Wie lange wird das wohl halten?

Weil Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler so verschieden sind, was auch für ihre Parteien gilt, fragen sich viele, wie lange die Koalition wohl halten wird. Auch wenn es beliebt ist, den Kanzler als Bräutigam und den Vize als Braut abzubilden, wirken die beiden eher so: Er (Kogler) geht lieber auf den Fußballplatz, Sie (Kurz) in die Oper. Ihm geht nichts über ein paar Bier mit Freunden, sie zieht ein gutes Buch vor. Er ist beim Vorstellungsgepräch absolut von sich überzeugt und versichert, dass er ohnehin alles kann; Sie kommt top vorbereitet nach einer schlaflosen Nacht (was Er überhaupt nicht verstehen kann). Dass Sie und Ereinen Abend auf der Couch verbringen, jeder mit spannender Lektüre, und sich darüber austauschen, scheint undenkbar, ebenso der gemeinsame Museumsbesuch. Falls sie irgendwo gemeinsam und aufgebrezelt erscheinen sollen, stylt Sie sich und vergißt nicht auf die Frisur, während Er aufs Kämmen vergißt. Würden sie beide bei einer Besprechung teilnehmen, ist Sie sehr focussiert, fast zu sehr, und hält sich auch nicht mit Smalltalk auf, während Er zu vergessen scheint, was er eigentlich sagen wollte.Sie spricht bei offiziellen Anlässen Hochdeutsch, manchmal von Dialekt aufgelockert; er Dialekt mit wenigen hochdeutschen Einsprengseln. 

Eine Koalition ist natürlich keine Beziehung, und Dresscodes gibt es auch nicht mehr überall, aber dennoch – kann man es nicht überspitzt und mit viel Fantasie so darstellen? Bei einem Paar würde es die Frage aufwerfen, „was findet Sie nur an ihm?“ oder „ist Sie Ihm nicht zu etetepete?“ bzw. „sie sind doch total verschieden, wie lange das wohl gutgehen kann?“ Gemeinsame Kurz/Kogler-Interviews und nahezu täglich Kanzler/Vizekanzler-Pressetermine werden diesen Eindruck ebenso verstärken wie Fotos und Bildstrecken. Wenn Er dann Ihr öffentlich Machiavellismus vorwirft, fragen wir uns bei einem so verschiedenen Paar, ob Er „Der Fürst“ jemals gelesen hat, denn daraus würden sich interessante Gespräche ergeben. Mit einem Beibehalten des Nein zum UN-Migrationspakt und einem Besuch beim Visegrad-Treffen (sowie vorher in Brüssel) macht Kurz auch gleich klar, wo die Claims verlaufen. Ist es eine Binsenweisheit, dass man nicht zu verschieden sein sollte und ein großer Altersunterschied auch eher ungünstig ist?

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Was besonders irritiert, ist das Gefälle hinsichtlich politischer Erfahrung, da Kogler zwar seit 1981 bei den Grünen und ihren Vorläufern ist, jedoch ausschließlich über Oppositionserfahrung verfügt und zum ersten Mal ein Risiko einging, als er Chef der 2017 aus dem Nationalrat geflogenen Grünen wurde. Übrigens war er zweimal Spitzenkandidat, ohne das errungene Mandat auch anzunehmen, 2010 bei den steirischen Landtagswahlen und 2019 bei der EU-Wahl.  Ohne Greta-Hype und Ibiza wäre er jetzt nicht in einer Bundesregierung; die Bedingungen waren für andere weniger günstig, aber man muss in der Politik mit der vorhandenen Situation zurechtkommen, was z.B. der SPÖ sehr schwerfällt. Kurz muss darauf achten, nicht schon wieder eine Regierung durch vorzeitige Neuwahlen aufzulösen, was den Grünen gewisse Sicherheit bietet. Außerdem färbt der Jubel über den Regierungseintritt der Grünen in manchen – nicht allen – Medien auch auf die ÖVP ab, die dann ja auch als Ex-Partner der FPÖ nicht so schlimm sein kann. Gerne wird jetzt hervorgekramt, dass Kohler doch Gründungsmitglied der Alternativen LIste Graz und der AL Steiermark war, also von der Basis käme (siehe auch neues „profil“). Freilich war er zwar nie Karrierist, vermied aber alles, was nicht opportun sein könnte, wie sich beispielsweise auf die Seite der jenigen zu stellen, die von anderen unfair attackiert wurden. Als die meisten Alternativen von Peter Pilz und Pius Strobl 1986 vertrieben wurdenb, war von Kogler kein Muckser zu hören gewesen; immerhin wurde der angepasste Steirer Andreas Wahl „toleriert“ und bekam ein Mandat.

So sieht es das „profil“

Im Windschatten von Pilz, der Leute an der Basis nach Belieben einschüchtern und bedrohen konnte, wenn es nach Kogler ging, wurde auch er zum angeblichen Kämpfer gegen Korruption. Auch wenn sein Beharren auf Dialekt eine Marotte sein kann, unterscheidet sie von der Ausdrucksweise derjenigen, die sich inhaltlich mit komplexen Sachverhalten befassen und ihre Erkenntnisse auf den Punkt bringen, was bei internationalen Themen zur Verwendung englischsprachiger Fachbegriffe führen kann. Kogler ist da eher der Kommunikator für Gasthausrunden, der populistisch zu „die anderen san eh olle gleich“ verkürzt. Die „Zwangsehe“ soll übrigens am Pogusch in der Steiermark geschmiedet worden sein – d.h. dort erfolgte das erste Beschnuppern. Am Pogusch trifft man natürlich auch Alfred Gusenbauer (etwa 2017 mit Pilz) der einst Christian Kern pushte, der Türkisgrün vor ein paar Wochen seinen Segen gab. Als im Juni 2019 die Übergangsregierung stand, wurde berichtet; „Bei einer Weinkost am Pogusch erinnerten sich Werner Kogler und Sebastian Kurz im Juni daran, was sie am Abend der EU-Wahl vereinbart hatten: Sie wollten sich treffen. Zu zweit, ohne Publikum.“  Der Erfolg der Grünen auf EU-Ebene sollte schließlich die Weichen dafür stellen, dass die Grünen wieder ins Parlament einziehen könnten.

Regierungserklärung von Kurz

Da es reichlich Videomaterial gibt, kann sich ohnehin jede/r selbst ein Urteil bilden. Es scheint, dass sich Rudi Anschober und Leonore Gewessler anders als Kogler schon auf ihre neue Rolle einstellen; Alma Zadic nimmt eine Sonderstellung ein, weil sie zum Opfer von „Hass im Netz“ stilisiert wird, was von heiklen Fragen zur ehemaligen Pilz-Gefolgsfrau ablenkt. Boebachter meinen, die ÖVP gehe auf eine ganz speziell demütigende Weise mit dem neuen Partner um, der mit vielen kleinen Nadelstichen auf seinen Platz verwiesen wird. Ein Kommentator meint gar, die Paarung wäre Serienstoff wie „Borgen“: „Die Konstellation zwischen Sebastian Kurz und Werner Kogler könnte von einem Drehbuchautor kaum besser konzipiert worden sein. Hier der deutlich jüngere Kanzler, der sich in Gestus und Worten wie ein älterer Mann gibt, betont formell, kein ungeplantes Wort und in einer ganzen Regierungserklärung ohne auch nur einen Halbsatz mit Augenzwinkern. Dort der Vize, äußerlich der Prototyp des alten, weißen Mannes, der aber betont informell agiert, beim Staatsakt improvisiert und witzig ist. Diese Konstellation des alten Jungen und des jungen Alten könnte locker eine Serie tragen. Ob auch eine Regierung, wird sich erst weisen.“

Koglers Regierungserklärung

Dass die Grünen zermürbt werden und man ihre Position subtil unterminiert, wird sowohl links als auch rechts festgestellt. Dafür genügt es schon, Inszenierungen zu suchen, mit denen man vertraut ist, bei denen sich Kogler aber nicht so recht wohlfühlt;  Stichwort Pflegeheim: „Umzingelt vom Journalisten-Tross geht‘s hinauf in die dritte Etage, geriatrische Station. Sympathische Senioren, die dort am nett gedeckten Tisch sitzen – sie sind Statisten für einen Leitinhalt – die Pflegereform – der neuen Regierung. Anschober geht auf sie zu. Und während Kogler – noch immer ernsten Blickes – zögerlich und körperlich gesehen ‚von oben herab‘ in Kontakt tritt, geht der Kanzler bereits vor einer älteren Dame in die Hocke. ‚Er ist wirklich ein fescher Mann!‘, sagt sie später. ‚Der vertritt uns g’scheit!‘, sagt eine andere. Eins zeigt sich – auch später beim kurzen Presse-Statement, das zwar viel Charme, doch wenig Konkretes lieferte: Kurz weiß im Gegensatz zu Kogler, wie man solche Auftritte absolviert. Und auch Anschober fühlt sich auf dem Parkett, wo es menschelt, wohl. ‚Ist der auch ein Schwarzer?‘, fragt uns eine Bewohnerin. ‚Grün!‘ korrigieren wir. Und sie retour: ‚Egal, der Kurz macht das schon.'“ Anschober kennt solche Termine von der Zeit als Landesrat, kommt auch als Erster, für Kogler ist es hingegen Neuland, und das weiß die ÖVP….

PS: Ich beschreibe hier, um es in einen eigenen Text zu verpacken, wie man mich warum  fertigmachen will Und es ist alles an Unterstützung wunderbar und wünschenswert: es ist auch alles stärkend für mich, jedes Gefühl, nicht alleine gegen Mauern zu stehen; auch wenn ich weiss, dass viele lesen, was  ich schreibe. Außerdem bin ich vorübergehend wo, aber nicht dauerhaft; und jede Form materieller Unterstützung ist willkommen, persönlich oder auf das Konto Alexandra Bader AT592011100032875894 – BIC GIBAATWWXXX – telefonisch bin ich unter 06508623555 erreichbar. 

10 Kommentare zu „Wie lange wird das wohl halten?

  1. Das hält bis zum Ende der Legislaturperiode, denn Interessenkonflikte und Bruchstellen wurden mit de facto Freigabe beim Abstimmungsverhalten der Parlamentarier gelöst.

    Das ist eine erstaunlich flexible und großzügige und freiheitsliebende Lösung.
    Obendrein wertet das das Parlament auf und betont den Wert des freien Mandats.

    Gefällt mir sehr gut. Das haben Kurz und Kogler wirklich gut gemacht.

    So können unterschiedliche Meinungen als „gute produktive Vielfalt“ statt als „Entmündigender Abstimmungszwang mit Reibungsverlusten“ dargestellt und auch real gelebt werden.
    Die Opposition wird sich sehr schwer tun, denn sie ist weit stärker gefragt als früher und kann nicht mehr so leicht sagen: ich bin aus Prinzip gegen alles, was die Regierung tut. Denn es hängt jetzt auch von der Opposition ab, ob ein Gesetz überhaupt kommt oder nicht.

    Die FPÖ wird mit der ÖVP mitstimmen müssen, wenns um Asyl geht. Die Roten werden mit den Grünen mitstimmen müssen, wenns um Soziales geht.

    Man kann sich mE nicht mehr auf der Oppositionsbank verschanzen.
    DAHER ist es zB ein Fehler(!!), wenn sich der Kickl künstlich zu benehmen versucht wie früher der Strache- also einen auf ERSATZpöbler macht. Er sollte das kommende geänderte KLIMA antizipieren.

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    1. Ja, Kickl ist ein geniales Mastermind, aber keine „Rampensau“ oder ein glaubwürdiger Pöbler…dafür muss jemand anders aufgebaut werden, Norbert Hofer ist das Gegenteil davon. Vilimsky würde mir einfallen, aber der ist nicht mehr übermäßig fit und jung, aber als Zwischenlösung würde das passen.

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  2. Die Schwarzen und die Öko-Schwarzen sind soweit voneinander nicht entfernt und nachdem die Grünen Inhalte weit nach hinten wurden verlagert.

    Ähnlich wie in Bayern, so abwegig ist das gar nicht, war der Wunsch, ‚Alles soll gleich bleiben, allein die Wirtschaft halt dann mal etwas grüner‘. Das reicht halt nicht. Die Grün- und Türkiswähler sind halt die geldigen.

    Dann hören wir uns mal an was ‚klimaneutral‘ tatsächlich heißt. watch?v=TAaUZcZUmnI

    Ohne weniger Autos wird es nicht gehen, ohne maßgeblich weniger Autos, so die Studien und Hermann liegt in dem Punkt auf jeden Fall richtig.

    Erinnere Mittelstandmodell mit einem Wohnraum abgebildet als Verschwendung und damit auch die Möglichkeit zu verschwenden, eine Auto vor der Haustüre, eine Familie drinnen und Hund, Katze und Vogel auf der Fensterbank. Gut. Das Vögelchen nachdem die Türe des Käfigs wurden geöffnet, flog eilig in die Freiheit und nistete sich im nächstgelegenen Hirnkasterl ein. Dort war genug Platz.

    Die Öko Steuern kommen genau zu einem Zeitpunkt zudem die Bedienung der EURO Rettungsfonds fahrt soll aufnehmen und wer stand damals am Tischerl zur Verkündigung des ESM mit am Tisch – der Kogler.

    Die Wiener Stadtregierung, damit auch die Frau Hebein, nomen est omen, spitzte in gewohnter Manier auf eine Steuer im Bund um sich in der Stadt Wien einen noch schöneren Lebensraum zu finanzieren und die Leute am Land sollen das finanzieren. Wenn die Aftermath des politischen Experiments EURO zu berappen wäre.

    Anderes Szenario wäre die Auflösung des EURO und eine neue ‚grüne‘ Welle des Wachstums, damit der nächste Versuch möglw. fruchtet.

    Seit dem EURO kann sich der Österreicher um ca. 15% mehr leisten. Darüber kann man lang und breit diskutieren, wer, weswegen und wieviel dann tatsächlich.

    Es gibt eben diesen Stadt/Land Konflikt der sich in Österreich einerseits zwischen Landgemeinden und Städten abspielt und den Ländern vs. Wien selbst. Schauen wir dann mal, wenn lokal im Fokus tatsächlich wird dominieren, die Frau Hebein in Wien außer kunterbunten Pfeifenträumen noch irgendetwas als in Zukunft realisierbar kann verkaufen.

    Zumal ‚die Frau‘ in dieser Koalition sich voll und ganz durchgesetzt hat, spricht wenig gegen 5 Jahre. Die Grünen können ja relativ befreit unter dem türkisen Tarnkäppchen schwarze Politik betreiben und den Wähler des Koalitionspartner ewig die Öko-Karotte vorhängen.

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  3. Es ist egal, wie lange dieses Schauspiel „hält“.

    Fakt ist, dass die die bestimmen nicht gewählt wurden und die die gewählt wurden nichts zu bestimmen haben. (Der Blog hier liefert unablässig die besten Beweise dafür).

    Kurz und Sadic sind zwei extrem gelungene Prototypen einer vorbildlich gelebten Opportunität, die ein System steter Konditionierung hervorbringt, vom Kindergarten bis zur „bolognagetrimmten Uniausbildung“ und dementsprechend greift: Top Performance, Top Karrieren, Vorbilder, Eliten eben … deren i n n e r e Werte, deren „Rückgrate“ genau was sind?
    Diese Parlaments-show, diese medial genial aufbereitete Demokratiezeremonie dient lediglich dem Machterhalt, den Status Quo zu festigen: Zuschauerdemokratie – besser bekannt als alternativlose, representative Demokratie.

    (Jeder hat ja so seine Lieblinge auf der Bühne sitzen, mit denen er sich identifiziert, an denen er/sie sich abarbeitet etc. … und damit den „neoliberalen Schei**“ mit seinen Verbrechen weiter pflegt und hegt).

    M f G

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    1. Interessant ist, dass Kurz zum WEF nach Davos reist, nicht aber – soweit bekannt – Zadic, die ja ein „Global Shaper“ ist.

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      1. Ja, wenn Kurz dort hin reist, ist er lediglich smarter „Befehlsempfänger“. Was hat er dort zu sagen? – nix!

        Von wegen Durchblick/Intelligenz/Rückgrat wären dort Persönlichkeiten a la Kickl, Kneissl angebracht, aber nicht diese Lachnummer von overstyled and overcoached Dressman …

        M f G

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  4. Begrenzt mutig stimmt exakt.
    Sebastian Kurz bricht mit dem Beitritt Österreichs zur EU-SSZ/PESCO die Bundesverfassung und das Neutralitätsgesetz, denn EU-SSZ/PESCO verpflichtet Österreich zu permanenter Aufrüstung.
    Ein ,Neutralitätsvorbehalt‘ in PESCO existiert nur in der Phantasie von Kurz und Co.
    Österreich hat mit Sebastian Kurz also einen Bundeskanzler der bezüglich Neutralität seit 2017 lügt, und offensichtlich für eine heimliche, faktische Entsorgung der Neutralität ist.
    Wir Grüne werden weiterhin mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln einer Militarisierung Österreichs und einer heimlichen Entsorgung der Neutralität entgegentreten, sagte Monika Vana in OTS0072 am 9. Aug. 2018.
    Jetzt unterstützen Kogler und Zadic schweigend die Lügen von Kurz in der Regierung.
    Und Kickl und Co schweigen dazu.
    Mut schaut wirklich anders aus.

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