Das Bundesheer und der falsche Korpsgeist

In der Debatte um Schikanen beim Bundesheer entsteht der Eindruck, es habe sich über die Jahre nichts geändert und dass falscher Korpsgeist vor allem ein Problem unterer Chargen darstellt. Doch grundsätzlich ist es die Unterscheidung zwischen denen, die dazugehören (was sie automatisch aufwertet) und denen, die außen stehen und damit per se abgewertet werden. Dies führt leicht dazu, Tugenden, die „drinnen“ mit Soldat Sein verbunden werden, in ihr Gegenteil zu pervertieren. Es ist auch kein Zufall, dass der aus der Polizei kommende Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hier kein Problem sieht, da er ebenfalls vom Korpsgeist geprägt ist und sich entsprechend verhält. Der am 3. August bei einem Marsch bei größter Hitze verstorbene Rekrut soll zwar an einem seltenen Infekt gestorben sein, zuvor aber hatte er einen hochroten Kopf und Fieber, ohne adäquat behandelt zu werden.

Hans Rauscher schreibt im „Standard“ zu den Reaktionen: „Die Spitze des Bundesheeres übt sich, in Komplizenschaft mit der rechten Massenpresse, bereits im Nebelwerfen. Es werde alles untersucht, aber man dürfe keine ‚Pauschalverurteilung‘ vornehmen, sagt Minister Doskozil. Der Ausbildner, der bei 35 Grad den Marsch angeordnet habe, wird laut Bundesheer nicht suspendiert, weil das eine ‚Vorverurteilung‘ wäre. Der Chef der Landstreitkräfte, Franz Reißner meint, ‚das System‘ funktioniere gut, aber es gebe ‚bedauerliche Ausreißer‘. Und die Persönlichkeiten, die zu solchen ‚Ausreißern‘ führen, sind nicht längst bekannt? Des Antimilitarismus unverdächtige Personen wie Walter Rettenmoser, der frühere Pressesprecher des ÖVP-Verteidigungsministers Lichal, sieht hingegen in einem Brief an den STANDARD ein systemisches Versagen: ‚Leider gab und gibt es beim Bundesheer – so wie in jedem Bereich der Gesellschaft – Psychopathen. Doch beim Bundesheer kann deren Handeln zu Toten führen.

Verteidigungsministerium

Beim Bundesheer besteht das Problem leider in einem falsch verstandenen Corpsgeist! Diese ‚Typen‘ sind in der Regel für ihr krankes Verhalten in der Truppe und deren Führung längst bekannt und werden weder hinausgeworfen noch – zumindest – von der Ausbildung unserer Kinder abgezogen.‘ Rettenmoser zu Doskozil: ‚Gerade ein Minister, der auch aus einem uniformierten Bereich kommt, hätte von Beginn seiner Tätigkeit an wissen müssen, dass da bei der Ausbildung und beim falsch verstandenem Corpsgeist Handlungsbedarf besteht.‘ Dieser Corpsgeist droht eine rücksichtslose Aufklärung zu behindern. Schon melden sich ja drei anonyme Kompaniekameraden des toten Grundwehrdieners, die in einem in bemerkenswert professionellen PR-Stil verfassten Brief das Ganze herunterspielen und die kritische Presse der ‚Fake News‘ bezichtigen. Die ‚Krone‘ druckt das begeistert ab und verfasst militärfromme Kommentare.“ Bemerkenswert ist auch, dass Wehrpolitiker weitgehend schweigen und wehrpolitische Vereine wie die Offiziersgesellschaft, die Unteroffiziere, die Berufsoffiziere keine Stellungnahmen etwa per Presseaussendung abgeben.

Isolde Charim meint in der „Wiener Zeitung“, das Heer lebe in einer Zeitblase:  „Wir haben das in den letzten Jahren schon bei der Kirche ebenso wie bei den Kinderheimen gesehen: alte hierarchische Institutionen, die in neuen Zeiten wie Enklaven überleben. Leerlaufende Institutionen, die ihren alten Zweck als dessen Pervertierung aufrechterhalten. Die Kirche, wo der gute Hirte, der die Gläubigen leiten soll, zum Kinderschänder wird. Die Kinderheime, die Waisen ein Zuhause bieten sollten, wo Missbrauch aller Art gedeiht. Und nun das Heer, dessen Aufgabe der Feindbekämpfung sich nun gegen die eigenen Rekruten wendet. Jedes Mal, wenn in den letzten Jahren das Licht der Öffentlichkeit auf das fiel, was da in der Abgeschiedenheit dieser Zeitblasen ‚blühte‘, offenbarte sich dasselbe: das Kippen ehemals – vielleicht – nützlicher Praktiken in sadistische Machtpraktiken.“ Auch sie kritisiert Doskozil: „In so einer Situation stellt sich der Verteidigungsminister hin und meint, man werde Einzelfälle ahnden. Die Frage, die die Öffentlichkeit jetzt aber stellen muss, lautet: Sind das tatsächlich Einzelfälle oder sind solche Umgangsformen gang und gäbe? Strukturell? Hans-Peter Doskozil, der bei seinen öffentlichen Auftritten dieser Tage kaum Mitgefühl für den Toten vermitteln konnte. Der dafür den Polizist mit Corpsgeist gab, durchdrungen von hierarchischen Institutionen. Dieser Doskozil soll nun Initiator jener grundlegenden Reformen sein, deren das Heer so dringend bedarf?“

Der Bundespräsident im Wahlkampf mit Rekrut (Twitter)

Falscher Korpsgeist ist nicht nur ein Problem von Unteroffizieren, wie die Kommentare von Rauscher und Charim zeigen, sondern zieht sich durch alle Chargen. Etwas zu unternehmen würde bedeuten, den Fehler zu korrigieren, bisher nichts getan zu haben, und verträgt sich nicht mit dem heldenhaften Selbstbild. Dass auch der Minister selbst so tickt, haben seine Medienauftritte eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dazu kommt, dass die SPÖ auf Vertuschen und Beschönigen setzt, wie man an Sicherheitssprecher Otto Pendl (wie Doskozil aus der Polizei stammend) deutlich erkennen kann. Als mit Norbert Darabos 2007 ein früherer Zivildiener Minister wurde, stand er als Befehlshaber des Heeres laut Verfassung und damit Vorgesetzter mit militärischen Eigenschaften von Anfang an außerhalb des Korpsgeistes und der Zeitblase. Obwohl er damit wie die Befehlskette selbst militärisches Rechtsgut war, weigerten sich Offiziere, ihn zu schützen, ohne dass sie das überhaupt realisierten. Sie nahmen hin, dass er via Kabinettschef Kammerhofer (Miliz-Unteroffizier) von Personen und Informationen abgeschottet wurde, statt zu erkennen, dass ihr Befehlshaber in Geiselhaft ist. Denn in der „Zeitblase“ kann ein Ex-Zivi (was die Medien stets betonten) auch dann nicht dazugehören, wenn er formal als Vorgesetzter gilt.

Dieses „nicht dazugehören“ wurde auch dank Berichterstattung weit über das Heer hinausgehend samt psychologischer Barrieren für die Erkenntnis verankert. Obwohl es so offensichtlich war, etwa wenn der Generalstabschef wochenlang bei Kammerhofer auf Termine bei seinem Vorgesetzten warten musste (die andere nie bekamen), wurde zugleich Darabos‘ Abschottung auch jüngst im Eurofighter-U-Ausschuss beklagt, ohne zu begreifen, dass sie mit Druck und Überwachung einhergeht. Das „der gehört nicht dazu“ ist zu stark, um seine (verletzten) Rechte zu erkennen oder zu checken, dass er wohl kaum in dieser Lage wäre, wäre er desinteressiert und unfähig. Dem Begreifen steht auch entgegen, dass man dann über sich selbst und jahrelanges Fehlverhalten entsetzt sein müsste und damit auch das gehegte und gepflegte Bild von ach so tugendhaften und beispielgebenden tapferen Offizieren in Frage stellt. Dies übrigens auch mir gegenüber, weil ich Zusammenhänge aufzeigte und deswegen mit allen Mitteln schikaniert wurde – als Frau und Zivilisten gehöre ich ebenfalls nicht dazu und kann deshalb auch dann nicht Recht haben, wenn alle Fakten dafür sprechen und soll wie Darabos am besten einfach verrecken, um den Korpsgeist zu retten.

PS: Typisches Beispiel für Feigheit, Verantwortungslosigkeit, Komplizenschaft: 2014 beklagten wehrpolitische Vereine das Kaputtsparen des Heeres, ich fragte bei deren Pressekonferenz, warum sie kritisieren, dass die Aufgabe der Landesverteidigung gefährdet ist, wo sie doch den früheren Minister Darabos nicht schützten, wie es ihre Aufgabe war; dort nahm die Entwicklung ihren Ausgang. Das war für den Präsidenten der Offiziersgesellschaft Erich Cibulka keine Frage, sodass er mir dann auch nie wieder das Wort erteilte (siehe etwa Tag der Wehrpflicht) und auch nie auf Anrufe reagierte. Der Korpsgeist verhindert also das Erfüllen von Aufgaben.

PPS:  Wie hier beschrieben, suchen die Kater Baghira und Gandalf und ich (und hoffentlich auch Athos, der seit einigen Tagen verschwunden ist) ein neues Quartier, wo wir uns von alldem erholen können und wo ich dann wieder neue Kräfte schöpfe und aus den bisherigen Erfahrungen etwas Neues entsteht. Vor allem möchte ich die Ruhe haben, einmal um Verlorenes und Vergangenes trauern zu können, denn das war bisher nicht möglich. Doskozil findet es übrigens lustig, dass ich wegen der Machenschaften von Kammerhofer und Co. in dieser Lage bin. Auf den Wunsch vieler treuer Leserinnen und Leser hin ist finanzielle Unterstützung  jederzeit willkommen: Alexandra Bader, Erste Bank BLZ 20111, BIC GIBAATWWXXX, IBAN AT592011100032875894. Ihr erreicht mich unter 06508623555, alexandra(at)ceiberweiber.at und ich bin auf Facebook und Twitter (cw_alexandra)

6 Kommentare zu „Das Bundesheer und der falsche Korpsgeist

    1. Und vor allem nicht am Wochenende! Schon gar nicht mit anschließendem Fenstertag. Andererseits: Das erspart wenigstens Blutvergießen…

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      1. mit falschem korpsgeist würde ich als verteidigungsministerin aufräumen, denn er führt auch dazu, dass der feind nicht erkannt wird

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