Wird der BVT-Untersuchungsausschuss zur Farce?

Das Sonderthema auf der Webseite der APA sagt eigentlich schon alles, denn es werden kaum Presseaussendungen gelistet. Offenbar reißt das Thema Verfassungsschutz-Affäre also niemanden vom Hocker, und das schließt die Oppositionsparteien schon mit ein, die am 14. August eine gemeinsame Pressekonferenz gaben. Wie man sieht, wird auf diese gleich mit Entkräftungen reagiert, die nicht unlogisch klingen, sodass man sich fragt. ob überhaupt etwas dran ist an Vorwürfen. Etwas hatten SPÖ, NEOS und Liste Pilz aber doch im Talon: da das Innenministerium ihre Beschwerden über unvollständige Aktenlieferungen nicht ernstnahm, wenden sie sich nun an den Verfassungsgerichtshof. Dieser entscheidet jedoch nicht von heute auf morgen, sodass der Ausschuss am 6. September mit den ersten Zeugenbefragungen beim derzeitigen Aktenstand beginnt. Wenig originell erscheint, dass Peter Pilz (wieder einmal) den Kopf von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) fordert, nachdem er gerade beim ORF-Sommergespräch über Belästigungs- und Mobbingvorwürfe abschmierte, die er nicht loswird. Am Sonntagabend konnte man ihn beim „Bürgerforum“ von oe24 erleben, wo er uns selbstverliebt einen Bären nach dem anderen aufband, 

Immer muss als Rechtfertigung für alles herhalten. dass Pilz doch angeblich so ein großartiger „Aufdecker“ sei. Nun ist nachvollziehbar, dass es faszinierend ist, sich durch Berge von Akten zu wühlen, die unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen unterliegen (von manchem darf man sich nicht einmal Notizen machen), doch es sei auch anderen gegönnt, dies zu tun und dann Zeugen zu befragen. Die SPÖ schickt u.a. Jan Krainer in den U-Ausschuss, die NEOS werden durch Stephanie Krisper vertreten. Es wäre interessant zu erfahren, wie sie sich bei einer Pressekonferenz mit Pilz fühlen, doch sie haben zumindest einen gewissen mäßigenden Einfluß auf ihn. Man beachte aber, dass es keine gemeinsamen Oppositions-PKs zu den Eurofightern gibt, bei denen das noch geltende Narrativ über Pilz eingeführt wurde. Ohne die anderen Parteien verliert sich Pilz in haltlosen Anschuldigungen, wie man sehen konnte, als er zum Konflikt mit Ex-Mitarbeiter Sebastian Bohrn-Mena befragt wurde und auf die U-Ausschüsse hinwies. Natürlich ist es das gute Recht von Krainer und Krisper, ihren Unmut kundzutun, wenn sie den Eindruck haben, dass sie das Innenministerium hinsichtlich des Ausschusses papierlt, zumal es für den Minister dabei ja um sehr viel geht.

 

 

VIdeo von der Pressekonferenz am 14.8.2018

Da man auf die Rolle der Medien nicht vergessen darf, denen auch Infos zugespielt werden und die das Thema am Kochen halten, ist es ratsam, mit dem Ausschuss zu kooperieren, was Kickl in seiner früheren Rolle als Abgeordneter genauso gesehen hat. Da Kickl sich anders als andere Minister nicht zurückhält, wenn er auf Kritik im Parlament reagiert, sondern scharf kontert, hat er zwar Fans bei den Unterstützern der FPÖ, wird anderswo aber als „autoritär“ betrachtet. Es muss aber im U-Ausschuss um objektive Aufklärung gehen, die dabei ansetzt, dass es im Februar eine Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz aufgrund von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gab. Dabei wurde seltsamerweise die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität EGS eingesetzt, was insbesondere Pilz auf den Plan ruft, der es auch ganz außergewöhnlich findet, dass diese nicht medienöffentlich aussagen sollen. Die Landespolizeidirektion Wien weist in einer Aussendung darauf hin, dass gesetzlich und parlamentarisch geregelt ist, wie Beamte aussagen. Man zitiert das Schreiben der Parlamentsdirektion, in dem es heißt: „Sollten Sie es gemäß § 35 VO-UA [Anm.: Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse] für erforderlich halten, dass die Befragung teilweise oder zur Gänze in vertraulicher oder geheimer Sitzung gemäß § 37a des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates stattfindet, wäre dies dem Untersuchungsausschuss mitzuteilen.“

Dass zumindest teilweise nicht medienöffentlich ausgesagt wird, ist hingegen gang und gäbe bei U-Ausschüssen, in denen Pilz in den letzten 30 Jahren Mitglied war. Wie er mit Zeugen umspringt, die dann auch noch die „Frechheit“ besitzen, aus Gründen der Staatssicherheit manches in den nichtöffentlichen Teil zu verlegen, kann man in Protokollen des Ausschusses zu Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments 2009 sehen. Man lese sich etwa durch, wie es dem stellvertretenden Chef des Heeresabwehramts Ewald Iby erging; und da auch die vorübergehende Suspendierung von BVT-Chef Peter Gridling Thema sein wird, ist interessant, was er damals sagte. Detail am Rande: Gridling kehrte am gleichen Tag ins Amt zurück, als Peter Pilz erfuhr, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung unter Mitwirkung des Generalsekretärs im Justizministerium Christian Pilnacek eingestellt wurden. Man kann jetzt gut zwei U-Ausschüsse vergleichen, da der 3. zu den Eurofightern um ein Vielfaches mehr an Akten zur Verfügung hat und jener zum BVT relativ viel unterschiedlich geheim eingestuft erhält. Übrigens argumentiert die Wiener Polizei puncto nichtöffentlicher Aussage damit, dass die EGS mit staatspolizeilicher Materie zu tun hatte, eben weil man eine Durchsuchung im BVT und bei Mitarbeitern vornahm.

Pilz auf Facebook

Es ist klar, dass die FPÖ Kickl jetzt verteidigt und darauf hinweist, dass der Minister sofort die Weisung erteilte, dass alle Akten geliefert werden sollen, doch die Retourkutsche bringt andere in die Defensive, da das Bundesarchiv bis dato nichts herausgerückt hat: „Dem Vernehmen nach wurden ja große Teile der Kabinettsakten der Vorgängerregierungen im Zuge der Regierungsbildung vernichtet. Kopien davon sind jedoch zwingend im Bundesarchiv aufzubewahren. Um dem Ausschuss einen größtmöglichen Überblick über die BVT Aktivitäten der Vergangenheit – auch über mögliche interne Untersuchungen der vergangenen Jahre – zu verschaffen, sollen auch diese Akten dem Untersuchungsausschuss zu Verfügung gestellt werden.“  Dies wirft Fragen zum 2. Eurofighter-Ausschuss 2017 und dem kommenden auf, denn Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil kooperierte mit Pilz, den auch Pilnacek unterstützte, und man behauptete, dass in vollem Umfang mit dem Ausschuss kooperiert werde.

Es ist aber bekannt, dass Ex-Kabinettschef Kammerhofer, den Doskozil nach der Amtsübernahme dank des damaligen ÖBB-Chefs Christian Kern auf einem Abteilungsleiterposten unterbrachte, um ihn aus der Schusslinie zu nehmen, immer wieder Aktenvermerke anfertigte. Damit kaschierte er, dass er nur Ministerweisungen eins zu eins weitergeben darf, die er aber unterlaufen und konterkariert hat, weil es auch seine Aufgabe war, den Minister abzuschotten, also am Regieren zu hindern. Sieht man sich an, wie Pilz Kickl auf Facebook Amtsmissbrauch unterstellt (auch die Justiz wurde natürlich missbraucht), fragt man sich, warum der „Aufdecker“ diese unhaltbaren Zustände nie anprangerte, sondern 2017 den unter Druck gesetzten Ex-Minister Darabos anzeigte. Kammerhofer bedrohte, verleumdete, machte Fake-Anzeigen, ohne ein Pouvoir dafür zu haben und „regierte“ per Aktenvermerk – und doch hat offenbar niemand alle „Aktenvermerke“ angefordert oder versucht, dem Rätsel des vernichteten Darabos-Terminkalenders auf die Spur zu kommen. Als er gesicherte Daten und Akten gebraucht hätte, stand Darabos – der im U-Ausschuss auch befragt wurde – nichts dergleichen zur Verfügung.

BND und BVT

Ironischerweise gab Pilz bei der PK aber einen wichtigen Hinweis, denn das BVT wurde auch aus politischen Gründen immer wieder benutzt, Stichwort Tierschützerprozess. Ob er damit aber einen Wildwuchs rund um das BVT-Extremismusreferat meint, wo Zuträger Narrenfreiheit dabei haben, Menschen zu schaden (was ich selbst erlebt habe wegen meiner Recherchen zum BMLV), die wiederum Bezug zu Pilz und seiner Liste haben? Wie man oben sehen kann, gab es zwischendurch auch mal eine BND-Affäre, die dem in Bedrängnis geratenen Pilz offenkundig Rückenwind verschaffen sollte. Dann stellte sich Pilz hin, um der ach so ahnungslosen Regierung „die Geheimdienstwelt“ zu erklären, ohne zu erwähnen, dass er verdeckte Aktionen nicht auf- sondern zudeckt. Beim letzten Pressekonferenz-Video wird auch ein notwendiger Generationswechsel deutlich, denn Pilz ist wesentlich älter als Stephanie Krisper und Jan Krainer. Als er zurückgetreten war und sich selbst zum Abgeordnetengehalt bei der de facto inexistenten Partei Liste Pilz anstellte, übernahmen Alma Zadic und Daniela Holzinger den Sitz im BVT- bzw. Eurofighter-Ausschuss. Doch kaum war er am 11. Juni wieder angelobt, mussten sie auf die Ersatzbank weichen, statt dass neue und junge Gesichter auch die Liste Pilz vertreten, die Pilz als DIE Kontrolle verkauft. Pilz ist bestrebt, hinsichtlich „Maulwürfen“ in seiner Liste Martha Bißmann und Sebastian Bohrn-Mena den schwarzen Peter zuzuschieben, während es jetzt keine Leaks mehr gäbe, aber warum war Holzinger nicht bei seiner Eurofighter-PK, wenn er doch mit ihr zusammenarbeiten will?

Wenn Pilz nicht (weiter) das Narrativ vorgeben soll, müssen andere Abgeordnete mehr ins Rampenlicht treten, nicht nur Krisper und Krainer. Das gilt selbstverständlich nicht nur für die Opposition und auch für den Eurofighter-Ausschuss. Und da Pilz wieder einmal so sehr jedwede Form der Geheimhaltung kritisiert, die nicht immer Vertuschung sein muss, sollte man endlich einmal eine Sicherheitsüberprüfung durchführen. Es ist von großer Bedeutung, dass auch nichtöffentlich nur Abgeordnete mitwirken dürfen, die tatsächlich den Interessen der Republik Österreich dienen. Freilich wissen wir, dass Pilz immer so tut, als vertrete er diese Interessen (im Gegensatz zu Bundeskanzler Kurz oder den Ministern Kickl und Kunasek) und als habe er in Ex-Verteidigungsminister Doskozil dabei einen Bündnispartner. Aber was, wenn es doch so offensichtlich ist, dass es Interessen der US-Rüstungsindustrie dient, Airbus und die Eurofighter zu kriminalisieren? Welche Schlußfolgerungen läßt dies auch für den BVT-U-Ausschuss zu, zumal ein funktionierender Verfassungsschutz auch Wirtschaftsspionage abwehren sollte? Was auf dem Spiel steht und wie gegen europäische Konzerne vorgegangen wird, stellt Ex-BVT-Chef Gert Polli hier dar. gegen den übrigens Pilz erfolgreich intrigierte.

PS: Die Opposition kritisiert Zeugenbeeinflussung durch den Innenminister, doch als Jekyll und Hyde steht Pilz dafür, Zeugenbeeinflussung anderswo zu decken und selbst zu betreiben, auch im Kontext von U-Ausschüssen. Er deckte die Beeinflussung des Zeugen Darabos im 1. Eurofighter-Ausschuss und übte beim 2. Ausschuss öffentlich Druck auf ihn aus.

PPS: Wie hier beschrieben werde ich seit Jahren wegen kritischer Berichte attackiert; nun suchen die Kater Baghira und Gandalf und ich DRINGEND ein neues Quartier, bevorzugt in Wien oder Wien-Umgebung. So kann ich die von euch geschätzte Arbeit auch viel effizienter und mit euch gemeinsam fortsetzen, denn nachdem ich meine Wohnung in Wien verloren habe, bin ich auf dem Land gelandet. Wer etwas für mich hat oder weiss hilft mir damit sehr. Auf den Wunsch vieler treuer Leserinnen und Leser hin ist finanzielle Unterstützung jederzeit willkommen: Alexandra Bader, Erste Bank BLZ 20111, BIC GIBAATWWXXX, IBAN AT592011100032875894. Ihr erreicht mich unter 06508623555, alexandra(at)ceiberweiber.at und ich bin auf Facebook und Twitter (cw_alexandra).

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