Es entbehrt nicht der Komik, wenn Peter Pilz von einer „schwarzen Stasi“ im Innenministerium als „Hauptgeschichte“ beim BVT-U-Ausschuss spricht, formulierte doch der ÖVP-Abgeordnete Anton Wimmersberger im Jahr 1985 einen Stasi-Verdacht gegen Pilz. Nun ist der rauchende Colt des „Aufdeckers“ eine Datenbank, auf die der frühere Chef der Spionageabwehr im BVT Zugriff hatte, von dem man sich längst einvernehmlich trennte. Er soll ein geradezu manischer „Sammler“ von Daten gewesen sein, die er in mäßig raffiniert getarnten Dateien mit Bezeichnungen wie „Weihnachten“ ablegte. Pilz ist besorgt, dass Herr P. („der schwarze Maulwurf“) Kontakte zu CIA, MI 5, BND, Mossad (er zögert, bevor er dieses Wort ausspricht) und Co. pflegte, wie er auf Facebook in einem Video ausführt. Wahrscheinlich (Achtung, Ironie!) war das schlicht sein Job, und ob er dabei Grenzen überschnitten hat, sollten Gerichte und der U-Ausschuss klären. Das gilt auch für seine Gespräche mit denn Abgeordneten Werner Amon von der ÖVP, mit dem er befreundet ist. Amon versichert, dass beide wussten, worüber sie reden dürfen und worüber nicht; man wird dies sicher überprüfen können. Immerhin wurde Amon nach der Enthüllung, dass die Existenz der ÖVP-Datenbank, bei der Razzia im Februar 2018 im BVT festgestellt wurde, im ORF dazu befragt.
Pilz wirft der ÖVP vor, dass sie Personen mittels Adresse und Geburtsdatum (Wählerevidenz) eindeutig identifizierte, sodass sie andere (berufliche) Daten „Zielpersonen“ zuordnen konnte. Das scheint reichlich absurd, da z. B. Minister oder Staatsanwälte gar nicht so selten eher seltene Namen haben. Außerdem kandidierten die meisten Regierungsmitglieder einmal, sodass ihre Adresse auf der BMI-Seite zu finden ist; zudem gibt es biografische Angaben bei meineabgeordneten.at oder auf parlament.gv.at und auf den Seiten der Ministerien. Es ist nicht schwieriger als für den deutschen Hacker, der keiner war und so viel Aufregung verursachte. Dem Pilz-Spin zufolge wollten sich die Schwarzen auf die SPÖ einschießen („sie anpatzen und fertigmachen“) über deren Mitglied Gabriel Lansky, gegen den ermittelt wurde, weil er im Verdacht stand, für den kasachischen Geheimdienst KNB tätig zu sein. Denn deshalb wurden die Mails seiner Kanzlei 2013 beschlagnahmt, deren Kopien dann jedoch nicht gelöscht wurden und deshalb in den U-Ausschuss-Akten landeten. Lansky hatte aus diesen Grund auch selbst ein Interesse an einm U-Ausschuss zum BVT, in dem er jedoch fast nichts sagte, weil er sich nicht von seiner anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht sich selbst gegenüber entbinden wollte. Als er im Dezember 2018 um ersten Mal geladen war, vermutete ich bereits, dass Pilz ihm (und damit auch Gusenbauer) die Mauer machen soll.
Pilz auf Facebook
Pilz geht mit Absicht nicht darauf ein, dass Lansky und Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer einem Lobbying-Schema (nicht nur in Kasachstan) folgen, das man beim Lobbying für die frühere ukrainische Regierung wiederfindet. Dieses wird in den USA von der Justiz untersucht, was Gusenbauers Co-Lobbyisten Paul Manafort oder die Podesta Group schon in große Schwierigkeiten brachte. Brisant ist dabei aus unserer Sicht, dass Podesta auch Lobbying für Lockheed Martin betrieb, deren F-16 die frühere schwarzblaue Regierung den Typhoon von Eurofighter vorzog. Als Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil Airbus im Februar 2017 (mit Pilz-Unterstützung) anzeigte, bediente er sich der amerikanischen Kanzlei Skadden. Sie vertritt nicht nur General Electric (Hersteller der F-16-Triebwerke), sondern steuerte auch zum Lobbying von Gusenbauer und Co. ein Dossier über Julia Timoschenko bei. Pilz ist auch darüber empört, dass die ÖVP selbst über ihren Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll oder über den 2017 von Kurz abgelösten Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner Daten hatte; diesen sieht er als Verbündeten gegen Eurofighter. Dabei lässt er aber ein Schreiben von Airbus 2017 an Harald Mahrer unter den Tisch fallen, der Mitterlehner im Wirtschaftsministerium nachfolgte.
Es ist wohl kein Zufall, dass Mitterlehner, mit dem die ÖVP ja nicht gerade nett umging, jetzt ein Buch veröffentlicht, das als Abrechnung mit Kanzler Sebastian Kurz erwartet wird. Es soll um „Haltung“ in der Politik gehen, was für Pilz und seine „handler“ bedeutet, gegen die europäische (Rüstungs-) Industrie zu sein. Wenn Pilz dem Ex-Kabinettschef im BMI Michael Kloibmüller vorwirft, er sei de facto der Minister gewesen („Kabinettschef, der sich seine Minister hält“), so kritisierte er ihn zwar immer wieder, rührte aber zugleich den Minister spielenden BMLV-Kabinettschef Stefan Kammerhofer nicht an. Dabei ist davon auszugehen, das Minister Norbert Darabos nicht freiwillig einen eigentlich Untergebenen verfassungs- und rechtswidrig agieren ließ, sondern dazu gezwungen wurde. Den via Kammerhofer wurden auch Personen am Kontakt mit Darabos gehindert, mit denen er reden wollte oder von seinem „Job“ her musste, und es waren auch diesem gegenüber Druck, Drohungen, Verleumdungen im Spiel, wenn sie sich nicht fügten. Es gibt eine lange Liste am Personen, darunter auch Ex-Minister, die von ihm ferngehalten wurden, die jedoch bislang weder von der Justiz, noch vom BVT oder der Kripo befragt wurden (es geht immerhin u.a. um den Verdacht der Nötigung eines Mitglieds eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers). Pilz aber zeigte Darabos 2017 wegen des Vergleichs mit Eurofighter an, obwohl Kammerhofer diesen nachweislich hintergangen hatte.
Im letzten Jahr wandten Medien und Opposition viel Energie dafür auf, aus der BVT-Affäre einen Skandal von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl zu machen, der noch nicht einmal drei Monate im Amt war, als die Razzia stattfand. Nun wendet es besonders Pilz gegen die ÖVP, da es sich ja um Altlasten handelt, will aber wie andere weiterhin den Rücktritt Kickls. Doch vielleicht besteht die Aufgabe von Pilz ja darin, rot-schwarzes Erbe dort zuzudecken, wo tatsächlich Geheimdienste im Spiel sind?! Und kann es sein, dass es auch in Österreich ein „Cluster“ der angloamerikanischen militärisch-geheimdienstlichen Integrity Inititive gibt? Denn ins „die Russen sind überall„-Muster passt (nicht nur) Pilz durchaus, der in der ÖVP schon mal eine Art Ableger des FSB sieht, wenn er gegen sie wettert (wiederum auch im BMI-Kontext). Im roten Glaspalast wirft man mittels Magazin „Kontrast“ des SPÖ-Parlamentsklubs besonders gerne Steine auf andere. Dabei gibt es jede Menge Aufklärungsbedarf, was die Rolle des israelischen Agentenführers Tal Silberstein in diversen Wahlkämpfen betrifft. Auch in die Eurofighter-Ausschüsse, deren Dritter dank Pilz-Narrativ vor sich hindümpelt, müsste man ihn laden; schliesslich geiet der offizielle
SPÖ-Wahlkampfleiter von 2006 Norbert Darabos ja unter Druck, als er Minister werden musste, um ein Silberstein-Versprechen (Gusenbauer als Kanzler ist gleich „Sozialfighter statt Eurofighter“) umzusetzen. Doch man muss auch Gusenbauer und Pilz vorladen, die hinter den Kulissen gemeinsame Sache zu machen schienen. Und man muss sich ansehen, wie Pilz, Doskozil und der Sektionschef (nunmehr auch Generalsekretär) im Justizministerium Christian Pilnacek an einem Strang ziehen, auch gegen Darabos, der zum Bauernopfer werden soll.
Pilz fordert jetzt, dass Werner Amon, an sich ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, in den Ausschuss geladen wird; genau das muss auch für ihn selbst bei den Eurofightern gelten. Er sieht Ex-Kabinettschef Kloibmüller als zentrale Figur im BVT-Skandal, also muss man endlich auch die Rolle Kammerhofers beim Umgang mit den Eurofightern thematisieren, Eine „geheimdienstliche schwarze Stasi-Aktion gegen die SPÖ“ sieht Pilz im BVT im Umgang mit dem Fall Lansky; die „schwarze Stasi“ hat auch den Grünen im Wahlkampf 2013 zugesetzt (interessant, dass er den Gusenbauer-Geschäftspartner mit der SPÖ gleichsetzt). Es gehe um „rechtsstaatliche Zustände“, da der Verfassungsschutz „ausschlieslich für die öffentliche Sicherheit in der Republik Österreich“ da sein muss (und nicht für ÖVP der FPÖ) „und dafür garantieren wir als Abgeordnete“. Es ist üblich, dass er ein „wir“ sieht, wo andere längst merken, dass er sie instrumentalisieren soll, und dass er das BVT als Parteigeheimdienst beschreibt. Dabei verschweigt er, dass er Teil einer „geheimdienstlichen Aktion gegen die österreichische Landesverteidigung“ u.a. bei den Eurofightern ist und deswegen den Umgang mit Darabos deckt. Innerhalb der Grünen wurde er verdeckt gepusht, während seine Kritiker aus dem Hinterhalt diffamiert wurden, etwa weil sie dagegen waren, dass die Partei US-Militärinterventionen fordern und beklatschen soll.
PS: Nun gibt es ein Auskunftsbegehren der SPÖ wegen der ÖVP-Datenbank; wie wenig Pilz noch ernstgenommen wird, zeigen die Userreaktionen auf Facebook. Die ÖVP kanzelt Pilz per Presseaussendung als „Polit-Rumpelstilzchen ohne Wirtschaftskompetenz“ ab, wenn er die Gegengeschäfte rund um den Ankauf der Eurofighter samt positiver Effekte bezweifelt:“Das bestätigen neue Gutachten und das sagen zahlreiche befragte Auskunftspersonen. Der einzige, der jegliche Objektivität in diese Richtung mit größter Sorgfalt vermeidet ist Peter Pilz. Er macht aus wirklich jedem U-Ausschuss eine Bühne für seine abwegigen Verschwörungstheorien und Anpatzereien.“ Geheimdienst-Probleme haben auch unsere ebenfalls neutralen Nachbarn: „Schweizer Geheimdienste stehen erneut in der Kritik. Heikel sind ihre ‚Partnerschaften‘ mit dubiosen ausländischen Agenten.“
PPS: Auch als Anmerkung zur Anzeige gegen Airbus: „Der aktuelle Anlass für diesen Kommentar ist der Versand von Drohschreiben, durch den sich offensichtlich für den Staathalter der USA in Deutschland haltenden Botschafter Richard Grenell an deutsche Unternehmen, sollten die sich am Bau einer Pipeline beteiligen, die fernab des Staatsgebietes der USA in der Ostsee verlegt werden soll. Ja, es geht um den Transport russichen Erdgases nach Europa, das Projekt Nord Stream 2…. Wenn Grenell nun böse Briefe an etliche deutsche Unternehmen schreibt und erklärt: ‚Das wird böse enden‘, bleibt den Unseren das Lachen im Halse stecken. Das Außenministerium meint: ‚Grenells Briefe entsprächen nicht diplomatischen Gepflogenheiten‘, was klingt wie: ‚Abhören unter Freunden? Das geht gar nicht.‘ Grenell hingegen erklärt, seine Drohung sei gar keine Drohung, sondern eine ‚klare Botschaft‘ der US-Politik. Nun ja, eine klare Botschaft ist eine klare Botschaft. Das ist wieder eine vollkommen diplomatische Wortwahl, die man unter Diplomaten durchaus versteht, und zwar als Drohung. Damit sind die diplomatischen Gepflogenheiten wieder gewahrt und das Auswärtige Amt kann in aller Ruhe wieder seinen sonstigen Beschäftigungen nachgehen. Wer nun meint, Grenell habe seine Rolle als Botschafter schlicht überzogen, oder sich gar, wie der Spiegel meint, ins Abseits manövriert, sollte sich daran erinnern, dass Grenells Drohung ja nicht die erste ist. Es ist noch keine drei Monate her, als der US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, die ‚klare Botschaft‘ an die EU richtete: ‚Wir haben noch nicht alle Instrumente eingesetzt, die das Projekt ernsthaft untergraben oder stoppen könnten.'“ (siehe auch hier)