 2020 auf mindestens 10 Milliarden € Schulden, die inzwischen nicht weniger geworden sind. Es kann Gusenbauer auch nicht entgangen sein, dass TPA Immobilien für Benko aufwertet, worüber „Addendum“ vor drei Jahren berichtete und was „News“ in der „Geheimplan“-Recherche ebenfalls anspricht. Ironischer Weise gehört der „trend“ zum Teil Signa wie das „profil“ (beide via „Kurier“), was das Ausbleiben kritischer Fragen erklärt. Aufsichtsratschef des „Kurier“ ist Raiffeisen-Generalanwalt Erwin Hameseder, zugleich der Stellvertreter des Strabag-AR-Vorsitzenden Gusenbauer und Milizbeauftragter des Bundesheers. Wie es der Zufall will, helfen Gusenbauer und Hameseder Oleg Deripaska dabei, seinen Anteil an der Strabag (nach aussen hin?) ein wenig zu reduzieren. Und Raiffeisen gilt nicht nur als „Putins Bank“, sondern auch als Benkos grösster Kreditgeber.

„trend“ im Juli 2021

Benko erhielt auch Geld von der Sberbank Europe, die von der EZB mit einer Strafe belegt wurde, wegen Verstößen bei der Großkreditvergabe. Aufsichtsratsvorsitzender der Sberbank war stets Siegfried Wolf, der Benko förderte und mit Deripaska im Geschäft ist. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde sie auf Anweisung der EZB von der FMA gesperrt; vor einigen Wochen erwarb sie das hiesige Umfeld Deripaskas. Diese Bank wurde von der Kanzlei Cerha Hempel vertreten, die beim Aufsichtsratstag präsent ist; ÖBAG-Chefin Edith Hlawati kommt von dort. Es ist bekannt, dass Sebastian Kurz Siegfried Wolf an der Spitze der ÖBAG haben wollte; so schliesst sich der Kreis. Zu den neuesten Benko-Enthüllungen gehören auch Recherchen darüber, wie die Besitzverhältnisse bei seinem Luxushotel am Gardasee verschleiert werden; hier kommt seine Mutter ins Spiel. Auch beim ebenfalls luxuriösen Chalet N in Lech lässt es sich nicht nachvollziehen; beides erinnert an Oleg Deripaska und sein Luxushotel Aurelio in Lech, in dem übrigens Benko 2010 seine Gattin Nathalie heiratete und das nun Deripaskas Mutter oder seinem Cousin gehört. Als Geschäftsführer des Aurelio – das auf Vorschlag von Hans Peter Haselsteiner vom Hotel Sacher verwaltet wird – fungierte die Wiener Filiale der Londoner TMF Group. Diese logiert im Haus neben der SPÖ in der Löwelstrasse; dort befand sich auch Gazprom (die mit Deripaska die Söldnertruppe PMC Redut finanziert) und lange das Büro von Gusenbauer und Specht. Man muss bloss die Teinfaltstrasse entlanggehen und ist auf der Freyung, wo Benko im Palais Harrach residiert.

„trend“ im Juli 2021

Der Screenshot vom Programm des Aufsichtsratstags 2021 lässt die SPÖ wieder einmal alt aussehen mit ihrer Verharmlosung von Gusenbauers Aktivitäten. Es war auch in jenem Jahr, dass Gusenbauer auf Vorschlag von Franz Schnabl (den Babler heuer gerne in NÖ beerbt hätte) mit der Viktor Adler-Plakette für (vermeintliche) Verdienste um die Sozialdemokratie ausgezeichnet wurde. Die Laudatio hielt Heinz Fischer, gekommen waren auch Werner Faymann und Hans Niessl; es waren alle anwesend, für die Norbert Darabos einmal erfolgreich Wahlkampf geführt hatte und die ihn verraten haben. Wie üblich, wenn es um Gusenbauer geht, wurde im Vorfeld gemauert; so reagierte auch die SPÖ-Frauenvorsitzende Eva Maria Holzleitner, die uns als „starke Frau“ und „Zukunftshoffnung“ verkauft wird, aber bloss brav und angepasst ist. Auch vor zwei Jahren galt in der SPÖ die ÖVP als Inbegriff der Korruption, während man in den eigenen Reihen nicht hinsehen wollte. Nun gibt es eine Kampagne für eine Millionärssteuer und es wird ein Verbot von Privatjets gefordert. Da passt es ganz gut, dass Benko auch seine Flüge verschleiert, die man mit den üblichen Tools nicht tracken kann.

Programm des Aufsichtsratstags 2021

Babler spricht jetzt auch davon, dass ihn „nach dem Vorbild Bruno Kreiskys“ 1400 Experten und -innen beraten, und es ist „moralisch nicht in Ordnung“, was Millionär Gusenbauer bei Signa (nur dort? nur dort!) tut. Offenbar checkt keiner seiner Berater und -innen, dass Benko mit Fremdkapital und wenig Eigenkapital und Gusenbauer an seiner Seite eine Art Pyramidenspiel betrieben hat. Als wäre das nicht schlimm genug, gibt es einige Indizien dafür, dass Signa bloss eine „Front“ für ganz andere Interessen ist, über die Gusenbauer nicht nur hinsichtlich Benko Auskunft geben muss. Compliance wird von Babler gefordert, aber nur praktiziert, wenn es darum geht, ehrenamtliche Aktivsten wegen inhaltlicher Positionen aus der Partei auszuschliessen. Korruption, Missbrauch von öffentlichen Funktionen, Verbindungen zu Oligarchen, Geheimdiensten, Mafia sind hingegen nicht der Rede wert.

Gusenbauer beim Aufsichtsratstag 2021

PS: Detail am Rande – Gusenbauer gab im „trend“ damit an, dass ihm Bürgermeister vertrauen, dass Signa „keine Ruine“ am Bauplatz zurücklässt. TPA war mitverantwortlich (wie Niessl und Doskozil), dass es mitten in Mattersburg eine leere Gstättn gab, weil die CBM Pleite ging…

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2 Kommentare zu „Nur „moralisch nicht in Ordnung“? Zu Babler, Gusenbauer und Benko

  1. Bei Gusenbauers Foto fällt mir ein Uraltsatz ein: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Dieses Bild erzählt geradezu einen Roman: ein dem Genuss zugeneigter, inzwischen an Verfettung leidender Mann, der sich mit einem Dreitagesbart den Anschein von Schick geben möchte. Sein Gesichtsausdruck erzählt eine weitere Geschichte: misstrauisch, distanziert, gerissen, schlau und sich seiner Macht bewußt.
    Das ist übrigens der, der in den neunziger Jahren am Rande einer Jugendveranstaltung den Boden des Moskauer Flughafens geküsst hat.

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    1. Hier ist ein Foto von 2023, es gilt jetzt umso mehr:

      https://atos.net/de-at/2023/pressemeldungen-de-at_2023_03_24/8-atos-gipfelgesprache-im-zeichen-der-geopolitischen-zeitenwende

      Die „Krone“ schreibt, dass Entscheidungen, auf die Gusenbauer so stolz ist, binnen zehn Minuten in Benkos Chalet in Lech gefällt wurden.

      Benko wurde ja 2013 verurteilt mit Michael Passer, dessen Ex Susanne Riess-Hahn im Signa-Beirat sitzt, der den Aufsichtsrat der Holding ersetzt. Benko hat deshalb keine offizielle Funktion mehr, sein Anwalt Dieter Böhmdorfer vertritt auch Dmytro Firtash. Bei „Cyprus Confidential“ geht es auch um Wohnungen etc in Benkos Goldenem Quartier, die verdeckt erworben wurden.

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