Old Boys Networks als Stolpersteine für Frauen

Oft haben Frauen kein Problem damit,  sich selbst etwas zuzutrauen und selbstbewusst aufzutreten. Doch es sind die Old Boys Networks, die unter sich bleiben wollen und die gegen Frauen zusammenhalten. Und es sind Old Boys jeden Alters, die Frauen als Objekte betrachten, ihre Leistungen übersehen und Fehltritte anderer Boys beschönigen. Deutlich wird dies bei @boyfromcountry, wie sich Ex-„Wiener Zeitung“-Chefredakteur Reinhard Göweil auf Twitter nennt, der gefeuert wurde, weil er einer jungen freien Mitarbeiterin eine feste Anstellung gegen Sex in Aussicht stellte. Er tat dies in einem Facebook-Chat, den die Journalistin der Gleichbehandlungsanwaltschaft vorlegte. Da es freie Journalisten nicht gerade leicht haben, ist verständlich, dass sie zögerte, sich gegen den gut vernetzten Old Boy zu wehren. Reaktionen anderer Old Boys geben ihr diesbezüglich recht, wobei einige in der Medienszene es vorzogen, geradezu ohrenbetäubend zu schweigen. Bezeichnend ist, dass die Boys so tun, als sei Göweils Verhalten rein „privat„, als ob er „privat“ Jobs vergeben kann (gegen sexuelle Zugänglichkeit natürlich).

Sofort dachten einige, Göweils Abgang sei ein Vorbote von Schwarzblau, da die „Wiener Zeitung“ im Eigentum der Republik steht und derzeit SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda zuständig ist. Er selbst leistete dem Vorschub, indem er von „Intrigen“ sprach und ankündigte, sich beim Arbeits- und Sozialgericht zu wehren. Dann aber ruderte er zurück und gestand ein, dass er sich auf Facebook zum Narren gemacht hat, doch dies tat den Solidaritätsbekundungen seiner Fans keinen Abbruch. Nur sehr selten verhalten sich Personen,  die in einem bekannt gewordenen Fall so agieren, ansonsten vollkommen untadelig, was auch für Göweil gilt. Es ist aber immer noch ein Unterschied, ob man(n) z.B. für kritische Berichte über die Wiener Linien in die Sportredaktion versetzt wird oder ob frau in ihrer Intimsphäre verletzt wird. Auch Berichte über die „Besetzungscouch“ in Film und Theater thematisieren das Verhalten von bestimmten Männern gegenüber Frauen, die mit Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie nicht mitspielen. Immer braucht es Zeit, bis eine Betroffene das Wort ergreift und dann andere in das #MeToo einstimmen. Da es um männliche Hegemonie geht, stehen Frauen unter Rechtfertigungsdruck, die diese in Frage stellen. Selbst wenn hier das Opfer anonym bleiben kann und andere es verteidigen, muss es schlimm sein, all die Verhöhnungen und Verharmlosungen im Netz zu lesen.

Diskussion auf Twitter

Bei Hegemonie geht es um Deutungsmacht, darum, wer vorgibt, wie etwas (oder jemand)  zu betrachten ist, was zählt (und wer) und was nicht. Frauen wird in mannigfachen Situationen nach wie vor die Glaubwürdigkeit abgesprochen, was vielleicht auch erklärt, dass kaum eine investigativ recherchiert, ohne dabei Teil eines mehr oder weniger großen Teams zu sein. Dabei kann es um persönliches Risiko gehen, zumindest aber darum, dass neue Informationen, Schlußfolgerungen und ein neuer Blick auf Personen, Situationen und Zusammenhänge etwas mit Hegemonie zu tun haben. Wo kämen die Old Boys Networks, die Generation 50 plus (obwohl auch manch Jüngere so drauf sind) eigentlich hin, wenn sie einer Frau „zugestehen“, dass sie das Denken über bestimmte Vorgänge definiert oder verändert. Aufdeckerinnen können zudem in Gefahr geraten: „Die Bloggerin Daphne Caruana Galizia war vor wenigen Tagen durch eine Autobombe auf der Mittelmeerinsel (Malta) getötet worden. Wer hinter der Tat steckt, ist immer noch unklar. Caruana Galizia hatte unter anderem einen Skandal um die sogenannten Panama Papers aufgedeckt. Dabei beschuldigte sie auch Mitarbeiter und die Ehefrau von Premierminister Muscat, Übersee-Briefkastenfirmen zu betreiben.“

Man weiss, dass sich Caruana Galizia mehrfach vergeblich an die Behörden wandte, weil ihr Leben bedroht war. Hätte man das ernster genommen bei einem Mann? Sie war keine Journalistin am Beginn ihrer Laufbahn, sondern Mitte 50, also niemand, der Old Boys via Facebook Avancen gemacht hätten. Es verwundert nicht, dass sie sich mittels Blog Aufmerksamkeit verschaffte, da die Menschen sich im Netz den Informationen zuwenden, die sie wirklich interessieren, ohne die Old Boys-Zensur-Schere.  Wenn Frauen sich schon selbst gewissen Status verschafft haben, fahren ihnen die Boys anders in die Parade, als sie auf die Besetzungscouch zu bestellen. Es hat durchaus massive Folgen, wenn frau dazu nicht bereit ist, wie etwa Schauspielerin Maxi Blaha erzählt. Ein deutscher Regisseur wollte sie engagieren, erwartete aber, dass er bei ihr übernachten kann; sozusagen zum Kennenlernen. Da sie ablehnte, gab er die Rolle einer anderen, mit dem Vorwand, dass sie sich ihm emotional nicht geöffnet habe, was unerlässlich sei für die gemeinsame Arbeit. Der Fall Weinstein zeigt auch, wie Männer zu Komplizen gemacht werden: „Harvey Weinstein, in der Vergangenheit stand dieser Name für Erfolg im US-Showgeschäft und für Erfolgmacher – und zwar von ( jungen) Talenten weiblichen und männlichen Geschlechts. Wie jetzt bekannt wurde, verlangte er vielen Frauen als Gegenleistung sexuelle Dienste ab; die Männer korrumpierte er, indem er ihre Projekte förderte. So erkaufte er sich ihr Schweigen, wie George Clooney und Quentin Tarantino jetzt durchblicken ließen.“

Von Twitter

Dabei ermöglicht #MeToo Frauen weltweit,  ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt zu posten, wobei gegen Weinstein nun auch in Großbritannien ermittelt wird. Natürlich geht es auch um Politik, etwa wenn Familienministerin Katarina Barley (SPD) und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles von Belästigung, Betatschen und Sexismus im politischen Alltag sprechen: „Eine typische Sexismus-Erfahrung ist, dass Frauen nicht ernst genommen werden. Ich habe in meinem Leben unglaublich oft gehört: Die kann das nicht. Oder: Sie ist noch nicht so weit.“ Nahles meint auch, dass bei Frauen die Qualifikation auch dann noch angezweifelt wird, wenn sie bereits sehr erfolgreich im Leben stünden: „Ich kenne nichts Vergleichbares bei Männern.“ Die schwedische Außenministerin Margot Wallström war die erste Politikerin, die zu #MeToo auf eigene Erfahrungen verwies: „Ich will nicht zu persönlich davon erzählen, aber ich kann bestätigen, dass das auf höchstem politischen Niveau vorkommt und dass sogar ich das erlebt habe.“

Sie nannte keine Namen, ging aber schon einmal auf einen Vorfall ein: „2014 hatte die schwedische Politikerin in einem Buch von sexueller Belästigung bei einem Abendessen mit mehreren EU-Staats- und Regierungschefs berichtet. ‚Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Schenkel. Mein Tischnachbar begann, mich zu betatschen. Das war völlig irreal‘, schrieb sie damals. Den Namen des Tischnachbarn nannte Wallström nicht. Sie habe sich über ihn beschwert, wisse aber nicht, ob das Konsequenzen gehabt habe.“ Als vor ein paar Jahren eine Genossin von einem dafür notorisch bekannte Genossen belästigt wurde, wandte sie sich vergeblich an ihre Parteikollegin, die damalige Fraueministerin Gabriele Heinisch Hosek. In der Anfangszeit der Parlamentsgrünen war es von Vorteil, mit einem gewissen „wichtigen Mann“ aktuell oder früher etwas gehabt zu haben. In beiden Parteien (und anderswo) saßen Frauen zwischen allen Stühlen, die das nicht wollten, aber stets auch zuwenig Solidarität anderer Frauen erlebten. Und Männer verhalten sich –  wie auch jetzt kritisiert wird – viel zu oft passiv gegenüber anderen Männern und meinen, mit Nichteinmischung sei ihre Distanz zu deren Benehmen hinreichend deutlich. Es reicht auch nicht aus, Frauen selbst auf Augenhöhe zu begegnen, wenn die meisten anderen im Umfeld altbackene, sexistische Vorstellungen habe, jede Frau taxieren und Leistungen von Frauen grundsätzlich ignorieren. Denn der Umgang solcher Männer mit Frauen wird beschönigt, was bis zum Wegreden von Vergewaltigungen gehen kann. Was wohl passiert, wenn mehr Frauen aus der Politik #MeToo twittern?

PS: Wie hier beschrieben werde ich seit Jahren wegen kritischer Berichte attackiert; nun suchen die Kater Baghira und Gandalf und ich ein neues Quartier, bevorzugt in Wien oder Wien-Umgbung. Wer etwas für mich hat oder weiss hilft mir damit sehr. Auf den Wunsch vieler treuer Leserinnen und Leser hin ist finanzielle Unterstützung jederzeit willkommen: Alexandra Bader, Erste Bank BLZ 20111, BIC GIBAATWWXXX, IBAN AT592011100032875894. Ihr erreicht mich unter 06508623555, alexandra(at)ceiberweiber.at und ich bin auf Facebook und Twitter (cw_alexandra)

3 Kommentare zu „Old Boys Networks als Stolpersteine für Frauen

  1. Ausgrenzung ist nie schön, aber es ist m.E. trügerisch, das Wirken o.g. Netzwerke als allein frauenfeindlich zu verstehen. Je nach Verbohrtheit dieser Netzwerke werden deren MIttel zur Abwehr von Nichtmitgliedern unterschiedlich drastisch ausfallen. Wenn es ihnen zweckdienlich erscheint, eben z.B. auch geschlechtsspezifisch. Es geht solchen Leuten aber um Wirksamkeit und nicht um Moral. Wenn geschlechtsspezifische Abwehr nicht hilft, werden einfach die Mittel geändert. In dieser Hinsicht sind solche Machtzirkel „egalitär“ und keineswegs „nur“ frauenfeindlich.
    Dass geschlechtsspezifische Abwehr funktioniert ist nicht alleinige Schuld derer, die sie anwenden. Streng genommen sogar die derer, die auf sie ansprechen.

    Interessant ist die Frage, warum Macht als so unerbittlich erstrebenswert erachtet wird. Frau und man könnten sich z.B. auch fragen, warum Männer dieser Auffassung häufiger erliegen als Frauen.

    Ansonsten recht herzlichen Dank für Ihre sehr lesenswerten Artikel hier und Ihre Bemühungen!

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    1. Es geht nicht allen um Macht, die mit dem Wirken solcher Netzwerke in Berührung kommen; z.B. im Journalismus werden deswegen wichtige Arbeiten und Themen nicht gewürdigt.

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