Organisationen wie Campact oder Avaaz stehen zunehmend in der Kritik, doch man muss sich dessen bewusst sein, dass sie auch dazu verwendet werden, von außen auf Wahlen Einfluss zu nehmen. Sie ergänzen sich mit Medien, die Martin Schulz gerade zum „Messias“ hypen und zugleich unterstellen, Russland beinflusse Wahlen in jener Weise, die charakteristisch ist für George Soros und Co. Dies führt der Historiker und Buchautor Wolfgang Effenberger hier am Beispiel der Kampagnen für Schulz weit über die SPD hinaus aus:
Campact (und auch Avaaz) entstanden nach dem Vorbild von MoveOn.org, einer US-amerikanischen, Internet-basierten Interessen- und Aktionsgruppe, die sich für eine „progressive“ Politik stark macht. Ihr Ziel ist die digitale Vernetzung von Menschen, die sich für progressive Politik einsetzen, und die Beeinflussung der politischen Akteure durch entsprechende Lobbyarbeit. MoveOn.Org – massiv unterstützt vom Megaspekulanten George Soros – hatte 2008 großen Anteil an der Wahl von Barack Obama zum US-Präsidenten. In der Folge ging es darum, „Barack Obama und die Demokratische Partei als Teil der Soros-Bemühungen zu kontrollieren, die US-Verfassung zu schrotten und Amerika in die ‚progressive‘ linkssozialistische Soros-geführte Hegemonie zu führen und Amerikas Stimme für individuelle Freiheit zu zerstören.“
Man trifft überall auf Beeinflussung, egal ob man sich im Medienkonsum zurückhält oder nicht. Aufgebaute Stars, Autoren, Künstler, Intellektuelle sollen uns ebenso wie Journalisten vorgeben, was wir zu denken haben. Dabei weiss man inzwischen im Vorhinein, dass ein „Tatort“-Krimi einem padägogischen Auftrag folgt oder dass Grüne die Golden Globe-Rede von Meryl Streep deswegen mit der Bemerkung „tolle Frau!“ teilen, weil sie über Donald Trump herzieht. So wird sichergestellt, dass politische Botschaften auch das Publikum erreichen, das sich wenig für Politik interessiert.
Wie geleakte Mails der US-Demokraten zeigen, wurde halb Hollywood für Hillary Clinton mobilisiert, weil besonders die Jüngeren ihre „Liebe“ zu den Stars auf die Kandidatin übertragen sollen. Wenn jetzt auch „Celebrities“ neben vermeintlich politischen Künstlern, Wissenschaftern, Autoren zum Protest gegen die Inauguration Trumps am 20. Jänner 2017 aufrufen, erinnert dies an jene scheinbar so mutige Szene bei uns, die vom Staat lebt, aber permanent gegen diesen und gegen die eigene Bevölkerung agitiert. Dabei ist viel von Zivilcourage die Rede, von der die Personen die allergeringste Ahnung haben, die sie am meisten predigen. Doch auch das geht nach hinten los, weil die Menschen genug haben von mittelmäßigen Kulturschaffenden, die nur dank Mainstream-Hätschelei „bekannt“ sind.
Hillary Clinton wird von geleakten Mails kalt erwischt, die nahelegen, dass sie an der Aufrüstung des Islamischen Staates mitwirkte. Donald Trump bringt ein Video in Bedrängnis, das seinen Sexismus zeigt, wie er etwa von „pussys“ spricht. Beim zweiten TV-Duell im Wahlkampf trafen beide unter dem Eindruck dieser Enthüllungen aufeinander.
Wie immer, wenn es um Trump geht (oder um Putin, oder um Orban) ist Medienberichterstattung im „Westen“ austauschbar. So prangt auf der Titelseite der „Kronen Zeitung“ am 10. Oktober die Schlagzeile „Auch Arnold Schwarzenegger wird ihn nicht wählen: Die Partei kehrt Trump den Rücken“. In der Fernsehdebatte meint Trump bei Minute 14, dass er Worte vor 11 Jahren bedauere, dass aber kein Politiker in der Geschichte der USA „so abusive“ gegenüber Frauen war wie Bill Clinton, der im Publikum sitzt. Er hat wegen seiner Übergriffe die Anwaltslizenz verloren, darf nicht mehr praktizieren und musste einer der Frauen Schmerzensgeld bezahlen.
Diem25 hielt am 5. Mai eine Veranstaltung in Wien ab, mit Begrüssung von Yanis Vroufakis, vier Panels und diversen künstlerischen Darbietungen. Im Mittelpunkt stand die Flüchtlingskrise, die aus der Sicht der paneuropäischen Diem-Bewegung eine Krise des Kapitalismus ist. Im ersten Teil gab es allgemeine Infos, einen Bericht über Varoufakis‘ Eröffnungsrede und über das erste Panel.
Die zweite Runde trug den Titel „Politics of Fear“, was kritische Menschen an die BBC-Doku „The Power of Nightmares“ über das Project for a New American Century, die Neocons und die politische Entwicklung vor und nach 9/11 erinnert. Ausserdem ist im US-Sprachgebrauch öfter von „Politics of Fear“ die Rede und die Linguinstin Ruth Wodak hat ein Buch über den Rechtspopulismus so benannt.
Der frühere Journalist und nunmehrige Vertreter von Diem25 Spanien Luis Martin moderierte die Runde und wies auf 9/11 und den „Krieg gegen den Terror“ hin, der uns eine Einschränkung unserer Freiheiten brachte. Zudem ist der Rechtspopulismus im Aufschwung begriffen, weil er mit irrationalen Ängsten operiert. Leider sieht man auch in Österreich einen Kurswechsel in der Regierung, bedauerte Martin. Alexandra Strickner, die Obfrau von Attac Österreich bezog sich auf Fanny Müller-Uri, eine der Idomeni-Aktivistinnen, die im ersten Panel zu Wort kam.
Denn Müller-Uri kritisierte, dass nach einem „Moment der Hoffnung“ SPÖ und ÖVP „den Job der extremen Rechten“ erledigen, was Grenzkontrollen und strengere Asylgesetze meint. Strickner berief sich auch auf Müller-Uri, als sie auf die Bewegung „Aufbruch“ hinweis, die sich am 3. und 4. Juni zu einem Kongress in Wien trifft. Dabei will man im Rahmen der „Aktionskonferenz“ von Bewegungen in Spanien und Griechenland lernen. Es gehe darum, einen gemeinsamen Raum zu schaffen, in dem darüber diskutiert wird, wie Menschen einen sicheren Platz für ihr Leben finden.
Zakia Salehi ist Politikwissenschafterin und vor 11 Jahren aus Afghanistan nach Wien gekommen; sie engagiert sich auch in Flüchtlingsprojekten und meint, es sei das Härteste, was man sich vorstellen kann, in einem fremden Land ein neues Leben zu beginnen. „Die Menschen wissen nicht, was sie tun sollen, sie haben keine Ahnung, wie sie ihre Kinder zur Schule schicken können“, was einen scharfen Kontrast dazu bildet, dass manche annehmen (oder es so erlebt haben), dass AsylwerberInnen rasch über das im Bilde sind, was ihnen vermeintlich oder real zusteht. Immerhin helfen auch viele Freiwillige, die selbst ursprünglich aus Afghanistan oder Syrien stammen, den Neuankömmlingen bei der Orientierung.
Cristina Soler-Savini leitet Diem25 in Frankreich und hat deswegen die Sozialistische Partei verlassen. Sie kritisiert die Abschottung Grossbritanniens, die das entstehen liess, was Mainstream-Medien als „Dschungel“ von Calais dämonisieren. In Frankreich sind drei Generationen von Le Pens politisch aktiv, die zeigen, dass „wir verloren sind, wenn wir die extreme Rechte zu imitieren versuchen, wenn wir das gleiche Narrativ verwenden“. Schlimm an Calais ist für sie auch, dass Kinder viele Monate warten, bis auf der anderen Seite des Kanals entschieden wird, ob sie zu ihren Eltern dürfen.
Video von Danae Stratou
Zakia Sahel klagte über Vorurteile wie: die sind alle faul, die wollen sich nicht integrieren usw. Leider liegt der Focus darauf, dabei sollten sich die Menschen AsylwerberInnen nach neun, zehn Jahren ansehen, denn dann würden sie erkennen, was aus ihnen geworden ist. Soler-Savini erklärte, Medien würden die Interessen der Regierung vertreten und deshalb „Flüchtlinge dämonisieren“, Flüchtlinge mit Terrorismus in Verbindung bringen. Strickner findet es wichtig, von Spanien und Griechenland zu lernen und Räume zu schaffen, „in denen wir uns treffen können“, weil wir „ein anderes Narrativ haben“ – und das nicht nur in den sozialen Medien, sondern möglichst auch „face to face“.
So bekommen wir einen anderen Zugang zu dem, was in kapitalistischen Ländern geschieht und verstehen, „dass Migranten nicht das Problem sind“. Spannend ist für Strickner auch, wie in Spanien an konkreten ökonomischen Alternativen gearbeitet wird. Soler-Savini ist begeistert von „Nuit Debout“ in Paris, wo „eine neue Agora“ geschaffen wurde, denn es gibt dadurch einen Platz, wo die Menschen eine Stimme erhalten, die sich (bisher) dafür entschieden haben zu schweigen. Nun diskutieren StudentInnen, Frauen, jnnge Menschen miteinander, und es ist wie wenn „frische Luft vom Hubschrauber aus über Frankreich versprüht wird“.
Ehe das dritte Panel zum Thema „Kapitalismus und Migration“ begann, sahen wir ein Video von Danae Stratou, der Ehefrau von Varoufakis, die auch in Wien anwesend war. Zuviel des „politisch Korrekten“ war eine Darbietung der aus AsylwerberInnen bestehenden Gruppe „Die Schweigende Mehrheit„, die noch nicht besonders sattelfest im Deutschen sind und Sätze aus dem Jelinek-Stück „Die Schutzbefohlenen“ (über jene „refugees„, die vor ein paar Jahren die Wiener Votivkirche besetzten). Manchen kam dies wie ein Vorführen der Menschen vor, die inzwischen gerne als „Schutzsuchende“ bezeichnet werden, was die standing ovations einiger eher noch verstärkten.
Katerina Anastasiou und Srecko Horvat
Diskutiert wurde dann unter der Moderation von Katerina Anastasiou von Change4all, einer Gruppe, die etwa die Aktion „Die Toten kommen“ des „Zentrums für politische Schönheit“ bewarb. Das „Zentrum“ machte Druck für eine Militärinvention in Libyen und steht unter anderem damit auf der Seite der Kriegstreiber, wobei der Eindruck einer Tarnorganisation deutlich wird. Change4all ist bei der „Europäischen Linken“ in Brüssel angesiedelt, mit Anastasiou als Koordinatorin von Wien aus. Ein Aufruf von Change4all hatte viele UnterzeichnerInnen, etwa Noam Chomsky, Traudl Brandstaller, James K. Galbraight, Gottfried Helnwein, Sandro Madrazza und Saskia Sassen (die beide im dritten Panel auf der Bühne sitzen), Michael Scharang, Stephan Schulmeister, Marlene Streeruwitz, Alexandra Strickner, Ruth Wodak, Jean Ziegler und Slavoj Zisek.
Saskia Sassen veröffentlicht u.a. im von Samuel P.Huntington („Clash of Civilizations“) gegründeten Magazin „Foreign Policy„, das lange von Carnegie Endowment herausgegegeben wurde und gehört wie z.B. George Soros zu den BeraterInnen des „Global Policy Journal“. Sie meinte, historisch betrachtet wurden MigrantInnen immer „dämonisiert“, etwa als IrInnen in die USA auswanderten. Denn Emigration war kein weitverbreitetes Phänomen, da der Kapitalismus Arbeitskraft brauchte, auch in seinen früheren Formen. Freilich sind gerade die USA ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn man „Einwanderung“ keinen Riegel vorschiebt, was die Urbevölkerung in einem grossen Land nicht wollte und nicht konnte.
Wenn längst über Industrie 4.0 diskutiert wird, fragt sich auch, von welcher „Arbeitskraft“ wir heute noch reden – von eher unangenehmen Dienstleistungen, die an MigrantInnen delegiert werden? Sassen sagt aber, dass Auswanderung in den Ländern nicht erwünscht war, aus denen die Menschen kamen; es war immer das Einwanderungsland, das Brücken baute. Man muss hier an die Aufsichtsräte von Konzernen oder an den Militärapparat denken, die sich nach ausbeutbaren Arbeitskräften umsehen. „So hat Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg GastarbeiterInnen eingeladen“, erḱlärt die Wissenschafterin. Man spürt die Auswirkungen etwa dann, wenn nach der Gefangennahme von Kurdenführer Öcalan Massen in Berlin auf die Straße gingen, da die dort lebenden TürkInnen meist aus den Kurdengebieten kamen.
Sandro Mezzadro von Euronomade wies darauf hin, dass die internationale Mobilität von Arbeitskräften immer geregelt und damit begrenzt war. Zwar wird Migration dämonisiert, doch zugleich sprechen Berichte von Wirtschaftsministerien, Konzernen, Think-Tanks davon, dass Europa Einwanderung braucht. Dies dient vor allem der „Stabilisierung des Arbeitsmarktes“ und der „demographischen Erholung“ eines Kontinents mit sinkender Geburtenrate. So betrachtet müsste es aber keine Arbeitslosigkeit und keine Armut in Europa geben, also genug für mehr als alle da sein, was der Professor einer italienischen und einer australischen Universität nicht bedenkt. Stattdessen betonte er, dass sich „keine Stadt in Europa selbst reproduzieren kann“, was uns auch durch Artikel wie jenen im „Kurier“, der von Liebeskummer ohne Migration sprach, ständig eingebläut wird.
Moderatorin Anastasiou bedauerte, dass sich „alles um Zahlen dreht“, als ob Staaten unendlich Fläche, Ressourcen, Jobs und vor allem keine vorhandene Bevölkerung hätten. Srecko Horvat ist Philosoph, organisierte das „subversive Festival“ in Zagreb, zu dem auch Varoufakis eingeladen wurde und das z.B. die Heinrich Böll.Stifting der Grünen unterstützte, arbeitet jetzt für Diem25 und veröffentlicht u.a. bei George Soros‘ Open Democracy. Er kommt aus einer „ehemaligen Kolonie“ Österreich-Ungarns und kritisiert die Westbalkan-Konferenz, die Österreich ohne Griechenland initiiert hat, um das einzudämmen, was als „Flüchtlingsstrom“ bezeichnet wird. Wenn die Regierung „Truppen an die mazedonische Grenze sendet“, erinnert ihn dies an Hitler, Stalin oder Tito.
Dass „Demokratisierung“ am Balkan sehr viel mit US-Interessen zu tun hat, die u.a. via Stiftungen vertreten werden, wird einem klar, wenn man sich ansieht, wer welche Konferenzen und Projekte finanziert und welchen Background WissenschafterInnen haben, die uns als ExpertInnen präsentiert werden. Horvat sieht die „Widersprüchlichkeit des Kapitalismus“ etwa darin, dass manche nicht (als Flüchtlinge) hereingelassen werden, obwohl Menschen aus dem Irak oder aus Afghanistan ebenfalls Asyl suchen und man sie und „ökonomische MigrantInnen“ auch nicht trennen sollte. „Sie alle sind Opfer des Kapitalismus“, daher Teil des gleichen Problems. Wie absurd die Situation ist, sieht man daran, dass in Syrien zwei Rebellengruppen gegeneinander kämpfen, von denen die eine vom Pentagon, die andere von der CIA finanziert wird.
Walter Baier, Katja Kipping, Yanis Varoufakis, Robert Misik
„Es geht um Geopolitik“, so Horvat, denn „wir exportieren Krieg und bezahlten einen Diktator (er meint Erdogan) dafür, dass er Flüchtlinge von uns fernhält“. „Es begann im Pentagon“, meint er unter Applaus des Publikums. Und heute ruft der italienische Kommandant eines Schiffes, das im Mittelmeer patrouilliert (im Rahmen einer EU-Mission) nach einer Intervention in Libyen. Saskia Sassen stellt fest, dass „unsere politische Klasse faul“ ist, denn sie macht ihre „Hausaufgaben“ nicht (sie verwendete das deutsche Wort). Es ist nämlich der bequemste Weg, sich gegen Einwanderung zu entscheiden, der Furcht davor nachzugeben.
Dem setzt sie politische Bewegungen gegenüber, in denen „wir beginnen, voneinander zu lernen“ und „den Fall des Kapitalismus darstellen“. Immer dann, wenn Systeme zusammenbrechen, wird mit einer Militarisierung der Situation reagiert, weiss man aus der Geschichte. „Wir müssen Territorien schaffen, die unsere Territorien sind“, im Sinne einer „neuen Geopolitik“, was wohl für Regionen statt Staaten im globalen Superstaat stehen soll. Auch Sandro Mezzadra ist dafür, das Potenzial zu sehen, das diese Situation bietet. Im letzten Panel übernahm Robert Misik die Moderation, der Varoufakis letztes Jahr gegen deutsche Presseberichte verteidigt hat.
Mit Varoufakis diskutierten Walter Baier von Transform und Linke-Chefin Katja Kipping, die im Clinch liegt mit Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Kipping forderte in Wien dazu auf, doch endlich damit aufzuhören, die falschen Dinge zu tun: Waffen exportieren, Vereinbarungen mit einem Diktator zu treffen (dies hörte wir bereits von Horvat). Misik weist auf rechtsgerichtete Regierungen in Europa hin und auf die Notwendigkeit, jene Staaten zu unterstützen, die mehr Flüchtlinge aufnehmen und kritisiert die EU dafür, Banken zu retten. Der Ökonom Walter Baier, der einige Zeit Vorsitzender der KPÖ war, erinnert an die Flucht von Juden aus dem Dritten Reich, die oft daran scheiterte, dass sie an geschlossene Grenzen gelangten oder in Lagern landeten, in denen sie starben.
Katja Kipping. Robert Misik, Michel Reimon (Grüne)
„Das gewöhnliche Volk muss verstehen, dass es eine moralische Verpflichtung gibt, die Grenzen zu öffnen“, denn nach dem „summer of solidarity“ änderte sich nichts. Nur dass die Politik ihren Kurs änderte und auch die Medien inzwischen anders berichten – und was besonders skandalös ist, sich die SPÖ inzwischen in Richtung FPÖ öffnet. Hier kritisiert er ÖGB-Chef Erich Foglar, den er „als Gewerkschafter“ in die Pflicht nimmt, da „Rechts der Feind der Arbeiter“ ist und Foglar zudem die ÖGB-Statuten lesen soll. In diesen ist jedoch keine Abgrenzung gegenüber der FPÖ zu finden, da diese sonst keine Arbeitnehmervertreterin wäre, mit unterschiedlichen Erfolgen bei Wahlen (blaue Gewerkschafter haben z.B. beim Bundesheer die Roten im Herbst 2014 vom 2. Platz verdrängt).
Varoufakis sieht eine soziale Krise, in welcher der „Kern der EU“ disintegriert; ein Witz zum Thema EU ist „EU foreign policy“, weil es diese nicht gibt. Von kohärenter „oder gar humanistischer Politik“ sei keine Rede, denn diese ist unmöglich, „solange über Europa die schwarze Wolke der NATO liegt“. Die aus dem Kalten Krieg stammende Allianz mit den USA belastet Europa ebenso wie das Diktat der Troika, dem man entgegentreten muss, um die „giftigen Bailouts“ zu beenden. Dazu hatte Obama eine „gute Position“, denn er forderte die EU dazu auf, Griechenland nicht mit Austeritätspolitik zuzusetzen, doch dies wollte Deutschland nicht. Europa wartet in Wahrheit am Rand, bis die einzigen Konflikte entschieden sind, die es seine Politik betreffend gibt, nämlich die zwischen „verschiedenen US-Agenturen“, ob Außenministerium, Pentagon oder CIA.
Realpolitisch sind dies die einzigen Fraktionen, die zählen, scheint die Erfahrung des ehemaligen griechischen Finanzministers zu sein. Walter Baier meinte zur „schwarzen Wolke“ NATO, dass Österreich ja neutral sei (was die USA allerdings nicht an massiver verdeckter Einflussnahme hindert) und viel zur Entmilitarisierung internationaler Beziehungen beitragen kann. Darunter versteht er, „refugees“ das Gefühl zu geben, willkommen zu sein; wichtiger Beitrag dazu ist, einen Präsidenten zu wählen, der wlll, dass wir helfen. Lobend erwähnte er den Papst, der 12 Flüchtlinge nach Italien mitgenommen hat. Katja Kipping nahm auf die Veröffentlichung der TTIP-Verhandlungsposition der USA via Greenpeace (zuvor gab es eines über die Grünen) Bezug und forderte den Stopp dieser Verhandlungen.
„Es ist unser Kontinent“, betonte sie und forderte dazu auf, Protest auf die Sozialdemokratie zu konzentrieren. In der Flüchtlingsfrage müssen sich die Menschen für eine Seite entscheiden, was viele bisher vermeiden konnten. „Dass die Leute für Solidarität Partei ergreifen, ist ein Verdienst der Aktivistinnen“, ist Kipping überzeugt. Was Syrien betrifft, ist sie gegen militärisches Eingreifen, und betont, dass es „keine Lösung ohne die Kurden“ geben kann. In der „Flüchtlingsfrage“ geht es ausserdem um transnationale Zusammenarbeit. Varoufakis wiederum erklärte, dass kein Widerspruch zwischen der EU-Ebene und den Nationalstaaten besteht, wenn Erste demokratisiert wird. In Wahrheit haben die Staaten schon „sehr wenig Macht wegen Brüssel“. „In Brüssel gibt es tiefe, tiefe Verachtung für Demokratie“, während Diem25 „mehr Souveränität für Parlamente und Stadtparlamente will“. Diem ist eine paneuropäische Bewegung, die nicht daran glaubt, „dass der Nationalstaat am Ende ist“. Es geht darum, „die Staaten und die Städte zu ermächtigen“.
In der Berichterstattung zur Diem25-Gründung in Berlin war übrigens u.a. von einer „bunten Mischung“ die Rede, die sich da zusammengefunden hat: Bei seiner Präsentation hatten die üblichen Aktivisten der Alter Summits (Treffen der europäischen sozialen Bewegungen), Sozialforen, Euro-Märsche, von Blockupy und von Stiftungen auf den Podien Platz genommen. Nur wenige Politiker der europäischen Linken waren dabei, kaum Gewerkschafter, einige Sozialdemokraten, aber auffallend viele aus dem Spektrum der europäischen Grünen. Gewürzt wurde die Teilnehmerliste durch Namen wie den des italienischen Neomarxisten Toni Negri, des österreichischen Journalisten Robert Misik, des postmodernen Philosophen Slavoj Žižek und des englischen Minimalmusikers Brian Eno. Als Überraschungsgast trat sogar die SPD-Politikerin Gesine Schwan auf. Auffällig war, dass weder ein Politiker aus der griechischen Linkspartei Syriza noch aus der von ihr abgespaltenen Laiki Enotita, Volkseinheit, dabei war. Und das, wo doch der Initiator des Manifests und Star des Volksbühnen-Events kein anderer als der ehemalige griechische Finanzminister Gianis Varoufakis war.“
Allerdings wird Varoufakis schon mal von einem Korrespondenten aus Griechenland in die Zange genommen oder man vergleicht seine Aussagen mit jenen von George Soros, dessen Stiftungen „NGOs“ etc. finanzieren, um Masseneinwanderung zu fördern und Staaten zu destabilisieren. Dass Diem25 auf „Vereinigte Staaten von Europa“ abzielt, passt ganz gut ins Bild: „Die Katze wird im Abschnitt ‚Was ist zu tun? Unser Horizont‚ aus dem Sack gelassen: Varoufakis und seine Mitstreiter fordern die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung innerhalb der nächsten zwei Jahre und das Inkrafttreten einer europäischen Verfassung bis spätestens 2025. DiEM25 reiht sich damit in die Initiativen ein, die die Lösung der Probleme in radikaler Zentralisierung erkennen. Man mag das Ziel teilen oder nicht. Aber was tragen die Vereinigten Staaten von Europa zur Auflösung der Eurokrise bei?
Sollen die Sozialpartner im europäischen Bundesstaat gänzlich entmachtet werden und Vorgaben aus Brüssel folgen? Sollen die heterogenen europäischen Wohlfahrtsstaaten einem EU-weiten Sozialstaat weichen, der auf Rumänien ebenso passt wie auf Schweden? Und wie kommen die Aktivisten auf die Idee, die eklatanten Demokratiedefizite der Europäischen Union würden sich nicht in die Vereinigten Staaten von Europa fortpflanzen? Erwarten sie die zeitnahe Entstehung eines europäischen Parteiensystems mit transnationalen Parteien? Und erwarten sie, dass die ein Maß an interner Kohärenz aufweisen könnten, das es ihnen erlauben würde, den Bürgerinnen und Bürgern unterscheidbare politische Programme zur Auswahl vorzulegen? Das ist mehr als unwahrscheinlich, so lange die Eurokrise die EU politisch nicht in links und rechts spaltet, sondern in Nord und Süd.“
Lässt man die Statements von Varoufakis‘ „Gästen“ in Wien Revue passieren, fällt auf, dass sie einander nie, auch nicht in Nuancen widersprochen haben. Im Gegenteil schienen sie eine gemeinsame Agenda permanent zu bestätigen, was nur durch wenige neue Details im einen oder anderen Beitrag aufgelockert wurde. Viele Leute auf einer Bühne zu Wort kommen lassen – dazwischen immer Darbietungen eines Chors und einmal eine halbe Stunde Pause – bedeutet, das Publikum zu reinen ZuseherInnen zu machen, keinen Raum für Austausch vorzusehen. Statt von 19 bis 22 Uhr dauerte der Event von ca. 19.20 bis fast 22:30 Uhr, ohne dass es viele Höhen in Erklärungen vom Podium gegeben hätte, das sich ja auch auf mehrmals wenige Sätze beschränken musste. Freilich bringt, wer sich von anderen durch intensive Beschäftigung mit Themen unterscheidet, auch unter diesen Bedingungen einiges unter.
Zwar wurde immer wieder betont, dass „Räume“ geschaffen werden müssen, in denen man sich gleichberechtigt austauschen kann, doch praktische Erfahrungen mit sinnvollem Widerstand von unten scheint nur Teresa Forcades zu haben, die katalonische Nonne, die sich bei den „Indignados“ gegen die Verarmung Spaniens engagiert. Bedenkt man, dass hier AkademikerInnen dem Volk erklären wollen, was es zu denken und zu wollen hat, und diese Personen bereits bestens informell und über Netzwerke vernetzt sind, fragt man sich, was die dauernden Appelle sollen. In einem ganz normalen – zunehmend prekären – Arbeitsalltag bleibt nicht viel Kraft, Zeit und Geld für das Hobby gutverdienender oder / und abgesicherter Menschen, „refugees“ willkommen zu heissen. Auffällig war, dass die Bereitschaft dazu bei der Veranstaltung als zivilisatorischer „Lackmustest“ verstanden wurde, während es nicht darum ging, Mitmenschen in Not zu helfen, hier bei Kritik am Kapitalismus, an Staat und Gesellschaft anzusetzen, sondern Regierungen dafür zu geißeln, dass sie ihren Job machen.
„Internationales und Europa 2.0“ ist der Titel eines Positionspapiers der SPÖ Wien, über das am 9. Februar diskutiert wurde. Dabei war auffällig, dass die meisten zwar Begriffe wie „Sozialunion“ verwendeten, sich jedoch nur wenige bewusst waren, was die beständige Erweiterung der NATO für Europa bedeutet.
Dass Krieg in Europa nicht ausgeschlossen ist, legte bezeichnender Weise nur ein ehemaliger Mitarbeiter von Bundeskanzler Bruno Kreisky dar, und auch ich ging in einer Wortmeldung darauf ein. „Die EU ist ein Paket“, sagte der pensionierte Beamte“, und wenn man es aufmacht, findet sich darin ein anderes Paket, „darauf steht NATO“, weil die meisten EU-Staaten Mitglieder des Bündnisses sind.
Er machte darauf aufmerksam, dass die USA in Europa dominieren und dass wir uns von diesem Einfluss emanizipieren müssten. Einige der TeilnehmerInnen an der Diskussion waren jünger bis sehr jung, sodass sie die Zeit vor dem Ende der Sowjetunion gar nicht bewusst erlebt haben, sich also nicht an frühere Diskurse und Ansichten erinnern können. Der Kreisky-Weggefährte wies auf die von Olof Palme und Willy Brandt betriebene Entspannungspolitik samt „Marshall Plan für die 3. Welt“ der 1980er Jahre hin, als Sozialdemokraten noch „geschichtsmächtig“ waren.
Die Erweiterung der NATO in Richtung Russland, zu der Sozialdemokraten weitgehend schweigen, hält er für „sehr gefährlich“. Denn dieses Reich hat sich immer verteidigt, wenn es angegriffen wurde, was bis zur Zeit des Deutschen Ordens zurückgeht. Ich sprach davon, dass der Sowjetunion versprochen wurde, die NATO nicht zu vergrößern und dass die Grenze für NATO-Truppen die damalige Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland sein sollte. Willy Wimmer, einer der Architekten der Wiedervereinigung und damals Staatssekretär im Verteidigungsministerium, nahm im Jahr 2000 an einer Konferenz in Bratislava teil, zu der das US-Außenministerium und ein Think-Tank eingeladen hat.
Wimmer (CDU) war dort als Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und schrieb dann einen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), in dem er Aussagen der US-Vertreter zusammenfasste. Die USA wollen ihren Einflussbereich so weit ausdehnen, wie sich einst das römische Reich erstreckte, bis zu einer gedachten Linie zwischen Riga und Odessa. Der Kosovokrieg würde geführt, weil die Amerikaner den „Fehler“ machten, nach dem 2. Weltkrieg keine Truppen am Balkan zu stationieren. (1)
Seit 1990 haben die USA ihre Hegemonie kontinuierlich verstärkt, meinte ich, wie man an der Erweiterung nicht nur der NATO, sondern auch der EU erkennen kann. Als wir der EU beigetreten sind, wurde in der Debatte vor der Volksabstimmung tunlichst unter den Teppich gekehrt, dass die EU damals der „europäische Pfeiler der NATO“ werden sollte, und zwar ab 1998 mit Auslaufen des WEU-Vertrags. Dieser wurde dann zwar bis 2010 verlängert, wurde jedoch 1948 als „Brüsseler Pakt“ auf 50 Jahre geschlossen. Zur Hegemonie gehören auch TTIP, Rating-Agenturen, Totalüberwachung, transatlantische Presse (2) sowie Think-Tanks, Netzwerke (3) und die Finanzierung von NGOs, die beispielsweise für „Flüchtlinge“ lobbyieren. (4)
Ausserdem muss man bedenken, dass Kriege offen und verdeckt geführt werden und die USA nach dem Ende des Kommunismus sofort daran gingen, den Nahen Osten zu destabilisieren. „regime changes“ werden als „Aufstand von unten“ inszeniert, wobei man berechtigten Protest abfängt und umfunktioniert bzw. kreiert. (5) Vor dem Umsturz in Libyen und dem „Arabischen Frühling“ wurde bereits die Domain w2eu.info angemeldet, und zwar von bordermonitoring.eu, einem vom Spekulanten George Soros unterstützen Verein. Auf w2eu.info wird jetzt live von den „Fluchtrouten“ berichtet, inklusive Tipps, wie man Grenzkontrollen z.B. in Österreich austrickst. (6) Soros, der eine Unzahl an Organisationen fördert (u.a. die US-Demokraten, Amnesty, den Europäischen Flüchtlingsrat, in dem aus Österreich die Diakonie, das Integrationshaus und die Asylkoordination vertreten sind), ist ein Gegner der europäischen Nationalstaaten, weil diese das Rückgrat des Kontinents sind. (7)
„No border, no nation“ bedeutet Auflösung der Staaten, sodass es keineswegs „rechts“ ist, zum eigenen Staat zu stehen; ich vermute mal, dass Bruno Kreisky nicht nachvollziehen könnte, wie manche in der SPÖ auf die Idee kommen, Eigenstaatlichkeit zu unterminieren via „Menschlichkeit kennt keine Obergrenze“. Ein Staat ist staatsrechtlich definiert durch Staatsgrenze, Staatsvolk, Staatsgebiet – fällt eines dieser Elemente weg, hört er zu existieren auf. (8) Es gibt kein über anderen Rechten stehendes Recht auf Asyl, sondern sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Lissabon-Vertrag sehen vor, dass sich kein Land unzumutbar belastet. „Die Regierung mit dem neuen Minister Doskozil will Österreich retten“, brachte ich es auf den Punkt.
Einer der Genossen verwies auf den Austromarxisten Hans Kelsen, der gewissermaßen der Vater unserer Verfassung ist und sich sehr wohl zum eigenen Land bekannt hat. Die Abgeordnete Petra Bayr meinte aber, seine Verfassungsvorstellungen seien „mit dem NS-System kompatibel“ gewesen. Sie bringt jedoch auch eine Formulierung aus der Programmdiskussion auf Bundesebene ein, laut der Europa „ein Kontinent der Menschlichkeit“ bleiben und offen sein müsse. Was diesen Programmprozess betrifft, schilderte ein Genosse eine Begegnung mit dem Abgeordneten Josef Cap, der das Wort „Sozialismus“ nicht erwähnen wollte, „weil es ein kommunistischer Begriff ist“. Zeitgleich beschloss aber die SPÖ Burgenland, mit der FPÖ zu koalieren, und da sieht der Genosse einen Zusammenhang.
Bayr ist für „Vereinigte Staaten von Europa“ ist wie manch andere in der Runde; zudem wird kritisiert, dass die Sozialistische Internationale heute schwach und „in desaströsem Zustand“ sei. Als Beispiel für Uneinigkeit wird angeführt, dass anderen sozialdemokratischen Parteien „der Nationalstaat näher ist als die sozialdemokratische Idee“, als jene Werte, zu denen auch gehören soll, Menschen ohne Ende bei uns aufzunehmen. Die richtig beobachtete „Schwäche“ spiegelt sich aber auch darin wider, wie diese Diskussionsrunde abgelaufen ist, denn auf abstrakter Ebene wurde eine „Sozialunion“ gefordert (die es schon lang geben sollte) und Maßnahmen gegen Spekulationen auf dem Finanzmarkt. Internationales ist aber immer auch sicherheitspolitisch und mit Engagement für den Frieden verbunden – da ist die SPÖ nicht als einzige im roten Spektrum praktisch nicht mehr wahrnehmbar (wie man auch am kritiklosen Befürworten der Sanktionen gegen Russland erkennen kann und daran, dass „regime changes“ hingenommen werden, ohne sich auf die Seite der Länder und ihrer Bevölkerungen zu stellen).
Die Leute an der Basis können unter diesen Umständen auch kaum einordnen, wer in der Partei ihre Interessen vertritt, wer sich an welchen „Werten“ orientiert. Sie beklagen, dass Beschlüsse sowieso nichts zählen: Niessl hält sich nicht daran und regiert mit der FPÖ, Faymann aber ebenso wenig. Was, wenn es dazu kommt, dass Niessl und der Traiskirchner Bürgermeister Andi Babler (Initiative Kompass) Parteivorsitzende nach Faymann werden wollen, spekuliert ein Genosse. „Wenn Niessl Parteichef wird, verlasse ich die SPÖ“, meint ein junger Roter; allgemein gilt, dass Niessl ja „rechts“ sei. Ich rate den GenossInnen, sich kritisch mit Medienberichterstattung auseinanderzusetzen; wer gegen Putin hetzt und österreichische Politiker ständig negativ darstellt, verfolgt eine Agenda. Als Niessl vor zwei Wochen bei „Im Zentrum“ diskutierte, bot man eine geballte Ladung an TransatlantikerInnen gegen ihn auf. Dass der neue Minister Doskozil sofort von Peter Pilz von den Grünen attackiert wird, spricht auch für ihn. (9)
Nicht von ungefähr meinte Ex-Außenminister Erwin Lanc, der in erster Linie „um zuzuhören“ bei der Diskussion war, wie er sagte, dass er den SozialdemokratInnen in der EU rät, die neuen linken Parteien in Griechenland, Portugal und Spanien als Bündnispartner zu betrachten, denn sie sind anders als die Grünen „revolutionär“. Einige sehen in „mehr EU“ eine Lösung für alles, vom „einheitlichen Steuersystem“ bis zu „einheitlichen Asylstandards“, bringen dies aber nicht mit der Dominanz der USA in Verbindung, die der ehemalige Kreisky-Mitarbeiter und ich beschrieben haben. Man stelle sich vor, wie Sanktionen gegen Russland (nach einem von den USA unterstützten Putsch in Kiew!) durchsetzbar wären, gäbe es keine EU, sondern 28 Staaten, die einander darin bestärken könnten, dabei nicht mitzumachen, was ohne Brüssel viel leichter möglich wäre. (10)
Dies zeigt auch ein Interview des (transatlantischen) Standard mit Minister Doskozil auf, das diese abschließende Frage hatte: „Sie haben Ihren ersten EU-Ministerrat absolviert, gesehen, wie stark dies von Nato-Staaten dominiert wird. Wo ist Österreichs Platz in der europäischen Sicherheitspolitik in Zukunft.“ Doskozil darauf: „Keine Frage, der Stellenwert der Nato ist groß, 22 von 28 EU-Staaten sind Mitglieder der Allianz. Man merkt das schon am Auftreten, in allen militärischen Angelegenheiten gibt es dazu eine Themenführerschaft. Es hat aber auch eine starke Debatte darüber gegeben, wie die Europäer unabhängiger von den USA werden können. Das reicht über die Beteiligung der Klein- und Mittelbetriebe bei der Beschaffung bis zur Vereinheitlichung der Standards bei den Streitkräften. In weitere Ferne wird sich die Frage stellen, welche eigenständige Rolle die Europäer spielen wollen.“
Als der heutige Landesrat im Burgenland Norbert Darabos Verteidigungsminister war, lehnte er – wie seine norwegische Amtskollegin (11) und die polnische Partei Samoobrona (12) – den von den USA geplanten Raketenschild ab. (13) US-Botschaftsdepeschen und die Global Intelligence Files von Stratfor bei Wikileaks (siehe 11 und 13) zeigen, wie sehr dies registriert wurde und wie man Norwegen zusetzte. Gegen Samoobrona wurde eine erfolgreiche Desinformationskampagne in der von George Soros unterstützten Gazeta Wyborcza gestartet. (14) Wie mit Norbert Darabos verfahren wurde, der auch eine Teilnahme Österreichs an „gefährlichen Einsätzen“ a la Afghanistan ablehnte – er stünde dem „offen feindselig“ gegenüber, so der interimistische US-Botschafter und CIA-Stationschef in einer Depesche – , (15) sollte man in der eigenen Partei längst erkannt haben.
Wie es denn rein per Zufall möglich sein soll, dass alle Mainstream-Medien die CIA-Position übernommen haben, (16) wollte ich immer wieder von „KollegInnen“, etwa von Hans Rauscher vergeblich wissen, und ich sprach auch den Österreichischen Journalisten Club (bei einer Pressekonferenz vor ein paar Wochen zum Staatsschutzgesetz)darauf an. Vor der Volksbefragung zur Wehrpflicht gab es im Dezember 2012 eine Diskussion mit General Edmund Entacher auch bei der Wiener Bildung in der Praterstraße (wo jetzt über das Parteiprogramm debattiert wird). Dabei war sogar umstritten, dass die junge Generation das langjährige Parteimitglied eingeladen hat, bekennt Entacher sich doch zum bestehenden System und will kein „Profiheer“.
Es war jedoch überhaupt nicht daran gedacht, mit Verteidigungsminister Darabos zu diskutieren, hiess es; der Minister wurde weitgehend ausgeblendet bei der Kampagne für das „Profiheer“, die den Charakter einer verdeckten Aktion hatte, da es um die Aufgabe der Landesverteidigung und von Heeresstandorten sowie um eine Schwächung der Armee ging. Dies alles hatte das Ziel, österreichische SoldatInnen in Kampfeinsätze zu schicken und eine Beitritt zur NATO vorzubereiten. (17) Als Darabos im Herbst 2007 bei der Wiener Bildung zu Gast war und über seine Arbeit sprach, vereinbarte ich mit ihm, dass wir miteinander reden; ich hatte ihn verteidigt, als er für die Ablehnung des Raketenschildes gebasht wurde, was ihm gefiel, wie er mir brieflich mitteilte. Doch es kam nie dazu, weil ich – wie ich im Lauf der Zeit merkte – zu einer langen Liste an Personen gehörte, die mit ihm nicht reden durften. Dies ist nur erklärbar mit Druck der NATO, der mit Handlangern und Überwachung a la NSA umgesetzt wird.
Auch Nachfolger Gerald Klug wurde abgeschottet, nachdem er anfangs unverbindlich Hände schüttelte, aber niemals ansatzweise Darabos‘ Verständnis von Sicherheitspolitik entwickelte. (18) Bei Klug wurde es spätestens dann notwendig, als Länder und Gemeinden gegen die Schliessung von Kasernen und Hubschrauberstützpunkten protestierten und man natürlich mit Klug persönlich sprechen wollte, statt vom Oberabschotter Kabinettschef Stefan Kammerhofer abgeblockt zu werden. Selbstverständlich konnten Leute, die wie ich oder Andreas Scherer vom Bunkermuseum von Kammerhofer massiv schikaniert wurden, als Darabos Minister war, von Beginn an nie mit Klug sprechen. Beim Bunkermuseum gab es schliesslich (weil sich u.a. der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, SPÖ, sehr dafür einsetzte) eine Lösung, bei deren Zustandekommen zwar Kaiser mit Klug sprach, nie aber Scherer dem Minister begegnete.
Die GenossInnen lobten bei der Programmdiskussion PolitikerInnen wie Sahra Wagenknecht oder Labour-Chef Jeremy Corbyn, wohl ohne sich darüber klar zu sein, welche Geschütze gegen beide aufgefahren werden. So verdächtigen die USA (die CIA hat bekanntlich in ganz bestimmt keiner Partei, weder bei uns noch sonstwo, ihre Pfoten drinnen) Russland, Corbyn zu unterstützen: „According to a ’sensational‘ article by The Telegraph, the US director of National Intelligence was recently instructed by Congress to ‚conduct a major review into Russian clandestine funding of European parties over the last decade.‘ ….Even the new British Labour leader, Jeremy Corbyn, is suspected of flirting with the Russians. So, according to the sponsor of The Telegraph’s story, any European politician who dares to question NATO’s eastward expansion, the policy of anti-Russian sanctions, or the current European stance on the Ukrainian conflict is essentially a witting or unwitting tool of ‚Russia’s hybrid warfare.‘
Well, that would be funny if it weren’t so dangerous. In fact, any impartial observer would pose some simple questions: Why the hell do US intelligence agencies care about challenges to Europe’s internal security? Aren’t they the same agents who finance, recruit, and control countless political organizations, individuals, and media outlets on the European continent? Why are they so brazenly revealing their dominion over Europe?“ (19) Dies weckt Erinnerungen daran, wie mit dem ebenfalls von den GenossInnen bewunderten Olof Palme verfahren wurde, denn auf „Navy to Navy“-Basis wurden verdeckte Operationen der Amerikaner und Briten gegen seine Regierung eingefädelt, indem Offizieren eingeredet wurde, er arbeite für die Russen. Dann wurden fremde U-Boote in schwedischen Gewässern gesichtet und unter großem Medienecho gejagt, die angeblich aus Russland kamen.
Als jedoch einmal ein echtes russisches U-Boot an einer Felseninsel gestrandet war, bestand Russland darauf, es bergen zu können; nun aber hieß es aus Moskau, dass Schweden diese U-Boote ruhig zerstören soll. Die Operationen dienten dazu, Palmes Entspannungspolitik zu diskreditieren, und man muss sich auch dessen bewusst sein, dass der Ministerpräsident 1986 ermordet wurde. (20) Was Sahra Wagenknecht betrifft, muss man sehr eloquent, schlagfertig, telegen und mutig sein, um sich selbst als Oppositionspolitikerin transatlantischem Druck und Stimmungsmache zu widersetzen. (21) Wagenknecht und ihr Ehemann Oskar Lafontaine gehören aber selbst in der Linkspartei zu den wenigen, die in der „Flüchtlingsfrage“ Klartext reden und für eine Begrenzung des Zuzugs sind.
Es ist im Rahmen der Wiener SPÖ, jedenfalls bei dieser Diskussion, machbar, sich Gedanken zu machen, wer bei uns „zu Gast“ ist (wie es eine Genossin ausdrückte), da man von Gästen verlangen kann, dass sie sich an Regeln halten. Und man darf erwarten, dass sich auch andere EU-Staaten an der Aufnahme von Gästen „solidarisch“ beteiligen. No-Go ist aber, unkontrollierte Masseneinwanderung beim Namen zu nennen und zu fragen, wieviele denn tatsächlich asylberechtigt sind, was mit sicheren Drittstaaten und Dublin III ist. Wer will schon als „rechts“ gelten wie Landeshauptmann Niessl, der sich im Übrigen doch mal in Wien zur Diskussiion stellen sollte zwecks innerparteilichem Abbau von Vorurteilen. Manche meinen auch, es sein schon okay, in „Regionen“ zu denken, also „Region und Europa“ bzw. – wie einer es nannte – sich „als Wiener und als Europäer fühlen“ – aber was ist mit dem Staat? Denn niemand sollte sich Illusionen machen, was aus ArbeitnehmerInnenn wird ohne staatlichen Schutz: rechtloses ausbeutbares Freiwild…
Bereits seit August 2014 wird Alexander Van der Bellen als möglicher Kandidat bei den Bundespräsidentenwahlen gehandelt. Am 10. Jänner 2016 gab er schließlich seine Antrittspressekonferenz, bei der er sich als unabhängiger Kandidat mit grüner Unterstützung präsentierte.
Man wählte den Presseclub Concordia in der Wiener Innenstadt als Schauplatz, in dessen Saal zwei Türen führen: eine erreicht man durch die Garderobe im Vorraum, die andere ist bei der Bar, wo man sich an Stehtischen unterhalten kann. Van der Bellen betrat den Saal voller MedienvertreterInnen durch die Garderobe und verliess ihn nach rund 36 Minuten auch auf diese Weise wieder, ohne Interviews zu geben oder sich mit jemanden zu unterhalten.
Am 18. Dezember gab die ehemalige Höchstrichterin Irmgard Griss ihre Kandidatur bekannt, stand den JournalistInnen etwa eine Dreiviertelstunde lang Rede und Antwort und machte nach der Pressekonferenz noch einige Interviews. (1) Auch Griss betrachtet sich übrigens als unabhängig, ist in dieser Hinsicht jedoch erstmal glaubwürdiger, da das ehemalige SPÖ-Mitglied Van der Bellen 21 Jahre lang für die Grünen im Parlament bzw. dann im Wiener Gemeinderat saß.
Van der Bellen ist nicht nur der betonten „Unabhängigkeit“ wegen kein Kandidat der Grünen, wenngleich der extra für den Wahlkampf gegründete Verein aus Grünen besteht („Gemeinsam für Van der Bellen – Unabhängige Initiative für die Bundespräsidentschaftswahl 2016“). Man umgeht so auch einen innerparteiliche Diskussion samt Beschlüssen in Gremien, was etwa die ÖVP aufmerksam zur Kenntnis nimmt. Denn sie wird ihren Kandidaten (den ehemaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol) erst nach dem erforderlichen Procedere in den Parteigremien offiziell präsentieren. Gegenwind hat Van der Bellen aber auch aus den Reihen der Grünen, etwa von der Grünen Jugend, die ihm Neoliberalismus vorwerfen:
„Die Jungen Grünen warnen anlässlich der Bekanntgabe seiner Kandidatur vor einer Fehleinschätzung Van der Bellens. So sehr die Jugendorganisation der Grünen auch die gesellschaftspolitisch liberalen Einstellungen von Van der Bellen schätzt, so sehr warnt sie vor seinen mittlerweile teils neoliberalen wirtschaftspolitischen Positionen. Die zustimmende Haltung zu neoliberalen Projekten wie Bankenrettungen, TTIP, Studiengebühren und mehr Einfluss der Wirtschaft auf Hochschulen sind Zeugen dieser wirtschaftsliberalen Geisteshaltung.“ Die Parteijugend bezeichnet ihn als „idealen Kandidaten für Raiffeisen und Co. Er gilt als allwissende, ideologiefreie Instanz, steht in wirtschaftlichen Fragen aber weiter rechts als viele denken würden“.
Und sie stellt fest: „Die Jungen Grünen erkennen die Verdienste Alexander Van der Bellens in vielen Bereichen an. Er steht für eine weltoffene Gesellschaft und vertritt fortschrittliche gesellschaftspolitische Positionen, die in Österreich nicht selbstverständlich sind. Er wäre auch mit Blick auf die anderen Kandidaturen nicht die schlechteste Wahl. Klar sein muss aber auch: Van der Bellens wirtschaftspolitische Positionen sind konservativ und wirtschaftsliberal. Als linke Jugendorganisation werden die Jungen Grünen auch die politischen Schattenseiten und Risiken bei van der Bellen beleuchten.“ (2)
Als Van der Bellen für ein paar Jahre in den Wiener Landtag wechselte, richtete man ihm das Büro eines „Universitätsbeauftragten“ ein, was nicht nur für die ÖVP ein typisches Beispiel für rotgrünes Beauftragtenunwesen ist. (3) Da es auch in der ÖVP Zaudern und Zögern gab, ehe bekannt wurde, dass der von vielen favorisierte niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll nicht kandidieren will, machen Grüne Van der Bellen aber auch mit Sprüchen wie „Mut kann man nicht kaufen“ die Mauer. (4) Überhaupt geht es beim direkt gewählten Bundespräsidentenamt vor allem um (vermeintliche) Werte und Tugenden, die besonders jene BewerberInnen für sich beanspruchen, die nicht – wie alle Präsidenten seit 1945 – der SPÖ oder der ÖVP entstammen.
Van der Bellens Auftritt wurde (teilweise) von der Austria Presse Agentur aufgezeichnet; ein Video von seinem Statement, den Fragen und seinen Antworten von rund 36 Minuten Dauer ist aber mittlerweile auf Youtube zu finden; (5) die Pressekonferenz wurde via Livestream übertragen und war dann als Video bei Facebook abrufbar. Außerdem gibt es bei neuwal.com ein Transkript des Eingangsstatements, aus dem ich hier auch in Ergänzung meiner Notizen zitiere: „Erstens natürlich bin ich überzeugt, dass ich die Aufgaben des Bundespräsidenten gut wahrnehmen kann. Ich bin ein verbindlicher Charakter, würde nach innen verbindend wirken, verteilt, übergreifend verbinden und nach außen – glaube ich – Österreich gut repräsentieren.
Ich bin auch zuversichtlich, dass wir in der Politik – und ich glaube es ist notwendig in Österreich – eine neue Gesprächskultur entwickeln können, entwickeln sollen. Eine Kultur des gegenseitigen Respekts, der Wertschätzung. Was mir besonders wichtig ist: Des einander zuhören Könnens. Das heißt also, davon Abstand zu nehmen, den anderen zu kritisieren, bevor er oder sie den jeweiligen Satz überhaupt zu Ende gesprochen hat. Das ist ja der politische Alltag. Das kennen wir alle nur zu gut.“ (6)
Van der Bellen vergaß auch nicht, damit zu kokettieren, dass seine estnisch-russischen Eltern als Flüchtlinge nach Österreich kamen: „Zweitens gibt es auch ganz persönliche Motive und ein ganz persönliches Motiv für dieses hohe Amt zu kandidieren. Klingt vielleicht ein bisschen pathetisch. Aber Österreich hat mir, dem Flüchtlingskind, große Chancen eröffnet. Österreich hat mir, dem Flüchtlingskind, viel geschenkt. Vor allem das, was man an Heimat nennt. Ubi bene, ibi patria – wo es mir gut geht, dort ist meine Heimat. Und mir geht es in Österreich wirklich gut. Österreich hat mich gut behandelt. Ich fühle mich in Österreich zu Hause. Von Tirol bis Wien, von Oberösterreich bis Kärnten, und so weiter. Das ist meine Heimat, dort gehöre ich hin.“
Ein bisschen, aber eher, indem er Schlagworte aufzählte, ging Van der Bellen auch auf Inhalte ein und wurde etwa in diesem Punkt doch ein wenig konkreter: „Last not least – das ist mir ein wichtiger Punkt. Last not least, steckt Europa, die Europäische Union, wahrscheinlich in der tiefstgreifendsten Krise seit ihrer Geburt. Und ich möchte dazu heute ganz klarstellen, dass ich die Sprengung der Union… Das heißt, die Rückkehr zur alten Nationalstaatlerei des 20. oder 19. Jahrhunderts für den größtmöglichen Fehler sowohl in politischer wie in wirtschafspolitischer Hinsicht hielte.“ Man beachte, dass Angela Merkel, deren Politik für immer mehr Menschen die größtmögliche Katastrophe verkörpert, (7) ebenfalls vor „Nationalstaaterei“ warnt und Deutschland und die EU in ein einziges grosses Flüchtlingslager verwandeln will. (8)
Alexander Van der Bellen gehört zu jenen PolitikerInnen, die zusammen mit einer Journalistin oder einem Journalisten ein Buch über sich selbst verfassen, von dem ein Verlag hofft, dass es sich gut verkauft. Als er bei der Wiener Buchwoche zu „Die Kunst der Freiheit“ interviewt wurde, wünschte er sich einen „Staat Europa“, weil „28 Landeshauptmänner“ die EU „mehr schlecht als recht durch die Krise führen“. (9) Daher fragte ich ihn, warum er Bundespräsident der Republik Österreich werden will, wenn er doch in Wahrheit für einen „Staat Europa“ ist. Daher fragte ich ihn, warum er Bundespräsident der Republik Österreich werden will, wenn er doch in Wahrheit für einen „Staat Europa“ ist. Für ihn ist es „kein Widerspruch“, da „die europäischen Staaten viel zu klein sind, um sich weltpolitisch ohne transnationale Koordination und Kooperation“ zu behaupten. An anderer Stelle spricht er von einer befürchteten „Verzwergung“ von EU-Staaten, wenn diese einfach nur mehr Staat wären, ohne sich via EU irgendwo (angeblich) „behaupten“ zu wollen.
Da von ihm weder bislang noch bei seinem Statement ein Wort über die Übergriffe auf Frauen mehrheitlich durch Flüchtlinge (die erst kurz oder schon etwas länger im Land sind) in Deutschland, aber in kleinerem Ausmaß auch in Österreich verloren wurde, (10) frage ich ihn, ob ihm die Sicherheit der Wählerinnen denn kein Anliegen ist. Nun verurteilt Van der Bellen „das Verhalten der Leute, die sich dort zu tätlichen oder sexuellen Übergriffen… ich weiss nicht, wie wie man das nennt …. hingerissen haben…“, denn es geht um die Achtung der Rechte und der Würde der Frau, und zwar tagsüber wie auch nachts.. wo immer Männer Frauen begegnen. „Es gibt Menschenrechte und Menschenpflichten“, betont er und weicht wie zu erwarten einem Benennen der Täter aus. Damit ist er jedoch ganz auf der Linie der meisten Grünen, da jedwede Äußerung verpönt ist, die eine Rückkehr zu österreichischer Kultur statt „Willkommenskultur“ beinhaltet (ironischer Weise kommt im Video zur Kandidatur aber die Zeile „mutig in die neuen Zeiten“ aus der 3. Strophe der Bundeshymne vor).
Allgemein wird – teils fassungslos bis erschüttert – ein weitgehendes im Stich Lassen der Opfer durch gerade jene Frauen beobachtet, die als „feministisch“ gelten. (11) Auch eine seltsame Kundgebung der Grünen Frauen am Abend des 9. Jänner 2016 auf dem Wiener Stephansplatz folgte diesem Muster. Es wurde getrommelt und frau verkündete via Transparent, dass sie „widerborstig“ gegen Gewalt auftrete, was durch Klobürsten unterstrichen wurde, die fröhlich geschwenkt wurden, etwa wenn die Wiener Gemeinderätin Birgit Hebein und Brigitte Hornyik vom Frauenring den Rücktritt des Wiener Polizeipräsidenten Pürstl forderten, der Frauen riet, nachts nur in Begleitung unterwegs zu sein. (12)
Es scheint, dass viele Frauen, die sich als politisch verstehen, doch nur Schubladen aufziehen: eine für häusliche Gewalt, eine für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, eine für Vergewaltigung, eine für Sexismus, eine für Antirassismus. All dies geschieht in einem Rahmen, der letztlich von Männern vorgegeben wird, die sich jetzt auch stärker öffentlich wahrnehmbar artikulieren und eher als einige Frauen die Dimension der Angriffe auf Frauen begreifen. (13) Von Politikern wie Van der Bellen ist dies jedoch nicht zu erwarten, wie seine Antworten zeigen.
Alexander Van der Bellen hat 2010 dazu aufgerufen, Heinz Fischer wieder zum Bundespräsidenten zu wählen, der seinen Job aus seiner Sicht „ganz ausgezeichnet macht“. Sie sind „keine eineiigen Zwillinge“, weil er selbst gerne ironisch ist, doch er ist von Fischers Amtsführung überzeugt. Da der Bundespräsident Oberbefehlshaber des Bundesheers ist, galt meine dritte Frage den Zuständen im Verteidigungsministerium, wo das Heer gezielt an die Wand gefahren wird und der Befehlshaber, also Minister Gerald Klug, bekanntermaßen nicht viel Ahnung hat. Vorgänger Norbert Darabos hingegen wurde abgeschottet und am Regieren gehindert; die Befehlskette ist ausgehebelt. Ich könne ihm – ebenso wie Peter Pilz, der Van der Bellen zu den Grünen gebracht hat – „gerne Hintergrundinformationen geben“. Da Van der Bellen meint, er könne die Aufgaben eines Bundespräsidenten gut wahrnehmen, weise ich darauf hin, dass Fischer sie gar nicht wahrgenommen hat. (14)
Van der Bellen erwiderte, dass er sich nichts Konkretes unter der Funktion eines Oberbefehlshabers vorstellen könne. „Zuständig ist der Verteidigungsminister, der Bundespräsident hat keine Exekutivgewalt“, erklärte er, da er ja auch keine Minister ernennen oder abberufen könne. Der Bundespräsident kann eine Meinung haben und diese „intern und manchmal auch öffentlich“ äußern, aber z.B. beim Budget nicht eingreifen. Freilich sieht Van der Bellen beim Thema FPÖ als möglicherweise einmal stimmenstärkste Partei Handlungsspielraum und erinnert an Thomas Klestil (da ihn „KollegInnen“ mehrmals nach der FPÖ fragen), der „nicht ungeschickt“ eine „proeuropäische“ Präambel zum schwarzblauen Regierungsprogramm forderte und nicht jede vorgeschlagene Person als ministrabel ansah.
Da aber der Verteidigungsminister die Befehlsgewalt über das Heer als Vorgesetzter mit militärischen Eigenschaften in einer Befehlskette hat, die im Ernstfall mit dem Bundespräsidenten beginnt, aber von der Regierung im Rahmen einer „wehrpolitischen Ermächtigung“ die Verfügungsgewalt übertragen wird, hat er sehr wohl Handlungsspielraum. Heinz Fischer hätte 2010 das Rücktrittsangebot einer Bundesregierung annehmen können, in der Norbert Darabos als Verteidigungsminister seine Befugnisse nicht verfassungsgemäss ausüben konnte, weil man ihn unter Druck setzte (er will kein Vasall der NATO sein). (15) Ebenso kann ein Präsident in spe Van der Bellen das Rücktrittsangebot dieser Regierung nach seinem Amtsantritt annehmen, wenn sich die verfassungswidrigen Zustände nicht geändert haben. Also wenn kein Minister, keine Ministerin das Ressort innehat, die / der auch in jeder Hinsicht in der Lage ist, das Amt auszuüben.
Was die FPÖ betrifft, verweise ich auf die Berichterstattung anderer Medien: „Die Gretchenfrage in diesem Präsidentschaftswahlkampf, nämlich wie es ein Kandidat wohl mit der FPÖ hält, beantwortete Van der Bellen diesmal nicht so klar, wie man es von ihm schon gehört hat und sich vielleicht auch gewünscht hätte. Hatte er noch im Herbst erklärt, er würde FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Zweifelsfall nicht als Regierungschef angeloben, diese Aussage aber später mit dem Verweis relativiert, es handle sich dabei um einen „hypothetischen“ Fall, so blieb er diesmal auch auf Nachfrage vage. Immerhin sei der Bundespräsident ja – genauso wie eine Partei bei der Nationalratswahl – demokratisch gewählt, allerdings mit einer höheren Stimmenmehrheit als eine (Kanzler-)Partei. Auch als stärkste Fraktion habe man nicht automatisch einen Anspruch auf die Kanzlerschaft, schmunzelte er. Was genau er damit meint, wie er verfassungsrechtlich damit umgehen würde und ob er – ähnlich wie etwa Thomas Klestil – eine schwarz-blaue Regierung zähneknirschend und mit Auflagen angeloben würde, darauf wollte Van der Bellen nicht genauer eingehen.“ (16)
Dies schreibt die „Wiener Zeitung“, die so auf Van der Bellen – Fischer Bezug nimmt: „‚Du Lausbub, Du.‘ Mit diesen Worten hat Heinz Fischer den 50-jährigen Alexander Van der Bellen im Nationalrat empfangen, als dieser 1994 für die Grünen ins Parlament einzog. Mehr als 20 Jahre später sitzt dem ‚Menschen mit grüner Vergangenheit‘, wie sich Van der Bellen nun selbst nennt, immer noch der Schalk im Nacken.“ Dass Van der Bellen lange nach dem Namen des Sozialministers, der wahrscheinlich für die SPÖ kandidieren wird, suchen musste, fiel auch anderen auf; ebenso, dass er angab, mit ÖVP-Kandidat „Helmut Kohl“ dasselbe Gymnasium besucht zu haben: „Über die anderen möglichen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten ließ er sich wenn, dann nur positiv aus, bei den Namen haperte es allerdings. So verwechselte er Andreas mit Helmut Khol und wie ‚der Sozialminister‘ heißt, wollte ihm partout nicht einfallen, auch wenn er ihn schon seit Jahren kenne. An seinem Namensgedächtnis wird Van der Bellen also noch feilen müssen, sollte er Bundespräsident werden und keine diplomatischen Verärgerungen riskieren wollen. Ein kleiner Fauxpas in einem ansonsten erwartet souveränen Auftritt.“
Der „Standard“ berichtet mit eingefügten APA-Video (von 13:51 Minuten) und schreibt: „Der Anzug sitzt, ebenso die einstudierten Gesten, und die zentrale Botschaft – ‚Ich bin überzeugt, ich habe eine ernste Chance‘ – wird bei der Antrittspressekonferenz am Sonntag mehrmals und deutlich platziert. Kampagnenchef Lothar Lockl lächelt zufrieden, das Produkt Alexander Van der Bellen, Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl Ende April 2016, ist lanciert. Nun heißt es: Marke schärfen, Bekanntheitsgrad erhöhen, Kaufimpuls erregen.“ (17) Dass Van der Bellen immer wieder betont, jede/r müsste weit über das Parteienspektrum hinaus Zustimmung gewinnen, ist verständlich, denn gewählt ist, wer die Mehrheit der Bevölkerung auf sich vereint. Fragen zu seinem Privatleben verbittet sich dieser Bewerber übrigens; man weiss daher nur, dass er vor Kurzem die Geschäftsführerin des grünen Parlamentsklubs geheiratet hat. (18) Sein Alter von 72 entspricht jenem, das Heinz Fischer beim Wiederantritt 2010 erreicht hatte; und was das Rauchen betrifft, habe jeder ein Laster…
PS: Weil Van der Bellen davon ausgeht, dass die grüne Parteibasis ehrenamtlich für ihn Plakate klebt und „was weiß ich“ im Wahlkampf macht, sei an die Wahl 1992 erinnert, als die Basis mit dem Zukunftsforscher Robert Jungk einen passenden Kandidaten hatte. Jungk musste als Jude aus Deutschland flüchten, wusste früh von Konzentrationslagern (doch auch in der Schweiz wollte dies niemand publizieren), er war nach dem Krieg ein Gegner der Atomrüstung und setzte auf Sonnenenergie. Jungk unterstützte den Widerstand in Deutschland gegen die sogenannte Nachrüstung der NATO in den 1980er-Jahren und stand nicht nur der NATO, sondern auch dem EWR und der EG kritisch gegenüber. Deshalb wurde seine Kandidatur auch seitens des „grünen“ Parlamentsklubs boykottiert; es gab einige bewusst herbeigeführte Pannen auf einer Wahlkampftour, die für einen 79-Jährigen ohnehin strapaziös war. Auch unter diesen Umständen erreichte er – ehe Internet und Social Media die Werbung vereinfachten – immerhin 5,7 %. (19) In „Menschenbeben“ schrieb er übrigens: „Die sich so stark geben sind in Wahrheit schwächer, als sie auftreten, und diejenigen, die meinen, sie seien zur Ohnmacht verurteilt, sind stärker, als sie vermuten.“
Der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Willy Wimmer kommentiert die Neujahrsansprache von Kanzlerin Angela Merkel. Obwohl diese nur wenige Minuten dauerte, versteht Wimmer all jene Menschen, die lieber wegzappen oder gar nicht erst den Fernseher einschalten:
Probleme lassen sich nicht „wegzappen“, eine Ansprache schon.
Man wollte sie nicht mehr hören, weil man sie auch nicht mehr hören kann. So erging es der noch amtierenden Bundeskanzlerin mit ihrer Ansprache zum Neujahrfest. (1) Noch an dem Abend wurde der Zustand des Regierungshandelns in Deutschland mit den Sicherungsmaßnahmen in München deutlich. (2)
Wir haben die Probleme im Land und es reicht schon, die permanenten Warnungen aus den Sicherheitskreisen über Menschen zu hören, die sich unerkannt im eigenen Land oder in EU-Europa aufhalten. Die Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes manifestiert sich in zwei Tatbeständen: unsere Regierung nimmt in einer Willfährigkeit sondergleichen an kolonialen Bombenkriegen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft teil. Innerstaatlich und im EU-europäischen Verbund macht sie sich und damit uns so hilflos, wie es das vorher noch nie gegeben hat. Gleichzeitig wird der zivile Charakter unseres Landes nach US-amerikanischem Vorbild so militarisiert, daß einem um unsere Bürgerrechte Angst und Bange werden muß. Es reicht doch schon, sich Nordrhein-Westfalen anzusehen, wo mit sichtbarer staatlicher Gewalt der deutsche Staat in nicht nur libanesisch kontrollierten Gebieten durchgesetzt werden muß, soweit das auf Dauer überhaupt gelingen kann.
Modell „Preußenschlag“
Zum Jahresende wurde die rhetorische Frage danach gestellt, was vom vergangenen Jahr „hängenbleiben“ wird. Dazu zählt gewiß die fast grenzenlose Hilfsbereitschaft der Deutschen, ohne die der deutsche Staat schon längst in den letzten Zügen liegen würde. Kein Wunder, wenn die Damen und Herren Festredner diese Hilfsbereitschaft wieder und wieder loben und beschwören. (3) Damit wird aber vor allem die Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung und der EU-europäischen Spitzenpotentaten deutlich. Sie haben unser Land und etliche andere an Sollbruchstellen herangeführt, die uns in eine unverantwortliche Lage gebracht haben. EU-Europa ist am Ende und das zeigt sich nicht nur bei den Le Pens und Kwaczinskis unserer Zeit.
Aber für Deutschland manifestiert sich das Verhängnis, das unauflöslich mit dem Namen Merkel verbunden ist, mit der Aufgabe des Rechtsstaates in der Folge eines Wochenendes. Als am 4./5. September wegen der Lage am Hauptbahnhof von Budapest eine Entscheidung auch durch die deutsche Bundeskanzlerin getroffen wurde, konnte man für eine Einzelentscheidung noch Verständnis aufbringen. Dieses Wochenende aber zu nutzen, auf Dauer die entsprechenden europäischen und deutschen Regeln über den Schutz unseres Landes und EU-Europas außer Kraft zu setzen, ist ein Schlag gegen die rechtsstaatliche Ordnung unseres Landes.
In der jüngeren Geschichte Deutschlands ist das nur mit dem „Preußenschlag“ des 20. Juli 1932 gegen die rechtsstaatliche Ordnung des preußischen Verfassungsstaates zu vergleichen. Es war der “ Rechtsstaat“, mit dem die Wiederherstellung des staatlichen Einheit 1990 begründet worden ist. Die gesamte deutsche Verfassungsgeschichte macht deutlich, von welcher Bedeutung es ist, für die Durchsetzung politischer Ziele die verfassungsmäßig vorgeschriebenen Verfahren einzuhalten. Die Bundeskanzlerin hat geltendes Recht in einer Weise außer Kraft gesetzt, wie man es unter „Putsch-Aspekten“ verteufeln müßte.
Beseitigung des Rechtsstaates zugunsten TTIP und der Beteiligung an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen.
Berlin und damit ist das politische Berlin gemeint, scheint in der Beseitigung des Rechtsstaates „blank“ zu ziehen. Millionen Menschen treibt es auf die Straßen oder zu Unterschriften gegen das Freihandelsabkommen TTIP, das für uns das Ende des EU-europäischen Verfassungsstaates bedeutet. Das „Budapest-Edikt“ planiert schon einmal das, was zur Beseitigung des Rechtsstaates in Deutschland unternommen werden muß. Aber auch die fadenscheinige Begründung für den gegen den völkerrechtskonformen russischen Militäreinsatz in Syrien gerichteten Einsatz durch die Entsendung von fliegenden Gefechtsständen an Bord der AWCS-Maschinen in die Türkei macht deutlich, was die Bundesregierung noch vom „Parlamentsvorbehalt“ hält. Einsatz der Bundeswehr, wenn der amerikanische Oberbefehlshaber es verlangt.
Wenige Tage zuvor hatten wir das Modell schon gesehen, als der Kampfeinsatz Deutschlands in Syrien an der Seite der Aggressoren durch den Deutschen Bundestag gepeitscht worden war. Recht und vor allem Völkerrecht spielt im Deutschland der Angela Merkel offenbar keine Rolle mehr, nachdem Gerhard Schöder uns in eine Position zurückgekämpft hatte, die halbwegs mit der eigenen Verfassung wieder übereinstimmte. Man muß fast den Eindruck haben, daß bei dem kommenden Obama-Besuch zur Messe in Hannover die Bundeskanzlerin „Vollzug“ melden muß, was die endgültige Kolonisierung EU-Europas und damit auch Deutschlands anbetrifft.
Vielen Dank, Herr Wimmer, für diesen treffenden Kommentar!
PS: Ergänzend sei darauf verwiesen, dass offenbar George Soros die Blaupause sowohl für Merkels Ansprache als auch für die des österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer lieferte. (4) Und nicht von ungefähr hat Fischer, dessen Amtszeit diesen Sommer endet, bereits vor seiner Fernsehrede klargestellt, dass er sich gegen Obergrenzen „der Menschlichkeit“ ausspricht. (5) Im anlaufenden Wahlkampf, den bislang nur die ehemalige Höchstrichterin Irmgard Griss bestreitet, da sie sich als einzige Kandidatin deklariert hat, (6) müssen die WählerInnen darauf achten, welcher Kurs verfolgt wird. So scheint der aus der SPÖ stammende wahrscheinliche Kandidat der Grünen Alexander Van der Bellen ebenfalls auf Linie zu sein, spricht er doch in einem Interview davon, dass er sich (anstelle der Nationalstaaten) einen „Staat Europa“ wünscht. (7)
Auf Einladung der Offiziersgesellschaft Niederösterreich und unter dem Ehrenschutz von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hielt Willy Wimmer am 16. Oktober einen Vortrag in St. Pölten. Dabei sparte er Beurteilungen österreichischer Politik aus, gab jedoch interessante internationale Einblicke. (1)
Im Publikum waren neben meist pensionierten Offizieren auch VertreterInnen des EU-Austritts-Volksbegehrens, die ganz ohne Mainstreammedien mehr als 200.000 Unterschriften zustande brachten. Nicht nur diese BesucherInnen, auch alle anderen machten in ihren Wortmeldungen deutlich, dass sie sich intensiv mit internationalen Entwicklungen befasst haben. Wimmer als deutscher Gast schien ihnen aber zu bestätigen, dass „die“ Politik dem Hegemon USA mehr oder weniger ohnmächtig gegenüber steht.