Auf1 und Co.: Alternative Medien ent-täuschen

Am einfachsten werden wir audiovisuell beeinflusst, weil dies Emotionen auslöst. Auch kurze Botschaften via Social Media, die man 1 mit Emojis versehen kann, wirken auf der emotionalen Ebene; ausserdem wird narzisstisches Verhalten gefördert. Es braucht Abstand zwischen Message und Empfänger, der dann gegeben ist, wenn wir etwas reflektieren können, wenn wir uns hinsetzen, eine Zeitung lesen, im Gehen über das Aufgenommene nachdenken. Heute wird alles entweder geballt schriftlich und virtuell, unterstützt durch audiovisuelle Medien, oder audiovisuell oder via Social Media vermittelt. Vor zwei Jahren brachten alle Medien, dass es eine Hausdurchsuchung bei der ÖVP gab, die Anordnung dazu konnte man sich auch herunterladen, nachdem kurz manche Medien mit deren exklusivem Besitz auftrumpften. Notwendig wäre gewesen, dass Rezipienten dieser Botschaft sie selbst einordnen, sich also über das Vorgehen der Justiz schlau machen und die Begründung einschätzen. Emotional funktioniert dies nicht, etwa wenn man Sebastian Kurz und seine Leute bewundert oder umso heftiger ablehnt.

Rationale Bewertungen äussert man in einem auf emotional getrimmten Umfeld, kann also nur dann Gehör finden, wenn viele ebenfalls einen rationalen Zugang haben. Bei Posttraumatischem Stress hilft, körperliche Reaktionen auf Situationen, die an das ursprüngliche traumatische Erlebnis erinnern, in Worte zu fassen und diese niederzuschreiben. Dies koordiniert beide Gehirnhälften – eine lässt das Trauma wieder ablaufen, die andere stellt nüchtern fest, dass man jetzt in Sicherheit ist und keine Gefahr mehr droht. Wir sollten bei audiovisuell oder via Social Media erhaltenen Infos auch zum Stift greifen und überlegen, welch realen Gehalt diese Messages haben. Wenn z.B. Firmen und Personen erwähnt werden, kann man nach Informationen suchen, Netzwerke erstellen und wird oft Widersprüche entdecken (etwa wenn Russland attackiert wird und selbst Verbindungen zum Kreml-Netz bestehen). Für wirkungsvolle Propaganda eignet sich immer noch Fernsehen am besten, wobei man Videos mit mehr oder weniger grosser Reichweite aber auch nicht unterschätzen darf.

Werbung für Auf1 bei Demo

Deshalb will Auf1 unbedingt auch senden und kann dies zwar nicht in Österreich, jedoch mittels der Lizenz eines deutschen Corona-kritischen Arztes. Mit grosser Geste wurden mehrere Anwälte engagiert im Kampf gegen „das System“, was aber anscheinend überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Bei Campact wurden schon über 111.000 Unterschriften gegen die Ausstrahlung von „rechter Hetze in deutsche Wohnzimmer“ gesammelt; bei Aufstehn.at appellieren mehr als 10.000 Menschen an die zuständige deutsche Medienbehörde. Der Baden-Württembergische Arzt Wilfried Geissler von der AfD mit Konnex zu Michael Ballweg nahm an Kundgebungen von Querdenken in Stuttgart teil und spricht über Impfschäden und Freimaurer in seinem Youtube-Kanal. Die Lizenz für SchwarzRotGold TV, jetzt SRGT TV genannt, kostete ihn gerade mal 5.000 €. Der Sendeplatz von SRGT beim Satelliten Astra wird erst jetzt wirklich genutzt mit 6 Stunden Auf1 täglich, für die Geissler die inhaltliche Verantwortung übernimmt. Geissler befasst sich typischer Weise nicht mit dem früheren Partner von Klaus Schwab beim Wirtschaftsforum in Davos Rudi Häussler, der auch bei Stuttgart 21 eine Rolle spielt, oder mit dem Background einiger Grüner inklusive Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

SRGT auf Youtube

Wer Auf1 bekämpfen will, hofft nun darauf, dass Behörden darin eine wesentliche Programmänderung erkennen, die man bekanntgeben muss und die Ausstrahlung abdrehen; es ist aber die zuständige Medienbehörde in Baden-Württemberg, während man in der Schweiz und in Österreich nichts machen kann. Kritik nicht nur an Auf1 wird nach einem gewissen Schema artikuliert, das wie ein Narrativ wirkt. Man bewertet nicht nach journalistischen Kriterien, ob dort journalistisches Handwerk praktiziert wird, sondern sieht das Verbreiten von „Verschwörungstheorien“. Da sich einige etwa um Corona bereits bewahrheitet haben, ist dies ein schwaches Argument. Gerade erschien das Buch „Doppelganger“ von Naomi Klein, die häufig mit der etwas älteren Naomi Wolf verwechselt wird. Es stört sie jetzt sehr, weil sie nicht mehr ähnliche Themen behandeln, sondern ihr die andere Naomi komplett weggedriftet scheint. In diesem Artikel dazu ist deutlich, dass sich jede und jeder als Autor/in, Journalist/in usw. für alle Zeiten disqualifiziert z.B. mit Zweifel am Corona-Narrativ wie Naomi Wolf (weiter unten binde ich ein Interview mit Klein ein). Tatsächlich aber fehlt bei Auf1 Recherche fast vollständig, da man Mainstream-Nachrichten kurz kommentiert und Gesprächspartnern eine Bühne bietet; mehr ist es nicht. Gründer Stefan Magnet demaskiert sich selbst nicht nur mit schlechten rhetorischen Fähigkeiten; er stellt hier zum Fall Florian Teichtmeister unter Beweis, dass er nur zu unbewiesenen Verdächtigungen und absurden Szenarien imstande ist. Recherche, Lektüre und Reflexion führen immer dazu, dass man etwas dazulernt und neue Aspekte erkennt, auch wenn sich bestätigt, was man zuvor schon wusste; dies gibt es nicht bei Auf1. Wir erfahren nichts über Teichtmeisters angebliche Netzwerke und zum Agieren der Freimaurer in Österreich, auch wenn das von Magnet versprochen wird. Wie es geht, zeigt der Corona-Ausschuss, in dem Sascha Clauss-Theisohn von Fight and Soul den Zusammenhalt von Polizei, Justiz, Heimen, Gutachtern, Psychiatrie gegen die Opfer Pädokrimineller darstellt, Die Rolle von Personen in öffentlichem Leben und Politik, die unter anderem Freimaurer sind, scheint bei Auf1 tabu. Weil ich diesen Schwindel ansprach und auch fragte, warum Auf1 eine Adresse im Goldenen Quartier von Rene Benko hat, bei dem Freimaurer Hans Peter Haselsteiner investiert, wurde ich via Telegram diffamiert und gemobbt. Keine Überraschung ist, dass Auf1 auch das Verhalten der Justiz bei Teichtmeister nicht einordnet, sondern bloss fürs audiovisuelle Generieren von Empörung benutzt. So werden wie bei Corona die Reaktionen der Menschen aufgefangen, eingelullt und umgelenkt, die traditionellen Medien nicht mehr trauen; was eine politisch wirksame Kraft werden könnte verpufft.

Wilfried Geissler und die Freimaurer

Wer sich vom Mainstream abwendet, kann nicht unbedingt benennen, wo genau und durch welches journalistische Mittel er sich getäuscht fühlt. Wer etwas liest, kann nichts anderes zugleich tun, ist also darauf konzentriert, was nicht bedeutet, jedes Narrativ sofort zu durchschauen, aber dass ein Weg dorthin offen ist. Wer etwas anhört oder TV und Videos laufen lässt, wird selten wie gebannt verharren und alles andere ausblenden, sondern etwas anderes nebenbei tun. Es genügt da schon, ein paar Stichworte zum Gehörten zu notieren, über sie dann nachzudenken und ein bisschen zu recherchieren, um dem Gesagten nicht mehr ganz ausgeliefert zu sein; komplexe Situationen durchschauen wir mit zunehmendem Alter besser. Es gilt das das Schwierigste unter Politikern, im TV live interviewt zu werden; auch wer für einen später erstellten Beitrag befragt wird, muss jedes Wort wählen, weil bloss einige Sekunden verwendet werden. Selbst ohne besonders kritische Fragen haben sich schon einige in einem Fernsehstudio blamiert, weil sie sich in ihren Antworten verhedderten. Moderatoren kommen dabei jedoch professionell rüber, während Magnet wie ein Schüler bei seinem ersten Video wirkt und russische Propaganda verbreitet. Es entbehrt nicht der Ironie, dass bei Auf1 alles Platz haben soll, auch die Frage, ob die Erde rund ist oder eine Scheibe – ausgestrahlt per Satellit, der auf dem Prinzip der runden Erde beruht.

Stefan Magnet

Mit Auf1 und Geissler befasst sich auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland, das basierend auf Michael Bonvalot den österreichischen Fussballer Martin Hinteregger wegen Geschäftsbeziehungen zu FPÖ-Politiker kritisierte. Wir finden dort natürlich nichts zu Vorwürfen der Übergriffigkeit Bonvalots gegenüber Frauen, die von denselben Kreisen unter dem Radar gehalten werden, die bei Teichtmeister auf die Bremse steigen. „Professionelle, alternative und unabhängige Nachrichten“ bietet Auf1 allerdings auch bloss in der Eigenwerbung, eben weil mit Klischees und Unterstellungen gearbeitet wird. Wo Substanz aufblitzt, ist dies Gesprächspartnern zu verdanken, deren Fachwissen im Mainstream nicht geschätzt wird. Es ist notwendig, Interviews und Gespräche zu unterscheiden; so zurückhaltend oft in traditionellen Medien interviewt wird, sind aufgenommene Gespräche unter Freunden im alternativen Bereich doch etwas anderes.

Maria Hubmer-Mogg und Stefan Magnet

Man kann nicht Medien kritisieren wegen mangelhaftem Journalismus und dann selbst nicht journalistisch arbeiten wollen. Grundsätzlich sollte auch egal sein, ob man persönlichen Bezug zu Themen hat; bei Personen kann es vorkommen, darf aber Objektivität nicht verhindern. Längst wird aber Haltungsjournalismus propagiert, der Recherche entgegensteht. Denn bei dieser kann etwas anderes herauskommen, das Menschen entlastet, ihre Motive verständlich macht, ihren Weg nachzeichnet und ganz andere belastet. Alternativ wird, auch mit audiovisuellen Mitteln, eigentlich bloss eine andere Haltung gegenüber gestellt. Was Social Media betrifft, posten Menschen, die jahrelang recherchieren, ebenso bloss ihre paar Sätze wie anonyme User, die sich mit keiner Materie eingehend befasst haben. Diese scheinbare Gleichberechtigung führt zu Ungerechtigkeit und dazu, dass Narrative leichter verbreitet werden als deren Entkräftung. Und tatsächlich ergänzt sich vieles, was mit Kompartmentalisierung zu tun hat. Sie wird als psychologischer Abwehrmechanismus beschrieben, gehört aber auch zur Vorgangsweise von Geheimdiensten. Dieselbe Seite sorgt für unverständliche absurde Politik, die auch den Aufschrei vieler kanalisiert, so dass er bei alternativen Medien scheinbar gut aufgehoben ist, so aber jede Wirkung verliert. Man kann Menschen leicht mit Eitelkeit ködern; es tut ja gut, zum Beispiel von Auf1 zur „Alternativen Freiheitskämpferin“ geadelt zu werden wir Milena Preradovic, oder wie Tim Kellner von Videos zur eigenen Sendung bei Auf1 zu gelangen.

Auf1 mit Milena Preradovic

Etwas zusammenzusetzen, was zusammengehört, aber kompartmentalisiert ist, erfordert viel Wissen und Wissenserwerb, Unempfindlichkeit gegenüber Manipulation und Untergriffen, und natürlich dass audiovisuelle Eindrücke nicht überbewertet werden. Das findet jedoch nicht statt, sondern weil jemand „meint“, ein anderer „meine etwas Falsches, „meinen“ viele andere, dass das stimmt oder dass man jemand so Kritisierten erst recht unterstützen müsse (siehe Userpostings zu diesem Artikel über Auf1). In der Realität findet man da wie dort Zutreffendes und Irreführendes, wahrscheinlich auch deshalb gehäuft, weil „Haltung“ und „Anti-Haltung“ Bezug zu Fakten abschwächt. Es ist ein sich selbst erklärendes und bestätigendes System: Im Mainstream kommen allenfalls FPÖ-Politiker vor, die man auch bei Auf1 sieht, nicht aber z.B. Mediziner, denen nichts anderes übrig bleibt, als alternativ aufzutreten. Auf der anderen Seite reicht oft ein Link zu einer Mainstream-Quelle, damit Recherchen, die viele Details betreffen, von Konsumenten alternativer Medien nicht gewürdigt werden. Paradoxer Weise ist in der durch Corona entstandenen Szene zwar so viel von Freiheit, Selbstbestimmung, kritischer Bewertung von allem die Rede, doch zugleich lassen sich viele alternativ manipulieren, ohne es zu merken.

Naomi Klein über Naomi Wolf

Es werden Narrative zu alternativmedialen Figuren geliefert, die stets von allergrößter Tapferkeit im Kampf gegen „das System“ künden. Natürlich gibt es Willkür, doch nicht jede Reaktion „des Systems“ ist unfair und überschiessend, und nicht jede alternative Erzählung ist auch wahr. Man muss auch unterscheiden zwischen einer Auseinandersetzung mit real existierenden Hintergründen und vagen Begriffen wie Deep State oder purer Propaganda a la „satanische Elite“. Sehr oft müsste bei jedem Small Talk, jedem Tweet erklärt werden, was mit Begriffen gemeint ist, die viele verwenden, z.B. schlicht „System“ wie in „das hat System“. Es bestehen Abgründe und Vernetzungen, die erschaudern lassen, was jedoch nichts mit dem vermeintlichen „Kampf“ von Auf1 und Co. zu tun hat. Nur mit nüchterner Analyse und sehr viel Recherche, die dann auch aufgegriffen werden muss, lässt sich etwas an einem von alternativen Medien bloss beklagten Ablauf der Dinge ändern. Es ist übrigens nicht so, dass man die Wahrheit völlig ausschalten kann, sondern es wird versucht, sie in einem permanent lauten Chor der verschiedenen Versionen untergehen zu lassen. Weil wir audiovisuell und per Social Media so leicht beeinflusst werden, vergessen viele Fakten, die Narrative zerstören und nicht in drei Zeilen auszudrücken sind.

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