Sind die Medien schuld an der SPÖ-Niederlage?

Immer noch wird versucht, anderen die Schuld am Verlust der SPÖ-Kanzlerschaft zu geben. So hat der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell für die „Zeit“ 10 Thesen formuliert, die fehlende Recherche und politische Schlagseite in der Berichterstattung unterstellt. Ein User weist in einem Kommentar darauf hin, dass „einmal mehr die beinah völlig unbedeutende Information“ fehlt, „dass Fritz Hausjell Mitglied im Bund Sozialdemokratischer Akademiker (BSA) ist (wikipedia). Und dementsprechend ist der Artikel auch geschrieben….Dieser Artikel beklagt fehlenden investigativen Journalismus und begnügt sich dabei selbst mit Behauptungen und unbelegten Gerüchten. Investigativer Journalismus schaut jedenfalls anders aus.“ Tatsächlich ist Hausjells erste These der Affäre um Dirty Campaigning gewidmet, die die SPÖ auf ihre Kappe nehmen muss. Der Autor beginnt so: „Sind die Medien schuld am Wahlergebnis, wie etwa Bundeskanzler Christian Kern behauptete? Tragen sie die Verantwortung für den Sieg der ÖVP von Sebastian Kurz und für den weiteren Aufstieg der Freiheitlichen? Diese Fragen müssen sich Teile des österreichischen Journalismus gefallen lassen. Am besten wäre es, die Medien stellten sich diese Fragen selbst, um nach der nächsten Wahl nicht neuerlich als Verlierer dazustehen.“

Dann präsentiert er „These 1: Entgegen dem äußeren Anschein war der Journalismus in diesem Wahlkampf aufdeckungsschwach. Denn die Enthüllung der Aktivitäten von Kern-Berater Tal Silberstein und seiner Söldnertruppe, welche die letzten Wahlkampfwochen dominierte, erfolgte nicht durch journalistische Methoden, also durch Recherche. Das belastende Material war vielmehr von politischen Akteuren organisiert und dann ausgewählten Medien auf dem Tablett serviert worden. Ein ähnlicher Mechanismus sorgte auch dafür, dass den Medien andere Dokumente zugespielt wurden. Investigativer Journalismus hätte den Umstand, dass hier die jeweils politisch gegnerische Seite massiv ihre Finger im Spiel hatte, thematisieren müssen. Das ist nicht erfolgt. Daher müssen sich die betreffenden Medien den Vorwurf der Instrumentalisierung gefallen lassen.“ Er stellt als Faktum hin, was nicht bewiesen ist, und blendet aus, dass man ohne Informanten und Informationen ja wohl kaum etwas enthüllen kann. Und er erwähnt nicht, dass sich durch diverse Veröffentlichungen ein klares Bild vom Agieren des von Kern angeheuerten Beraters Silberstein ergibt.

Dass dies internationale Bericht unterstreicht, die Silberstein dem Mossad zuordnen, will Hausjell nicht wahrhaben. Zwar wurde da nicht in die Tiefe gegangen, was Kritik angebracht erscheinen lässt, doch Hausjell geht es ja darum, die SPÖ weißzuwaschen, während das Zusammenfügen von Puzzleteilen, wie ich es gemacht habe, ein beklemmendes Bild ergibt. Anders gesagt war das, was Hausjell bezogen auf den Mainstream zuwenig investigativ nennt, schon zuviel, weil es den Schleier zu via SPÖ vrfolgten Interessen ein wenig lüftete. Verräterisch auch, dass Hausjell von einer „Söldnertruppe“ sprach, an der offenbar nur auszusetzen ist, dass sie namentlich publik wurde. In These Nr. 2 meint er: „Journalismus ist mitunter sträflich ahistorisch. Etliche Medien, selbst solche, die meinen, den Investigativjournalismus gepachtet zu haben, erklärten diesen Wahlkampf nach der politisch angeschobenen Aufdeckung der Silberstein-Aktivitäten zum ‚schmutzigsten Wahlkampf aller Zeiten‚. Das veranlasste ÖVP und FPÖ, sich selbst als die ’sauberen‘ Wahlkämpfer zu inszenieren.“

Tatsächlich gab es verdeckte Aktionen nur seitens der SPÖ – man denke an Fake-Facebook-Seiten zur Diskreditierung von ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz, die über eine von Silberstein eingerichtete Parallelstruktur betrieben wurden. Nicht von ungefähr wird auf Silberstein-Aussagen im Film „Our Brand is Crisis“ über die Wahl in Bolivien 2002 verwiesen (damals arbeitete er auch für Gusenbauer). Es geht ihm darum, dem Gegner auch mit Erfundenem ein negatives Image zu verpassen, ohne dass er damit in Verbindung gebracht wird – und das ist nichts, was ÖVP oder FPÖ Kern antaten. Und Vergleiche sind unter historischer Perspektive mit dem Silberstein-Wahlkampf 2006 angebracht, in dem der offizielle Wahlkampfleiter und dann Verteidigungsminister Norbert Darabos unter Druck geriet. „Politisch angeschobene Aufdeckung“ ist wieder eine Unterstellung, die zeigt, dass Silbersteins Methoden aus BSA-Sicht am besten unter der Tuchent geblieben wären. Zudem ist es legitim aus demokratiepolitischer Perspektive, die Einmischung eines fremden Geheimdienstes in Wahlen abzulehnen und scheitern zu lassen (da die SPÖ absolut uneinsichtig war). Da für Hausjell dieses Ebene nicht existiert, ist für ihn auch nicht im Bereich des Möglichen, dass unsere Dienste durch Überwachung der Kommunikation von Silbersteins „Spezialeinheit“ Material hatten, mit dem Medien etwas anfangen konnten. Was an Mails „geleakt“ wurde, sieht nicht danach aus, als habe man sich mit Verschlüsselung abgegeben.

Artikel in „Österreich“

Während Hausjell sicher kein Problem damit hat, wie Kern abgefeiert wurde, als er Faqymann im Mai 2016 ablöste, lautet These Nr. 3: „Sebastian Kurz bekam seit seiner Machtübernahme in der ÖVP eine sehr große mediale Bühne, die journalistisch fast nie infrage gestellt wurde. Die von APA-Defacto ermittelten Daten zeigen Woche für Woche, welche Politiker die Medien dominieren. Vor dem Rücktritt Reinhold Mitterlehners als Vizekanzler und ÖVP-Parteichef lag Kanzler Christian Kern in den Wochenrankings zumeist auf dem ersten Platz. Ab der zweiten Maiwoche führte dann aber mit zwei Ausnahmen immer Sebastian Kurz die Hitliste der Politikernennungen an. Sind also viele Journalisten einer PR-Strategie der ’neuen ÖVP‘ auf den Leim gegangen, oder waren das politische Marketing der anderen Parteien einfach so viel schlechter?“ Es ist normal, dass Kurz als neuer Parteichef zunächst im Mittelpunkt steht, doch hier kam auch die Neuwahldynamik hinzu. Dass Hausjell von der Vorstellung besessen ist, die ÖVP habe Medien ausgetrickst, zeigen auch weitere Thesen: „Den Medien gelang es nicht, die von der ÖVP zu Beginn des Wahlkampfes stolz als Erneuerung präsentieren Quereinsteiger inhaltlich auszuleuchten. Die Partei schirmte diese Neuzugänge nach ihrer Präsentation erfolgreich ab und vermarktete sie genau dosiert. Medien, die möglicherweise kritische Fragen gestellt hätten, wurden zudem Interviews mehrfach verweigert. Leider haben Medien dieses einer Demokratie unwürdige Machtspiel nur selten transparent gemacht. Der Erfolg der ÖVP bei der Verfolgung ihrer PR-Strategien ist zugleich der Misserfolg des Journalismus. Es gelang nur fragmentarisch, hinreichend Einblicke in die Denkwelten der neuen ÖVP zu liefern.“ (Nr. 9)

Dass sich die ÖVP auf alles einstellte (= wenig Angriffsfläche bieten?), weil das Engagement Silbersteins ein schlechtes Zeichen ist, will dem Experten nicht dämmern. Seitdem bekannt ist, dass Silberstein Kern von dessen Freund und Geschäftspartner Alfred Gusenbauer empfohlen und im Oktober 2016 angeheuert wurde, war Feuer am Dach, auch wenn Kern jetzt der ÖVP unterstellt, seit 18 Monaten Schwarzblau geplant zu haben. Die eigentliche Frage für die SPÖ ist, ob sie die Wahlen nicht gewonnen hätte, wenn sie Darabos zum Wahlkampfleiter bestellt und zu Silberstein Distanz gehalten hätte. Hausjell sollte dazu anregen, in der nächsten Zeit „investigativ“ zu recherchieren, warum die Kombination Silberstein-Black Cube (Beschattung von Journalisten) ein aus Rumänien bekanntes Muster ist (da ging es um die Antikorruptionsbehörde). Oder warum so viele Spuren zur Signa-Holding führen, deren Sprecher Ex-Gusenbauer-Sprecher Robert L. ist, der Verfasser des „Prinzessinnen“-Dossiers für Silberstein, und in deren Aufsichtsrat wir Gusenbauer finden. Und ob es diese Zusammenhänge wegen „Gusis“ Freunden und Geschäftspartnern gibt, und warum es beim SPÖ-Wahlkampf „Made in Israel“ statt „Made in Austria“ hieß und welche Rolle Gusenbauer beim Eurofighter-Vergleich als Folge des Wahlkampfs 2006 spielte, und, und, und…

PS: Dazu passend: Kern stürzt im aktuellen Vertrauensindex ab, um minus 14 Prozent.

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