Wahrnehmungen und Wahrheiten

Die verhängnisvolle Kriegs-Rhetorik mancher Politiker wird von manchen Medien übernommen – oder von diesen vorgegeben. Dabei fragt sich, was als Realität betrachtet wird und wo Fragen überhaupt noch zulässig sind. Natürlich kann man dies nach den Anschlägen von Paris in besonders intensiver Form beobachten.

„Früher war nicht alles besser aber doch bedeutend einfacher. Politisch und gesellschaftliche Extrempositionen wurden durch einen Effekt abgepuffert, den die deutsche Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann als Schweigespirale charakterisierte. Demnach hängt die Bereitschaft, öffentlich politische und gesellschaftliche Positionen zu äußern, von der persönlichen Einschätzung ab, ob diese Positionen der Mehrheitsmeinung entsprechen. Da der Mensch Furcht davor empfindet, sozial isoliert zu sein, hat er demnach auch Hemmungen, Positionen offen kundzutun, die von der Gemeinschaft nicht akzeptiert werden. Eine besondere Rolle fällt bei dieser Theorie natürlich den Massenmedien zu, da sie die Mehrheitsmeinung definieren und in bestimmten Fällen sogar in der Lage sind, Positionen einer interessierten Minderheit als Mehrheitsmeinung darzustellen“, schreibt Jens Berger bei den „Nachdenkseiten“. (1)

In den sozialen Medien findet keineswegs jener freie Meinungsaustausch statt, den man in traditionellen Medien vermisst, was vor allem für Gruppen gilt, aber wohl auch UserInnen aus ihrer Erfahrung bestätigen können. In Gruppen, wie sie z.B: Pegida auf Facebook betreibt, ist ein weltanschaulicher Konsens „vielmehr das vereinende Element dieser Gruppen. Man filtert Inhalte, die diesem Konsens widersprechen, bereits vorher aus und ist sich vor allem darin einig, dass man sich einig ist. Kommunikationswissenschaftler bezeichnen diesen Effekt als Echokammer. Mit Echokammer wird dabei das Phänomen beschrieben, dass viele Menschen in den sozialen Netzwerken dazu neigen, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben und sich dabei gegenseitig in der eigenen Position zu verstärken.

In den Netzwerken selbst bildet sich dadurch eine fatale Dynamik. Befeuert durch die Echokammer verbreiten sich nicht nur konsensfähige Inhalte, sondern auch Kommentare innerhalb der Netzwerke wie ein Lauffeuer. Wer den Konsens der Gruppe am Besten trifft, wird ‚geteilt‘ und ‚gelikt‘ und kriegt aus anderen, harmonierenden Kreisen Freundschaftsanfragen. Die Echokammer wächst und damit auch der Eindruck, man sei selbst keine Minderheit, sondern eine gesellschaftlich relevante Mehrheit. Facebook und Co. unterstützen und verstärken diesen Effekt dadurch, dass die Algorithmen dafür sorgen, dass man prioritär Inhalte angezeigt bekommt, die von Gleichgesinnten stammen oder von ihnen ‚gelikt‘ wurden. Informatiker bezeichnen diesen Effekt als Filterblase. Das Netz sorgt dafür, dass man vor allem Dinge zu sehen bekommt, die das eigene Weltbild stützen, während unbequeme, dem Weltbild zuwiderlaufende Informationen herausgefiltert werden. Der moderne Nutzer sozialer Netzwerke befindet sich also in einem bequemen Informationskokon.“

Kein Wunder, dass sich viele von Social Media abwenden und andere aus Postings, Presseaussendungen ihrer Fraktion und diverser NGOs eine Welt basteln, von der störende Eindrücke vehement und hochemotional ferngehalten werden. Andere machen die Erfahrung, dass man zugängliche Menschen auf Facebook doch zum Nachdenken bewegen kann – jede/r sollte sein/ihr Medienverhalten daher selbst bestimmen, sich jedoch nicht überfordern, sich nicht mit Nachrichten vollstopfen, ohne diese noch abwägen und bewerten zu können. Übrigens werden die zitierten „Nachdenkseiten“ gerade deswegen angegriffen, weil sie sich um differenzierte und belegbare Argumentation bemühen; dazu wirft man sie mit anderen Internetangeboten in einen Topf. (2)

Wer im Mainstream nicht auf der „gerade jetzt: alle willkommen!“-Linie ist, mit der die Aufnahme von „refugees“ geradezu geheiligt wird, erntet Kollegen-Shitstorms und wird zurechtgestutzt. (3) Manchmal rutscht jemand durch oder macht überraschende Ansagen; dies muss dem ORF am 15. November beim „Europastudio“ mit Paul Lendvai passiert sein. Dort sprach der Osteuropa-Korrespondent der „FAZ“, Karl-Peter Schwarz, dass ihn die Zunahme von Anti-Islamismus nicht wundert, waren die Pariser Täter doch radikale Islamisten:  „Was wir erleben, ist ein Übergreifen der Bürgerkriegssituation von Nordafrika und des Nahen Ostens auf die europäischen Länder.“ Die rund 300.000 nicht registrierten Migranten in Deutschland stellen aus seiner Sicht ein großes Sicherheitsrisiko dar.

„Man müsse sich einmal fragen, welche Folgen diese Politik der offenen Tür, die Politik des Nicht-Einzäunens, die Politik des freundlichen Gesichtes für die Sicherheit in Europa habe. Das große Problem sei, dass die europäische Politik und die deutsche Politik total die Kontrolle über diese Situation verloren hätten. Internationale Medien würden über die ‚Kakophonie der Stimmen‘ berichten, wenn sie über die Flüchtlingspolitik in Deutschland schreiben. Kanzlerin Angela Merkel habe im ZDF-Interview gesagt, dass es weiterhin keine Obergrenze bei Flüchtlingen geben werde. Das hieße aber auch, dass sich weiterhin Flüchtlingsmassen in Bewegung setzen würden“, steht in einem Bericht über die Sendung. (4) Schwarz sprach an, dass Migration laut US-Think Tanks auch als Waffe eingesetzt werden kann. (5)

Demokratien, die humanitäre Werte besonders betonen, sind aus Schwarz‘ Sicht besonders anfällig für diese Art von Erpressung. Den Umgang mit dem „Arabischen Frühling“ und seinen Folgen müsse man kritisch betrachten, denn hier gab es „eine unendliche Serie von Katastrophen und Fehlentscheidungen.“ Schwarz bezeichnet Nicolas Sarkozy, David Cameron und Barack Obama als „Triol Infernal“, weil sie plötzlich begannen, Libyen grundlos zu destabilisieren. Unverständnis über deutsche Politiker herrscht auch in Polen, wo die neue Regierung meint, EP-Präsident Martin Schulz (SPD) habe den Kontakt zur Realität verloren. (6) War Polen vor Paris noch bereit, den EU-Plan zur Verteilung von 120.000 Migranten zu unterstützen, zieht es seine Zusage jetzt zurück.

„Der Präsident des Europäischen Parlamentes Martin Schulz kritisierte die Haltung Polens in einen Fernsehinterview am Sonntag. Schulz meinte, wenn sich Polen von Russland bedroht fühle und um Waffen, Soldaten und Geld bitte, dann zeige sich Europa auch solidarisch. Deshalb könne die polnische Regierung bei der Flüchtlingskrise nicht einfach sagen, dies sei ein Problem Deutschlands. Die Polen könnten nicht sagen, dass sie damit nichts zu tun haben wollen, meinte der Europaparlamentpräsident“, wird berichtet. Innenminister Mariusz Błaszczak spricht von einem „skandalösen Statement“, das ein „weiteres Beispiel für die deutsche Arroganz“ sei: „Warschau wurde von den Deutschen zerstört. Bei Wola wurden 50.000 Menschen, darunter Frauen und Kinder, von deutschen Soldaten ermordet. Und was?“ Denn Schulz würde „eine derartige Aussage niemals gegenüber Israel machen“, obwohl Israel keine Flüchtlinge aufnimmt und seine Zäune ausbaut.

Dass Martin Schulz, der panisch wird, wenn man ihn auf US-Einfluss auf die SozialdemokratInnen anspricht, ein neuer polnischer Kurs empört, ist verständlich. Mateusz Piskorski war Abgeordneter der Partei Samoobrona und ist jetzt Direktor des Europäischen Zentrums für Geopolitische Analysen, das kein Geld von amerikanischen Stiftungen nimmt, also unabhängig und keine Frontorganisation ist. Das „profil“ hat ihn als „rechtsextrem“ bezeichnet (7), als er vor drei Jahren die Wahlen in der Ukraine beobachtet hatte; 2014 organisierte sein Zentrum BeobachterInnen, die aus dem gesamten politischen Spektrum stammen, in Landtagen, Parlamenten etc. in vielen Ländern sitzen, für das Referendum auf der Krim. Samoobrona („Selbstverteidigung“) ist wirtschaftspolitisch links, bei Werten aber konservativ und war einmal sogar in der Regierung; allerdings auch gegen die polnische Teilnahme an US-Militäroperationen und gegen den US-Raketenschild. Mit einer Diffamierungskampagne wegen angeblicher sexueller Belästigung, die in der Soros-finanzierten auflagestärksten polnischen Zeitung Gazeta Wyborksa gestartet wurde, stürzte man die Anführer der Partei.

Dies war vor einiger Zeit auch noch Wikipedia zu entnehmen, doch der Eintrag über die Partei und ihren Gründer Andrzej Lepper wurde inzwischen redigiert; er wird als gewalttätiger Wirrkopf dargestellt. (8) In diesem kurzen Video geht es um CIA-Operationen gegen unbequeme Politiker in Lateinamerika, „character assassination“ via Fake-Pornofilm inklusive. (9) Nun bezeichnet Mateusz Piskorski die NATO-Mitgliedschaft Polens als „amerikanische Besetzung“ seines Landes. Das Bündnis hat auch keine Existenzberechtigung mehr, sondern verteidigt Interessen der USA und verletzt die Souveränität (nicht nur) seiner Mitgliedsstaaten. Er schreibt: „Von den humanitären Aspekten kann die Kulturformel der zeitgenössischen Vereinigten Staaten auf einfache Weise entbunden werden durch Zitieren des Datenmaterials, das die amerikanische Organisation Physicians for Social Responsibility gesammelt hat; es zeigt, dass in den letzten dreizehn Jahren Washingtons so genannter Krieg gegen den Terror im Nahen Osten mehr als zwei Millionen zivile Opfer gefordert hat. Das Pentagon kümmert sich nicht um Statistiken von toten Zivilisten, was in sich schon die Einstellung seiner Führung zu dem Wert zeigt, der in der europäischen Kultur als der höchste gilt – das menschliche Leben.“

Was Medien, die US-Interessen vertreten, als „nationalistisch“ betrachten, sind Gedanken wie diese: „Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges befindet sich Europa unter der kulturellen (Hollywood, Pop-Kultur), politischen (atlantistische und euro-atlantistische Ideologie wie auch der Neoliberalismus) und finanziellen (Kasino-Kapitalismus und der Washington Consensus) Steuerung durch Washington. Die Garantie für diese Steuerung ist die Anwesenheit der US-Streitkräfte auf dem Alten Kontinent. Sie wird unter dem Vorwand betrieben, die Sicherheit der Nato-Verbündeten zu gewährleisten. Offiziellen Angaben zufolge sind ständig etwa 65.000 amerikanische Soldaten in Europa in der Mehrheit der EU-Länder stationiert.“

Und er weist darauf hin, dass Abkommen mit Russland verletzt werden: „Gemäß den Vereinbarungen von 1997 zwischen der Nato und Russland sollen mit Rücksicht auf die Stabilität im Gebiet der früheren Warschauer Pakt-Staaten keine Verlagerungen irgendwelcher Einheiten stattfinden. Diese Abmachung wird heute regelmäßig gebrochen nicht nur im Fall der zentraleuropäischen Staaten, sondern auch in den früheren sowjetischen Republiken im Ostseeraum. Die jüngsten Aktionen der Amerikaner auf dem polnischen Staatsgebiet sind ein klares Zeugnis für die ständige Präsenz von militärischen US-Einheiten in unserem Land. PR-Maßnahmen wie Treffen mit den Einwohnern polnischer Städte oder der kürzlich erfolgte Triumphzug amerikanischer Einheiten auf polnischen Straßen unter dem Glorienschein der Verteidiger sind Beweis für Washingtons langfristige Pläne in unserem Teil Europas.“ (10)

Alternative Medienangebote sind in dieser Situation gefragt, nicht nur in Polen – ein RT-Interview mit dem Journalisten Geraoid O Colmain wurde innerhalb weniger Tage mehr als 500.000 mal im Web angesehen. (11) Colmain spricht von einer Destabilisierung Zentraleuropas durch Flüchtlingsmassen, wobei auch gegen Dissidenten vorgegangen wird, die hier und in Reaktion auf den Terror von Paris rational argumentieren. Dazu gehört auch, vernünftige Politiker wie Viktor Orban zu dämonisieren, und davon abzulenken, dass Terror sehr viel mit westlichen Interventionen zu tun hat. Dass Kriegsrhetorik zu einer verhängnisvollen Dynamik führen kann, ist inzwischen auch dem „Spiegel“ aufgefallen, der davor warnt, den Feind größer zu machen, als er ist. (12)

Aber wie groß ist er wirklich? „Telepolis“ hat Robert Baer interviewt, der lange Jahre für die CIA im Nahen Osten war und an dessen Erfahrungen „Syriana“ mit George Clooney angelehnt ist: „Die deutsche Regierung hat neulich eingestanden, dass sie nicht weiß, wie viele Menschen kürzlich als Flüchtlinge eingereist sind. Halten Sie das für eine Gefahr?“ Bear stimmt zu: „Absolut. Ohne die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge als Bedrohung darstellen zu wollen, die vor Not, Terror und Krieg flüchten, aber natürlich können potentielle Terroristen sich in diesem Strom von Menschen wie Fische im Wasser bewegen.“ (13) Der Chef des österreichischen Verfassungsschutzes Peter Gridling geht hingegen davon aus, dass Terroristen viel bequemer reisen wollten. (14) Der Verteidigungsminister der Schweiz Ueli Maurer sagt, dass natürlich Schläfer mitten unter uns sind, und weist auf begrenzte Kapazitäten auch der Armee hin. (15)

Für Baer ist selbstverständlich, dass auch die Geheimdienste Fehler gemacht haben: „Jedem Terroranschlag geht ein Versagen der Dienste voraus. Ich kann Ihnen sagen, was die US-Geheimdienste angeht, die sind inzwischen in bürokratischer Routine erstickt, agieren provinziell, bei allem globalen Gehabe.“ Dies darf nicht zur falschen Annahme führen, dass alles in besagter Routine erstickt und US-Dienste keineswegs erfolgreich operieren – und dies wird gerade den Diensten in EU-Staaten bewusst sein, für die die Amerikaner offiziell ebenso „Verbündete“ sind wie Politik und Medien, wo aber integre Personen (ebenso wie integre Journalisten und integre Politiker)  wissen, dass die USA oft gegen die Interessen ihrer Länder agieren.

Auch durch die Berichterstattung der letzten Jahre gehen viele davon aus, dass die Arbeit der Dienste vor allem aus dem besteht, was unter anderem Glenn Greenwald basierend auf Edward Snowdens Dokumenten enthüllt hat. Dabei ist interessant, dass Greenwald zwar in diesem Kontext gerne im Mainstream zitiert wird, man jedoch nicht aufgreift, wie er kritisiert, dass Snowden dafür verantwortlich gemacht wird, dass Terroristen kommunizieren können. (16) Wer auch Seriöses basierend auf guten Geheimdienstquellen lesen will  – unter anderem von den „Veteran Intelligence Professionals for Sanity“, die seit dem Irakkrieg 2003 in Memos an den US-Präsidenten und an die Öffentlichkeit über Desinformationen aufklären -,  sollte die Seite „Consortium News“ frequentieren. Aktuell gibt es Beiträge etwa von einem Historiker und einem britischen Diplomaten zum Thema Syrien und Terror. (17)

Aufgrund von Terrordrohungen fand bereits das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Holland sehr kurzfristig nicht statt; es sei von einer „konkreten Gefahrenlage in ganz Hannover“ auszugehen; auch Angela Merkel hätte dabei sein sollen. (18) Außerdem wurde das Freundschaftsspiel Spanien gegen Belgien abgesagt. (19) Am selben Tag, an dem diese beiden Spiele abgesagt wurden, spielten planmäßig Österreich und die Schweiz in Wien, was dann Bundeskanzler Werner Faymann und Verteidigungsminister Gerald Klug als „Zeichen der Solidarität“ mit den Opfern von Paris interpretiert wurde. (20) Und dann gibt es einige Konzertabsagen amerikanischer und britischer Bands und Künstler, auch der „Eagles of Death Metal“, die am 13. November in der Bataclan-Halle auftraten. (21)

Während sich die ÖVP Kärnten damit vorwagt, dass Terroranschläge auch etwas mit „falsch verstandener Willkommenskultur“ zu tun haben (22), macht Campino von den „Toten Hosen“ im „Falter“ klar, wohin die Reise gehen soll: „Abgesehen vom Schock, dass da ein Angriff auf das normale Leben in Europa stattfand, war da auch sofort die Angst, dass diese Sache auf unfaire Art die Flüchtlingsdebatte befeuern würde und der Weg zur Sachlichkeit dadurch noch einmal sehr viel steiniger sein wird.“ (23) Die „Toten Hosen“ waren auch der Publikumsmagnet beim „Voices for Refugees“-Gratiskonzert am Wiener Heldenplatz am 3. Oktober, wenige Tage vor der Wiener Wahl; Campino und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, gegen den der Sänger protestierte, lieferten sich dann einen virtuellen Schlagabtausch. (24) Beim Konzert sprach übrigens einzig Konstantin Wecker davon, dass Kriege und Ausbeutung durch westliche Konzerne Flüchtlinge erzeugen („wer Waffen sät, erntet Flüchtlinge“). (25) Allerdings hilft er auch den Menschen in Griechenland und informiert über ihre Situation. (26)

Am 16. November präsentierte der Kabarettist Roland Düringer sein neues Buch „Weltfremd?“, das auf seinen Auftritten der letzten fünf Jahre beruht, die eine Mischung aus Kabarett und Vortrag waren. Passenderweise wählte er als Ort den Anthropologie-Saal des Naturhistorischen Museums in Wien, den man durch eine Austellung unter dem Titel „Planet 3.0“ erreicht. Während Düringer sich fragt, wie weit wir uns vom Neandertaler entfernt haben und was dieser zu unserem Leben auf Pump sagen würde, sieht man auf dem Weg zu ihm die Erde in unterschiedlichen Stadien ihrer Entwicklung, außerdem Modelle früherer Lebewesen, Gesteinsproben und nachgebildete Arbeitsplätze von ForscherInnen, dies alles untermalt mit Geräuschen auf der Erde, bevor wir die Bühne betreten haben, und begleitet von der Warnung, dass wir uns selbst zu vernichten drohen.

Als Düringer sich von Auto, Handy und Bequemlichkeit verabschiedete und in einen Wohnwagen neben seinem Haus zog, waren Medien rasch dabei, ihn (neu) einzuordnen; nun war er gefragter Interviewpartner und Talkshowgast, weil er plötzlich so „anders“ war. „Weltfremd“ war eine beliebte Titulierung, deshalb wählte er diese Bezeichnung auch für Programm und Buch. „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“, fragt er, weil ja diejenigen, die ihn einordnen wollen, von sich selbst ausgehen. „Aus welcher Sicht, wenn nicht aus meiner Sicht, sehe ich das Leben;  es geht für mich dabei um alles oder nichts“, erklärt er dem Publikum im Museum zwischen präparierten Affen und Skeletten von Mensch und Affe.  „Das Wichtigste ist immer meine Sicht“, und diese beruht auf Erfahrungen, „denn was wir wahrnehmen, erkennen wir wieder“.

Erst aus der Begrenzung, aus der Endlichkeit wird Raum, hat alles einen Anfang und ein Ende, wie Düringer mit Wasser und zwei Gläsern zeigt. Er will die Menschen dazu anregen, in Frage zu stellen, was für sie selbstverständlich ist, und will wissen, wer seine Arbeit auch dann tun würde, wenn sie oder er dafür kein Geld bekommen würde; nur wenige heben die Hand. „Sie wollen also einen Einkommens- und keinen Arbeitsplatz“, dabei arbeiten viele Menschen nur deswegen so viel, weil sie Kredite abbezahlen müssen. Schuldenmachen würden Neandertaler überhaupt nichtt verstehen, mahnt Düringer, der sich stets auch mit dem Finanzkapital und damit auseinandersetzt, dass etwa in der Nahrungskette nur die Semmel bar bezahlt wird, aber alle an ihrer Herstellung beteiligten Maschinen geleast sind. „Wenn Ihnen etwas furchbar klar ist, dann fragen Sie“, fordert er sein Publikum auf und zitiert Helmut Schmidt, der es tragisch fand, dass sich die Dummen ihrer Sache so sicher sind, während die Klugen zweifeln. (27)

Da es aber keine Rolle spielt, ob sich ein Redakteur in der U-Bahn geärgert hat oder im Stau steckte, sondern gefragt werden muss, warum uns was gerade jetzt wieder so eindringlich als „News“ aufgedrängt wird, geht es auch darum, Düringer zu hinterfragen. Bildet er sich sein Urteil über Paris und die Folgen basierend z.B. auf dieser Titelseite: „Terror-Angst rückt näher – Pariser Terrorist vor zwei Monaten in Wien auf ‚Urlaub‘ – Anschlag geplant: Deutschland-Match gegen Holland abgesagt – Länderspiel Österreich gegen die Schweiz (1:2) wurde Zitterpartie“ („Heute“, 18. November; man sieht das Gesicht des durchreisenden Terroristen und gross einen Polizisten in Hannover), die in „Österreich“ zu „Polizei ließ ihn laufen  – Terror-Bomber kam aus Österreich“ verkürzt wird? Wo wir in den Blättern u.a. erfahren, dass in zwei Hotelzimmern in Paris auch Drogen gefunden wurden, mit denen man sich auf mit eiskalter Präzision durchgeführte Anschläge vorbereitet? „Terror legt den Fußball lahm“ hatte schliesslich die „Kronen Zeitung“ auf dem Titel, die natürlich auch die „Spur nach Österreich“ thematisiert und das Praterstadion als „Bastion der Freiheit“ bezeichnet, weil hier gespielt wurde.

(1) http://www.nachdenkseiten.de/?p=28235
(2) http://www.maskenfall.de/?p=9931
(3) Beispiele dafür hier: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/markus-maehler/-durchgeknallt-wie-mainstream-moralisten-die-debatte-nach-den-pariser-anschlaegen-
(4) https://www.unzensuriert.at/content/0019244-Wie-kam-der-Advocatus-Diaboli-das-ORF-Europastudio
(5) http://www.neopresse.com/gesellschaft/die-chaos-theorie-fluechtlingsstroeme-als-migrationswaffe/
(6) http://www.epochtimes.de/politik/europa/polen-minister-ueber-eu-fluechtlingsquote-schulz-hat-eindeutig-kontakt-zur-realitaet-verloren-a1285055.html
(7) http://www.profil.at/home/piskorski-piskorski-345683
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Samoobrona und https://de.wikipedia.org/wiki/Andrzej_Lepper
(9) https://www.youtube.com/watch?v=opyymMi50rk#t=15
(10) http://www.voltairenet.org/article189280.html
(11) https://www.youtube.com/watch?v=L7GAbVhjTSw
(12) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/paris-anschlaege-wer-kann-am-besten-apokalypse-a-1063173.html – ein Beispiel für Kriegshetze ist der jahrzehntelange ORF-Journalist Hugo Portisch, der auch als Autor durch die Buchhandlungen tingelt: http://www.krone.at/Oesterreich/Hugo_Portisch_Europa_hat_ein_Recht_auf_Krieg-Nach_Paris-Attacken-Story-482364
(13) http://www.heise.de/tp/artikel/46/46584/1.html
(14) http://www.krone.at/Oesterreich/Kommt_der_Terror_auch_zu_uns._Herr_Gridling-Krone-Interview-Story-482153
(15) http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/schlaefer-die-unter-uns-leben-sind-die-groesste-gefahr-1.18646604
(16) http://www.informationclearinghouse.info/article43438.htm „Exploiting Emotions About Paris to Blame Snowden, Distract from Actual Culprits Who Empowered ISIS“
(17) https://consortiumnews.com/2015/11/17/falling-into-the-isis-trap/ und https://consortiumnews.com/2015/11/17/lost-on-the-dark-side-in-syria/
(18) http://www.n-tv.de/politik/Konkrete-Gefahrenlage-in-ganz-Hannover-article16377166.html
(19) http://www.spiegel.de/sport/fussball/paris-belgien-freundschaftsspiel-gegen-spanien-abgesagt-a-1063150.html
(20) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151117_OTS0284/faymannklug-grosser-respekt-vor-unserem-nationalteam
(21) http://www.gmx.at/magazine/unterhaltung/stars/eagles-of-death-metal-deutschland-konzerte-31130684 oder
http://www.haz.de/Nachrichten/Kultur/Uebersicht/Konzertabsagen-nach-Terror-in-Paris-Auch-Prince-sagt-Europa-Tournee-ab oder http://www.vip.de/cms/nach-terror-in-paris-zahlreiche-bands-wie-die-foo-fighters-oder-coldplay-sagen-ihre-konzerte-ab-2533995.html
(22) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151117_OTS0255/vp-huetervp-gaggl-terroranschlaege-in-paris-mahnmal-fuer-die-falsch-verstandene-willkommenskultur – und so sehen es die Kärntner Grünen: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151117_OTS0234/gruenelebersorger-fluechtlingszuzug-bringt-neue-wirtschaftskraft-und-wohlstand-fuer-kaernten
(23) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151117_OTS0242/falter-campino-von-den-toten-hosen-zu-den-anschlaegen-von-paris
(24) http://kurier.at/kultur/musik/campino-muessen-die-zuendler-in-die-ecke-stellen/156.692.448 und http://www.salzburg24.at/hc-strache-reagiert-auf-campino-kritik/4475934
(25) https://www.youtube.com/watch?v=1_Wn6jiPHio
(26) http://hinter-den-schlagzeilen.de/2015/11/13/helfen-wir-den-menschen-in-griechenland-16-zwischenbericht/
(27) http://shop.e-a.at/buch-weltfremd-von-roland-d%C3%BCringer und zur Ausstellung: http://www.nhm-wien.ac.at/planet_30

2 Kommentare zu „Wahrnehmungen und Wahrheiten

  1. wieder ein toller Beitrag von Alexandra. Wären doch viele Quellen so, dann hätten wir eine Sorge weniger. Weiter so ich lese sie alle gerne von dieser Seite.

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