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Hat Seymour Hersh seriös recherchiert?

In der Diskussion über Seymour Hershs Enthüllung, dass die USA Nord Stream gesprengt hätten, wird auch danach gefragt, ob sich Hersh denn schon seit dieser Veröffentlichung geäussert hätte. Man findet diesen Zugang auch bei diversen Videos, doch inzwischen liefert Google News den Link zu einer Verlinkung zu einem Gespräch mit Hersh bei Radio War Nerd. Die beiden Guys dort sind jedoch so sehr beeindruckt und geehrt, dass sie fast zur Gänze auf Fragen zu seiner Enthüllung vergessen. Vor allem wird in der Vergangenheit geschwelgt. Hersh sagt aber, dass er seinen Text nicht selbst auf Substack stellte, sondern es einen Editor gibt. Ausserdem weist er darauf hin, dass auch vorkommt, dass Quellen nicht einmal anonymisiert erwähnt werden wollen. Das ist so, wie wenn jemand anonym am Sessel des Parteichefs sägen will, aber man darf nicht mal sagen, dass eine Person in dieser Partei etwas behauptet. Hersh deutet eine zweite Quelle in der Pipeline Industry an, wo jeder wisse, wer Nord Stream gesprengt hat. Er wiederholt „Drohgebärden“ von US-Politikern und bezeichnet Olaf Scholz als deutschen Botschafter; Nord Stream beginnt für ihn in St. Petersburg statt in Wyborg und Ust-Luga. An der Spitze von Gazprom stünden Oligarchen; das ist wieder ungenau, denn man kann das Netzwerk von Alexej Miller exakt nachzeichnen auch mit Verbindungen zu uns (soll Hersh das nicht tun?). Dass ihn Bellingcat kritisiert, ist für ihn Bestätigung; doch Bellingcat deckt eben auch nur teilweise auf.

In den Geschichtswissenschaften gibt es den Begriff Quellenkritik, was bedeutet, Plausibilität anhand von Kriterien zu überprüfen, natürlich auch Daten und Material der Handschriften oder Drucke. Wie nahe war jemand dem Geschehen, über das er berichtet? Hatte er einen Vorteil davon, einen Anführer zu loben, oder beschreibt er das Agieren einer Person aus einem anderen Lager wohl korrekt, wenn er positive Worte wählt? Ein Beispiel dafür ist die Zuordnung der Gesta Francorum als wichtigster Quelle über den ersten Kreuzzug, die wohl von einem Angehörigen des niedrigen Klerus verfasst wurde. In der Gegenwart haben wir tatsächlich zwei Lager, weil die einen Hersh unbesehen glauben, während andere ihre Verurteilungen fast voneinander abschreiben. Und doch wird manchmal differenziert, etwa hier, wo auf die Beziehungen zwischen US-Administrationen und Russland verwiesen wird. Außerdem kann Joe Biden viel sagen, wenn der Tag lang ist, und im Libanon wird Hersh als Asset des syrischen Geheimdienstes bezeichnet und man nannte auch schon die Person, die ihn kontrolliert. Auf dem Kanal Militär & Geschichte gibt es zwei Videos zu Hershs Nord Stream-Geschichte und einige interessante Userkommentare zu Manövern, Tauchern und Militärflugzeugen; ausserdem wird auf diese gute Analyse verwiesen.

Hersh bei Democracy Now

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Schützt Österreich Oleg Deripaska?

Während Grossbritannien auch den Oligarchen Oleg Deripaska sanktioniert, scheint dies innerhalb der EU nicht möglich zu sein. Sicher ist die City of London für Oligarchen und damit ein System des russischen Staatskapitalismus besonders wichtig, doch jemand muss auf EU-Ebene ein Veto eingelegt haben. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Deripaska mit dem Auto- und Rüstungskonzern GAZ direkt an Krieg beteiligt ist. Damit aber kommt auch sein Partner Siegfried Wolf ins Spiel, der letztes Jahr MAN in Steyr kaufte, um es zu einem europäischen Arm von GAZ zu machen. In der Zentrale von MAN in München sitzt die Gattin von Arbeitsminister Martin Kocher als Vizepräsidentin, doch es gibt weit mehr Verbindungen zwischen Regierung und Deripaska.

Hier wird recht gut erklärt, was von „Tschekisten“ zu halten ist, die ihre Fahne immer nach dem Wind richten. Bei der ungeheuren Hybris der SPÖ geht es jedoch um weit mehr, weil der vor wenigen Monaten mit der höchsten Auszeichnung der Partei geehrte Alfred Gusenbauer seit 2010 Aufsichtsratsvorsitzender der Strabag ist. Wir sehen ihn unten im Jahr 2014 mit Wolf und Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer bei Rene Benko. Wolf gehörte auf Wunsch Deripaskas von 2007 bis 2015 dem AR der Strabag an und war bis vor wenigen Tagen Aufsichtsratsvorsitzender der Sberbank Europe, die Benko Kredit gab. An der Spitze der Muttergesellschaft Sberbank steht mit Herman Gref ein ehemaliger Mitarbeiter der Stadtverwaltung von St. Petersburg, der auch dem AR von Gazprom angehört. 2009 wollten Magna und Sberbank Opel übernehmen; 1998 begann Magna, mit dem noch planwirtschaftlich geführten GAZ-Unternehmen zu kooperieren. Böhmdorfer vertritt neben Benko, dessen rechte Hand Gusenbauer ist, auch den ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtash, der natürlich Putin-treu ist.

2014 bei Benko (c Andreas Tischler)

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