Schlagwort-Archive: Anne Eisenhower

Die BAWAG-Affäre – ein transatlantischer Skandal

Wer meint, das Wahljahr 2017 sei für die SPÖ besonders dramatisch gewesen, sollte sich an 2006 mit der Pleite der Gewerkschaftsbank BAWAG erinnern. Diese stieg 1998 beim US-Brokerhaus Refco ein, dessen später zu einer hohen Haftstrafe verurteilter CEO Phillip Bennett in jenem Jahr mit Fake-Bonds zu jonglieren begann. Von Milliardenforderungen wegen der Refco-Pleite musste sich die BAWAG dann freikaufen, nachdem Bennett 2005 vor seiner Verhaftung schnell noch einen „Blitzkredit“ von 425 Millionen Euro bekommen hatte. Als viertgrößte Bank Österreichs verpfändete die BAWAG dann den Streikfonds seines Besitzers, des ÖGB, und am Ende vom Lied landete die Bank beim US-Hedgefonds Cerberus.  Es wurde also zugleich eine Bank abgewickelt und eine der reichsten Gewerkschaften weltweit getroffen, und als der BAWAG-Skandal 2006 platzte, wollte gerade die SPÖ, dass der ÖGB die Bank möglichst schnell loswird. Sündenbock in der Öffentlichkeit war Helmut Elsner, der 2003 pensionierte Vorstandsvorsitzende, während der amerikanische Investmentbanker Wolfgang Flöttl, dessen Vater Walter vor Elsner bis 1995 Bankchef war, außen vor blieb. Im April 2008 zitierte die „Presse“ Elsner, der vor Gericht stand: „Gusenbauer führt die Bank, das Interesse ist, dass Gusenbauer die Wahl gewinnt.“

Neuwahlen zeichneten sich da noch nicht ab, sodass die Lage 2006 gemeint war. Damals kamen von Gusenbauer Aussagen wie diese: „Manchmal kann aber ein Missverständnis entstehen, wenn die Gewerkschaft zu Recht gegen den Ankauf von Eurofightern auftritt und gleichzeitig ihre Bank, die auch die Hausbank der Regierung ist, den Ankauf dieser Abfangjäger vorfinanziert. Da entsteht natürlich eine Optik, die viele Menschen verwirrt.“ Dem Investmentbanker Wolfgang Flöttl, der sich nicht nur einmal auf BAWAG-Kosten verspekulieren durfte (oder Unsummen veruntreute, wie Elsner es nennt), sei er nie begegnet; hingegen vermutete Gusenbauer, dass dieser Absprachen mit der Regierung Schüssel getroffen habe (weil er behauptete, Ex-Kanzler Franz Vranitzky habe ihn erfolgreich um Geld für die Partei gebeten). Für Empörung sorgte, dass Vranitzky von der Bank eine Million (Schilling) für Beratung zur Umstellung auf den Euro erhielt, was Elsner Flöttl zuschrieb, den er seit 2000 nicht mehr gesehen haben soll. Es ist schwer, Elsner besonders sympathisch zu finden, was mit seinem Charakter, jedoch auch mit der Art der Berichterstattung zu tun haben kann. Und wenn er Recht hat und tatsächlich von weitreichenden Seilschaften zu Fall gebracht wurde, muss man die Causa ohnehin in neuem Licht betrachten. Denn dann sind Elsners Reaktionen nachvollziehbar, wenn man sich einmal vorzustellen versucht, in seiner Lage zu sein.

Ruth Elsner 2009 bei ATV

Die BAWAG-Affäre – ein transatlantischer Skandal weiterlesen

Das Mauthausen-Ritual, der ÖGB und die USA

Jedes Jahr erreichen im Mai um den Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung von Mauthausen Rituale der moralischen Überlegenheit ihren Höhepunkt. Denn wenn zeitbedingt nur mehr wenige jener Menschen am Leben sind, welche die Grauen des Konzentrationslagers überlebt haben, fungieren andere als deren Stellvertreter, ohne eigene Erfahrungen mitzubringen. Dann geht es darum, wer das Recht hat, für die 100.000 zu sprechen, die von 1938 bis 1945 in Mauthausen ermordet wurden und für diejenigen, die das Lager überlebt haben. Wer zu den moralisch Überlegenen gehört, hat das Wohlwollen der einstigen Befreier des Lagers, der USA und erkauft sich damit zugleich einen Ablaß für jede seiner Handlungen in der Gegenwart, denn angesichts des Grauens der Vergangenheit scheint alles zu verblassen. So kann sich die SPÖ jedes Jahr so sehr ins Zeug werfen, dass man sie geradezu als Mauthausen-Partei bezeichnen kann, was von unfassbarer Gewalt in Wiener Kinderheimen ablenkt, die auch mit Erzieherin von der SS zu tun hatte. Man arbeitete dies nie wirklich auf, ebenso wenig wie das Wirken von Euthanasieärzten, Menschenversuche und einen Umgang mit Kindern in der Psychiatrie, der Mord gleichkommt. Und seit langem „spielen“ Netzwerke von Richtern, Anwälten und Gutachtern Arisierung 2.0, mit dem Unterschied, dass auch Nichtjuden ausgeraubt und vollkommen entrechtet werden.

Das Leiden von Menschen heute ist irrelevant, wenn vergangenheitsbezogene Heiligenscheine verteilt werden und steht unter den gleichen Tabus, die „damals“ Verbrechen schützten. Gäbe es die FPÖ nicht, müsste man sie erfinden, um jemanden zu haben, den man von Mauthausen fernhalten und ausgrenzen kann. Dass dies vom Prinzip her an frühere Zeiten erinnert, wenngleich die Ferngehaltenen jetzt nur einen schlechten Ruf haben, während man damals damit tötete, darf nicht davon ablenken. Es wird die falsche Vorstellung vermittelt, dass alle, die dabei sein dürfen, auch wirklich aus der Geschichte gelernt haben und ihr tägliches Handeln von „niemals wieder!“ zeugt. Denn vor allem ist dies eine Show der Selbstgerechtigkeit, bei der Erkenntnis in die Vergangenheit verbannt ist, in der andere anders handeln hätten müssen. Dass die Vergangenheit nicht wirklich gewürdigt und in ihrer Bedeutung erkannt wird, zeigen auch unzulässige Vergleiche, etwa wenn das Vertreiben, das Deportieren und Ermorden unserer einstigen Nachbarn damit gleichgesetzt wird, illegale Einwanderung zu stoppen. Oder wenn das Triggerwort „antisemitisch“ genügt, um jede Auseinandersetzung mit dem Wirken von George Soros aufzuhalten. Zugleich hat man aber keine Probleme damit, wenn „Flüchtlinge“ vor der US-Botschaft in Wien „Schlachtet die Juden“ rufen – dazu schwiegen alle, die bei jedem anrüchigen Posting im FPÖ-Umfeld Presseaussendungen machen und sich die Bälle zuspielen.

SPÖ auf Twitter Das Mauthausen-Ritual, der ÖGB und die USA weiterlesen