Was der Golan-Bericht vertuscht

Bei der Präsentation des Untersuchungsberichts über das „Massaker am Golan“ („Falter“) sollte alles aufgeklärt werden, tatsächlich wurde jedoch Entscheidendes vertuscht. Laut Presseeinladung vertrat Generalsekretär Wolfgang Baumann Verteidigungsminister Mario Kunasek und stellte den Bericht mit Mitgliedern der Kommission vor. Der ORF und ein paar andere Medien boten Livestream an; vor Ort waren Bildern zufolge eher wenig Journalisten. Der Ablauf des 29. September 2012 auf den Golan-Höhen wurde detailliert dargestellt, jedoch sofort über die erste Journalistenfrage hinweggegangen, die sich mit der Rolle von Verteidigungsminister Norbert Darabos befasste. Eine Meldung war an ihn als Schreiben des Generalstabschefs an das Ministerbüro gegangen, doch er hat sie nie zu Gesicht bekommen. Dieser Umstand wird von der Kommission dadurch weggeredet, dass immer wieder etwas auf dem Golan passiert sei und auch Darabos jetzt mehr darüber wisse als früher. Um ein heute sind wir alle schlauer kann es jedoch nicht gehen, wenn dem Minister an ihn gerichtete Informationen routinemäßig vom Kabinettschef vorenthalten wurden, der ihn auch abschottete, wie z.B. in den Eurofighter-Ausschüssen deutlich wurde.

Natürlich geht auch niemand darauf ein, welch strategische Bedeutung es hatte, alles unter der Tuchent zu halten, was auf die doch nicht so harmlose Natur von Peacekeeping hinweist. Schließlich wurde die Wehrpflicht-Volksbefragung im Jänner 2013 vorbereitet, und die SPÖ wurde auf „Profiheer“-Kurs gebracht, was in Kampfeinsätze und NATO-Beitritt münden hätte sollen. Offenbar ist weder damals im Ressort noch jetzt in der Erinnerung in der Untersuchung aufgefallen, dass Darabos ins Haus des Sports abgeschoben wurde und weit mehr dort als im BMLV anzutreffen war. Dank Medienbildern von „Ex-Zivi, der sich nicht fürs Heer interessiert“ schluckte man merkwürdige Erlebnisse wie nie mit dem Minister reden zu können ohne weiteres. Das bedeutet auch, dass Soldaten ihren Eid auf die Republik Österreich und die verfassungsmäßige Ordnung verletzen, indem sie sich weigern, ihren Befehlshaber zu schützen. Es ist schon paradox, eine Pressekonferenz als Zeichen für Transparenz und Aufrichtigkeit zu verkaufen, dann aber Wesentliches zu vertuschen, das die Frage nach Konsequenzen aufwirft. Denn hätte Darabos den Bericht gesehen, hätte er auch als unter Druck gesetzter Minister versucht, nicht zur Tagesordnung überzugehen. Stattdessen ging alles weiter wie gehabt und man tat so, als wäre nichts gewesen. Auf der Gerüchteebene wird auch ein abgeschotteter Minister, der sein Amt nicht ausüben konnte, etwas gehört haben, doch man enthielt es ihm auf der offiziellen Ebene vor.

Vom Liveticker des „Standard“

Es hätte schon ein Wunder passieren müssen, wenn sich die Kommission anders verhalten hätte, denn es ging auch um etwaige Disziplinarmaßnahmen gegen Soldaten. Im Disziplinarbereich haben wir nämlich Beamte, die es vollkommen in Ordnung finden, wenn ein Minister unter Druck gesetzt, überwacht, abgeschottet wird; man ist feige, opportunistisch und dumm und fügt sich Ex-Kabinettschef Stefan Kammerhofer. Man kann daran auch erkennen, welch psychologische Wirkung propagandistisch über die Jahre aufgebaute und aufrechterhaltene Bilder haben. Denn sie sorgen dafür, dass viele selbst dann nicht verstehen, wie die rechtliche Situation ist, wenn man ihnen die Ministerkompetenzen anhand der Bundesverfassung erklärt. So wurden die Weichen für das Kapern der Befehls- und Weisungskette gestellt, da immer auf emotionaler Ebene agiert wird, um verstandesmäßige Bewertungen auszuschalten. Weiter unten sieht man ein Facebook-Posting, das Ausdruck dessen ist und von einem der Zeugen des Innenministeriums in der BVT-Affäre stammt. Wäre übrigens Minister Kunasek bei diesem Pressetermin dabeigewesen, hätte man die Ministerrolle und -verantwortung nicht so leicht beiseite schieben können.

Bezeichnend ist, dass erst Medienfragen die Rede auf Norbert Darabos brachten, der damals nach außen hin die Verantwortung dafür getragen hat, dass österreichische Soldaten am Golan im Einsatz sind. Die Zuspitzung der Lage seit Beginn dessen, was das Bundesheer brav „Bürgerkrieg“ nennt, muss vom Minister beurteilt werden, der sich mit Militärs zu beraten hat. Dass Darabos etwas von internationaler Politik versteht (und einen Regime Change mit verdeckten Kombattanten und Terroristen von einem Bürgerkrieg unterscheiden kann), ist schon deswegen anzunehmen, weil er gegen den Raketenschild und gegen österreichische Soldaten in Afghanistan ist. Immerhin wurde bei der Präsentation genau geschildert, was am 29. September 2012 passierte, wie Bewaffnete sich in der entmilitarisierten Zone niederließen und das Unheil seinen Lauf nahm, als syrische Geheimpolizei in diesen Bereich einfuhr und unter Beschuß genommen wurde. Es entsteht der Eindruck, dass die Soldaten sehr genau wussten, was sich anbahnt, aber nichts unternahmen, um dies zu verhindern; wie zur Bestätigung fuhr einer mehrmals mit einem Fahrzeug, das verstärkten Schutz hat, bei den unbekannten Bewaffneten vorbei, die sich nicht aus der Ruhe bringen ließen.

Reinhard Fellner auf Facebook

Der „Falter“ meldete sich sofort mit Kritik zu Wort, da von vornherein klar war, was bei der Untersuchung herauskommen wird und von „unabhängig“ keine Rede sein kann. Eine Intention von Florian Klenk ist auch, Darabos den Schwarzen Peter zuzuschieben: „Fest steht für das Verteidigungsministerium heute übrigens auch, dass der Fall der damaligen Bundesregierung gemeldet wurde. SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos sei höchstpersönlich vom Generalstabschef informiert worden. Der Ex-Minister und heutige burgenländische Landesrat bestreitet das allerdings. Ihm sei der Fall nicht zugetragen worden.“ Unter „höchstpersönlich informiert“ stellt man sich etwas anderes vor als ein Schreiben an den Minister, das vom Kabinettschef einkassiert wird. Es ist zudem bekannt, dass Entacher kaum je mit Darabos sprechen, sondern wochenlang bei Kammerhofer auf Termine warten musste, die andere nie bekamen. „Falter“ und Bundesheer ist ohnehin eine komplizierte Beziehung, da man hier im Sommer 2012 mit der Unterstellung arbeitete, Soldaten bauten um einen Militärfallschirmspringerverein eine „rechte Geheimarmee“ auf. Damit fiel der „Falter“ bei Gericht vollkommen durch, übrigens mit dem nunmehrigen Pilz-Abgeordneten Alfred Noll als Anwalt.

Offenbar sollte auf die „Massaker“-Story im April noch einiges mehr folgen, da Klenk auf Twitter stolz einen Brief des Informanten veröffentlichte, aber bald wieder entfernte. Man sieht unten einen Ausschnitt aus dem Screenshot, der deutlich macht, dass Darabos ins Visier genommen wurde. Geht es nach Klenk, muss diese Schiene auch weiter bearbeitet werden, denn er schreibt nun: „Wie geht weiter? Der Bericht ist keine ‚unabhängige‘ Untersuchung, sondern eine Auftragsarbeit des Heeresministers, der die politische Verantwortung trägt. Er gibt aber wohl auch für die Staatsanwaltschaft die Marschrichtung vor. Strafrechtlich hat nun ausschließlich das Justizminsterium zu beurteilen, ob der Befehl möglicherweise strafrechtswidrig und damit anklagewürdig ist, ob die Soldaten dies hätten bemerken müssen und ob sie eine sogenannte ‚Garantenstellung‘ hatten, also eine Gefahr erkannten, die sie entgegen der Befehlslage hätten melden müssen.“ In der Tat gibt es einige Kritikpunkte, zumal man sich völkerrechtlichen Beistand von Siegmar Stadlmeier von der Universität Linz holte, deren Rektor Meinhard Lukas für den Pilzschen Eurofighter-Narrativ (wiederum gegen Darabos) recht nützlich war.

Aus dem Schreiben von Klenks Informant

Man muss von wegen „unabhängig“ jedoch auch wissen, wie der „Falter“ einzuordnen ist; er gehört z.B. zu den Medien, die Gerald Knaus von der European Stability Initiative pushen, der durchaus im Interesse von George Soros Einfluss auf den Europarat nimmt. Die Agenda einer als Asylsuche verkauften Einwanderung ist im „Falter“ selbsverständlich auch zu Hause. Florian Klenks Kronzeugen gegen die Blauhelme haben auch Soros-Connections. Er schreibt: „Hier hakten indes renommierte Menschenrechtsprofessoren – etwa Manfred Nowak von der Uni Wien und Bernhard Knoll-Tudor von der Uni Budapest – ein. Die Österreicher seien nicht neutral gewesen, sondern hätten den Rebellen/Schmugglern ein paar Stunden vor dem Verbrechen sogar Wasser angeboten, wie Fotos zeigen. Sie hätten die Rebellen beim Aufbau eines Hinterhalts gefilmt und dann zugesehen, wie sie aus diesem Hinterhalt einen Angriff ausführen. Die Unparteilichkeit beziehe sich nicht auf lokale Verbrechen, sondern auf das Verhältnis zwischen Israel und Syrien. Eine kleine Warnung am Posten hätte den Polizisten das Leben gerettet.“ Bekanntlich gibt es Kräfte, die Regime Changes unterstützen, während andere ihnen dabei helfen, indem sie Regierungen publizistisch attackieren, die ihr Land schützen wollen.

In gewisser Weise war das Bundesheer (bislang gibt es den Bericht nicht zum Download, sondern nur eine Meldung) ehrlich, indem es den Hergang mit allen rekonstruierbaren Aussagen darstellte. Es ist dann an uns, zu abstrahieren bzw. das hinzuzufügen, was notwendig ist, um uns in die Lage vor Ort zu versetzen. Dennoch bleibt weitgehende Verständnislosigkeit, dass man denn wirklich gar nichts tun konnte und zusehen musste, wie neun Menschen in eine Falle fahren. Dass die Geheimpolizisten, weil sie in Richtung Israel unterwegs waren, nur am gleichen Weg zurückkommen hätten können, also sowieso erwischt worden wären, ist ein schwacher Trost. Sicher, man sprach Englisch und konnte kein Arabisch, aber es reichte für „take care, take care“ und zaghafte Warnhinweise. Und es war Pech, dass die Zeichensprache der Männer, die dann einen Hinterhalt legten, missverständlich war, denn Kehle durchschneiden bezogen die Soldaten zuerst auf einen toten Esel. Wahrscheinlich hieß es haltet euch fern, das geht euch nichts an – so oder so befolgten sie dies genau. „Ein Feuergefecht war unvermeidlich“ heisst es deshalb im Bericht unter Betonung mandatskonformen Verhaltens der Blauhelme. Diese entlasten sich zum Teil auch durch simple Logik: wenn ein Lager in Erwartung der Geheimpolizei gerade dann errichtet wurde, die unregelmäßig patrouilliert, dann befand sich diese auch in erhöhter Wachsamkeit.

Tweet des „Falter“

Doch hier wirkt sich wieder aus, dass der Minister nur Statist sein sollte und in Wahrheit wegen eines Manövers von Alfred Gusenbauer, Peter Pilz und anderen bezogen auf die Eurofighter ins Ressort gelangte. Denn wenn es darum geht, einen demilitarisierten Bereich zwischen Israel und Syrien (der eigentlich zu Syrien gehört) zu überwachen, ist von offiziellen militärischen Kräften die Rede. Man kann deren An-  oder Anwesenheit unter regulären Bedingungen sicher leicht feststellen, wie man auch Polizeikräfte erkennen kann, die Zugang zur Zone haben. Durch das Ablaufen des üblichen Regime Change-Musters ab 2011 wurde die Situation zunehmend komplizierter und man sah Angriffe von paramilitärischen oder terroristischen Verbänden; von schweren Feuergefechten um Dörfer beim Mount Hermon ist da die Rede gewesen. Wenn also das UN-Mandat nicht mehr der Lage vor Ort entspricht, ist es Sache der Verteidigungsminister beteiligter Staaten (und der UNO), es zu evaluieren und Schritte zur Deeskalation im diplomatischen Bereich zu setzen, die bei Erfolg das Leben vieler tausender Syrer gerettet hätten.  Mit einem unter Druck gesetzten Minister, der kaum öffentlich auftreten „durfte“ und der das oktroyierte „Profiheer“ vertreten musste, obwohl er für das bestehende System war, fiel Österreich de facto aus.

Man kann sich darüber hinwegschwindeln mit militärischen Kontakten und Experten bei sicherheitspolitischen Tagungen, aber all das verblaßt vor der Vorstellung eines tatsächlich regierenden Ministers, der das Gewicht eines neutralen Landes einsetzt.  Der Kritik des „Falter“ schließen sich auch andere an: „Das Durchwinken von Syrern in einen Hinterhalt war laut Ministerium mandatskonform.“ Allerdings betonen manche, dass sich die Soldaten gemäß dem Befehl verhielten, dass sie sich nicht einmischen sollen. Man wollte übrigens, dass die Blauhelme filmen und fotografieren; in diesem Fall borgte sich ein Soldat die Kamera eines anderen und vergaß dann, dass sie noch lief; man dokumentierte so fast das ganze eine Stunde dauernde Feuergefecht mit am Ende neun toten Geheimpolizisten und einem toten Angreifer. Es waren sehr junge Soldaten, die Bemerkungen machten, für die sie sich heute entschuldigen würden – woraus kein Disziplinarvergehen resultiere. Wie Klenk betont – und manche folgen ihm da – sind jetzt UNO und Justiz am Zug. Da wird man dann z.B. diese Aussage untersuchen müssen:  „Das Gefecht sei ordentlich gemeldet worden, auch der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) habe davon wissen müssen. Er sei aber wohl nicht über operative Details am Einsatzort informiert worden…“ Man beachte den Konjunktiv, da aus einem Schreiben des Generalstabschefs an Darabos eben nicht resultiert, dass der Minister es auch erhält. Und die Staatsanwaltschaften müssen sich fragen lassen, warum sie Anzeigen gegen Kammerhofer (ab Februar 2012) nicht behandelt haben.

PS: Soldaten, die auf dem Golan waren, finden die Schilderungen bei der Pressekonferenz nicht stimmig, und zwar in mehrfacher Hinsicht. So entsteht der Eindruck, dass der Bericht zur „Falter“-Story passen, dieser zumindest nicht allzu sehr widersprechen sollte. Im „Standard“ kritisiert Nina Weissensteiner den „Falter“, der Ermittlungen nicht abwarten wollte, sondern auf Basis des zugespielten Materials vorverurteilte. Sie schreibt auch: „Wer an den Untersuchungsergebnissen des Bundesheers dennoch zweifelt: Das gesamte Material wird der Staatsanwaltschaft Wien übergeben, die prüft, unter welchen Tatbestand das Verhalten der UN-Soldaten fallen könnte, also ob hier eventuell Mord durch Unterlassung vorgelegen haben könnte. Allfällige Manipulationen an der Tonspur der Videos blieben daher wohl kaum unentdeckt. Und ebenfalls von Belang: In die Untersuchung in Wien waren die Vereinten Nationen stets eingebunden.“ Bei der Präsentation wurde es so dargestellt, dass sehr junge Soldaten live kommentierten (ohne zu bedenken, dass es aufgezeichnet wird), doch wer erinnert sich Jahre später ganz genau, was er in einer Situation wirklich sagte? Übrigens wird der Bericht „aus Datenschutzgründen“ nicht veröffentlicht, aber Justiz und UNO übergeben; so pingelig war man nie, wenn dem Ex-Abgeordneten Peter Pilz militärische Verschlussakte wie der Eurofighter-Vergleich zugespielt wurden.

6 Kommentare zu „Was der Golan-Bericht vertuscht

  1. Offtopic: Tut sich morgen jemand die ORF-Dauerwerbeveranstaltung an?

    Die üblichen Verdächtigen sind natürlich auch anwesend und haben Reden vorbereitet: Ingrid Brodnig, Erich Fenninger (wusste gar nicht, dass der bei DiEM25 dabei ist), die „Omas gegen Rechts“, usw, usf.

    Das Datum im Zusammenhang mit der Uhrzeit lässt auf eine interessante Veranstaltung hoffen:

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  2. Ja danke guter Bericht. Alexandra. Ich habe mich auch geärgert dass der Falter Sachen veröffentlicht die eigentlich noch untersucht werden müssen.

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