Wer sich ansatzweise kritisch zur Politik des Kreml äußert, wird rasch mit Häme und Vorwürfen überhäuft; das ist nicht immer bösartig gemeint, sondern viele haben sich Illuonen gemacht so von wegen „der Trump, der Putin und der Xi werden uns alle befreien“. Dies ist verbunden mit der Vorstellung eines gemeinsamen Staates der deutschsprachigen Länder in der Zukunft, der freilich davon abhängt, dass Deutschland „einen Friedensvertrag bekommt“. Da sind dann natürlich Staaten wie die Schweiz (nicht ganz rein deutschsprachig) oder Österreich (ebenfalls) völlig unbedeutend (auch Deutschland ist übrigens mehrsprachig). Natürlich empört in diesem Weltbild besonders, wenn man Meldungen aufgreift, wonach Kreml-Kritiker Alexej Nawalny vergiftet wurde, was ja noch nichts aussagt über den Täter. Bis zu einem gewissen Grad lesen einige aufmerksam, welche Verbindungen russische Oligarchen via Österreich (als Brückenkopf) etabliert haben; sie steigen aber aus, wenn auf Nawalnys Recherchen zu genau diesem Thema verwiesen wird. Dabei kann man kaum einen Bericht über Oligarchen, Organisierte Kriminalität, Geheimdienste lesen, ohne dass Österreich-Bezug besteht – entweder direkt oder wenn man mehr über erwähnte Personen, Firmen, Themen wissen will.
In der „Provinz“ kann man sich so manches sehr gut vorstellen, das jetzt über Nawalny geschrieben wird: „Der Oppositionsführer war zunächst in Nowosibirsk und später in Tomsk, um dort Lokalpolitiker bei den anstehenden Wahlen zu unterstützen. Zudem heißt es, dass er dort gedreht habe. Gut möglich, dass Nawalny ein weiteres Enthüllungsvideo vorbereitete. In den vergangenen Jahren sind diese Videos, die Korruption hochrangiger Beamter und Politiker aufdeckten, zu seinem Markenzeichen geworden. Obwohl die Reise unter hoher Geheimhaltung vorbereitet wurde, war ihm der russische Geheimdienst einem Medienbericht zufolge stets auf der Spur. Die Agenten verfolgten den Politiker in Nowosibirsk und begleiteten später seinen Konvoi nach Tomsk. Auch durch die kurzfristige Buchung mehrerer Hotelzimmer ließ sich der Geheimdienst nicht abschütteln und fand den 44-Jährigen problemlos in der unter anderem Namen angemieteten Wohnung.“ Womit sich Nawalny beschäftigt, hat immer wieder sehr viel mit Österreich zu tun; die lückenlose Überwachung wird manch einem (Ex-) Politiker bei uns bekannt vorkommen; viele würden diese Kapazitäten aber lieber nur der NSA zuschreiben. Wobei wir, wenn es konkret um Geheimdienste geht, natürlich von mehr sprechen als einer Überwachung z.B. von Handydaten.
Zur lückenlosen Überwachung Nawalnys
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