Pamela Rendi-Wagner und die rote Dekadenz

Wer die Errungenschaften des Roten Wien verteidigen will, muss jene kritisieren, die sich als dessen Erben ausgeben. Denn sie sind in erster Linie dekadent, was weiteren Verfall bereits vorwegnimmt. Bezeichnend ist, dass Bürgermeister Michael Ludwig an Harry Kopietz festhält, nachdem bekannt wurde, wie fürstlich sich seine Gattin Brigitte als Chefin des Vereines Wiener Kinder- und Jugendbetreuung entlohnte.  Der Verein erhielt 2017 mehr als 40 Millionen von der Stadt, was auch dafür aufgewendet wurde, Frau Kopietz und wenige andere sehr gut zu bezahlen. Wer wirklich vor Ort Kinder betreute, bekam nicht unbedingt mit, was in der Zentrale geschah. Ob rund 1000 Pädagogen auch etwas gesehen haben von jenen „Jubiläumsgeldern“, die der Rechnungshof kritisiert? Für die nächste Wahl stehen die NEOS schon in den Startlöchern, die eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft ankündigten.  Unangenehm ist dies auch für die Parteichefin auf Bundesebene Pamela Rendi-Wagner, die selbst mit Problemen zu kämpfen hat. Lange Jahre war Harry Kopietz Praesident des Wiener Landtags; es gab zeitweise Gerüchte, dass ihm die frühere Finanzstadträtin Renate Brauner in dieser Funktion nachfolgen sollte. Sie kam u.a. deswegen ins Gerede, weil sie Wien gerne im Ausland auf Bällen vertrat und dazu ihren Mann mitnahm, was nicht verboten ist, aber die Frage aufwirft, wer dies bezahlt. Nicht nur Rote (man denke an Peter Pilz) sind sozial bedürftig (oder jedenfalls förderungswürdig), was Wohnraum betrifft, dies gilt für Kopietz ebenso wie für Ex- Bürgermeister Michael Häupl oder Ex-Finanzminister Rudolf Edlinger.

Als die Gage von Frau Kopietz bekannt wurde, übte auch SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak Kritik, die jahrelang stellvertretende Vorsitzende des Vereins war. Ihre Nachfolgerin dort, Sybille Straubinger, war übrigens ihre Vorgängerin in der Parteizentrale. Brauner schied 2018 aus der Stadtregierung aus und erhielt den kunstvoll benannten Versorgungsposten einer „Bevollmächtigten der Stadt Wien für Daseinsvorsorge und Kommnalwirtschaft“. Als „Arbeitsmarkt- und Sozialexpertin“ fällt auch Ex-Gemeinderätin Tanja Wehsely als neue Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien auf die Butterseite. Ihre Schwester Sonja wurde bei Siemens untergebracht und deren Partner Andreas Schieder ist SPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl. Rendi-Wagner eckt grade bei der Partei an, weil sie ein, die Zeit sei jetzt nicht richtig für  Vermögensssteuern. Zuvor irritierte sie, weil sie Karl Marx Leistungsfeindlichkeit vorwarf. Auch ihr Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda mit Vorliebe für teure Uhren ist nicht das, was man sich unter einem Sozialdemokraten vorstellt, da er dies nicht durch konsequentes Eintreten für Schwächere kompensiert.

Bericht des „Kurier“

 

Und dann haben wir da noch Christian Kern, dessen Wunschnachfolgerin sie ist und der in die israelische Firma seiner Frau entschwebt ist bzw. ein Start Up gründen will. „Berater“ Tal Silberstein zu engagieren soll nicht seine Idee gewesen sein, sondern die von Michael Häupl, der 2001 mit ihm wahlkämpfte, und Alfred Gusenbauer, der es ein Jahr danach erstmals tat. Zuvor erschien Silberstein auf der politischen Bühne, als er Ehud Barak berieft, der von 1999 bis 2001 Ministerpräsident (und von 2007 bis 2913 Verteidigungsminister) war. Daraus lässt sich vielleicht auch der Verlust der SPÖ an Unabhängigkeit erklären und ihre Ausrichtung als Gegenpol zur FPÖ zuerst von Jörg Haider und dann von Heinz Christian Strache. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn es kein Selbstzweck wird, der blind macht für politische Entwicklungen und jede Selbstkritik verhindert, weil ja gut sein muss, wer gegen die FPÖ ist. Dabei wird nicht erkannt, dass die eigenen Leute immer mehr verlorengehen, weil sie immer weniger mit „Refugees Welcome“ und „Ehe für alle“ anfangen können, wenn anderes vernachlässigt wird.

Tweet des Abgeordneten Mario Lindner

Es wäre interessant, was Römer dazu sagen würden, dass die erste SPÖ-Aktion im neuen Jahr Posieren für Fotos mit Regenbogenfahne und Torte vor dem Bundeskanzleramt war. Wie sehr dieses Engagement instrumentalisiert ist, konnte man daran sehen, dass sich die rote LGBTQ-Organisation nie für Chelsea Manning einsetzte, wohl aber vor der russischen Botschaft demonstrierte. Nichts gegen die Ehe für alle, aber was ist mit dem politischen Kampf gegen Armut, Not und Willkür auch bei uns? Besonders eifrige „Welcomer“ waren die „Good Weibs„, die mit einer Ausnahme nicht mehr der Wiener Stadtregierung angehören. Dies umfasste, das Büro einer Stadträtin für Agitation gegen den früheren Bundeskanzler Werner Faymann zu benutzen, worauf der scheidende burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl anspielt. Die Wiener SPÖ ist ganz besonders von Nepotismus geprägt, den man andererseits dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser vorwarf, als er wollte, dass sein Sohn an wählbarer Stelle der EU-Liste gereiht wird. Doch Tanja Wehsely, Renate Brauner, Brigitte Kopietz und wer auch immer ist nicht per se für alles besser geeignet als Luca Kaiser. Die Chancen von nicht Verwandten und nicht Verbandelten scheinen verschwindend gering zu sein, selbst wenn es gar nicht um die große Karriere geht.

Tweet des Profil-Herausgebers

Über Rendi-Wagner wird wohl auch wegen mangelnder Kommunikation offen u.a. von Genossen  auf Twitter diskutiert. Und Werner Stanzl (Publizist und Dokumentarfilmer) schreibt: „Wann, wenn nicht jetzt, üppige Erbschaften und krasse Vermögensanhäufung besteuern? Etwa beim nächsten Wirtschaftsabschwung, wenn alle jammern, eine schwächelnde Wirtschaft könne nicht zusätzlich belastet werden? Vor diesem Hintergrund wird klar: Wer jetzt gegen Erbschafts- und Vermögenssteuer ist, wird es ewig bleiben. Ergo muss jemand in der falschen Partei sein. Entweder Rendi-Wagner oder die klassischen Mentoren von Rechts, Österreichs 114.200 Millionäre und Milliardäre.“ Und er weist auf Frankreich hin:  „Erstaunlich, dass Rendi-Wagner auf die Massendemos, denen der französische Präsident Emmanuel Macron nicht einmal mit milliardenschwerem Nachgeben Herr wurde, nichts Klügeres zu bieten hat. Müssen vor dem Begreifen unbedingt Schaufenster zersplittern, Autos brennen, Wasserwerfer Manifestanten von der Straße spülen? Am Ende vielleicht gar zwischen Kohlmarkt und Kärntner Straße?“

Tweet der Wiener SPÖ

Frankreich ist ein gutes Stichwort, weil es ein Protest aus lauter Unzufriedenheit und sozialem Abstieg (und der Angst davor) für immer mehr Menschen ist. Zudem wird mit allen Mitteln dagegen vorgegangen, mit der Verhaftung des Anführers der Gilets Jaunes Eric Drouet ebenso wie mit Fake News, dass Putin etwas mit der Bewegung zu tun habe (Boris Jelzin war übrigens von Clinton abhängig). Das passt zu Enthüllungen über die Integrity Initiative, eine angloamerikanische militärisch-geheimdienstliche Operation, die unliebsame Politiker diskreditieren, Ernennungen verhindern und alles pushen soll, was genehm ist. Im Visier stehen etwa Bernie Sanders oder Jeremy Corbyn, sodass auch Sozialdemokraten wachgerüttelt sein sollten, statt sich weiterhin in Narrative reinziehen zu lassen. Man darf auch nicht vergessen, dass Christian Kern, als er noch bei der EU-Wahl antreten wollte, eine Allianz mit Macron vorschwebte, die in der SPÖ nicht durchsetzbar gewesen wäre. Doch nun haben die NEOS ein Bündnis mit „En Marche“ gebildet; eine Partei, die mit der SPÖ durch Wahlkampfmitarbeiter über Tal Silberstein hinaus verbunden ist (und man denke an Gusenbauer und Haselsteiner, auch eine Millionärs- und Millardärsschiene).

https://twitter.com/nemetskiirobot/status/1080813419429801984

Tweet zu Frankreich

Es fällt auf, dass Rendi-Wagner von LH Peter Kaiser und dem LH-Stv. Michael Schickhofer (Steiermark) kritisiert wird, nicht aber von Hans Peter Doskozil, der Hans Niessl nachfolgen soll. Ihm wird aber auch nachgesagt, dass er Ambitionen auf Rendi-Wagners Chefessel habe. Andere meinen, das könne man im Ḱonjunktiv belassen, solange die SPÖ ohne Wahlen auf Bundesebene in Opposition ist. Sein politisches Schicksal hängt aber auch von einem Thema ab, mit dem sich Rendi-Wagner bislang nicht auseinandersetzte: Seiner Anzeige gegen Airbus, um dem europäischen Konzern auf dem amerikanischen Markt zu schaden. Als Anlass oder Vorwand nahm er den Eurofighter-Vertrag, was dazu führen muss, dass sich die Parteichefin mit dieser Frage befasst. Es würde ihrem Credo entsprechen, dass es nichts gibt, was Frauen nicht können, und auch der Tatsache, dass Frauen längst in Rüstungskonzernen Karriere gemacht haben. So steht an der Spitze eines Konkurrenten von Airbus, von Lockheed Martin, Marillyn Hewson, und bei einem weiteren Rivalen, bei Boeing, leitet Leanne Caret Boeing Defense, Space & Security. Neuerdings kooperieren Lockheed und Airbus, und zwar weil das US-Verteidigungsministerium Boeing einen Tankauftrag erteilt hatte, der Konzern aber noch nicht einmal die nötigen Flugzeuge hat, während Airbus umgebaute A330 anbietet. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Ablehnung der SPÖ gegenüber den Eurofightern einmal etwas mit Interessen von Lockheed zu tun hatte; abhanden gekommen ist auch Doskozils Verbündeter Peter Pilz, der im Parlament zunehmend schwächelt, aber dem LH in spe noch den Dienst erwiesen hat, den Konkurrenten Norbert Darabos wegen der Eurofighter anzuzeigen.

6 Kommentare zu „Pamela Rendi-Wagner und die rote Dekadenz

  1. Ist das nicht schön Fr. Bader? Die Sozen in Wien als „Familienbetrieb“. Beim Lesen wird einem da schon ziemlich übel!
    Grandios Fr. Bader wie sie diese Leute entlarven!
    MfG Michael!

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  2. das problem an ALLEN im moment im parlament vertretenen parteien ist doch in wirklichkeit, dass es sich nur noch um reine lobbyvereine handelt.

    genau wie bei den NGOs (zb volkshilfe s.o.) werden themen präsentiert, die von der phrase her geeignet scheinen unterstützung zu lukrieren (=popülismus?)

    spätestens seit der banker vranz in macron-manier die sogenannten sozial-demokraten übernommen hat und joschka fischer mit den grünen die nato in den kampfeinsatz führte sind auch die letzten dem kleinen mann (bzw der kleinen frau) verpflichteten kräfte in europa aus den parlamenten verschwunden.

    die mehrheitsbeschaffung ist es, die noch einen restkontakt zum stimmvieh erfordert…

    der rest der politischen auseinander-setzung ist nur noch dem verteilungskampf zwischen den verschiedenen lobbygruppen und dem internen karriereleiter-wettklettern geschuldet…

    das ist in allen parteien so.

    wie will man eine aktiengesellschaft in österreich der vermögenssteuer oder einer erbschaftssteuer unterwerfen?
    welche vermögenden oder zu beerbenden werden da in österreich übrigbleiben, die zahlen müssten?

    es werden die zahlen, die immer zahlen. zb die pensionisten, die über aktienspekulation angeblich ihre pension abgesichert haben…

    wie man richtig absichert hätte man aus der zeit vor 100 jahren lernen können: damals wurden in gemeinsamer anstrengung gemeindebauten und brotfabriken gebaut…

    heute wird dort von privat aufgestockt und luxuseigentumswohnungen draufgesetzt, während unten im erdgeschoss der caritas-laden von unbezahlten freiwilligen das von den kinderlosen ererbte an zugereiste verscherbelt…

    bravo, kann man da nur sagen.

    zur sicherheit trägt da natürlich unheimlich bei, wenn ich fürs hundekriegen jetzt einen eignungsnachweis brauche, fürs kinderkriegen aber nicht…

    da geht es aber um die sicherheit der posten…

    zb einer „Bevollmächtigten der Stadt Wien für Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft“

    in diesem sinne: freundschaft genossen.

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