Vom Krieg gegen das Kalifat

Wieland Schneider von der „Presse“ fasst seine Recherchen im Irak und in Syrien im Buch „Krieg gegen das Kalifat“ zusammen. Auf Lesereise durch Österreich kam er auch im burgenländischen Oberpullendorf vorbei, wo ich seinem Vortrag lauschen konnte. Schneider kam 2003 zum ersten Mal in den Irak und ist der Region seither treu geblieben, daher trägt sein Buch auch den Untertitel „Der Westen, die Kurden und die Bedrohung Islamischer Staat“.

Neben Filmaufnahmen und Bildern zeigte Schneider auch veränderte Landkarten, auf denen einst souveräne Staaten in Einflußgebiete aufgeteilt sind. So sieht man Bereiche, in denen die staatliche Gewalt die Kontrolle hat („das Regime“ bei Syrien), aber auch der IS und diverse „Rebellengruppen“, wobei  nicht alle Gegenden dicht besiedelt sind. Das Buch wurde u.a. mit diesen Worten vorgestellt: „Überlebenskampf in Syrien und im Irak. Was sind die politischen Gründe für den Aufstieg des ‚Islamischen Staates‘? Ein Krieg, der die Karten im Nahen Osten neu mischen wird und enorme Auswirkungen auf Europa hat.“

Dies erscheint fast ironisch, denn der uns bekannte Nahe Osten wurde  vor genau 100 Jahren von Großbritannien und Frankreich aufgeteilt: „Die vor hundert Jahren von den damaligen Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich geschaffenen Realitäten existieren für diese Gotteskrieger nicht mehr. An ihre Stelle wollen sie ein panislamisches Kalifat setzen, errichtet aus den Ostregionen Syriens und den Westregionen des Irak. ‚Unser Vormarsch wird nicht stoppen, bis wir den letzten Nagel in den Sarg der Sykes-Picot-Verschwörung geschlagen haben‘, polterte der selbst ernannte Kalif Abu Bakr al-Bagdadi bei seinem bisher einzigen öffentlichen Auftritt im Juli 2014 in der Al-Nuri Moschee von Mossul.“

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Wieland Schneider in Oberpullendorf

Die Konflikte von heute liegen unter anderem  im Sykes-Picot-Abkommen begründet, wobei der IS selbst aber auch amerikanische Wurzeln hat. Schneider kennt die kurdische Perspektive recht gut und sagt, dass der Kampf gegen den IS etwas ganz anderes war als jener gegen Saddam Hussein, denn die Frontlinie ist recht lang. Als Beispiel für die Professionalität des IS zeigt er dessen Propagandamagazin Dabiq, das übers Netz verbreitet wird (und zwar in den Sprachen Arabisch, Englisch, Französisch und Deutsch). Nüchtern bemerkt der deutsche Altermann-Blogger zur „Mitgliederzeitschrift des islamischen Staates“:

„Heute möchte ich mal wieder auf einen gigantischen Schwachsinn hinweisen: Auf die Hochglanzpostille Dābiq Magazine über Jihadology. Richtig gelesen. Vor einem Jahr hat der Qualitätsjournalist Uwe Schmitt von der Welt, diesen Artikel geschrieben: Terrorpropaganda im Hochglanzformat. Er schreibt: Wer die bunten, elegant komponierten Seiten durchblättert, trifft auf Bilder von aufgehäuften, zerfetzten Kinderleichen auf der Ladefläche eines Lkw neben glücklich lachenden IS-Kindern auf einem Spielplatz. Das ganze hat nur drei ganz große Haken: 1) Dieses Magazin gibt es nicht in einer Papierversion, d.h. man kann es nur virtuell durchblättern und 2) wenn etwas nicht gedruckt ist, kann es schwerlich in einem Hochglanzformat nicht gedruckt worden sein. 3) Dieses Magazin stammt garantiert nicht vom Islamischen Staat. Da bindet uns die LügenQualitätspresse mal wieder einen ordentlichen Bären auf.“

Und er erklärt, warum ihm die Masche  bekannt vorkommt: „Das Strickmuster mit dem ‚Hochglanzmagazin‘ ist nicht neu. Die Site-Intel-Group hat die Nummer vor fünf Jahren erfunden. Damals hatte ich am 22.11.2010 den unten eingefügten Artikel geschrieben, der traurigerweise noch immer verdammt aktuell ist. Damals wurde das ‚Hochglanzmagazin Inspire‘ (angeblich von der Al Quaida herausgegeben) erfunden, das jetzt mit ‚Dābiq‘ ergänzt wurde. “ Wer auf Videos stößt, die von Terroristen stammen sollen, sieht dabei meist das Logo von Site eingeblendet, einer „intelligence front„, also Geheimdienst-Tarnorganisation.  Der Alte Mann sieht dies als Terror on Demand und verlinkt zu einem Online-Katalog von Site, aus dem man die passenden Accessoires bestellen kann.

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Auch Global Research gibt sich abgeklärt siehe „Who is Behind the Islamic State (ISIL) Beheadings? Probing the SITE Intelligence Group“: „Since mid-August 2014 major news organizations have conveyed videos allegedly found online by the SITE Intelligence Group. Unsurprisingly the same media have failed to closely interrogate what the private company actually is and whether the material it promotes should be accepted as genuine.“ Auch zuvor wurde nie kritisch hinterfragt, was über Site verbreitet wurde; ich erinnere etwa daran, wie im Herbst 2007 eine „Global Islamic Media Front“ (GIMF) die Bundesregierung wegen eines Jihadistenprozesses bedrohte und mehr tote Soldaten in Afghanistan in Aussicht stellte. Dass nur ein paar Stabsoffiziere überhaupt dort waren und noch die Tote oder Verwundete gab, ließen „unsere“ Medien außer acht.

Immerhin gestand die CIA 2010 ein, Jihadisten-Videos selbst produziert zu haben, was neues Licht auf IS-Exekutionen von Journalisten wirft (es sei auch an Nick Berg erinnert). „Jihad John“, also die gleiche Person köpfte in der gleichen Szenerie Steven Sotloff und James Foley, die beide zuerst ein Statement mit großer Ruhe vor sich hersagen und keinerlei Nervosität zeigen. Natürlich wurden die Videos stets via Site verbreitet, wie es auch bei Al Qaida und der bereits erwähnten GIMF üblich war. Es fragt sich auch, was damit bezweckt werden soll, außer USA, NATO und auch den Briten einen Vorwand für Luftangriffe auf Syrien zu liefern.

Angeblich betrachtet der IS Journalisten als „Boten“ und tötet sie nicht, auch wenn es nachvollziehbar ist, dass Schneider sich aus Sicherheitsgründen von deren Territorium fernhielt. Außerdem hätte er Bedenken, Propagandazwecken zu dienen, was ihm als Außenpolitik-Leiter der „Presse“ ja nicht passieren kann. Der IS entstand aus der Al Qaida im Irak und aus ehemaligen Sicherheitskräften Saddam Husseins nach dem Tod von Anführer Abu Musab Al-Zarqawi im Jahr 2006.  Fraglich ist, ob Osama Bin Laden, als dessen potenzieller Nachfolger Al-Zarqawi galt, zu diesem Zeitpunkt noch am Leben war. Denn es gab Meldungen über seinen Tod bis zu Zeitungsberichten in pakistanischen Medien im Dezember 2001, wobei Bin Laden am 11. September jenes Jahres in einem Militärspital in Rawalpindi wegen seines  Nierenleidens gelegen haben soll (und im Juli 2001 im amerikanischen Spital in Dubai, wo ihn die CIA besuchte).

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Al Qaida bedeutet ja schlicht „die Liste“ oder „die Basis“ bezogen auf die Mujaheddin, die Bin Laden 1979 für die CIA für den Kampf gegen die Russen in Afghanistan rekrutierte. Er wurde offiziell im Jahr 2011 in einer Siedlung für pakistanische Militärangehörige aufgespürt und getötet, was Obama den „2nd Term“ gerettet hat. Abu Bakr al-Bagdadi gelangte 2010 an die Spitze des IS, organisierte in neu und erweiterte ihn.  Im verlinkten Video wird auch auf den Absturz einer russischen Passagiermaschine über dem Sinai vor einem Jahr hingewiesen, den der IS laut „Dabiq“ auf seine Fahnen heftet. Freilich entstand der IS unter Aufsicht der USA, nämlich im Gefängnis Camp Bucca, in dem Al-Bagdadi geradezu zuvorkommend behandelt wurde und praktisch freie Hand hatte.

„The US intelligence apparatus has created it own terrorist organizations. And at the same time, it creates its own terrorist warnings concerning the terrorist organizations which it has itself created. In turn, it has developed a cohesive multibillion dollar counterterrorism program “to go after” these terrorist organizations. Counterterrorism and war propaganda  are intertwined. The propaganda apparatus feeds disinformation into the news chain. The terror warnings must appear to be ‚genuine‘. The objective is to present the terror groups as ‚enemies of America‘,“ schreibt Michel Chossudovsky zur Frage, wer Zarqawi war. Vor Al- Bagdadi war er der „upcoming Terrorist“ und auf der Most-Wanted-List des FBI: „Al Zarqawi is often described as an ‚Osama associate‘, the bogyman, allegedly responsible for numerous terrorist attacks in several countries.  In other reports, often emanating from the same sources, it is stated that he has no links to Al Qaeda and operates quite independently. He is often presented as an individual who is challenging the leadership of bin Laden.“

Der IS besteht aus Sunniten und betrachtet neben Christen auch Schiiten und Sufis als Feinde. Er ist eine salafistisch-jihadistische Gruppe, wobei Salafismus laut Wieland Schneider nicht unbedingt gewaltbereit und nicht einmal politisch sein muss. Denn zunächst geht es um eine Reform des Islam, der zu seinem Ursprung zurückkehren soll, daher auch die Bilder von Männern mit langen weißen Gewändern und Bärten. Manche lehnen jede politische Betätigung ab, während andere die Gesellschaft neu organisieren wollen und arabischen Staaten absprechen, Muslime zu vertreten. Gerade für viele junge Männer ist die radikale Form des Islam attraktiv, wie man auch an zahlreichen Konvertiten sieht. Bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren gab es Gruppen wie heute die Al Qaida, die auf einen militärischen apokalyptischen Endkampf (im Norden Syriens) aus waren. Nicht von ungefähr kann man aber Gehirnwäsche-artige Prozesse feststellen, die Leute in Windeseile radikalisiert (allerdings wirken auch einige Welcomer wie durch die Mangel gedreht).

Im Magazin „Dabiq“, das „fast wie westliche Comics aussieht“ wird immer wieder deutlich gemacht, dass der Islam eine Religion des Schwertes ist, es aber auch um Kameradschaft und Freundschaft geht. Thematisiert wird u.a. das Schicksal des „ertrunkenen Flüchtlingsbuben„, dessen Vater zwar häufig in den Medien ist, der aber ein paar Jahre in der Türkei lebte und keineswegs auf der Flucht war. Und natürlich auch der LKW mit den 71 Toten, der bei Parndorf im Burgenland gerade an dem Tag im Sommer 2015 gefunden wurde, als es eine Westbalkan-Konferenz in Wien mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gab. Wenn die „Mitgliederzeitschrift“ des IS Bestandteil „westlicher“ Strategie auch gegen Europa ist, kann man darin auch Rechtfertigung für weitere Masseneinwanderung sehen.

Mit dem IS bringt man auch Sklaverei in Verbindung, die in „Dabiq“ ideologisch und moralisch gerechfertigt wird  und z.B. Jesidinnen  betrifft. „Und es gibt Artikel über Leute, die man vor laufender Kamera exekutiert hat“ (siehe oben). Wie der IS vorgeht, stellt Schneider anhand des Beispiels von Tikrit dar, der Geburtsstadt von Saddam Hussein, „wo alle schiitischen Soldaten umgebracht wurden“. Dabei wurde eine höhere Opferzahl genannt, und zwar um 400 Personen mehr als der IS tatsächlich getötet hat. Denn „der IS versteckt seine Opfer nicht, sondern zeigt sie“, wegen des „psychologischen Effekts“, denn es schüchtert Opfer ein und dient gleichzeitig der Rekrutierung neuer Kämpfer.

„Wir haben zu Recht Angst, dass der IS zu uns kommt“, meint Schneider, sagt aber auch, dass er z.B. bei den Kurden gehört hat „von Euch kommen diese ganzen Wahnsinnigen zu uns, mit deutschen und französischen Pässen“ (und bei uns gibt es Antiterror-Übungen und Terror-Märchen?). Diese haben dann meist arabischen, aber auch tschetschenischen Hintergrund, können jedoch genauso aus  nicht muslimischen oder nicht gläubigen Familien stammen. „16jährige, die noch nicht einmal ordentlich beten können, gehen nach Syrien“, das sind junge Männer, „die an die falschen Leute geraten sind“. Schneider hat einmal einen Prozess in Wien beobachtet, bei dem ein nunmehr 17jähriger blonder (in Heimen aufgewachsener) Österreicher vor Gericht stand, der sich anwerben hat lassen, aber eigentlich nicht zum Islam, sondern zum Jihadismus konvertiert ist.

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Schneider zeigt Bilder einer zerstörten Moschee, in der Feuer gelegt und das Minarett gesprengt wurde, weil der Sufismus, eine mystische Richtung des Islam, aus der Sicht des IS Sünde ist. Die Jesiden sind „eine monotheistische Minderheit“, weder Christen noch Muslime und wurden von strenggläubigen Muslime immer verfolgt. Man wirft ihnen vor, den Teufel anzubeten, weil sie sagen, Gott sei so mächtig, dass er alles in sich vereint. Weil Jeside nur der sein kann, dessen Eltern Jesiden sind, stehen sie besonders im Visier des IS und sind von Genozid bedroht, denn Jesidinnen werden verschleppt, vergewaltigt, mit dem Tod bedroht, wenn sie nicht konvertieren.

Weil Schneider gar so konsequent vom „syrischen Regime“ spricht, die USA nur ein einziges Mal erwähnt und sich Gebietsgewinne gegen das „Regime“ wünscht, sei auf eine Reise von VertreterInnen der US-Friedensbewegung nach Syrien verwiesen: „Madelyn Hoffman, die Direktorin der Friedensaktion New Jersey, die seit 16 Jahren als Friedensaktivistin in Erscheinung tritt, erklärte: ‚Es ist kein Bürgerkrieg, der in Syrien stattfindet, und auch kein Krieg Assads gegen seine Bevölkerung. Es ist Präsident Assad, der gemeinsam mit seiner Bevölkerung als eine Einheit gegen ausländische Truppen und Terrororganisationen kämpft, die aus dem Ausland finanziert werden, gegen das syrische Volk!

Diese Terrorgruppen wechseln ihre Namen beinahe täglich, um ihre Identität und ihre Geldgeber zu schützen. Hinter diesen Terrororganisationen stehen Saudi-Arabien, Katar, die Türkei, die USA und teilweise sogar Israel. Die gesamte Idee des Regime Changes ist nach internationalem Recht illegal. Die Amerikaner haben nicht das Recht, zu bestimmen, wer in Syrien die Führung innehat.'“ Notwendig sind solche Recherchen nicht zuletzt wegen der Mainstream-Medien, die in Österreich ebenfalls ganz auf US-Linie sind. In der Diskussion hatte Schneider übrigens Bedenken bei der Vorstellung, dass sich neue Staaten mit anderen Grenzen als Folge des Chaos in der Region bilden könnten, findet aber Regime Change durch USA und Co. ganz okay.

Auch den Hinweis auf asymmetrische Kriegsführung, zu der Terrormilizen (unter falscher Flagge?) gehören, ignoriert der Autor lieber. Und er behauptet,  nicht zu wissen, dass der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber General Wesley Clark davon sprach, dass eine Woche nach dem 11. September der Angriff auf sieben Länder in fünf Jahren klar gewesen sei.  Schneider muss nur nach „7 countries in 5 years“ suchen und kann zwischen einer Menge an Videos und Texten wählen.  Mittlerweile sind allein im Irak Truppen aus 16  verschieden Ländern an Kämpfen beteiligt, sodass die Strategie voll aufgegangen ist. Heiß umkämpft ist auch die Stadt Mossul, in der rund eine Million Menschen lebt:

„Die US-amerikanischen und saudischen Sicherheitskräfte haben sich darauf geeinigt, den IS-Terrormilizen und ihren Familien einen sicheren Rückzugsweg aus der irakischen Stadt Mossul vor Beginn der Erstürmung freizugeben, gab RIA Novosti bekannt. Dabei sollen mehr als 9.000 Kämpfer in östliche Gebiete Syriens verlegt werden, damit sie die von syrischen Streitkräften besetzten Städte Deir ez-Zor und Palmyra zurückerobern. Präsident Barack Obama habe die Operation bereits im Oktober genehmigt. Die zweitgrößte Metropole des Irak, Mossul, bleibt seit 2014 die wichtigste Hochburg der IS-Terroristen. Momentan bereiten sich die Landesregierung und ihre Alliierten, darunter Volksmillizen, auf eine große Offensive vor. Die USA hatten zuvor mitgeteilt, dass die Operation zur Befreiung von Mossul Mitte Oktober beginnen soll.

Vorige Woche hatte der US-Verteidigungsminister, Ashton Carter, bestätigt, dass die USA in den Irak zusätzlich über 600 Militärs schicken werden, um bei der Vorbereitung der Offensive zu helfen.“ Man kann also auch ganz offen erkennen, wer wo involviert ist, wozu dann noch verdeckte Kriegsführung über Milizen und diverse Propaganda kommt.  Selbst wenn JournalistInnen nicht so weit gehen wie Jürgen Todenhöfer, der gemeinsam mit seinem Sohn zehn Tage „Inside IS“ erlebt hat, dienen sie der Verbreitung einer gewünschten Darstellung. Auch wenn man sich weitab vom Geschehen im Nahen Osten mit der Thematik befasst, gewinnt man den Eindruck, dass es zwei Arten von IS  gibt.

Zum einen den vor Ort, der insofern plausibel ist, als dass ja tatsächlich heftig gekämpft wird, zum einen aber das Bild vom IS, wie es bei uns ankommt, wie es als Rechtfertigung für eine „Flüchtlingswelle“, die längst Massenmigration geworden ist, verwendet wird. Es soll auch Gefahr für Europa suggerieren, weil der IS angeblich unseren Kontinent erobern will. Gerhard Wisnewski schreibt in seinem Jahrbuch „Verheimlicht, vertuscht, vergessen“ (Ausgabe 2016), dass bei Haji Bakr, dem „Terrorplaner“ des IS zwar detaillierte Pläne gefunden wurden, die der IS auch umgesetzt hat,  aber der Islam nur in Floskeln vorkam. Im eingebundenen Interview mit Jürgen und Frederic Todenhöfer geht es unter anderem darum, dass der IS tatsächlich einen Staat aufbaut.

Haji Bakr, der mit Al-Bagdadi und anderen in Camp Bucca einsaß (ausgebildet wurde?), sah jedoch keineswegs die Umsetzung des islamischen Rechts, der Sharia vor; auch Todenhöfer betont, dass der IS nichts mit Islam zu tun hat. Er betrachtet die Art und Weise, wie „der Westen“ gegen den IS Krieg führt, übrigens als „Terrorzuchtprogramm“, weil immer unschuldige ZivilistInnen getötet werden. Die CIA weiß seiner Ansicht nach „nichts“, während er selbst den IS auf rund 60.000 Mann schätzt – Nachschub kommt auch mit den blonden Europäern, die Schneider erwähnt hat. Beide Journalisten warnen davor, dass jedwedes Kriegsgerät in Windeseile beim IS landet, und wenn „Rebellen“ es verkaufen; oder die reichen Golfstaaten finanzieren es.

Auch wenn Schneider mit seinen Karten betont, dass es Konfliktlinien zwischen Schiiten und Sunniten gibt, dass die KurdInnen in mehreren Staaten leben, kämpfen und nach wie vor Abdullah Öcalan verehren, sollte man sich nicht verwirren lassen. Sicher ist alles „ideologisch-religiös aufgeladen“, aber ohne die offene und verdeckte Intervention der USA und ihrer „Verbündeten“ haben die Menschen zusammengelebt. Man muss daran denken, dass im ehemaligen Jugoslawien tausende Friedensbewegte 1991 in Sarajewo zusammen kamen und glaubten, sie könnten einen Krieg verhindern – nur wenige Monate später war dann alles anders.

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Dabiq zu den Köpfungen

Schneider betont, dass ehemalige Baath-Partei-Anhänger im Irak vom IS rekrutiert wurden, weil sie „wissen, wie man eine Geheimpolizei, einen Geheimdienst aufbaut, mit Panzern kämpft, eine Verwaltung aufbaut“. Todenhöfer sagt, dass die Ex-Soldaten Saddam Husseins wissen, wie man militärischen Drill ausübt und aus „gehirngewaschenen“  Männern, die sich dem IS anschließen, „die gefährlichste Terrortruppe der Welt machen“. Wie der IS im Irak besonders auf Tikrit, die Heimatstadt Saddam Husseins abzielte, hat er in Libyen in Sirte Fuß gefasst, der Stadt, aus der Muammar Al Gaddafi stammt.

Es ist gerade deshalb möglich, weil die Menschen in Libyen (nach dem Regime Change) unzufrieden sind, sodass sich Chaos und Terror ständig reproduziert. Nun hat man „Angst, dass es ein Terror-U-Boot in New York gibt“, sagt Schneider,  der Bashar Al-Assad den Einsatz von Giftgas gegen die eigene Bevölkerung unterstellt (US-Geheimdienstveteranen wie Ray McGovern widersprechen). Er kritisiert auch, dass der Iran Syrien, also das Regime unterstützt und „Assad bei der Aufstandsbekämpfung hilft“. Wenn Kriegsmaterial beim IS landet, ist dies laut Schneider übrigens „sehr peinlich für die USA“.

Das Durcheinander in Syrien geht übrigens so weit, dass CIA und Pentagon gegeneinander kämpfen: „Im Februar wurde die von der CIA bewaffnete Gruppe ‚Fursal al Haq‘ – übersetzt heißt das ‚Ritter der Gerechtigkeit‘ – offenbar von den sogenannten ‚Demokratischen Kräfte Syriens‘, die vom Pentagon unterstützt werden, aus ihren Stellungen vertrieben. Ein Bericht darüber wurde zeitgleich mit Barack Obamas Entscheidung, weitere syrische Rebellengruppen zu trainieren und zu bewaffnen, von einer Gruppe US-Geheimdienstveteranen veröffentlicht.“ Das mag noch absurd erscheinen, doch es ist nur eine Frage der Zeit, dass amerikanische und russische Soldaten aufeinander schießen. Dies befürchtet man auch in der Türkei, die sich seit dem gescheiterten Putsch von Washington abgewandt hat. Geheimdienstmitarbeiter wurden jedenfalls schon ein einem russischen Luftangriff auf Aleppo erwischt – aber was haben die in Syrien verloren?

6 Kommentare zu „Vom Krieg gegen das Kalifat

  1. Zum Video: „Jürgen und Frederic Todenhöfer – Publizist und sein Sohn“

    Mein persönlicher Eindruck: Wer den beiden [sicherlich gut bezahlten] Doppel-Conferenciers Frederic und Jürgen Todenhöfer deren bewusst mitschwingen lassendes anti-amerikanisches, anti-westliches Rollen-Gehabe; und den geschickt nach Außen hin geheuchelten Pazifismus als eine zur Orientierung geeignete Referenz der Wirklichkeit wahrnimmt, ist mMn wirklich selber schuld.

    mfg, Otto Just

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    1. „….ist mMn wirklich selber schuld. “

      Schuld an was? Was wäre denn eine geeignete Referenz der Wirklichkeit, wenn man nichts falsch machen will?

      Uns hilft doch nur noch „beten“!

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      1. Uns hilft doch nur noch „beten“!

        Stimmt Imela ! Dabei ist das obligatorische TagesGebet und das obligatorische Schlussgebet des heutigen 23. Sonntags nach Pfingsten, für alle Menschen, eine große Hilfe.

        Tagesgebet:

        „Wir bitten Dich, o Herr: verzeihe uns Menschen die Missetaten, damit wir von unseren Sündenfesseln befreit werden, in welche wir infolge unserer Schwäche geraten sind. Durch unseren Herrn Jesus Christus.“

        Schlussgebet:

        „Wir bitten Dich, allmächtiger Gott: lass uns wachsam die irdischen Gefahren erkennen, und beschenke uns mit der Freude, an den göttlichen Geheimnissen Anteil zu haben; Durch unseren Herrn Jesus Christus“

        mfg, Otto Just

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  2. Lieber Otto,
    melde doch einfach auf wordpress.com oder sonstwo einen Blog an. Dort kannst Du Dich dann so richtig „verwirklichen“ und Deinen Kenntnissen – die Du ja unzweifelhaft hast – in eigener Manier den entsprechenden Raum geben. Wie wär’s damit?
    Ich käme Dich auch „besuchen“….

    Nur kritisieren ist zu wenig!

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    1. edwige

      Dein Vorschlag betreffend eines eigenen Blogs habe ich bereits am 22.11.2015 gegenüber Alexandra wie folgt beantwortet:

      Kommentar: „Das mit dem Schreiben am eigenem Blog ist aber eine ganz andere Geschichte. Immerhin habe ich drei, mittlerweile völlig verwaiste, Blogs seit ca 2008 am Laufen, zwei bei wordpress.com und einen bei blogspot.at von Google. Meine dabei gewonnene ernüchternde Erfahrung war, dass dort mMn nicht Menschen aus Fleisch und Blut und ausgestattet mit Hirn, wie man annehmen könnte, sondern Maschinen, also Künstliche Intelligenzen darüber entscheiden, ob der Inhalt des Blogs auch artig und Regel konform den „Terms of Services“ entspricht. Ich will jedoch niemals dulden müssen, dass ständig nur auf Schlüssel- und Reizworte programmierte Maschinen meine Arbeit (be)verurteilen, und bei Nichtgefallen meine Arbeit sogar ohne zögern gar zerstören.

      Apropos: Wenn ich mich recht erinnere, machten Sie doch ähnliche Erfahrungen, Frau Bader, von wegen verschwundener Blogs im Netz, oder ? Vielleicht machen sie darüber sogar mal einen gesonderten Artikel; vielleicht könnte ich Ihnen sogar gut und gerne aufschlussreiche Kommentare beisteuern.“

      mfg, Otto J

      P.S.: Hier ist übrigens der besagte Kommentar zu finden: https://alexandrabader.wordpress.com/?s=Adieu%2C+refugees+welcome!

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  3. otto, was hat dein herr nur mit den sündenfesseln? wenn er alles geschaffen hat, muss er auch fesselspiele geschaffen haben, die dann keine sünde sein können, logisch gedacht 🙂

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