Was tun Geheimdienste heute eigentlich?

Es ist zunächst meist schwer, etwas zuzuordnen; ausserdem kursieren nicht unbedingt zutreffende Vorstellungen darüber, wie Geheimdienste operieren. Es gibt auch oft keine klare Grenze zwischen Diensten und privaten Firmen, was man etwa bei der Gruppe Wagner sieht. Gerade macht ein Skandal um Wahlbeeinflussung durch die israelische Firma Team Jorge von Tal Hanan (Ex-Militär, Special Forces) und Bruder Zohan Hanan (soll beim Geheimdienst gewesen sein) Schlagzeilen. Man ist in vielen Ländern aktiv, allerdings nicht in Israel und lässt auch Wladimir Putin unangetastet. Man diffamierte Kandidaten auftragsgemäß und verbreitete dann, wenn sie dennoch gewonnen hatten, eben die Behauptung, dass Wahlbetrug stattgefunden habe. Auch Journalisten können ins Visier und dadurch in Gefahr geraten; deshalb bietet Forbidden Stories die Möglichkeit, Infos geschützt zu übermitteln. Im Projekt Storykillers werden Recherchen fortgeführt, wie sie etwa die 2018 ermordete maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia anstellte.

Darum kümmern sich unter anderem Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, die in Österreich durch Ibizagate bekannt sind. Natürlich findet es Fritz Hausjell pro forma gut, der als Präsident von Reporter Ohne Grenzen mit Gabriel Lansky und damit auch mit dem Kreml-Netz verbandelt ist. Journalisten sind zunehmend mit Desinformationen, Propaganda und Cyberangriffen konfrontiert, heisst es. Wer eher unbedarft an die Materie herangeht, mag annehmen, dass sich diese Journalisten weigern, Desinformationen zu verbreiten und besonders gründlich recherchieren; das ist in der Praxis meist nicht der Fall. Daher kommt im Gewand des vermeintlichen Aufdeckens das weitere Durchsetzen der Agenda daher, auf die gerade eben nicht der Scheinwerfer gerichtet wurde. Im Zuge der Affäre um Team Jorge wird wieder einmal die von der israelischen Firma NSO entwickelte Spyware Pegasus erwähnt. Dass Sebastian Kurz eine Firma mit dem ehemaligen Chef der NSO Group gegründet hat, passt durchaus ins Bild. Im Wahlkampf 2017 hat Tal Silberstein mit Militär- und Geheimdienstbackground die SPÖ „beraten“; die Gattin des damaligen Kanzlers Christian Kern hat eine israelische IT-Firma, an der sich auch Martin Schlaff beteiligte (und sie sitzt mit Gabriel Lansky in der Österreichisch-israelischen Handelskammer).

Stephen Kotkin

Der amerikanische Historiker Stephen Kotkin weist im Vortrag oben auf die Abhängigkeit Russlands vom Westen hin und erwähnt Bankenplätze (darunter Wien), Berater, Anwälte, Geldwäsche via Immobilien und Tel Aviv als Technologiezentrum für Putins Russland. Bedenkt man, dass einige Oligarchen in Israel immer einen sicheren Hafen haben und die Einwanderung von Juden aus der Sowjetunion gefördert wurde, macht dies schon Sinn. Es ist nicht die monokausale Erklärung, auf die Leute anspringen, die entsprechende Assoziationen zu Juden und Israel haben. Wer weiss, ob eine Mauer des Schweigens um Juden mit Geheimdienst- und Oligarchenconnections nicht bloss die Mauer des Schweigens um das Kreml-Netz ist? Israel hat sich nicht wirklich klar zum Krieg in der Ukraine positioniert, auch wenn man sich dem Westen zurechnet. Bei der aktuellen Auseinandersetzung um Seymour Hershs Behauptungen über die Sprengung von Nord Stream fällt auf, dass viele dem Narrativ folgen, auch wenn sie Hersh debunken wollen. Bei Finanzwelt wird dies in den Userkommentaren deutlich, denn die meisten befassen sich mit den USA, Tauchtiefen und Grundminen (statt Hershs C4-Sprengstoff). Wenige gehen auf chronologische und wirtschaftliche Aspekte ein, bewegen sich also über das Narrativ hinaus. Nord Stream gehört zu 51 % Gazprom, während sich die restlichen 49 % auf Wintershall DEA, E.ON, Engie und Gasunie verteilen; bei Nord Stream 2 sind es ebenfalls 51 % Gazprom und 49 % Wintershall DEA, Royal Dutch Shell, OMV, E.ON und Engie.

Das Nord Stream-Narrativ

Im Narrativ wird nun schon nach einem Impeachment von Joe Biden gerufen, der wohl kaum als der grosse Planer gelten kann, als den ihn Hersh darstellt. Es wird spätestens bei der Vorstellung absurd, dass Norwegen Infrastruktur angegriffen haben könnte, die auch Deutschland, Holland, Frankreich und Österreich gehört. Wenn man sich in Verflechtungen zwischen Energiegesellschaften vertieft, sind vielleicht noch mehr Länder an Bord. Die Idee, dass man so die Existenz der NATO plötzlich beendet und den Westen nachhaltig spaltet, klingt schon sehr nach russischer Desinformation, die freilich auch die Gelegenheit beim Schopf packen könnte. Dazu gehört auch, den Eindruck zu erwecken, die europäische Energieversorgung sei zur Gänze von Nord Stream abhängig. Dies wird in den USA gerne ventiliert und dann bei uns von vielen Usern geteilt, die es eigentlich besser wissen müssten. Schon vor einem Jahr war ich in der ungewohnten Rolle, die NATO ein wenig zu verteidigen, weil sich manche nichts unter einem Bündnis zur kollektiven Selbstverteidigung vorstellen konnten. Heute wird so getan, als sei die NATO 2014 der Aggressor gewesen, unter Ausblendung von Korruption und Gewalt, wie es Daniele Ganser perfektioniert hat. Was wäre nun, wenn Russland Infrastruktur zerstört hat, die zu 49 % im Eigentum von drei NATO-Staaten und einem neutralen Land steht? Wer jetzt einwendet, dass auch die Amerikaner lügen, sollte aber bedenken, dass sich das dann anders anfühlt und bestimmt nicht bei alten sowjetischen Argumentationen andockt. Typisch ist da auch, dass ehemalige Mitglieder des Warschauer Paktes nicht nie wieder unter russischen Einfluss kommen wollen, sondern von den USA in die NATO gedrängt werden. In der EU besteht ebenfalls eine Beistandsverpflichtung, die strenger als in der NATO geregelt ist.

Jeffrey Sachs

Oben spricht Jeffrey Sachs von verdeckten CIA-Operationen, als ob er vorne dabei gewesen wäre. Er sollte sich aber einmal ansehen, was das Bruno Kreisky-Forum mit dem Kreml-Netz verbindet, in dem er vor einigen Wochen aufgetreten ist. Das Pipeline-Narrativ ist übrigens recht bellizistisch, sodass Opposition dazu leicht alles Material bis zur letzten Patrone für die Ukraine fordert, ohne zu fragen, wem dies wirklich nützt. Der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch beklagt gesellschaftliche Spaltung und sieht Feinde der Demokratie mit Trollfabriken und Desinformationen am Werk, die eine konstruierte Wirklichkeit vorgaukeln. Doch es ist nicht so simpel, weil auch auf Seiten seiner Unterstützer Subversion betrieben und so verhindert wird, dass wir das Gesamtbild sehen. Würde Rauch sich heftig dagegen wehren, bekäme er eine vernichtend negative Bezeichnung verpasst, die wie ein Filter wirkt, der eine sachliche Beurteilung seiner Arbeit und seiner Situation verunmöglichen soll. So einem „Ja aber der …. (oder die)“ kann man mit noch so vielen Fakten begegnen – das „Ja aber….“ kommt sofort wieder, um vollkommen irrationale Annahmen zu verteidigen. Im Wikipedia-Eintrag des einstigen KGB-Überläufers Juri Bezmenov wird dies gut erklärt; es gibt auch Videos mit ihm.

Immer diese Spionageballons

In einer Blase, die durch die berechtigten Corona-Proteste noch größer wurde, wird häufig Entlarven von „Eliten“ und natürlich auch von Geheimdienst-Operationen geliebäugelt. Dieses Gewerbe hatte aber ohnehin nie etwas mit James Bond zu tun und macht heute vor allem Gebrauch von öffentlich verfügbaren Informationen. Bei diesen muss man aber alles aussortieren, das unwichtig ist, ablenkt und in die Irre führt. Die Jäger vermeintlicher geheimer Eliten wenden meist nicht entsprechende Sorgfalt an. Wir können aber wieder zurückkehren zu Datenanalyse und Spionagesoftware, weil das Team Jorge auch mit Cambridge Analytica kooperierte. CA wurde bekannt für Microtargeting, existierte nur von 2014 bis 2018 und wurde von Steve Bannon und Alexander Nix gegründet. Man war auch mit Stefan Halper verbunden, der enge Beziehungen zum MI 6 hat, das für die Obama-Regierung Carter Page und George Papadopoulos im Trump-Team anwarb. Halper ist mit der Tochter von Ray Cline verheiratet, der Chefanalytiker der CIA zur Zeit der Kuba-Krise war. Michael Wolff schreibt in seinem Buch „Unter Beschuss“ über Donald Trump im Weissen Haus, dass es vernünftig gewesen war, Gauner mit Russland-Verbindungen niederschwellig zu überwachen. Es erschien jedoch im Rückblick heimtückisch und undemokratisch; Bannon wurde Trumps Wahlkampfleiter, nachdem Paul Manafort über Ukraine-Lobbying (u.a. mit Gusenbauer) stolperte. Manafort bot ausserdem Russland über Oleg Deripaska, der ja bei uns inzwischen bekannt ist, ein Backdoor in den Trump-Wahlkampf.

Oscar Lafontaine

In den USA findet jetzt die Rage Against the War-Machine-Kundgebung statt; in einer Ankündigung ist davon die Rede, dass die Deutschen ja so viele Russen getötet hätten (was war mit Stalin?). Ausserdem besteht doch Angst, dass Nuklearwaffen eingesetzt werden könnten und was Medien betrifft, wird an die Operation Mockingbird der CIA erinnert. Doch wir können relativ offen diskutieren und unser System in Frage stellen, das uns sehr vertraut ist – wie aber ist es mit Russland? Viel Wirbel gibt es um einen Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, die zu einer Kundgebung am 25. Februar in Berlin einladen. Am 18. Februar wird in vielen Städten demonstriert, so auch in Wien. Putin nur ja nicht reizen oder „demütigen“ ist eine Devise, die Oscar Lafontaine ausgibt und die man von einigen anderen fast wortgleich hört. In Österreich ändert sich anders als in den USA genau gar nichts am Kreml-Netz, wie man unter anderem bei Anwalt Gabriel Lansky oder Oleg Deripaskas Hotel sieht. Parteien versuchen es auszusitzen, dass Verbindungen gut nachgezeichnet werden können, die auf eine verdeckte Vorgangsweise wie von Geheimdiensten deuten. Erkennen kann das jedoch nur, wer sich von geschürten Emotionen einer eh schon von Corona her geläufigen Untergangsstimmung freimacht.

Jeder finanzielle Beitrag zu meinen aufwändigen Recherchen ist herzlich willkommen:
Alexandra Bader, Erste Bank, AT 592011100032875894 BIC GIBAATWWXXX

Herzlichen Dank!

2 Kommentare zu „Was tun Geheimdienste heute eigentlich?

  1. Hier sieht man russische Propaganda am Werk:

    Was ist das „NATO-Statut“ und der „fünfte Artikel“? Es ist der NATO-Vertrag und Artikel 5. Das Video ist von Druschba FM, wo sie auch den „NATO-Untersuchungsausschuss“ machen.

    Oder hier Toel-Fan Frank Köstler mit Patrick Schönerstedt:

    Schönerstedt spricht von Kontakten zu russischen Geheimdiensten und dass er RT via Telegram konsumiert. Glaubt er im Ernst, dass Geheimdienste nicht wissen, wie sie ihn benutzen können? In Österreich laufen KGB-Agenten herum und geben sich als allerdings eher vage heftige Putin-Gegner aus. Und wenn dann auch noch Leute von ihnen attackiert werden, die Frieden wollen, reagieren diese nur emotional. Köstler fragt sich bei Toel, ob dieser Verbindungen zum amerikanischen Geheimdienst hat, wo Toel aber offen von einer „Befreiung“ Deutschlands durch Putin spricht.

    Oh Mann!!! 🙈

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  2. Vor und im 1. Weltkrieg war das noch alles einfacher und überschaubarer – und auch amateurhafter. Z. B. gab es keine interne Revision, sodaß es nicht auffiel, daß der 2. Mann im Evidenzbüro einen Lebenstil pflegte, der mit seiner Gage und seinem Vermögen inkompatibel war. Und nach dem Tod von Redl wurde bei der Durchsuchung von dessen Wohnung ein Film der Photokamera mit Spionagematerial nicht beschlagnahmt.
    Übrigens war es vor 1989 communis opinio, daß Redl von den Russen seiner Homosexualität wegen erpreßt wurde (so noch Pethö). Mit der Öffnung der Archive unter Jeltzin – inzwischen sind sie schon längst wieder unzugänglich – stellte sich heraus, daß die Russen gar nicht wußten, wer sie belieferte.

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