Wenn Bischöfe in ihren Weihnachtspredigten wahre Nächstenliebe in der Hilfe für Flüchtlinge verorten, lässt dies Schlimmes für bereits bisher vernachlässigte sozial Schwache befürchten. Zugleich trommeln Medien weiter dafür, mehr Wohnraum für Flüchtlinge zu finden, während Obdachlose und Arme ausgeblendet werden.
Natürlich ist die propagierte Fernstenliebe nicht christlich, sondern transatlantisch, aber warum muss die Kirche auf diese Zug aufspringen? Immerhin hat Kardinal Christoph Schönborn inzwischen entdeckt, dass Kriege etwas mit Flucht und Massenmigration zu tun haben; er nennt jedoch die verdeckte Kriege nicht beim Namen, geschweige denn deren Urheber. (1)
Neben „refugees welcome“ gilt in Wien auch „tourists welcome“, wie man am Weihnachtsabend besonders deutlich am Stephansplatz sieht (dort, wo Schönborn und Co. feiern). Die einen sind auch ohne Kohle willkommen (böse Zungen behaupten, dass etwa die Caritas gut an ihnen verdient), die anderen bringen Kohle, und beide sehen ein Wien, das mit der Realität wenig zu tun hat.
Im Stadtbild fallen zahlreiche Obdachlose auf, die oft von Hunden begleitet werden; Menschen in Not werden vom harten Fonds „Soziales“ Wien dazu gezwungen, auf Tiere zu verzichten, wenn sie nicht auf der Straße leben wollen. Angesichts der Heuchelei, der Gleichgültigkeit, der Brutalität vieler Menschen ist verständlich, dass manche sich lieber für ihren tierischen Gefährten und damit für ein Leben auf der Straße entscheiden als ihren Freund aufzugeben.
Dies fällt in die Kompetenz von „Sozial“-Stadträtin Sonja Wehsely von der SPÖ, die selbstverständlich ungeheuer menschlich und mitfühlend tut, wenn es um Fernstenliebe geht. In einer Mischung aus bezahltem und ehrenamtlichem Engagement kümmern sich „Wärmestuben“ (meist kirchlich geführt) um jene Menschen, die auf der Straße „zuhause“ sind, die Drogen nehmen oder auf Entzug sind oder die sonst wie an den Rand der Gesellschaft geraten sind.
Es gibt Essen und Ansprache, doch keine Einrichtung hat die Nacht über geöffnet. Dabei wäre es Sache der Stadt, bei immerhin 1,8 Millionen EinwohnerInnen, von denen Hunderttausende arm sind, dafür zu sorgen, dass immer jemand da ist, dass es immer Anlaufstellen gibt. Während Flüchtlinge auf Bahnhöfen Rührung und Spontanprojekte auslösen, ist kaum im Bewusstsein, dass nur für wenige Stunden nachts geschlossene Bahnhöfe auch Anlaufstelle für andere Menschen sind.
Die Tierunfreundlichkeit der Stadt wird teilweise von privaten Einrichtungen aufgefangen, mutet aber auch deswegen heuchlerisch an, weil vor ein paar Monaten die Story über die angebliche Flucht eines syrischen Burschen mit einem Hund verbreitet wurde. Zwar sah der Hund wie ein sibirischer Husky aus, aber vielleicht gibt es diese ja auch in Syrien?
Typisch weihnachtlich sind auch Peinlichkeiten wie der Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer samt Gattin in einer privaten Obdachloseneinrichtung. (2) Fischer stammt ja aus der Sozialdemokratie, die in Wien dafür verantwortlich ist, dass so viele Menschen an den Rand gedrängt und nicht aufgefangen werden – aber verliert er darüber kritische Worte? Ganz bestimmt nicht.
Alle Jahre wieder gibt es Banalität anstatt Berichterstattung, nämlich wie „Österreichs Politiker“ Weihnachten feiern. „Im Familienkreis“ natürlich, wie gerne der oder die eine oder andere auch ganz woanders wäre; unfreiwillig erheiternd ist die Information, dass Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) mit seiner 12jährigen Tochter in die Kindermette geht. (3) Oft ist das eigentlich Interessante, wer nicht vorkommt, nämlich Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ). 2014 teilte man uns noch mit, dass er mit Freundin und wenige Wochen zuvor geborener Tochter feiert, die Vorspeise zubereitet und den Baum mit blauen, weißen und roten Kugeln schmückt.
„Bedürftige“ müssen, weil sie keine Flüchtlinge sind, Familie vorweisen können, um als Menschen in Not betrachtet zu werden. Auf diese Weise verteilt der rote Samariter Bund Geschenke an Kinder sozusagen als Pause von der Flüchtlingsfürsorge, die ihn wie andere „NGOs“ stark in Anspruch nimmt. Wenn er dabei aber vom Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) unterstützt wird, fragt sich doch, ob dieser sich nicht darum kümmern sollte, dass es weniger Wohnungsnot gibt. (4)
Im Faymann-Propagandablatt „Österreich“ finden wir am 25. Dezember ein ganzseitiges SPÖ-Inserat, bei dem links oben in der Ecke ein kleines Faymann-Foto prangt. Daneben steht „Lange gefordert. Hart erkämpft. Jetzt durchgesetzt.“ Weiter unten vor grauem Hintergrund eine rote Börse in Österreich-Form, darüber „Mehr Netto vom Brutto!“ und darunter: „Ab 1. Jänner: Die größte Steuerentlastung aller Zeiten!“. Von den Kosten abgehen ist das Design der Anzeige umwerfend hässlich.
Zu Weihnachten wurden in der Frauenbeilage zu „Österreich“ Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser und die neue Kanzlersprecherin Anja Richter gefeiert (ihr Lebensgefährte Christian Deutsch stammt wie Faymann aus der SPÖ Liesing und arbeitet bei Kanzleramtsminister Josef Ostermayer). Und für die Leserinnenschaft gibt es, nachdem vorher wochenlang getrommelt wurde, was frau alles schenken und wie sie feiern sollte, Silvestertipps und ein Jahreshoroskop.
Der weihnachtliche Einkaufsrummel bedeutet übrigens für VerkäuferInnen besonderen Stress. So müssen Supermarktangestellte, wenn am 24. Dezember um 7 Uhr aufgesperrt wird, ihren Dienst um 5.30 Uhr beginnen. Wenn dann um 14 Uhr geschlossen wird, ist der Arbeitstag ja noch nicht ganz vorbei. Eine Pointe am Rande, Supermärkte betreffend: Am 23. Dezember schnappte sich eine Kundin vor mir beim Penny schnell noch einen der angebotenen Bumentöpfe, drei Amaryllis-Zwiebeln in Glasbehälter, rundum Jute mit Sprüchen. Dass das Band falsch aufgeklebt war, bemerkte sie nicht, denn da stand „rohe Weihnachten“. Ist sie Rohkost-Fan, ist es in Erwartung häuslicher Gewalt, oder geht es um BDSM?
(1) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151224_OTS0015/fluechtlinge-schoenborn-mahnt-europaeische-solidaritaet-ein
(2) http://derstandard.at/2000027938384/Der-Praesident-Herr-Josef-und-die-Sexfilme?ref=rec
(3) http://derstandard.at/2000028032683/Oesterreichs-Politiker-feiern-im-Familienkreis
(4) http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20151224_OTS0014/str-ludwig-beim-weihnachtsfruehstueck-im-samariterbund-sozialmarkt