SPÖ: Wer wird Chef:in?

Bis heute um Mitternacht läuft die Mitgliederbefragung der SPÖ, deren Ergebnis jedoch erst am 22. Mai bekannt gegeben wird. Zuerst sah es so aus, als würde Hans Peter Doskozil mit diesem Instrument über Pamela Rendi-Wagner triumphieren wollen, es sich also um die „Wahl“ zwischen Partei-Establishment und Partei-Establishment handeln. Ein gewöhnliches Mitglied, egal wie aktiv, hatte überhaupt keine Chance, jemals nominiert zu werden. Doch weil dem Sonderparteitag und den diesen durchführenden Gremien die Befragung vorgeschalten wurde, meldete sich zunächst Nikolaus Kowall als dritter Bewerber. Schliesslich kündigte Andreas Babler seine Kandidatur an, der jedoch wie Kowall nie in Gremien wie Bundesparteivorstand oder Präsidium eingeladen wurde, wo man das Procedere vereinbarte.

Allein dies bestätigt schon, dass jemand in das Establishment unter sich-Szenario eingebrochen ist. Zum Teil gab es skurrile Modalitäten, die zu vielen Bewerbungen führten, von denen aber nur jene von Establishment plus Babler gültig waren. Manche meinten, dies habe der SPÖ geschadet, doch es entstand bald eine interessante Dynamik. Inzwischen wurde auch untersucht, wer am besten mobilisiert und wer wie auf Social Media ankommt. Babler liegt dabei vorne, wobei er und Rendi-Wagner anders als Doskozil auch starke via Emoij ausgedrückte Emotionen wecken. Es ist keine Überraschung, dass Babler medial eher positiv dargestellt wird und Rendi-Wagner (auch als Chefin einer zu passiven Oppositionspartei) stark negativ und auch Doskozil eher negativ auffällt, aber von der „Kronen Zeitung“ unterstützt wird.

Pressekonferenz des Doskozil-Teams

Die drei Kandidaten sind ganz unterschiedlich präsent: Rendi-Wagner absolviert keinerlei spezielle Wahlkampftermine, sondern nur das, was ohnehin für sie als Parteivorsitzende eingeplant war. Bablers Kampagne hat immer mehr an Zulauf gewonnen, seine Auftritte sind auch offen zugänglich bis auf Ausnahmen, als er getrennt von den beiden anderen bei SPÖ-Organisationen in deren Räumlichkeiten eingeladen war (BSA, Wiener Bildung). Doskozil wollte übrigens als Einziger nicht, dass diese Auftritte aufgezeichnet werden bzw. via Zoom zugänglich sind. Doskozils Tour richtet sich an Parteifunktionäre, was einen weiteren Auftritt in Wien bei roten Angehörigen von Berufsfeuerwehr und Polizei vorsah. Babler gab zweimal Pressekonferenzen in Wien, für Doskozil taten dies Roland Fürst und Max Lercher am 9. Mai siehe Video oben. Natürlich gab es mehrere Rendi-PKs, jedoch in erster Linie in ihrer Rolle als Chefin einer Oppositionspartei. Dass es nur einen Auftritt von Andreas Babler im Burgenland gab, hängt damit zusammen, dass Mitglieder der SPÖ (besonders wenn sie beim Land oder für die Partei arbeiten) praktisch dazu vergattert sind, Doskozil zu unterstützen. Babler war aber in einer Gemeinde mit einem schwarzen Bürgermeister willkommen, dem der Konkurrenzkampf in der SPÖ egal ist. Manch ein Kommentator oder Twitter-User will in Babler einen Vertreter sowjetischer Ideologie ausmachen, weil er sich auch jetzt auf Karl Marx bezog. Sowjetstil finden sie aber eher bei der SPÖ Burgenland, deren Praktiken einem einen kalten Schauer den Rücken hinunterjagen, wenn man sie kennt.

Rendi-Wagner beim BSA

Sowohl Babler als auch Doskozils Team betonen, dass es jetzt erst richtig los geht und scheinen zu wetteifern, wer als erstes eine Kampagne auf die Füsse stellt, für die keiner von beiden die Bundespartei benötigt. Es wird auch beteuert, dass man allen die Hand reichen werde und nur gemeinsam erfolgreich sein könne. Dies bedeutet in der Realität etwas anderes bei Doskozil, woran ich seine Helfer bei ihrer PK auch mit dem Stichwort „Umgang mit Norbert Darabos“ erinnerte. Bei Babler-Fans gilt Doskozil als zu rechts, kein Sozialdemokrat und intrigant, was Fürst und Lercher natürlich zurückweisen. Offenbar kann niemand weiter links stehen als Doskozil und seine Forderung nach einem garantierten Mindestlohn von 2000 Euro kommt besonders Frauen zugute. Babler erklärt bei seinen Veranstaltungen, warum Kollektivvertragsverhandlungen besser sind und was gleicher Lohn für gleiche Arbeit plus Arbeitszeitverkürzung gerade auch für Frauen bedeuten. Das Babler-Team betrachtet das Doskozil-Vorgehen als durchorchestriert; da wird auch der merkwürdige Eindruck ausgesessen, dass der Kandidat selbst keine Pressekonferenz gibt. Tatsächlich gibt es ja „viele extrem heikle Fragen„, denen sich Doskozil endlich stellen muss und die Medien bislang kaum untersuchten. Aus der Sicht der Doskozil-Leute kann es jeden Moment Neuwahlen geben, und dann ist Doskozil der einzige Garant gegen einen Kanzler Herbert Kickl. Vielen Babler-Leuten ist Doskozil aber Kickl zu ähnlich, als dass die SPÖ mit ihm Blumentöpfe gewinnen könnte.

Babler im März 2023

Die Doskozil-Partie geht davon aus, dass rund 7000 SPÖ-Mitglieder auf der „Freundschaftstour“ erreicht wurden; bei Babler sind es ca. 10.000. Man meint, dass die Verpflichtungen als Landeshauptmann berücksichtigt werden müssten, was impliziert, dass sich der Bürgermeister von Traiskirchen leichter täte. Zugleich fällt auf, dass sich Pamela Rendi-Wagner überhaupt nicht um die Basis bemüht; es sollen aber ihre Anhänger aggressiv und mit stets gleichlautenden Formulierungen in SPÖ-Social Media-Gruppen vorgehen. Hingegen lassen einander die Anhänger von Babler und Doskozil mehr oder weniger in Ruhe. Es wird gar nicht so sehr Rendi selbst angelastet als der Parteizentrale und ihrer Entourage. Man dachte dort auch nicht im Traum daran, alle Mitglieder per Newsletter über die Positionen der Kandidaten zu informieren oder gemeinsame Veranstaltungen und Hearings zustande zu bringen. So seltsam wirkt das nicht, bedenkt man, dass Darabos als Bundesgeschäftsführer ebenso abgeschottet wurde wie zuvor als Verteidigungsminister; es wurde nie aufgearbeitet, was da geschehen ist, es gab nie Konsequenzen, aber dies und anderes wird tabuisiert und Personen bleiben aktiv, die man loswerden müsste.

Doskozil im Interview

„Personen“ meint auch die Ursachen, warum Fehlverhalten möglich war, geduldet und unterstützt wurde; es geht um mehr als Zivilcourage statt Opportunismus. Um ein Beispiel zu nennen: Babler verweist beim Thema Lebenshaltungskosten auf die Bedeutung des sozialen Wohnbaus. Nun versenkten Sozialbau-Gesellschaften aber viele Millionen Euro bei der Commerzialbank Mattersburg, für deren Pleite Hans Niessl und Nachfolger Hans Peter Doskozil mitverantwortlich sind, ohne dass sie zur Verantwortung gezogen wurden. Mit „allen die Hand reichen“ und „nur gemeinsam“ ist dies nicht erledigt, auch nicht, dass Doskozil mit Peter Pilz den Eurofighter-U-Ausschuss zum Schaden von Darabos manipulierte. Doskozil und Babler berufen sich auf Teams von Experten, die ihnen zur Verfügung stehen, um ein Programm zu erstellen. Bislang jedoch wurde von keinem Korruption angesprochen, es sei denn, es handelt sich um die ÖVP. Gerne wird davon gesprochen, dass die Zeit von Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch zu Ende ist, wenn sich Doskozil durchsetzt, dessen Anhänger immer wieder gegen Deutsch polemisieren. Doch Deutsch sitzt in einem Büro, in dem es normal war, Personen und Infos von Darabos fernzuhalten und ist zudem Partner von Anja Richter, die mitbekam, wie Darabos als Minister mitgespielt wurde. Man kann Deutsch entfernen, um so weiterzumachen wie bisher und via Doskozil die Illusion vermitteln, es würde sich etwas ändern (und versuchen, Babler-Fans auszutricksen).

PS: Als derzeitige Oppositionspartei ist die SPÖ eigentlich nicht darauf vorbereitet, Rendi-Wagner zu ersetzen. Sie war bei der Wahl 2019 Spitzenkandidatin, während Doskozil und Babler weder auf der Bundesliste noch im Burgenland bzw. in Niederösterreich aufscheinen (wo Bablers Partnerin Karin Blum unter ferner liefen kandidierte). Somit geht es auch darum, wer eventuell neuer Klubobmann oder neue Klubobfrau wird als Platzhalter:in für Doskozil oder Babler bis zur nächsten Wahl. Was den Sowjetstil der SPÖ Burgenland betrifft, der auf ganz Österreich ausgeweitet werden soll, geht es auch um das Verständnis von Regierungsämtern. Doskozils Förderer und Vorgänger Helmut Bieler meinte nämlich mal, dass man das Regieren an Büros zu delegieren habe und gar nicht selbst entscheiden dürfe. Er sah darin keinen Amtsmissbrauch, was es zweifellos ist, wenn es nicht unter Druck (siehe Darabos) erfolgt; dem kommt auch in der Causa Commerzialbank Bedeutung zu.

Jeder finanzielle Beitrag zu meinen aufwändigen Recherchen ist herzlich willkommen:
Alexandra Bader, Erste Bank, AT 592011100032875894 BIC GIBAATWWXXX



Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..