Hans Peter Haselsteiners #MeToo-Waterloo

#MeToo suggeriert gesteigertes Bewusstsein für sexuelle Übergriffe, doch es ist immer noch eine Machtfrage, ob sie geahndet werden, denn Täter sind in der Regel in einem Umfeld aktiv, in dem andere Männer ihr Verhalten tolerieren. Da nutzt auch wenig, dass sich viele Männer davon distanzieren, jedoch nur in Ausnahmefällen eingreifen und sich auf die Seite der Opfer stellen. Ein Beispiel dafür ist der Rücktritt des Abgeordneten Peter Pilz im November 2017, als zwei namentlich bekannte Männer bezeugten, wie übergriffig er sich einer jungen Frau am Rande des Forum Alpbach 2013 verhielt. Dem standen dann aber viele Männer gegenüber, die alles wegerklären wollten, auch weil Pilz angeblich ein so toller Aufdecker sei. Im Klub der Liste Pilz standen die Vorwürfe gegen ihn nur einmal auf der Tagesordnung, wie die nunmehrige wilde Abgeordnete Martha Bißmann verrät, und zwar, um die Einscheidung der Justiz abzuwarten. Gerade werden von Markus Wilhelm auf seiner Webseite veröffentlichte Vorwürfe gegen den künstlerischen Leiter der Festspiele Erl Gustav Kuhn von fünf Künstlerinnen in einem offenen Brief bestätigt, was den Industriellen Hans Peter Haselsteiner in die Defensive bringt, der Wilhelm zuvor klagte

Man/frau sieht da auch gut, wie jahrelang weggesehen, gedeckt und wegerklärt wurde, obwohl/weil es auch um Lohndumping und Demütigungen aller Art für Künstler/innen geht. Geradezu bizarr wurde es, als der ORF in den „Seitenblicken“ Kuhns Partei ergriff und von Verleumdungen sprach und dazu auch Haselsteiner-Freund Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer Stellung nahm, der einen Zusammenbruch von Anstand und Moral dadurch beklagte, dass jeder im Internet publizieren kann. Solche Äußerungen zeigen, wie auch selbst solcher Übergriffe Unverdächtiger zu Förderern von Grabschern werden, wobei es Gusenbauer auf anderen Gebieten mit Anstand und Moral nicht so genau nimmt. Interessant ist, dass wir ihn in diversen Haselsteiner-Aufsichtsräten ebenso finden wie in jenen des Signa-Konzerns von Rene Benko, an dem Haselsteiner auch beteiligt ist. Als sich Haselsteiner 2015 aus dem Immobilienkonzern Conwert zurückzog, gab Eveline Steinberger-Kern ihre Funktion im Verwaltungsrat auf; Haselsteiners Anteile gingen an den israelischen Milliardär Teddy Sagi. Benko machte zeitweise Geschäfte mit Beny Steinmetz, der wie Tal Silberstein letzten Sommer in Israel vorübergehend festgenommen wurde; Gusenbauer war beider Geschäftspartner und sein Ex-Sprecher, der bei Signa anheuerte, als „Gusi“ im Dezember 2008 das Kanzleramt verließ, kooperierte im Wahlkampf 2017 mit Silberstein, mit dem er auch befreundet ist. Was Erl betrifft, mäzeniert sich Haselsteiner praktisch selbst über Förderungen, die bislang trotz Vorwürfen an „Maestro“ Kuhn und intransparenter Finanzgebahrung reichlich flossen.

„Seitenblicke“ verteidigen Kuhn

Natürlich arbeitet Markus Wilhelm auch diese fragwürdige Seite akribisch auf, etwa in diesem Artikel. Was seine Gegner fürchten und hassen, vermittelt uns Einblicke in typische Charakteristika jener Männer, die nach allem greifen und keine Skrupel kennen. Deshalb widmet er eine Analyse der abgeschriebenen Doktorarbeit des „Maestros“, den er als „Hochstapler von Anfang an“ bezeichnet. Wieder eine Parallele zu Pilz, der bei Doktorvater Alexander Van der Bellen, den Wissenschaftsminister Heinz Fischer protegierte, eine Arbeit einreichte, die identisch war mit einer Studie, die Pilz gemeinsam mit Hannes Werthner (heute Kandidat der Liste Pilz) im Jahr davor erstellt hatte. Wie Kuhn mit Menschen umgeht, kommt vielen bekannt vor, die Pilz in den Grünen erlebt haben; was jetzt öffentlich über den Umgangston in der Liste Pilz bekannt wird, lässt dies allenfalls erahnen. Julia Oesch, eine der Verfasserinnen eines offenen Briefes an den Festspielpräsidenten Hans Peter Haselsteiner, sagt im Ö1-Interview, dass Kuhn nicht nur anhaberig war, sondern auch die Künstler/innen „alle zusammengetrieben“ habe und regelmässig in Tränen ausbrach, wer dabei von ihm zur Sau gemacht wurde. Künstler/innen seien „nicht so sensibel“, aber das sind „so tiefe ins Persönliche gehende Angriffe“ gewesen, dass man verzweifelte. Und das passierte regelmäßig; zum Teil verließen die Opfer dann die Bühne, und sexuelle Übergriffe haben viele erlebt, auch sie selbst.

Ö1 zitiert auch die Reaktion von Gustav Kuhn über seinen Anwalt Michael Krüger, der von „Menschenjagd“ spricht und vermutet, dass sich die Künstlerinnen von Wilhelm instrumentalisieren lassen (er lebt mit einigen Schafen auf einer Alm). Oesch sagt, dass sie sich der Tragweite bewusst sind und andere dazu ermutigen wollen, es ihnen gleichzutun. Es gab schon vorher einen offenen Brief verfasst von Männern, die schilderten, wie sie Kuhn als „Arschlöcher“, „Schwänze“ und „Volltrottel“ bezeichnete, was wohl an antiquierte Ausbilder beim Bundesheer erinnert, die es dort aber mit einer Beschwerdekommission zu tun bekommen (Kuhn antwortete ihnen sogar). Auf das Schreiben der Künstlerinnen reagiert Haselsteiner höchstpersönlich, der um Verständnis dafür bittet, den Rest der Festspiele ungestört über die Bühne gehen zu lassen, ehe er sich mit den schon lange bekannten Vorwürfen befasst. Das bekommt auch deshalb einen schalen Beigeschmack, weil Erl jahrelang bedeutete, Kuhn auch via „Spesen“ üppig auszustatten, Musikern aber nur Hungerlöhne zu bezahlen, was man dann abstritt.  Man sieht in und um Erl viel Prominenz (auch Gusenbauer, Fischer, Van der Bellen und natürlich Landeshauptmann Günther Platter), die sich wohl kaum für unmenschliche Arbeitsbedingungen interessiert.

Pressekonferenz Kuhn und Haselsteiner, 2017

Unter anderem boten Künstler/innen den illustren Gästen 24 Stunden Wagner; Letztere konnten sich ausruhen, Erstere wurden ausgepowert. Bei der Eröffnung der Festspiele sprach Haselsteiner und widmete sich vor allem den „Verleumdungen“ durch Wilhelm, z.B.: „Im Übrigen darf ich Sie versichern, ist er (Kuhn) ganz der Alte. Er macht, hoffentlich sehr zum Ärger des Bloggers, noch immer keinen Hehl daraus, welche Vorlieben er hat. Und Wein, Weib und Gesang ist etwas, was Sie gut nachvollziehen können.” Was sich Besucherinnen dabei wohl denken? Ob er sie vergessen hat, weil er nicht „Wein, Kerl und Gesang“ sagte? Oder ob er Frauen als Männern verfügbare Objekte betrachtet? Im Mainstream ist ein langsamer Schwenk von der bisher unkritischen Kulturberichterstattung zu neuen Untertönen zu bemerken, wie man etwa an den „Salzburger Nachrichten“ sieht: „Die Festspiele Erl haben bei ihrer Eröffnung durch den deutschen Altbundespräsidenten Horst Köhler am Donnerstag nicht nur ihren 20. Geburtstag gefeiert, sondern auch die Turbulenzen der jüngsten Vergangenheit mit teils schweren Vorwürfen gegen ihren Künstlerischen Leiter Gustav Kuhn thematisiert. Festivalpräsident Hans Peter Haselsteiner warnte vor dem ’neuen Pranger‘, den Sozialen Medien.“

Offenbar hat er vergessen, dass er diesen „Pranger“ ganz nach Belieben auch benutzen lässt, etwa bei seinen Kampagnen, die für bestimmte Kandidaten oder Parteien und gegen andere Stimmung machen sollen. Die SN weiter: „‚Sie werden als Medien bezeichnet, entziehen sich aber dem Mediengesetz‘, sagte Haselsteiner in seiner Eröffnungsrede. Sie verbreiteten ‚Propaganda, Hass, Lüge und Diffamierung‘. Als Beispiel führte er die ‚hasserfüllte Kampagne gegen Maestro Kuhn‘ und die Festspiele Erl an, die mit Vorwürfen von Lohndumping über Korruption bis hin zu sexueller Belästigung konfrontiert waren. Der ‚Pranger der Sozialen Medien‘ sei nicht mit dem mittelalterlichen auf dem Marktplatz vergleichbar. Denn jener sei Strafe nach einem Urteil gewesen. Der ‚ultimative Pranger‘ der Sozialen Medien hingegen werde oftmals von anonymen Gruppen verwendet, so Haselsteiner: ‚Die Strafe steht bei Anklage fest. Urteil und Prozess gibt es nicht‘.“ Haselsteiner meint ja, er könne Wilhelm kleinklagen, der vieles nur deshalb berichtete, weil man zu Vorwürfen nicht Stellung nehmen wollte. Noch heißt es, der „in Bedrängnis geratene Maestro“ habe „Aufschub“, aber die Schlinge um seinen Hals scheint enger zu werden.

Elisabeth Kulman von art but fair

Was Aliona Dargel ( Violine, Weißrussland), Bettine Kampp (Sopran, Deutschland),  Ninela Lamaj (Violine, Albanien/Italien), Julia Oesch (Mezzosopran, Deutschland) und Mona Somm (Sopran, Schweiz) an Haselsteiner schreiben, hat es nämlich in sich: „Wir sind direkt Betroffene, Zeuginnen oder Mitwissende davon, dass es zu unserer Zeit anhaltenden Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe von Seiten des künstlerischen Leiters gegeben hat. Auch einige von uns waren solchen ausgesetzt: unerwünschtem Küssen auf den Mund oder auf die Brust, Begrapschen unter dem Pullover, Griff zwischen die Beine etc., von obszöner verbaler Anmache ganz zu schweigen. Immer wieder wurden die Grenzen der persönlichen Würde und des Respekts uns gegenüber missachtet und überschritten. Regelmäßig waren wir der ungehemmten Aggression des künstlerischen Leiters ausgesetzt. Massive seelische Gewalt in Form von Mobbing, öffentlicher Bloßstellung, Demütigung und Schikane stand an der Tagesordnung. Wer den Spielregeln nicht folgte, wurde mit Repressalien und Ausgrenzung bestraft: Versprochene Rollenaufträge und Verträge wurden zurückgezogen, die zuvor gelobte Leistung war plötzlich nichts mehr wert oder wurde coram publico ins Lächerliche gezogen, um nur einige Beispiele zu nennen.“

Im Land Tirol fordern alle außer der ÖVP Konsequenzen, die dem „Maestro“ immer noch die Stange hält. Josef Kalina, der zu Gusenbauer-Zeiten SPÖ-Bundesgeschäftsführer (und zuvor Kommunikationschef) war, übernimmt die heikle Krisen-PR für Haselsteiner, wie man auf Twitter sehen kann (die für „Gusi“ sah z.B. so aus). Bezeichnend auch, dass die Menschenwürde von Künstler/innen und ihre Existenz Kalina keine Silbe wert sind und er nur an einen über die Jahre auch mit Spesen fettgefütterten „Hochstapler“ (c Wilhelm) denkt. „Für Gewalt, insbesondere für Gewalt an Frauen, ist in diesem Haus kein Platz und war auch nie Platz. Jeder Verstoß wird umgehend geahndet“, sagte Haselsteiner doch bei der Festspieleröffnung, was er denn auch vor Gericht beweisen wird müssen. Als Pointe am Rande musste Kuhn bereits eine Niederlage einstecken und eine Klage gegen Wilhelm zurückziehen, nachdem zwei Künstlerinnen gegen ihn aussagten (und Kuhn sich vorher, quasi pilzartig, immer wieder drückte). Sein Anwalt Michael Krüger fiel dadurch auf, dass er im Jahr 2000 nur 25 Tage Justizminister war und einen Jaguar als Dienstwagen wollte (Hochstapelei?); er erinnerte sich im Interview mit Dieter Chmelar an einst abgeschleppte Frauen und gewann ein Medienverfahren wegen Unterstellungen, er habe sich die Matura erschwindelt.

Wilhelm auf Twitter

Als die SPÖ 2014 Eugen Freund bei der EU-Wahl aufstellte, offenbarte er in einem Interview blanke Ahnungslosigkeit in Alltagsdingen; dies wurde medial auch kritisch als Falle unter Verweis auf Krüger damals kommentiert: „Dass sich ein Rechtsanwalt in der ersten Euphorie an der ihm entgegengebrachten Aufmerksamkeit aufs Glatteis führen lässt, ist nachvollziehbar. Dass ein erfahrener Fernsehmoderator in seinen ersten Interviews so ungeschickt agiert, ist dann doch bemerkenswert und eigentlich nur mit divaesken Charakterzügen erklärbar.“ Zur Erinnerung muss man aber wissen, was genau abgelaufen ist:; „Wegen seiner Verteidigung von Haiders ‚Straflager‘-Ausspruch schon zu Beginn seiner Ministertätigkeit angegriffen, geriet Krüger auch durch ein ‚profil‘-Interview in die Schlagzeilen. In diesem hatte sich Krüger mit seinem Jugendfreund, dem ORF-Moderator Dieter Chmelar, über frühere private Erlebnisse unterhalten. U.a. hatte Krüger erklärt: ‚Waßt no, die Miss Vienna?‘, worauf Chmelar replizierte: ‚Mein Gott, was haben wir geschnackselt. Die Miss Vienna haben wir uns geteilt. Zuerst ich im Schlafzimmer, dann du im Wohnzimmer‘.“ Dass Krüger mit dieser Vorgeschichte die Gefahr nicht erkennt, die für Kuhn in einer hartnäckig untersuchenden Justiz liegt, ist verständlich.

Von Kalina-Tweets abgesehen funktioniert die Krisenkommunikation so, dass Haselsteiner per APA an die „sehr geehrten“ Künstlerinnen u.a. schreibt: „Ihr offener Brief von gestern hat mich einerseits schockiert und andererseits überrascht. Selbstverständlich werde ich veranlassen, dass den von Ihnen erhobenen Vorwürfen mit Ernsthaftigkeit und Akribie nachgegangen wird und Sie über die Ergebnisse der Recherchen umgehend informiert werden.“ Dachte er ernsthaft, es wurde bisher nur ohne Substanz geredet, wo doch bereits Zeuginnen einvernommen worden sind und auch die fünf Verfasserinnen aussagen werden? Haselsteiner setzt (beraten von Kalina?) fort: „Allerdings werde ich diesbezüglich erst ab Montag tätig werden, um das Ende der Festspiele abzuwarten. Es war Ihnen sicher nicht bewusst, dass Ihr Outing am Tag vor Wagners Ring erfolgt; ein Zyklus, der dem Dirigenten Gustav Kuhn alles abverlangt, insbesondere, weil er an vier aufeinander folgenden Tagen gespielt wird. Als Künstlerinnen werden Sie sicher für die kleine Verzögerung Verständnis aufbringen.“ Es interessiert uns einen S****, was gerade in Erl los ist und was mit dem „Maestro“ ist, werden sich die Adressatinnen wohl dabei denken.

Kalina auf Twitter

„Warten auf 2. Akt Walküre.1.Teil fulminant. Demonstrativer Jubel für Gustav Kuhn“ lesen wir in einem Tweet von Kalina; und wäre Gusenbauer auf Twitter, was würde er dann wohl (siehe „Seitenblicke“) vom Stapel lassen? In seinem Schreiben wundert sich Haselsteiner noch, dass die Künstlerinnen von einer  „unangemessenen Art, wie auf das Ansprechen der dortigen Zustände reagiert wurde“ reden und verweist auf die „eigens für diese Fälle bestellte unabhängige Ombudsfrau“, der sie ihre Zeugenaussagen anvertrauen könnten. Es handelt sich dabei um die frühere grüne Landesrätin Christine Baur, deren frühere Mitarbeiterin Natascha Müllauer am 5. Juli 2018 zur Geschäftsführerin der Festspiele bestellt wurde. Baur wäre nicht die erste Alibifeministin, die die Seiten gewechselt hat, was wiederum an den Fall Pilz erinnert, der ja von Maria Stern damit verteidigt wird, dass #MeToo besser auf Anonymität setzt, weil sich Grabscher dann ganz bestimmt furchtbar schämen. Der Strabag-Benko-Schlaff-Silberstein-Gusenbauer ist auch nicht unbedingt ein Beweis für Haselsteiners Integrität und Menschenkenntnisse, nicht nur, weil er inzwischen Ukraine-Lobbying im Zuge von US-Ermittlungen eingestehen muss. Zuerst bestritt er noch, für Paul Manafort gearbeitet zu haben, der wie John und Tony Podesta im Visier der amerikanischen Justiz steht. Podesta sollte Gusenbauer etwas sagen, war doch John P. die rechte Hand Bill Clintons und Lobbyist des Rüstungskonzerns Lockheed, für den die US-Regierung vergeblich bei der Abfangjäger-Ausschreibung mitgeboten hat.

Man kann hier sehen, wie eiskalt sich Gusenbauer an Ex-Minister Norbert Darabos abputzt, der daran gehindert wurde, sein Amt auszuüben. Gusenbauer war immer alles Recht, sodass er seine Kontakte als Sprungbrett nutzte, beispielsweise um Lobbying für Kasachstan zu betreiben, nach dessen Muster er dann für die Ukraine tätig war. Erinnern wir uns an den Wahlkampf 2017, als u.a. berichtet wurde: „Nach dem Holzindustriellen Schweighofer dementieren auch Benko, Haselsteiner und Schlaff die Finanzierung von Silbersteins Dirty Campaigning-Truppe.“ Der Holzindustrielle Gerald Schweighofer benötigte Silbersteins Dienste, weil seine Tätigkeit in Rumänien nicht ganz unumstritten ist. Die „Presse“ schrieb zu den Wahlkampf-Turbulenzen: „Lieber Herr Niedermühlbichler, lieber Christian Kern, einmal ganz ernst: Wir werden auch zwei Wochen vor der Wahl weiter die Wahrheit verlangen. Wer hat diese Truppe warum wann und wie mit einer halben Million bezahlt? Wenn, wie Niedermühlbichler sagt, nicht die SPÖ, wer dann? War es Holzhändler Schweighofer, der mit Gusenbauer und Kern befreundet ist? Ein Verein? Oder denken Sie an den Mossad, Herr Niedermühlbichler?“ Bekanntlich versprach die SPÖ Aufklärung in der Silberstein-Affäre (er wurde Kern von Gusenbauer nahegelegt), die jedoch nie kam.

Markus Wilhelm auf Twitter

Eine Parallelgesellschaft von einerseits Vorwürfen, Gerede, schlechter Stimmung, andererseits konsequentes Wegsehen derjenigen, die sich mächtig vorkommen, finden wir in der SPÖ ebenso wie in Erl und anderswo. Wenn aber verdichtet und nachrecherchiert wird, was zuvor nur den Weg mündlicher Überlieferung oder von Postings im Netz fand, kommt die Welt der Oberen ins Wanken und die Machtverhältnisse werden neu ausverhandelt. Deshalb klingt Haselsteiner beinahe verbindlich in seinem Schreiben, wo er vorher noch alles abblockte und so tat, als sei es die persönliche Mission eines bekannt rebellischen Tirolers. Dennoch ist sein Brief mit allen Wassern gewaschen, aber man erkennt einen Hauch von Angst, dass ihm die Felle davonschwimmen könnten. Ist man wie Pilz letzten November direkt mit Vorwürfen konfrontiert, kann man ja die Reißleine ziehen, indem man ein paar pseudoselbstkritische Worte von sich gibt und auf Tauchstation geht. Man muss berücksichtigen, wie Haselsteiner sonst medial rezipiert wird, etwa in diesem Interview von Anfang des Jahres, und dass er weiterhin größter Geldgeber der NEOS und Unterstützer Van der Bellens ist. Als Gusenbauer 2006 Alexander Zach einen Parlamentssitz bei der SPÖ versprach, muss man daran denken, dass der damalige LIF-Chef in den Verdacht kam, für Haselsteiner in ungarisch Parteispenden zu verteilen.

2008 trat das LIF (vergeblich) selbst wieder an, mit Heide Schmidt an der Spitze, natürlich auch unterstützt von Haselsteiner und kurz vor der Wahl ohne Zach, der zurücktrat. Dass die Liberalen kandidierten, hängt übrigens damit zusammen, dass Alfred Gusenbauer nicht mehr SPÖ-Chef war und ihn Spitzenkandidat Werner Faymann als Bundeskanzler ablösen sollte. Heute schadet Berichterstattung über den „Erlkönig“ Kuhn auch Haselsteiner, wobei auch mal von „Nibelungentreue“ die Rede ist. Im Internet, das er ja bei der Eröffnung in Erl gebasht hat, wird immer mehr Enttäuschung über ihn laut, dem man mehr Format und mehr Urteilsvermögen zugetraut hätte. Klagen in Serie gegen Markus Wilhelm tragen das Ihre dazu bei, weil es nie gut aussieht, wenn ein Goliath einen David ruinieren will. In Erl wird Haselsteiner zu einer Entscheidung gelangen müssen, schon um die Serie an Negativberichten zu beenden. Doch wenn der Rechnungshof die Festspielgebahrung prüft, wie die Liste Fritz im Tiroler Landtag fordert, steht ihm weiteres Ungemach ins Haus. Das lange aufgebaute Image des erfolgreichen Unternehmers, der mit Mäzenatentum, politischen Initiativen und Wohltätigkeit der Gesellschaft etwas zurückgibt, ist am Zerbröseln.

Gusenbauer stiehlt sich aus der Verantwortung (20.6.2017, Eurofighter-Ausschuss)

Dass Haselsteiner zu Gusenbauers Netzwerk gehört (oder umgekehrt), wird sich noch verhängnisvoll auswirken, wenn das Eurofighter-Kartenhaus zusammenbricht. Bislang konnte sich Gusenbauer darauf verlassen, dass Medien und Justiz dem Narrativ folgen, der über den Van der Bellen-Genossen und -Freund Peter Pilz verbreitet wurde, der immer auch Rückendeckung von Fischer hatte. Und bei der aktuellen Diskussion über Ukraine-Lobbying wird auf Gusenbauers Connection zu Kasachstan verwiesen: „Am 8. Oktober 2012, im Vorfeld von Nasarbajews Staatsbesuch in Österreich, schrieb Gusenbauer dem kasachischen Präsidenten unter Berufung auf Gespräche mit ‚Entscheidungsträgern‘, dass Bundespräsident Heinz Fischer den Fall Aliyev ‚unter Kontrolle‘ habe, sich regelmäßig über ‚durchgeführte und geplante Arbeiten berichten‘ lasse und Österreichs Behörden in seinem, Fischers, ‚Sinne‘ vorgingen.“ Ehe „Gusi“ für Nasarbajew lobbyierte, war Bill Clinton mit Geschäftspartnern in Kasachstan, wobei es da um Zugang zu den Uranvorkommen des Landes ging. Clinton wiederum war 2007 Gast bei einem Galadiner vor dem Life-Ball, bei dem Spenden für die Clinton Foundation gesammelt wurden; Gusenbauer bemühte sich sehr um sein Kommen und begrüßte ihn dann gemeinsam mit Fischer. Was am selben Tag, dem 24. Mai 2007 im SPÖ-eigenen Gartenhotel Altmannsdorf (Präsident des Renner-Instituts war Gusenbauer) vor sich ging, will er aber nicht gewusst haben.

Aufgrund seiner Aussage beschloss „Aufdecker“ Peter Pilz, dass Darabos gelogen haben muss, wenn er sagte, Gusenbauer sei über jeden Eurofighter-Verhandlungsschritt informiert gewesen, und zeigte den Ex-Minister an. Weder Pilz noch Gusenbauer wollte auffallen, dass Darabos über Kabinettschef Stefan Kammerhofer (zuvor im SPÖ-Klub; Klubobmann war Gusenbauer) abgeschottet wurde und Personen und Infos von ihm ferrngehalten wurden. Seltsam ist ja auch, dass „Gusi“ mit Zach einen „EADS-Lobbyisten“ im Parlamentsklub hatte, der dann wenige Tage vor der vorverlegten Wahl 2008 den Abgang machte. Vielleicht hat „Gusi“ ja seinen Freund Haselsteiner einmal eingeweiht, was wirklich abgelaufen ist, doch die EADS-Schiene scheint ebenso nur vorgeschoben zu sein wie die der SPÖ nachgesagten Verbindungen zu Saab. Auch an eine Verbindung zum mittlerweile als Grabscher bekannten Pilz muss man denken, was auch plausibel macht, dass es um Interessen der US-Rüstungsindustrie geht, der Konkurrent Airbus ein Dorn im Auge ist. Wenn Gusenbauer Clinton eingeladen hat, ist nicht so abwegig, dass er dabei mit dem Lockheed-Lobbyisten Podesta zu tun hatte, der wiederum schon vorher mit Stanley Greenberg kooperierte, dessen Mitarbeiter Tal Silberstein im Wahlkampf 2006 („Sozialfighter statt Eurofighter“) engagiert wurde. Mit anderen Worten kann dem Kuhn-Debakel bald ein Gusenbauer-Debakel folgen, das die Frage aufwirft, warum sich Haselsteiner mit den falschen Leuten umgibt.

PS: Mehr dazu hier: #MeToo, Kuhn, Weinstein und Pilz.

PPS: Wie hier beschrieben werde ich seit Jahren wegen kritischer Berichte attackiert; nun suchen die Kater Baghira und Gandalf und ich DRINGEND ein neues Quartier, bevorzugt in Wien oder Wien-Umgebung. So kann ich die von euch geschätzte Arbeit auch viel effizienter und mit euch gemeinsam fortsetzen, denn nachdem ich meine Wohnung in Wien verloren habe, bin ich auf dem Land gelandet. Wer etwas für mich hat oder weiss hilft mir damit sehr. Auf den Wunsch vieler treuer Leserinnen und Leser hin ist finanzielle Unterstützung jederzeit willkommen: Alexandra Bader, Erste Bank BLZ 20111, BIC GIBAATWWXXX, IBAN AT592011100032875894. Ihr erreicht mich unter 06508623555, alexandra(at)ceiberweiber.at und ich bin auf Facebook und Twitter (cw_alexandra).

3 Kommentare zu „Hans Peter Haselsteiners #MeToo-Waterloo

  1. Hervorragend die Zusammenhänge aufgedeckt. Alexandra. Das ist ein Sumpf echt. Das ist die ehrenwerte Gesellschaft Österreichs der Mafia Clan könnte man sagen. Hier könnte der Mafia Paragraph wirklich mal zu Recht angewandt werden.
    Der Amigo Gusi meint es sei echt schlimm dass heute schon jeder publizieren oder sich zu Wort melden darf.
    Ja aber echt wo kämen wir da hin wenn jeder vom gemeinen Pöbel seine Meinung kundtut. Vielleicht das alles weil Österreich immer noch eine Demokratie ist mit freier Meinungsäußerung lieber Gusi. Kasachische Verhältnisse sind halt gemütlicher zum Geschäfte machen.jaja verstehe. Vor allem wenn es um solche dubiosen Geschäfte geht.

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    1. Elisabeth Kulman gefällt auch, wie ich es darstelle… immerhin kann mich Haselsteiner auf nix verklagen, weil ich keinen Cent mehr besitze…

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    2. Die Aussage, ‚Wie die Mafia‘ greift zu kurz.

      Was wir zumeist kennen ist die Übergangszeit von klassische in neo-klassische Strukturen sprich die Neuorganisation nach der Zeit des Alkoholschmuggels durch Lucky Luciano. (Board of Directors …) Der Unternehmer war davor. (Al Capone)

      Der Unternehmer ist so der Kapitän von einem Piratenschiff. Ein Kaufmann ist ganz anders gelagert und ehrbarer sowieso.

      Trotzdem mischt die Mafia oder solche Strukturen nicht überall mit und ist halt auch Marktteilnehmer.

      Unsere ‚modernen‘ Führungs- resp Managementstrukturen basieren auf Konzepten die 100 Jahre alt sind und älter, sprich es wird getan als gäbe es die Röhrenpost noch nicht.

      In Mitteleuropa hat man noch immer so die Burgen und Grafschaften und aus dem Umfeld stammt das Wachstumsmodell. Die Linien sind älter und zeigten ihre Stärke beim Kampf der Kelten gegen die Römer inbesondere in Frankreich. Das keltische ‚Reich‘ hatte ein Zentrum in Deutschland und trieb regen handel mit anderen keltischen Städten. (lt. ZDF Doku). Das Zentrum kann konnten die Römer erst austrockenen als die Blätter gefallen waren.

      Die Mongolen auf der anderen Seite hat zum ersten mal ein Reich in dem Information sicher verbreitet werden konnte von Europa bis Asien hinein.

      Der Staat/Politik und das Steuersystem sind eher davor stecken geblieben.

      Zumal Börsenorientierung und Verstaatlichung an sich zwei Varianten von Public Control sind, bei denen die Kontrolle durch die Öffentlichkeit heute nurmehr vorgeschoben ist und nie wirklich gerne gesehen war …

      Große Geschäfte laufen eher unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit. Damit hält man sich zumindest jene Fern die man nicht dabeihaben will.

      In weiteren Sinne sind die im Artikel angesprochenen allesamt ‚Mobsters‘.

      Geheimdienste resp. Informationsdienst bspw. kommen ursprünglich aus dem Bankensystem, heute würde man Finanzindustrie sagen. Allein haben Staaten später versucht die Kontrolle über diese Dienste zu erlangen.

      In der Relation zu dem großen Geschäft, dass diese Gruppe der Jungs betreibt wäre der Herr Gusenbauer so einzuordenen wie der Lastwagenfahrer des ersten Lasters mit dem Alkohol auf der Ladeflächen und Juncker so derjene welcher mit der Laterne das Zeichen zur Weiterfahrt gibt. Die Luft wurde gereinigt.

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