Ist Sebastian Kurz das Ende von Christian Kern?

Am 17. Mai ist es genau ein Jahr her, dass Christian Kern als Bundeskanzler angelobt wurde. Er hätte sich wohl erwartet, dass medial Bilanz über dieses Jahr gezogen wird, doch mit dem Rücktritt von ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wurden die Karten neu gemischt. Es verlagerte sich nicht nur der Focus zur ÖVP, Kern ist auch zusehends außer Tritt geraten, zumal Mitterlehners Nachfolger Sebastian Kurz aus der Partei eine Bewegung machen will. Und es wirkt heuchlerisch, wenn sich Kern, der durch Intrigen gegen Werner Faymann an die Spitze der SPÖ gelangte, in der ORF-Pressestunde den Umgang der ÖVP mit Mitterlehner beklagt. Dabei mag es schon stimmen, dass für Kern zwei Lager in der ÖVP erst mit dem Abgang des Regierungspartners deutliche Konturen annahmen.

Es waren auch die Kräfte, die Kurz unterstützen, die den ÖVP-Parlamentsklub um Abgänge bei Team Stronach und NEOS erweiterten, sodass die Schwarzen nur mehr ein Mandat von der SPÖ trennt. Nun hat die SPÖ – aber das gilt für jede Partei – natürlich recht, wenn sie auf Sacharbeit verweist und Maßnahmen noch umsetzen will, von denen die Bevölkerung profitiert. Kern und seine Mitstreiter argumentieren damit aber allzu bemüht, während sie das von Kurz geforderte (und von der ÖVP gewährte) Durchgriffsrecht in der eigenen Partei kaum kritisieren. Eben wurde Kurz noch beim Ministerrat am 9. Mai konzertiert von SPÖ-Regierungsmitgliedern attackiert, und nun bietet Kern Kurz eine „Reformpartnerschaft“ an. Die ÖVP inklusive Kurz will freilich neu wählen, was die SPÖ inzwischen akzeptiert; dabei begannen Provokationen in Richtung Neuwahlen, als Kern an die SPÖ-Spitze gelangte, doch nun wird Kern auf dem falschen Fuß erwischt.

Kurz am 12.5.2017

Langsam könnte das „Publikum“ die Masche von Sebastian Kurz zu durchschauen, die maximale Aufmerksamkeit generiert. Nach dem Rücktritt Mitterlehners am 10. Mai war er erstmal auf Tauchstation, gab dann am 12. Mai ein kurzes Statement ohne Journalistenfragen und sprach auch am 14. Mai nach Beratungen im ÖVP-Vorstand nur wenige Minuten, beantwortete dann er ein paar Fragen. Wesentliches bleibt nach wie vor ungesagt, sodass man erst nicht weiss, wie es mit der Regierung weitergeht oder auch nur, wer nun Mitterlehners Ressort übernehmen soll. Dass Kurz der Partei Bedingungen stellte, die man nur in großer Not akzeptieren kann, wurde (geschickterweise?) bereits vor der Sitzung bekannt, sodass dies keinen Neuigkeitswert mehr hat. Mit anderen Worten wird gerade die SPÖ mit Kern weiterhin auf die Folter gespannt und vor der ÖVP hergetrieben und dürfte erst realisieren, dass bisherige Strategien jetzt Makulatur sind.

Interessant ist die Analyse von FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl: „Im Hintergrund zieht bei den Entwicklungen in der ÖVP Wolfgang Schüssel die Fäden, so wie Kern umgekehrt von Alfred Gusenbauer gesteuert wird. Österreich ist also aktuell Leidtragender eines Stellvertreterkrieges zweier Altpolitiker, die ihre persönlichen Interessen und Rachegelüste über das Wohl des Landes stellen und sich darin überbieten, die Menschen nach Strich und Faden zu täuschen.“ Mit anderen Worten ist es die Neuauflage von Auseinandersetzungen, die 2008 als inszenierter Koalitionskonflikt geführt wurden, der ebenfalls in Neuwahlen mündete. Kern versuchte, sich bei der Pressestunde im ORF durchzulavieren, indem er der ÖVP den Schwarzen Peter zuschob und sich selbst allerdings sehr formelhaft als Sachpolitiker inszenierte. Da Kickl nicht unrecht hat, kann man das Video unten mit Kern-Biograf Robert Misik eher in den Bereich Satire einordnen.

Nun will also Schüssel via Kurz Neuwahlen, während Kern (Gusenbauer) immer mehr in die Defensive gerät. Kurz nutzte die auf ihm ruhenden Scheinwerfer und bot Kern via Medien einen gemeinsamen Neuwahlantrag an. Dabei wird es auch darum gehen, wie lange der gerade erst eingesetzte Eurofighter-Ausschuss tagen kann, bei dem die Kern-Gusenbauer-SPÖ Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos opfern will, auch um die Rolle der SPÖ bei Druck auf den eigenen Genossen zuzudecken. Wenn wie kolportiert Justizminister Wolfgang Brandstetter vorübergehend Vizekanzler wird, muss er erklären, warum er Anzeigen gegen daran beteiligte Rote unterdrückt. „Österreich“, das seit Monaten versucht hat, Neuwahlen und Kurz herbeizureden, bezeichnet Kickls Analyse als realitätsfern, schwafelt aber per Web-TV auch nur herum.

Solche Medien sind aber dennoch ein Indikator, denn hier ist in einem fort von Schwäche Kerns die Rede und davon, dass er schlecht beraten ist. Auch die Niederlage der SPD bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen wird entsprechend ausgeschlachtet, da Kern SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz unterstützt hat, für den dieses Ergebnis eine Katastrophe ist. Es ist bezeichnend, dass „Österreich“ wie andere Medien stets Kerns Berater Tal Silberstein verteidigt und nicht der Frage nachgeht, warum die Presse in Rumänien oder Botswana ihn dem israelischen Geheimdienst zuordnet. Derzeit ist aber vieles in Bewegung, da Kern jetzt spürt, dass man eben noch gehypt werden und dann demontiert werden kann, und auch Kurz kritischer als sonst wahrgenommen wird. Wenn sich der Wahlkampf auf Kern vs. Kurz konzentriert, könnte die FPÖ mit Heinz Christian Strache der lachende Dritte sein, während die Polarisierung den kleineren Oppositionsparteien Grüne, NEOS und Team Stronach schaden kann.

5 Kommentare zu „Ist Sebastian Kurz das Ende von Christian Kern?

  1. Die Wirkung des Studenten Sebastian Kurz wird maßlos überschätzt, denn er hat auch keinen Goldesel, um die maßlos überschuldete Republik zu retten und die drohende Umvolkung zu verhindern.

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  2. Heute über folgende Schlagzeile gestolpert:
    „African Pastor Tried To Walk On Water Like Jesus, But Gets Eaten By Crocodiles Instead.“

    Sollte auch Politikern eine Warnung sein 🙂

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