SPÖ-Asylstreit: Wie der ORF Landesrat Darabos interviewt

Wer sich über „die“ Politik ärgert, muss auch bedenken, wie berichtet und interviewt wird. Da bei Live-Gesprächen ja die Möglichkeit besteht, eigene Anliegen aufs Tapet zu bringen, wird in Interviews gerne versucht, dem Gast die Richtung vorzugeben. Dies kann man gut bei einem Studiogespräch mit Landesrat Norbert Darabos (SPÖ) beobachten, den Armin Wolf in der Zeit im Bild 2 befragte.

Bei „Neuwal.com“ stellte ein „Kurier“-Mitarbeiter ein Transkript des Interviews vom 2.Dezember ins Netz, mit diesem Hintergedanken: „Die Idee hinter dem Transkript ist, ein gesprochenes TV-Interview auch in einem zusätzlichen Kanal – und zwar in Textform – zur Verfügung zu stellen. Oft ergeben sich beim Lesen andere und klarere Zusammenhänge. Strukturen werden erkannt und eigentliche Botschaften, Textbausteine werden noch klarer und können weiter recherchiert werden.

Wir möchten Politik, politische Ideen und Veränderung und den Weg in ein neues, offenes und mitgestaltbares politisches Zeitalter unterstützen. Und dem Gesagten mit dem Transkript einen ernstzunehmenden anderen Zugang sowie eine möglichst breite Reflektion bieten. Danke an die ModeratorInnen und die TV-Anstalten, dass Interviews transkribiert werden können.“ (2)

Was hier jedoch nicht bedacht wird, ist der selektive Zugang zu AkteurInnen auf der politischen Bühne. Dabei muss man all jene Erkenntnisse anwenden, die wir gewonnen haben, als der Mainstream durchgängig Putin als böse, Obama als gut darstellte und den Putsch in der Ukraine negierte (dafür wurde die Krim annektiert). Es ist klar, dass Berichterstattung diesem Schema auch folgt, wenn ein Flüchtlingshype kreiert wird, man zugleich aber Fluchtursachen kaschiert und bereit ist, dem eigenen Nationalstaat, den eigenen Bundesländern zuzusetzen, was fremden Interessen dient.

Es ist nur scheinbar Vielfalt, wenn Bemerkungen und Beurteilungen über SpitzenpolitikerInnen gewisse Variationen aufweisen, da alle von einem gemeinsamen Bild ausgehen. Dieses Bild wird nach jenen Regeln geschaffen, die Putin dämonisieren und Obama außerhalb jeder Kritik stellen. Nach diesen „Gesetzen“ ist Norbert Darabos auf der Verliererstrasse, seitdem er 2007 Verteidigungsminister wurde. Denn man machte aus dem früheren aktiven Mitglied des Landesverteidigungsausschusses im Parlament sofort einen heeresfernen, unglücklichen, schüchternen Ex-Zivildiener, der sich nicht durchsetzen kann.

Tatsächlich berichteten aber z.B. die Vertreter wehrpolitischer Vereine, dass sie anfangs einen aufgeschlossenen, nachdenklichen, sicherheitspolitisch kompetenten Politiker erlebt haben, der ihnen auch einiges versprach. Es kamen dann aber keine weiteren Treffen zustande. Andere wiederum telefonierten zu Beginn noch mit dem Minister, den sie wohlwollend beraten wollten, dann aber mied er jeden Kontakt. Als Darabos im Sommer 2007 den US-Raketenschild kritisierte, wurde er vom Mainstream gebasht, während ich ihn verteidigte; er teilte mir dann schriftlich (= Ministerwille nach Artikel 20 Absatz 3 der Bundesverfassung) mit, dass er mich kennenlernen wollte (dies war ein wenig verklausuliert; er wolle  sich „meinen Zuspruch“ auch weiter verdienen, „darauf und auf Ihre Offenheit freue ich mich sehr“, Anrede war „sehr verehrte Frau“).

Ich verlor dann meinen Job (da die ursprüngliche Ceiberweiber-Seite einen Trägerverein hatte, der aufgelöst wurde; die Seite konnte ich retten, aber seither werde ich mit allen Mitteln fertiggemacht und soll im Februar obdachlos werden) und wurde via Kabinettschef (der alle abblockte, die mit Darabos reden mussten) schikaniert. Selbst der Generalstabschef hatte keinen direkten Kontakt zum Minister, der laut Verfassung die Befehlsgewalt über das Bundesheer hat (und die Verfügungsgewalt von der Bundesregierung übertragen bekommt), sondern musste wochenlang auf Termine warten (die andere nie bekamen).

Es kursieren nach wie vor seltsame Erklärungen für ein Verhalten, das Druck und Überwachung impliziert; so wird z.B. behauptet, Darabos habe Angst gehabt, mit Menschen zu reden, er musste sich vor Terminen übergeben, oder dass er unter Migräne leide (die man wenn, dann ja überhaupt nicht behandeln kann?). Außerdem soll ein Politiker, der ein begabter Stratege ist, mit Auszeichnung maturiert hat und studierte, kein Englisch sprechen (obwohl er dies bei Tagungen tat) und auch Burgenlandkroatisch, die Sprache seiner Volksgruppe, kaum beherrschen.

Nach wie vor wird auf ein Repertoire an Bildern zurückgegriffen, wenn es um die Person Darabos geht; dass sein Kommunikationsverhalten auch als SPÖ-Bundesgeschäftsführer (2013 bis 2015) nicht anders wurde, scheint niemandem zu denken geben. Als Darabos den Raketenschild ablehnte, wurde er zu dem als kritisch geltenden Armin Wolf in die ZiB zitiert und dort gemaßregelt, wie er sich erdreisten kann, basierend auf Bundesheer-Expertise zu behaupten, iranische Raketen könnten Europa nicht erreichen. Als 2010 bei WikiLeaks US-Botschaftsdepeschen veröffentlicht wurden, befand sich darunter auch ein Bericht über US – Russia Joint Threat Assessment Talks, bei denen festgestellt wurde, dass der Iran noch lange nicht so weit sein wird. Darabos sagte auch zu Recht, dass der Raketenschild, gegen den in NATO und EU kaum jemand aufzutreten wagte, eine Provokation Russlands sei.

Es ist daher angebracht, aufmerksam zu  lesen, wie Wolf Darabos diesmal interviewt hat. Der ORF kündigte den Landesrat übrigens einmal als SPÖ-Bundesgeschäftsführer und einmal als Ex-Verteidigungsmminister an.  „Herr Landesrat Darabos, beginnen wir mit der aktuellen Debatte. In Bruckneudorf 400 Flüchtlinge wollen Sie dort auf gar keinen Fall. Wie viele Flüchtlinge würden Sie denn auf den Truppenübungsplatz akzeptieren?“, leitete Wolf das Interview ein. Darabos dazu: „Die Gemeinde Bruckneudorf hat selbst kundgetan, dass sie 50 Flüchtlinge aufnehmen würde. Damit würde sie auch die Quote erfüllen. Das ist in der Vergangenheit auch durch gewissen Schikanen vonseiten des Innenministeriums nicht passiert. Aber ich hoffe, dass das möglich ist. Und damit würde die Gemeinde, die auch sagt helfen, aber nicht sozusagen in diesen Massenlager bereit wäre hier mitzutun, das auch zu tun. Und das heißt, 50 Flüchtlinge werden in Bruckneudorf akzeptabel.“

Wolf berücksichtigt im gesamten Interview mit keiner Silbe, dass das Burgenland wochenlang gerade überrannt wurde und Menschenmassen zu versorgen hatte, bis diese in andere Bundesländer bzw. nach Deutschland weiterreisen konnten. Damals wie heute fühlt sich die Bevölkerung von der Landesregierung vertreten, von der Bundesregierung aber im Stich gelassen. Wolf will, dass Bruckneudorf mehr als die genannten 50 aufnimmt. Darabos kann gerade in seiner Situation nicht sagen, was er (wahrscheinlich) vom Flüchtlings-Hype hält, den die Medien angeheizt haben, sondern meint:

„Der Bürgermeister, den wir jetzt im Beitrag auch gesehen haben, ist ja keiner, der sozusagen insgesamt gegen die Flüchtlingspolitik ist, sondern der auch bereit ist hier auch Flüchtlinge aufzunehmen. Aber man muss es in einem Ausmaß machen, das auch in der Bevölkerung akzeptiert ist. Und ich war selbst in Bruckneudorf vor einigen Tagen und ich habe dort auch gespürt, dass die Menschen hier jetzt nicht radikal gegen Flüchtlinge sind. Sondern sie sind für ein gerütteltes Ausmaß von Flüchtlingen, die hier auch aufgenommen werden können. Aber nicht für 450, die in dieser Gemeinde auch nicht akzeptabel sind. Im Übrigen ich war Verteidigungsminister, wie auch im Beitrag angesprochen wurde… auf einen Truppenübungsplatz 450 Flüchtlinge unterzubringen, das ist aus meiner Sicht ein Schwachsinn.“

Wolf hat kein Interesse daran, Darabos erklären zu lassen, wieso es „Schwachsinn“ ist (etwa, dass man gerade nach Paris keine Unbekannten auf einem Truppenübungsplatz einquartiert). Eine Grundregel in der österreichischen Berichterstattung ist, dass es immer um die FPÖ gehen muss; man begnügt sich daher bei den Grünen und der SPÖ damit, dass diese Parteien sich von der FPÖ abgrenzen (mit Ausnahme der SPÖ im Burgenland). Der Moderator spricht Darabos daher auf Aussagen des „Klubobmanns Ihres Koalitionspartners“ an: „Der sagt nicht Schwachsinn, sondern das sei eine ganz und gar dumme Aktion. Und er hat zum zivilen Ungehorsam dagegen aufgerufen. Er werde als Erster vor der Kaserne stehen und die Kolonnen abwehren. Unterstützen Sie diesen Aufruf?“

Darabos unterstützt ihn „so“ nicht, „allerdings schon den Unmut der Bevölkerung. Den habe ich auch dort gesehen. Das hat weder was mit Rot, mit Blau, mit Schwarz zu tun.“ Wolf will wissen: „Was unterstützen Sie da jetzt konkret nicht?“ Darabos meint „die Wortwahl“, aber „das ist ja jetzt auch nicht das Thema“. Zur ORF-Agenda gehört so viele Flüchtlinge wie möglich (Genfer Konvention, was ist das?) und dass man sie gerade auch in militärischen Liegenschaften unterbringen muss: „Also ziviler Ungehorsam, ja oder nein?“ Darabos weicht aus, geht aber wieder zu seinem Punkt zurück, denn „in diesem Sinne nicht“, aber „Dass Demonstrationen möglich sein sollen, das ist klar.“ Die Wortwahl ist jedoch nicht seine, sondern die des FPÖ-Klubobmannes (bei dem übrigens der „Burgenland“-Korrespondent des „Standard“ Zweifel anmeldet; vielleicht war es ja FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl?). (2)

Demonstriert wurde am 2. Dezember und die nächste Kundgebung ist für den 4. Dezember geplant: „Damit möchte man auch demonstrieren und dokumentieren, dass man gegen ein großes Massenlager ist.“ Ob sich Darabos auch vor das Kasernentor stellen und den Zugang blockieren will? „Das würde ich nicht machen. Aber alle demokratischen Möglichkeiten ausschöpfen, um dieses Lager dort zu verhindern.“ Wolf geht nicht darauf ein, dass Darabos zuvor davon sprach, sich an den Verfassungsgerichtshof zu wenden oder als letztes Mittel die 15a-Vereinbarung mit dem Bund aufzukündigen. (3) Sondern er will den Landesrat maßregeln:

„Jetzt hätten Sie dieses Problem ja überhaupt nicht. Würde das Burgenland seine Flüchtlingsquote erfüllen, dann dürfte der Bund nämlich nicht mit seinem Durchgriffsrecht dort überhaupt Flüchtlinge unterbringen. Sie erfüllen diese Quote nur zu 89 Prozent. Nur Tirol liegt noch schlechter.“ Allerdings wurde Tirol bislang nicht überrannt, anders als das Burgenland, wo insbesondere der Grenzübergang Nickelsdorf belagert wurde und nach dem Ende des wochenlangen Ausnahmezustandes alle vollkommen erschöpft waren, auch eine Menge an Chaos und Müll zu beseitigen hatten. All das existiert für Armin Wolf nicht, der als besonders „kritischer“ Moderator gilt. Er will Darabos nachweisen, dass das Burgenland, dem Geschichten über die angeblich verschwenderische und daher überflüssige Länderebene geschuldet sind, Schlusslicht bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist. (4)

„Und Sie sind Vorletzte“, stellt Wolf fest. Darabos erwidert: „Ja, aber mit 90 Prozent in einer Quote, die auch andere Bundesländer ungefähr erfüllen. Es bewegt sich zwischen 90 und 93 Prozent. Wir versuchen, Quartiere zu schaffen. Seit ich Landesrat bin, haben wir 900 Quartiere zusätzlich geschaffen. Ganz schwierige Aufgabe, weil wir auch die Gemeinden brauchen, um das zu schaffen. Und wir haben gesagt, ‘kleine Quartiere hier zu schaffen, ist das Ziel, das wir haben’. Es ist in den letzten Monaten vom 15. Juli an – also beginnend bis jetzt -, fast eine Verdoppelung der Flüchtlinge in Österreich zu konstatieren, die hier um Asyl angesucht haben. Das heißt fürs Burgenland: 700 neue Quartiere. Und wir arbeiten hart daran. Aber ich glaube nicht, dass ein Massenquartier, wie in Bruckneudorf, dazu beitragen kann, die Akzeptanz der Bevölkerung zu gewährleisten.“

Wolf wischt  es vom Tisch, weil andere Bundesländer „dieses Problem genauso“ hätten – hat er da aber auch recherchiert? Weiss er, dass das von ihm gelobte Wien arme WienerInnen gegen Flüchtlinge ausspielt? So kann man leicht auf Kosten der Bevölkerung „Quoten erfüllen“, während die burgenländische Landesregierung betont, dass sie den Menschen gegenüber verantwortlich ist. „Sie verlangen eine Kursänderung in der Flüchtlingspolitik. Ihr Landeshauptmann Niessl spricht von einem ‘Flüchtlingschaos’. Er verlangt zum Beispiel, eine klare Trennung von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Das klingt aufs Erste ja völlig plausibel. Aber wie trennt man das eigentlich so klar? Ist jemand aus Syrien, der über die Türkei, über Griechenland, über den Balkan bis nach Österreich kommt, ein Kriegs- oder ein Wirtschaftsflüchtling?“, fragt Wolf.

„Neuwal.com“ blendet hier eine Erklärung aus dem „Kurier“ über Flüchtlinge ein, dann kommt Darabos‘ Antwort: „Es geht hier darum, dass wir trennen muss, ganz klar trennen muss. Und da bin ich auch 100-prozentig dafür. Ich war selbst als Verteidigungsminister mehrfach im Kosovo, ich war sechs Mal in Syrien. Menschen, die aus Syrien sind Kriegsflüchtlinge. Menschen, die aus dem Kosovo kommen und aus sicheren Drittländern kommen, wie Montenegro, Mazedonien – nur um zwei Länder jetzt zu nennen -, sind keine Kriegsflüchtlinge, sondern Wirtschaftsflüchtlinge…“ Wolf erwähnt Afghanistan (keine Kriegsflüchtlinge), Irak und Pakistan.

Darabos sagt: „Muss man prüfen im Einzelfall. Im Burgenland beispielsweise haben wir sogar mehr Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan als aus Syrien derzeit in der Grundversorgung. Das muss man aber im Einzelfall prüfen. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass Menschen aus Syrien Kriegsflüchtlinge sind. Aber Menschen, die aus den europäischen Raum kommen und hier als Wirtschaftsflüchtlinge da sind – und ich muss ganz offen sagen: Wir haben eine Zurückweisungsquote heuer gehabt von 6.700. Das ist zu wenig. Es müssen diejenigen zurückgewiesen werden – so schmerzhaft das auch sein mag für die Einzelpersonen -, die hier als Wirtschaftsflüchtlinge nach Österreich kommen.“

Wolf hält Niessl, den Michael Jeannee in der „Kronen Zeitung“ vom 2. Dezember als „einzigen roten Spitzenpolitiker“ bezeichnet, Darabos vor: „Jetzt sagt Landeshauptmann Niessl: ‘Österreich kann nicht jedes Jahr 100.000 Flüchtlinge aufnehmen.’ Wie viele kann Österreich dann aufnehmen?“ Der Landesrat erwidert: „Wir orientieren an der Genfer Flüchtlingskonvention. Wenn jemand als Kriegsflüchtling nach Österreich kommt, dann hat er auch das Recht hier um Asyl anzusuchen. Die Situation ist sehr kompliziert, weil wir auch durch die Einladung von Angela Merkel hier sehr viele Menschen nach Österreich gekommen haben. Über 300.000 über das Burgenland – das möchte ich auch hier anmerken. Das ist ja nicht so einfach für ein kleines Bundesland mit 290.000 Einwohnern über 300.000 Flüchtlinge hier auch zu betreuen und durchzuweisen.“

Wolf wischt diesen Einwand vom Tisch, er hat wahrscheinlich auch nie mit verzweifelten SPÖ-PolitikerInnen in Nickelsdorf gesprochen, die sich von Faymann und Co. im Srich gelassen fühlen: „Gut. Die sind ja durchgegangen. Braucht es eine Obergrenze eine klare?“ Darabos kontert geschickt: „Es ist ganz schwierig, sage ich ganz offen. Weil wir die Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen werden, erfüllen müssen. Das ist ein oberstes Ziel. Aber natürlich sind wir jetzt mittlerweile am oberen Ende angelangt. Allerdings muss ich sagen: Das Burgenland hat derzeit 2.000 Flüchtlinge. Sogar die FPÖ im Burgenland hat gesagt 2.800. Also ein Prozent wäre möglich. Ich glaube, dass das auch eine Grenze ist, die man akzeptieren kann.“

Der Moderator konfrontiert Darabos mit Gerhard Schröders Aussage über Angela Merkel („Sie hat ein Herz, aber sie hat keinen Plan“): „Sagen Sie das auch über Kanzler Faymann?“ Wenn Darabos erwidert: „Kanzler Faymann möchte ich explizit ausnehmen“, will Wolf ihn darauf festlegen, dass Faymann seiner Einschätzung nach sehr wohl einen Plan hat. Hier weicht der Landesrat aus: „Und er ist auch einer der Politiker in Europa, die in der Flüchtlingspolitik versuchen, eine europäische Lösung herbeizuführen. Und deswegen möchte ich auch schärfen, was ich gestern gestern gesagt habe. Ich nehme den Bundeskanzler hier explizit aus, weil er auf europäischer Ebene auch darum kämpft, dass diese europäische Frage auch europäisch gelöst wird.

Das ist allerdings derzeit nicht der Fall. Wenn man sich ansieht wie beispielsweise Slowakei, Tschechien und andere ehemalige kommunistische Staaten mit dieser Flüchtlingsfrage umgehen, dann ist das beschämend. Und dass Österreich hier mit dem Bundeskanzler an der Spitze eine andere Position hat, das akzeptiere ich und das goutiere ich auch. Aber es geht jetzt darum im Burgenland beispielsweise auch dafür zu sorgen, dass die Akzeptanz bestehen bleibt. Und die Akzeptanz kann nur dann bestehen bleiben, wenn wir auch Quoten erfüllen und auch nicht die Menschen überfordern.“ Letztlich landet er aber doch bei seiner Linie (und jener der Landesregierung), dass es Grenzen geben muss.

Die Frage, ob Darabos (und andere in der burgenländischen Politik) wie jene kritischen Menschen denken, die Flüchtlingshype und Druck, dem Druck nachzugeben, als gegen Nationalstaatlichkeit und Föderalismus gerichtete Aktion betrachten, sei dahingestellt. Aussprechen kann man es bei diesen Medien, in dieser Situation in einer Position wie der Seinen jedenfalls nicht. „Die“ Medien sind auch bemüht, Niessls und Darabos‘ Kritik an der Bundes-SPÖ herunterzuspielen. (5) Die „Oberösterreichischen Nachrichten“ betiteln ihren Artikel übrigens  mit „Niessl und die ÖVP greifen den Flüchtlingskurs des Kanzlers an“. (6)

Dann allerdings kommt das Übliche: „Niessl will zur Eindämmung des Zustroms eine klare Trennung von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Er blieb allerdings SP-intern allein auf weiter Flur. Schützenhilfe für Faymann kam etwa von Reinhold Entholzer. Wiens Bürgermeister Michael Häupl warf Niessl ‚inhaltsleere Zurufe‘ vor.“ Die ÖVP hat hingegen längst durchschaut, wie Faymann tickt: „Es freut mich, vom Bundeskanzler erstmals zu hören, dass wir weniger Flüchtlinge haben wollen“, wird Vizekanzler Reinhold Mitterlehner vom Pressefoyer nach dem Ministerrat am 1. Dezember zitiert, bei dem er neben Faymann stand. „Er will analog zu Deutschland, Belgien oder Schweden den Zulauf über strengere Regeln im Asylgesetz bis hin zum ‚Asyl auf Zeit‘ bremsen. Derzeit erreichen 4000 Flüchtlinge pro Tag Österreich, heißt es aus dem Büro von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (VP). Wenn die Hilfe der Türkei nichts bringe, ‚müssen wir über kapazitätsorientierte Obergrenzen‘ reden, verlangt Mitterlehner.“

Während Hans Niessl Chef jener Landes-SPÖ ist, die die stärkste Zustimmung bei den WählerInnen hat, wäre es eine Unterstellung, bei Entholzer und der SPÖ Oberösterreich von „Erfolg“ zu sprechen. Dennoch oder deswegen springt er Faymann mit Schlagworten zur Seite: „Österreich sollte weiter an seiner Flüchtlingspolitik festhalten, sagt Entholzer. ‚Wir sollten uns nicht von einer Willkommenskultur abwenden‘. Wenn man gerade zur Weihnachtszeit die Herbergssuche nicht nur als Brauch sehe, sondern ernst nehmen wolle, ‚ist  die Willkommenskultur gerechtfertigt‘, sagt Entholzer.

Auch wenn manche den Begriff mit falschen Behauptungen verunglimpfen würden. ‚Es ist ja nicht so, dass wir alle nehmen, dass unsere Leute deswegen keine Arbeit mehr haben und Asylwerber uns alles wegnehmen.‘ Entholzer spricht sich gegen Obergrenzen für Flüchtlinge aus. Dennoch sei klar, dass Österreich nur eine ‚vernünftige Größenordnung von Flüchtlingen aufnehmen kann‘, sagt er. Noch einmal 100.000 Asylwerber im kommenden Jahr würden Österreich wohl ‚überfordern‘.“ (7) Im Grunde prognostiziert Entholzer mit seinen Aussagen auch einen weiteren Niedergang der Sozialdemokratie, denn er scheint nicht zu realisieren, dass immer mehr Einheimische auch vor Weihnachten in Not sind und Angst haben müssen, zu verhungern oder obdachlos zu werden. Und sich da keinerlei (scheinbar?) spontane Projekte finden, die hier mit ihrer „Menschlichkeit“ ansetzen, weil Hilfe nur für Fremde gerade auch als Pseudo-Vergangenheitsbewältigung viel bequemer ist. (8)

(1) https://neuwal.com/2015/12/02/norbert-darabos-bei-armin-wolf-in-der-zib2-transkript/ hier ist das Video des Interviews eingebunden: http://burgenland.orf.at/news/stories/2745535/ – der ORF vergleicht auch eine Containersiedlung in Potzneusiedl mit der geplanten am Truppenübungsplatz: http://burgenland.orf.at/news/stories/2745466/
(2) http://derstandard.at/2000026539539/Aufregung-um-Containerdorf-in-Bruckneudorf https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/28/welche-spielraeume-hat-politik/
(3) http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4879234/Niessl_FluchtlingsContainer-fur-Bruckneudorf-nicht-zumutbar?direct=4879862&_vl_backlink=/home/index.do&selChannel=101
(4) http://www.profil.at/oesterreich/titelgeschichte-wie-bundeslaender-unser-geld-verschenken-6110948 – das „profil“ hatte auch Titelstories über den bösen Putin und natürlich darüber, wie unmenschlich „wir“ angeblich sind angesichts einer Flüchtlingstragödie, die doch so rein gar nichts mit Destabilisierung und Kriegen zu tun hat
(5) http://derstandard.at/2000026743362/Rote-kalte-Schulter-fuer-Niessl-bei-Ministerrat – siehe auch https://alexandrabader.wordpress.com/2015/12/01/zum-asylstreit-in-der-spoe/
(6) http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/innenpolitik/Niessl-und-die-OeVP-greifen-den-Fluechtlingskurs-des-Kanzlers-an;art385,2047551 – hier kritisch zu Faymanns Aussagen: https://www.unzensuriert.at/content/0019374-Faymann-entgleist-und-wirft-der-OeVP-vor-auf-der-Seite-der-Bevoelkerung-stehen-zu
(7) http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/landespolitik/Entholzer-Was-will-er-machen-der-Niessl;art383,2047392
(8) https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/25/fluechtlinge-schuldzuweisungen-antifaschismus/ und https://alexandrabader.wordpress.com/2015/11/23/refugees-welcome-als-wiedergutmachung/

3 Kommentare zu „SPÖ-Asylstreit: Wie der ORF Landesrat Darabos interviewt

  1. „Da bei Live-Gesprächen ja die Möglichkeit besteht, eigene Anliegen aufs Tapet zu bringen, wird in Interviews gerne versucht, dem Gast die Richtung vorzugeben. Dies kann man gut bei einem Studiogespräch mit Landesrat Norbert Darabos (SPÖ) beobachten, den Armin Wolf in der Zeit im Bild 2 befragte.“

    Selten eigentlich, dass Armin Wolf dem Interview-Partner, mit oder ohne Absicht, geradezu aufdringlich Gelegenheit bietet, eigene Positionen klar und deutlich, und zum Vorteil des Interviewten, hervor zu heben. Allerdings müsste man dazu wenigstens schon vor dem Interview sich mit klaren und deutlichen Positionen im Studio eingefunden haben. Mehr Worte möchte ich über die Causa „Darabos“ auch gar nicht mehr verlieren müssen 😦

    mfg, Otto J.

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  2. Lieber Otto, ich komme gerade aus Bruckneudorf, wo es eine Kundgebung gegen die Unterbringung von Flüchtlingen am Truppenübungsplatz gab; dort tauchte auch Darabos unangekündigt auf (er redete nicht, wohl aber Niessl); dass sich Darabos nicht frei bewegen kann, haben auch Leute im Burgenland bemerkt, und ein Zeichen dafür ist nach wie vor, dass er mit mir nicht reden „darf“. Die Leute meinten zur ZiB, dass Wolf nicht fair zu Darabos war; nun war er vergleichsweise moderat, wenn man an seinen Umgang mit Susanne Winter denkt, aber doch wollte er Darabos vorgeben, was dieser zu denken hat. Dass Darabos seine Position – die Ihnen zu vage ist, mag sein – dennoch artikulieren konnte, geht wohl auf seine Routine zurück; Samthandschuhe waren keine zu bemerken…

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