Wie grün ist die SPÖ?

Die politische Welt scheint auf den Kopf gestellt: Die SPÖ beklagt die Ablehnung der von ihnen geforderten Klimaschutzmilliarde durch die Grünen als Koalitionspartner der ÖVP in spe. Auch bei Presseaussendungen und Tweets muss man sich immer wieder die Augen reiben, weil SPÖ statt Grüne dasteht. So ganz ist dies noch nicht an die Basis durchgesickert, wie man z.B. bei der Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 12. November 2019 feststellen konnte. Denn da waren rote AK-Räte zwar auch grünangehaucht, man erkannte Rednerinnen und Redner von den Grünen, jedoch ebenso den Kommunisten am Klimawandel im Focus ihrer Beiträge. Dadurch wurde immerhin sichtbar, warum die Sozialdemokratie immer noch eine Existenzberechtigung hat, auch wenn man gerne daran zweifeln möchte. Unten sehen wir Pamela Rendi-Wagners erstes Interview bei Wolfgang Fellner (erst) Wochen nach der Wahl, wo sich sonst alles drängt. Sie erklärt, warum die neue Abgeordnete Julia Herr Klimaschutzsprecherin wurde und lobt sie als Expertin. 

Auch wenn es Kritik an den Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen gibt, richtet sich die SPÖ in der Oppositionsrolle ein. Zum Thema Klima kann man (bei strömendem Regen in Wien und Schnee in anderen Bundesländern) mittlerweile genauso viele Pros und Kontras finden wie zu „humanitären“ Militärinterventionen und „refugees welcome“. Mit anderen Worten ist der Hype ein Akt der Destabilisierung, was ganz gut dazu passt, dass bei den Koalitionsverhandlungen laut Berichten der Bereich Sicherheit fehlt (übrigens auch Frauen, wie die SPÖ beklagt). Nicht nur bei Frau Herr werden Begabung und Kompetenz daran gemessen, wie sehr sie sich gewollten Trends verschreibt. Dies entfremdet die Sozialdemokratie immer weiter von sich selbst, statt traditionelle Positionen in die Gegenwart hinüberzuretten. Natürlich fällt auf, dass sich Rendi-Wagner nicht nur von Fellner ständig fragen lassen muss, wie lange sie noch Parteichefin ist. Nicht zufällig wenige Tage nach der Wahl in der Steiermark am 24. November wird Gerhard Zeiler sein Buch über die SPÖ vorstellen.

 

Rendi-Wagner bei Fellner

Vor Ort, also in Pausengesprächen in der AK Wien, beunruhigte die Genossen nicht, dass sich die Ergebnisse von SPÖ und Grünen einander annähern, wie man dies auch in Deutschland beobachten kann. Nach dem Referat des AK-Wirtschaftsreferenten Markus Marterbauer zur Konjunkturentwicklung wirkten Grüne wie typische Grüne und Rote mehr oder minder ergrünt, die Welt schien jedoch noch in Ordnung. Marterbauer stellte dar, dass die letzten beiden Jahre von der Regierung nicht genutzt wurden, um von der Hochkonjunktur für den Arbeutsmaakt und bei Sozialmaßnahmen zu profitieren. Beim Stichwort „Abbau von Industriejobs“ hätten einige hellhörig werden müssen, die nun in Fridays For Future Hoffnung für kommende Generationen sehen (das gibt es auch in  der Wirtschaftskammer). Eher schon steigen sie darauf ein, dass die frühere Regierung Steuersenkungen für ihr Klientel betrieb, weil das zu gewohnetn Vorstellungen passt.  Zugleich baut das Arbeitsmarktservice Qualifizierungsmaßnahmen ab, wobei ohnehin im europäischen Vergleich relativ wenig Betreuerinnen und Betreuer für relativ viele Personen zuständig sind. Zugleich werden Fachkräfte gesucht, die jedoch der Arbeitsmarkt oft nicht hergibt, weil die Qualifikationen nicht ausreichen. Dass Marterbauer Lohnerhöhungen deswegen forderte, weil dadurch der Konsum angekurbelt wird, brachte ihm Kritik derer ein, die gegen Wachstumsfetischismus auftreten. Allerdings kann man ja ökologisch sinnvoll konsumieren und regionale Produkte kaufen, wie auch eingewendet wurde.

Marterbauers  Vortrag

Marterbauer möchte einen „zielgerichteten Sozialstaat“, der mehr Menschen in Beschäftigung bringt, indem er Bedürfnissen im Bereich Kinderbetreuung oder Pflege nachkommt. Von grüner Seite wurde er dann darauf hingewiesen, dass eine Arbeitslosenrate von 7 % durchaus besorgniserregend ist, zu der nochmal jene Menschen addiert werden müssen, die man in Schulungen steckte, was zusammen dann 8,4 % Arbeitssuchende ergibt. Wer den SPÖ-Abgeordneten Josef Muchitsch am Klimaparkett oder bei anderen Gelegenheiten erlebt hat und ihm bei der AK zuhört, wird wissen, wann er in seinem Element ist. Zunächst lobte er Marterbauer („du bist sooo gescheit!“), dann beklagte er, dass es im Parlament „sehr mühsam“ sei und die SPÖ mit Anträgen scheiterte, welche die Hochkonjunktur für eine (von Marterbauer geforderte) kluge Wirtschaftspolitik nutzen wollten. Der SPÖ schwebt auch vor, mehr junge Asylberechtigte zu beschäftigen oder die Aktion 20.000 für die Generation 55 plus wiederbelebt wird. Im „freien Spiel der Kräfte“ wäre jetzt einiges drinnen, nachdem „wir die letzten beide Jahre vergeigt haben“. Wenn um 2 Milliarden weniger Körperschaftssteuer eingenommen wurde, fragt sich Muchitsch, ob damit Investitionen getätigt oder Gewinne an Aktionäre ausgeschüttet werden. Er übersieht dabei nur, dass dies u.a. wegen der Gusenbauer-Seilschaften auch einiges mit der SPÖ zu tun hat.

Renate Anderl spricht

Ein roter Kammerrat bedauerte, dass die SPÖ auf Wiener Ebene mehr Geld für den Sozial- und Gesundheitsbereich ablehnte. Er sorgt sich um die Zukunft der Kinder und appelliert an alle, sich daran zu erinnern, wie mit einer Senkung der Stickoxide in der Atmosphäre das Waldsterben gebremst und mit dem Verzicht auf FKCW das Ozonloch schließlich zum Schrumpfen gebracht wurde; außerdem war Österreich Vorreiter beim Einbau von Katalysatoren. Ein Grüner, der beruflich (im Bankwesen) auf der rationalen Seite unterwegs ist, lobt Greta Thunberg ausdrücklich. Die Präsidentin der Bundesarbeiterkammer Renate Anderl meint in ihrem Referat, dass wir in sehr bewegten Zeiten leben; weltweit dominiere vor allem „die Klimakrise“, was auch für Europa gilt. Die kommende Bundesregierung (wohl türkisgrün) wird sie an ihren Handlungen messen, wie sie es bisher gehalten habe. Sie hofft, dass die Regierung „endlich im Interesse der arbeitenden Menschen „agiere, während bisher eher die Spender im Vordergrund standen. Die SPÖ sei für praktische Lösungen, die dem sozialen Frieden dienen; „wir setzen ein deutliches Zeichen, dass es uns gibt“.  Immer mehr Menschen haben keinen planbaren, dafür aber umso längeren Arbeitstag.

Tweet von der Vollversammlung

Zahlreiche Frauen können aufgrund der Pflege von Angehörigen nur Teilzeit arbeiten oder müssen ganz aus dem Beruf aussteigen. Wenn Österreicher/innen im Durchschnitt 41.2 Stunden pro Woche arbeiten, liegen sie im europäischen Spitzenfeld. 43 Millionen geleistete Überstunden werden nicht abgegolten, was insgesamt 1 Milliarde Euro ausmacht. Am 30. Oktober wurde der „no pay day“ begangen – „ab jetzt wird zwei Monate nicht bezahlt“, es handelt sich um besagte Überstunden. Bislang gab es für Unternehmer allenfalls die „Strafe“, Überstunden nachzahlen zu müssen. Was den 12 Stunden-Tag betrifft, hat Anderl nichts gegen echte Freiwilligkeit einzuwenden, verweist aber auf zahlreiche Beispiele, wo Firmen erfolgreich die 4 Tage-Woche  oder/und eine 6. Urlaubswoche einführten.In der Drbatte meint ein Grüner, dass es ihm oberflächlich betrachtet gut gehe, denn er hat ein sicheres Einkommen und ein Dach über dem Kopf, ist aber wegen des Klimawandels besorgter denn je. Wir haben Nachkommen in eine Welt gesetzt, die wir zerstört haben. In der Arbeiterkammer passiert das, was die FSG will, denn sie hat die absolute Mehrheit, kann also Anträge ablehnen, in denen es um Sofortmaßnahmen geht. Er fordert konkret „Klimaschutzmaßnahmen“ wie ein bis zwei autofreie Tage pro Woche, kostenfreie Öffis oder einen Autobahn-Ausbaustopp. Uneins ist man in der AK auch, was eine CO²-Steuer betrifft, die Anderl ablehnt, „weil es im Moment die Falschen belastet“.

Pamela Rendi-Wagner, Chefin der Grünen

Als es 2018  eine Riesendemo in Wien gegen den 12  Stunden-Tag gab, wurde ÖGB-Sekretär Willi Mernyi für deren Organisation gelobt. Er gehört auch zur Antifa-Blase und wurde gelegentlich als möglicher Nachfolger Rendi-Wagners gehandelt. Für einen kurzen Auftritt kam er bei der AK auf die Bühne, um den Antrag von KOMintern „Free Mülkiye!“ einzubringen, welcher der türkischen Pädagogin Mülkiye Laçin helfen soll. Sie setzte sich bei einer Kundgebung 2016 in Wien für die Rechte der Kurden ein und wurde heuer bei einem Türkeibesuch zuerst verhaftet, dann wieder freigelassen. Doch man nahm ihr den Pass ab und belegte sie mit einem Ausreiseverbot, sodasss sie festsitzt in einem Sommerhaus ohne Heizung. SIe wäüscht sich ihren „alten Alltag zurück“, zitierte Mernyi ein Schreiben an ein Solidaritätskomitee in Wien. Sie habe am 1. Mai 2016 etwas Selbstverständliches getan, in einer Rede Frauen- und Menschenrechte verteidigt.

AK-Antrag: Free Mülkiye!

Webseite von KOMintern

„Es kann nicht sein, dass jemand einsitzt, der für Freiheit und Demokratie eintritt“; betonte Mernyi, der auch auf ein Schreiben des ÖGB an die Bundesregierung verweist. „Ich sage, sie ist inhaftiert“, denn sie kann nicht nach Hause kommen, so Mernyi, der sich wünschte, dass der Antrag einstimmig angenommen wird. Sprach’s und ward verschwunden, jedenfalls aus dem Saal. Tatsächlich ist Mernyi Teil des SPÖ-Problems wie auch die AK-Führung – diese bestellte Answer Lang zum Kommunikationschef, der sich im Verteidigungsministerium an Handlungen beteiligt hatte, auf die das Wort „Hochverrat“ zutrifft. Der eigene Minister wurde abgeschottet und überwacht, weil Gusenbauer einst seinen „Hintermännern“ versprochen hatte, die Eurofighter loszuwerden. Recherchen führen bis zu Zusammenhängen zwischen dem geplanten Impeachment des US-Präsidenten,  Österreich und der Ukraine. Für eine SPÖ, die sich an die letzten Machtbastionen in AK und ÖGB klammert, sind das aber spanische Dörfer. Und erst recht, dass mit zuerst „Schutzsuchenden“- und dann Klimahype die Partei immer mehr an Profil verliert.

Ein Kommentar zu „Wie grün ist die SPÖ?

  1. Unterhaltsam wie alle miteinander versuchen den Eindruck zu erwecken ihnen lägen die Menschen am Herzen oder gar Einfluss nehmen.

    Vor ca. 40 Jahren gab es das Problem, dass die Unternehmensebene die Realität wiederspiegelte. Das es für die Einnahmen des Staats resp. eigentlich der Politik immer lästig, dass auf die Höhe der Einnahmen wenig Verlass.

    Mit dem Ausweg aus der Situation wurde dem Faschismus, sprich der Absprache zwischen Politik + Wirtschaft + Medien, Tür und Tor geöffnet. Man hat einfach über die Betriebe das Unternehmensmodell darüber gestülpt, rechnet sich die Welt schön und richtet die Betriebliche Ebene nach den Erfordernissen am Ende der Steuereinnahmen resp. Um- und Verteilung der Umlagen aus.

    Politik hat jetzt ein lustiges Modell, auch für den Staat und dem wird von Zeit zu Zeit rumgeschraubt. Das ganze läuft an sich auf Schiene solange die Einkommen aus der Verteilung gezogen werden und Wachstum da ist. Wirkt imposant, hat aber mit den im Artikel genannten Herrschaften und Ökonomen und deren Handlungen rein gar nichts zu tun. Was dann noch schief geht, wird dem Finanzsystem aufs Auge gedrückt.

    Kann man sich vorstellen wessen Zuträger diese Herrschaften alle miteinander am Ende sind. Sie sind, zitiere aus dem Zusammenhang gerissen, Misiks Buchtitel, ‚Die falschen Freunde der einfachen Leute‘.

    Deswegen das Blümchen gehoben, dreimal damit gewackelt und ab die Post ums nächste Eck.

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