Die andere Geschichte der Eurofighter

Die Justiz ermittelt in der Causa Eurofighter, und im Herbst startet ein 3. Ausschuss zur Beschaffung von Kampfjets für das Bundesheer. Bislang folgte alles einem Narrativ, der darauf aufbaute, dass es bei der Entscheidung nicht mit rechten Dingen zugegangen sein muss. Denn wenn Korruption nachweisbar wird, kann man den Kauf rückabwickeln, was bislang jedoch nicht gelungen ist. Man kann aber auch fragen, wo das wahre Problem liegt, wenn die Regierung Schüssel sowohl ein russisches als auch ein amerikanisches Angebot abgelehnt hat und ihre Wahl auf ein europäisches Produkt fiel. Medial, politisch und davon beeinflusst in der breiten Masse wird oft so gedacht, wie es „Aufdecker“ Peter Pilz vorgibt, ohne dass dies überhaupt bewusst ist. Im Fraktionsbericht der ÖVP zum 2. U-Ausschuss 2017 wird herausgestrichen, dass das Offert der Firma Lockheed für F-16 von der Regierung der USA unterbreitet wurde. Im Rennen waren auch Saab und die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH, also Unternehmen und nicht Staaten, selbst wenn andere Länder ein Interesse an gewissen Entscheidungen haben. Der damalige Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ) hielt sich an Empfehlungen der heereseigenen Bewertungskommission:

„In seinem Vortrag an den Ministerrat vom 2. Juli 2002 teilte Scheibner mit, dass er die Anschaffung des Eurofighters beabsichtige und ersuchte den Ministerrat, den Bericht zustimmend zur Kenntnis zu nehmen sowie den Beschluss des Finanzierungsplanes bis Ende 2002 in Aussicht zu nehmen. Der Ministerrat stimmte daraufhin dem Vortrag an den Ministerrat zum Thema Typenentscheidung einstimmig zu.“ Kanzler Wolfgang Schüssel begrüßte dies  „auch im Hinblick auf einen allfälligen europäischen Verteidigungsverband“, was wir nicht mögen müssen, aber regelmäßig geführten Diskussionen über mehr europäische Kooperation entspricht. „Neben den militärischen Kriterien, bei denen der Eurofighter klar als Sieger hervorging, gab es auch eine Reihe von politischen Argumenten für die Beschaffung des Eurofighters. So verwies Dr. Schüssel beispielsweise auf die europäische Komponente, eine Zukunft mit Europäischer Armee sei durchaus realistisch. Österreich hätte sich bei Friedenseinsätzen beziehungsweise bei friedensschaffenden Einsätzen der Europäischen Union mit dem Eurofighter beteiligen können, da dieser im Vergleich zum Auslaufmodell Saab Gripen keine ‚Insellösung’darstellte.“

Eurofighter und F-35 im Vergleich

Die ÖVP unterstreicht weiters, dass wir in der Lage sein müssen, unsere Souveränität auch in der Luft zu wahren, und kritisiert: „Trotz dieser klaren Vorgaben unserer Bundesverfassung wurde das Thema Luftraumüberwachung im Zuge des Nationalratswahlkampfes 2006 von der SPÖ als Wahlkampfthema auserkoren und mit populistischen, völlig sachfremden Vergleichen versucht, die österreichische Luftraumüberwachung in ein schlechtes Licht zu rücken. Nach Auffassung der ÖVP-Fraktion im Untersuchungsausschuss eignet sich ein derartiges Thema nicht zum Wechseln politischen Kleingelds, sondern es sollte diesbezüglich vielmehr die staatspolitische Verantwortung im Vordergrund stehen. Die in der Folge von Mag. Darabos geführten Vergleichsverhandlungen zum Eurofighter-Vertrag haben eindrücklich gezeigt, wohin solcher Populismus führen kann.“ Ausdrücklich wird betont, dass die ÖVP die SPÖ bei den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl nicht unter Druck setzte und die Regierung nicht vom Festhalten an den Eurofightern, die da noch nicht geliefert waren, abhängig machte. Vielleicht auch als Geste guten Willens übergab Schüssel seinem Widerpart Alfred Gusenbauer im Oktober nach der Wahl den der Opposition bislang nicht bekannten Kaufvertrag.

Im Ausschussbericht schreibt die ÖVP auch: „Bereits vor seiner Angelobung als Bundeskanzler trafen sich Ende 2006 Dr. Gusenbauer und sein Rechtsanwalt Dr. Leopold Specht mit dem Zivilrechtsprofessor o. Univ.-Prof. i.R. Dr. Dr. h.c. Helmuth Koziol. Es ging dabei um die Erstellung eines Gutachtens im Zusammenhang mit dem Beschaffungsvorgang des Eurofighters. Nach der Aussage von Univ.-Prof. Dr. Koziol gab es noch zwei oder drei weitere Treffen dieser Art.“ Specht ist mittlerweile auch Gusenbauers Geschäftspartner und der Anwalt eines anderen Geschäftspartners, von Tal Silberstein, der die SPÖ in ihrem „Sozialfighter statt Eurofighter“-Wahlkampf beraten hatte (und in jenem gegen Abfangjäger 2002). Ende 2006 markiert auch jenen Punkt, als Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, als Abgeordneter u.a. Mitglied des Landesverteidigungsausschusses, davon informiert wurde, dass er in der neuen Regierung als Verteidigungsminister vorgesehen war. Als er dies mit politischen Freunden im Burgenland besprach, rieten sie ihm ab, doch er meinte, er habe es „ihnen versprochen“, was für Gusenbauer und andere stehen wird. Weil Darabos 1988 noch zur Zeit der Gewissensprüfung Zivildienst leistete, also tatsächlich Wehrdienstverweigerer war, schien glaubhaft, ihm den Milizunteroffizier Stefan Kammerhofer aus dem SPÖ-Parlamentsklub (einen gelernten Lokführer) als Kabinettschef zur Seite zu stellen.

Eurofighter und F-35

Die ÖVP hält fest: „Am 19. Jänner 2007, also bereits acht Tage nach der Angelobung von Mag. Darabos, gab es das erste Treffen von Mag. Darabos und seinem Kabinettschef Stefan Kammerhofer mit dem Geschäftsführer von EADS, Aloysius Rauen, und dem CEO des Geschäftsbereiches Military Air System/Military Aircraft von EADS, Johann Heitzmann. Mit Ministerweisung 204/2007 setzte Mag. Darabos am 26. Jänner 2007 die Task Force ‚Luftraumüberwachungsflugzeug‘ (TF LRÜF) ein. Zum Leiter der Task Force ernannte er Kammerhofer, zum Leiter des Task Force Managements Brigadier DI Erwin Jeloschek.“ Im 1. Eurofighter-Ausschuss 2007 förderte Maria Fekter von der ÖVP zutage, dass Kammerhofer nicht vom Heeresabwehramt sicherheitsüberprüft wurde und man auch keinerlei Verdachtsmomenten nachging – etwa, weil Kammerhofer Darabos u.a. von höheren Offizieren abschottete. Fekter sprach auch sehr zum Mißfallen des Ausschussvorsitzenden Peter Pilz an, dass Kammerhofer Darabos bei dessen 1. Befragung am 7. Mai 2007, wo er ihn als „Vertrauensperson“ begleitete, jede Antwort vorsagte. Dem Ausschussprotokoll können wir auch entnehmen, dass Darabos im Mai 2007 den Sitzungssaal zweimal betrat und wieder verlassen hat und Kammerhofer ihm stets auf den Fuß folgte.

Im Fraktionsbericht von 2017 wird an den Auftrag der „TF LRÜF“ erinnert, eine „gesamtheitliche Projektkontrolle durchzuführen“ und „unter Sicherstellung der Aufrechterhaltung einer lückenlosen aktiven und passiven Luftraumüberwachung“ auch  „Ausstiegsvarianten aus dem Kaufvertrag und/oder signifikante Einsparungspotentiale zu prüfen.“ Dabei ergaben die Befragungen von Darabos am 1. Juni und Gusenbauer am 20. Juni 2017 große Diskrepanzen, weil Darabos den Kanzler über jeden Verhandlungsstand informiert haben wollte und Gusenbauer alles auf Darabos‘ „Ministerverantwortung“ schob. Man kann es den 2006 mit einem Silberstein-Wahlkampf geschlagenen Schwarzen nicht verdenken, dass sie genüßlich Darabos‘ Worte beim Amtsantritt als Minister am 11.Jänner 2007 zitieren: „Unser oberstes Ziel ist der Ausstieg aus dem Vertrag.“ Dies ist, wie wir wissen, nur dann möglich, wenn Korruption nachgewiesen werden kann. Welche Prioritäten gesetzt wurden, wird durch das Beziehen des nicht verhandlungserfahrenen und nicht heeresaffinen Zivilrechtlers Koziol deutlich. Die ÖVP schreibt: „Zur Analyse des bereits in den Regierungsverhandlungen übergebenen Vertrages bestellte Mag. Darabos auf Empfehlung von Dr. Gusenbauer Univ.-Prof. Dr. Koziol als externen Gutachter für das BMLV. Der Rechnungshof kritisierte hierbei, dass die Bestellung des Gutachters erst im Juni 2007 erfolgte, obwohl seine Beauftragung bereits im April 2007 vonstatten ging.“

Bundesheer-Eurofighter bei Übung

Wir wissen inzwischen, dass Koziol am 24. Mai 2007 im damaligen SPÖ-Gartenhotel Altmannsdorf einen handschriftlichen Vergleichsentwurf verfasste, der neben ihm von Darabos, von Aloysius Rauen für Eurofighter und von dessen Rechtsbeistand Meinhard Lukas (heute Rektor der JKU Linz) unterzeichnet wurde. Die ÖVP kritisiert das sukzessive  Ausschalten der Finanzprokuratur aus den Verhandlungen: „Diesbezüglich belegen zahlreiche Dokumente, dass die FinProk als Anwalt der Republik ab 27. März 2007 aktiv eine Verhandlungsstrategie forcierte und vehement einforderte. Die Grundlagen einer Verhandlungsstrategie beschrieb Dr. Peschorn gegenüber Mag. Darabos in seinem Schreiben vom 25. Mai 2007. Zudem sollte nach Auffassung des Präsidenten der FinProk, Dr. Wolfgang Peschorn, eine Beauftragung einer externen Expertise erst erfolgen, nachdem eine grundsätzliche Strategie ausgearbeitet worden war.“ Da war Peschorn aber bereits aus dem Verhandlungsprozess ausgeschlossen, ohne davon in Kenntnis gesetzt zu sein; er ging auch im Juni noch davon aus, dass er an Bord sei und wurde schließlich von Kammerhofer mündlich am Telefon ausgeladen. Kammerhofer schien den Auftrag gehabt zu haben, sich mit Peschorn ein wenig anzufreunden, da im 2. U-Ausschuss gemeinsame Essen zur Sprache kamen; so nahm dieser es nicht persönlich und akzeptierte es.

Die ÖVP bemerkt dazu trocken: „Erst im Juni wurde Dr. Peschorn beiläufig mitgeteilt, dass er nicht mehr Verhandlungsführer war und es offensichtlich bereits Parallelverhandlungen gab. Wie von Mag. Caesar-Stifter (Rechnungshof) im Ausschuss bestätigt, fand eine ausführliche Dokumentation jener Verhandlungen, an denen Dr. Peschorn nicht beteiligt war, nicht statt.“ Was jedoch Pilz siehe unten auf Twitter postete, diente der Desinformation, da wir ihn u.a. bei seinen Worten in seinem früheren politischen Tagebuch nehmen müssen. Bei seinen Tiraden gegen Alfons Mensdorff-Pouilly schrieb er etwa am 20. September 2011: „Nur Lockheed hatte mit F-16 alle MUSS-Forderungen erfüllt.“ Kann die Skandalisierung des Eurofighter-Kaufs, mit der sich Österreich als Kunde eines europäischen Produktes erwies, etwas damit zu tun haben und wirft dies ein anderes Licht auch auf die Gusenbauer-SPÖ und Rudi Fussi, der später wie Silberstein Christian Kern beraten sollte? Und es zeichnet auch ein anderes Bild vom sogenannten Darabos-Vergleich, der dem Ex-Minister jetzt im Zuge einer Anklage wegen Untreue zum Verhängnis werden soll. Die ÖVP schreibt: „Der externe Gutachter Univ.-Prof. Dr. Koziol warnte, mit Verweis auf das hohe Prozessrisiko, in seinem Gutachten vor einem Vertragsausstieg. Das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Koziol bildete laut Aussage von Mag. Darabos auch die Grundlage für die Strategie. Eine dementsprechende schriftliche Unterlage war jedoch für den Ausschuss nicht auffindbar.“

Pilz auf Twitter

Fehlende Verschriftlichung ist auch typisch für das Kammerhofer-Regime, da der Kabinettschef nur echte Ministerweisungen eins zu eins weitergeben durfte und sonst nichts, wie später die Entacher-Berufungskommission festhielt. Kammerhofer behalf sich mit Aktenvermerken, nachdem er Leute telefonisch / mündlich bedroht und eingeschüchtert hatte oder sie das Pech hatten, ihm gegenüber zu stehen, beispielsweise, wenn sie mit dem Minister reden sollten. Nur wenige wehrten sich gegen ihn, darunter bezeichnenderweise auch rote Offiziere wie Edmund Entacher, Freyo Apfalter oder Andreas Scherer. Das typische Muster war, dass Darabos (Weisungsrecht im Ressort, Artikel 20 Absatz 1 der Bundesverfassung, Befehls- und Verfügungsgewalt über das Heer nach Artikel 80 Absatz 2 und 3) etwas wollte und Kammerhofer dies konterkarierte. So erlebte ich es auch, denn als der Minister mich kennenlernen wollte, weil ich ihn verteidigte, als er den Raketenschild (Aegis-System von Lockheed) ablehnte, kam es zu Drohungen und Verleumdungen u.a. durch Kammerhofer und mit dem Minister zu reden war nie möglich. Warum sich Darabos nie zur Wehr setzte und zuließ, dass in seinem Ressortbereich und in seinem Namen anderen (und Österreich) Schaden zugefügt wurde, bleibt Spekulation.

Zum Teil kann ich seine Lage nachvollziehen, würde mich aber niemals egal welchem Gegner so unterwerfen, wie er es getan hat und immer noch tut. Was ich wirklich nachempfinden kann, ist sein mutmaßlicher Erkenntnisprozess, weil er mich daran erinnert, wie ich u.a. die Rolle von Peter Pilz in den Grünen nach und nach erkannte. Ich nehme an, dass er als intelligenter Mensch, der Situationen blitzschnell erfasst, bald merkte, dass etwas hinter den Kulissen abläuft und es neben natürlichen Ereignissen auch Inszeniertes gibt. Er sollte in so einem Szenario den Minister spielen (aber nicht wirklich amtieren), der seine Talente dafür einsetzt, die statt der F-16 beschafften europäischen Flugzeuge wieder loszuwerden oder doch zumindest zu „kastrieren“, sodass einer der besten Kampfjets der Welt zum Gespött wird. Als Vorerfahrung mag da eine Rolle spielen, dass Darabos 2006 formal der Wahlkampfmanager war, aber von Silberstein, der dem Mossad zugerechnet wird, an die Wand gedrängt wurde. Dankenswerter Weise bot der verunglückte SPÖ-Wahlkampf 2017 samt Berichterstattung einige Einblicke darin, wie Silberstein vorgeht, was seinen Geheimdienstbackground nur bestätigt.

SPÖ-Wahlkampf 2002

Dank der österreichischen Silberstein-Affäre ist sein Wikipedia-Eintrag mittlerweile viel umfassender als vor einigen Monaten, sodass wir u.a. zu seiner Firma finden: „Auf frühen Versionen der Homepage von GCS Issue Management Ltd. wird Silberstein als vom israelischen Präsidenten ausgezeichnetes Mitglied der Special Forces genannt.“ Und wir lesen auch: „Die Gründung eines GCS-Büros in Wien durch Stan GreenbergJames Carville und Bob Shrums mit Silberstein als Leiter wurde auf Grund der Niederlage der SPÖ bei der Nationalratswahl in Österreich 2002 nicht weiter verfolgt.“ Man bedenke auch, dass die israelische Luftwaffe der größte Nutzer von F-16 außerhalb der USA ist, außerdem F-35 und andere amerikanische Produkte verwendet. Nach dem erfolgreichen Silberstein-Wahlkampf 2006, den die ÖVP als extrem untergriffig empfand, konnte sich Alfred Gusenbauer schon fast als Kanzler sehen. Hier könnten Beziehungen zu den US-Demokraten ins Gewicht fallen, die bei der Eurofighter-Entscheidung 2002 zwar nicht regierten, deren ehemaliger Stabschef im Weißen Haus John Podesta da aber wieder mehr Lobbying machte. Gemeinsam mit seinem Bruder Tony gründete er die Podesta Group, ursprünglich um Lobbying für Lockheed zu betreiben; beide Podestas sind jetzt ins Visier von Ermittlungen des US-Justizministeriums geraten, die Lobbying für die Ukraine betreffen. Im Ermittlungsakt gegen einen anderen Lobbyisten, Paul Manafort, wird auch auf Alfred Gusenbauer hingewiesen, der sich 2007 sehr um einen Besuch Bill Clintons bei einer AIDS-Gala in Wien bemühte.

Am 24. Mai 2007 konnte er Clinton gemeinsam mit Bundespräsident Heinz Fischer begrüßen, hatte aber keine Ahnung, was nicht so weit weg von Schönbrunn im Gartenhotel Altmannsdorf vor sich ging. Bei der ursprünglich bestellten Tranche 2 der Eurofighter gab es Lieferschwierigkeiten, sodass Österreich laut Peschorn damals aus dem Vertrag hätte aussteigen können; auf jeden Fall wäre Preisreduktion bei vollem Lieferumfang möglich gewesen. Beim Vergleich wurde kein Rechtsanwalt beigezogen, was u.a. dazu führte, dass nicht Eurofighter, sondern Österreich die Gebührenschuld trug. Es wurde (bewusst?) so dilettantisch vorgangen, dass bezüglich der älteren Tranche 1 (was zu Ersatzteilproblemen führte) von „fast neuwertig“ für einige der Jets die Rede war, ohne diesen Begriff zu definieren. Im ÖVP-Bericht lesen wir: „Wie von der FinProk gefordert, hätte eine sorgfältige Vorbereitung auf die Verhandlungen einen solchen ‚Schnellschuss‘ verhindert. Die entscheidenden Vergleichsverhandlungen fanden in Paris statt. Auf österreichischer Seite wurden sie lediglich von Mag. Darabos als Verhandlungsführer und Univ.-Prof. Dr. Koziol als rechtlichem Berater geführt. DI Jeloschek, welcher für die militärische Expertise im Backoffice zuständig war, war zwar ebenfalls vor Ort, verhandelte jedoch nicht.“ Seltsam auch diese Details: „Laut Mag. Darabos bestand für die Verhandlungen kein Zeitdruck. Auch laut Dr. Peschorn bestand zumindest auf österreichischer Seite keine Eile, da das Risiko des Lieferverzugs auf Seite der Eurofighter GmbH lag.  Auffällig erscheint jedoch die Tatsache, dass man offensichtlich überhastet den Flug nach Paris für Mag. Darabos über die Kreditkarte von DI Jeloschek buchte.“

SPÖ-Wahlkampf 2006

Es entsteht der Eindruck, dass mangels Ausstiegsoption auf absichtliche Einschränkung der Eurofighter-Nutzung abgezielt wurde: „MinR Hofer, Leiter der Projektgruppe-Eurofighter, und Mag. Edwin Wall, Leiter der kaufmännischen Abteilung, wurden vom Untersuchungsausschuss dazu befragt, wer die kaufmännische Analyse/Expertise lieferte. MinR Hofer gab vor dem Untersuchungsausschuss an, in keiner Form in die Vertragsverhandlungen eingebunden worden zu sein, obwohl die Vertragsabwicklung in seine Zuständigkeit fiel. Auch die von seiner Seite realisierbaren betriebswirtschaftlichen Berechnungen wurden nicht eingefordert. Zudem übte MinR Hofer während seiner Befragung starke Kritik am Vergleich. Auf die Frage nach den vermeintlichen Einsparungen durch den Vergleich antwortete er, dass der angebliche ‚Bonus‘ bis 2040 durch die Mehrkosten verbraucht sein würde. Wörtlich sagte er auch: ‚Wir haben noch immer alte Flugzeuge mit einer schlechten Ausrüstung, wahrscheinlich ab 2040 wieder die Nachfolge der Eurofighter zu organisieren – wenn es eine höhere Tranche wäre, sind die bis 2050/2060 geplant.'“ Hofer und andere wollten mit dem Minister reden, scheiterten jedoch an Kammerhofer und kamen zum (falschen?) Schluss, dass Darabos kein Interesse an ihrer Expertise hatte.

Wall, dem Pilz im 1. U-Ausschuss ziemlich mit Unterstellungen zusetzte, trat auch im 2. Ausschuss auf: „Auch der Eurofighter-Experte Mag. Wall, der schon in die Vertragsverhandlungen des Beschaffungsvorganges maßgeblich eingebunden war und zur Zeit der Vergleichsverhandlungen als Leiter der kaufmännischen Abteilung fungierte, war in keiner Weise in die Vergleichsverhandlungen eingebunden. Dieser bezeichnete es wörtlich als ‚Rätsel‘, warum man auf seine Expertise verzichtete. Dies sei in seiner vierzigjährigen Tätigkeit im BMLV auch nur dieses einzige Mal vorgekommen.“ Natürlich fühlte sich auch Peschorn nicht eingebunden, „außer Sie verstehen unter ‚einbinden‘, dass man punktuell und sehr ausgewählt von Dingen nachträglich informiert wird, und man sich sozusagen dann ein Plazet, also eine Zustimmung zu etwas, abholt“.  Koziol hatte dafür eine interessante Begründung: Peschorn war „lediglich in die Korruptionsfrage, aber nicht in den Gesamtvertrag eingearbeitet“; dieser meint dazu: „Das ist eine Mitteilung, die für mich vollkommen unerklärlich ist.“  Laut ÖVP verweigerte Darabos die Einbindung von Finanzminister Wilhelm Molterer, der brieflich beim Regierungskollegen eine Beteiligung seines Ministeriums einforderte.

„Die vollständigen Unterlagen wurden jedoch erst lange nach Vergleichsabschluss am 18. September 2007 an das BMF übergeben, danach wurde von Beamten des Hauses umgehend mit der Analyse begonnen. Mag. Molterer bestätigte, dass er unter diesen Voraussetzungen keine Zustimmung gegeben hätte, somit wäre dieser Vergleich bei rechtmäßigem Handeln von Mag. Darabos nicht zustande gekommen“, beschreibt es die ÖVP. 2013 stellte der Rechnungshof fest: „Die Flugzeuge waren zwar laut BMLVS logistisch baugleich, jedoch wurde die angemessene Versorgung mit Ersatz- und Umlaufteilen in der Vertragsanpassung nicht eindeutig definiert. Zudem fehlte eine Klausel, wie allfällige Mehrkosten für das BMLVS aufgrund von Versorgungsschwierigkeiten betragsmäßig beschränkt oder überhaupt ausgeschlossen werden.“ Dazu bemerkt die ÖVP: „Kurz zusammengefasst: Im Vertrag wurde keine Vorsorge dafür getroffen, rechtzeitig ausreichend Ersatzteile bereitzustellen. Die Mehrkosten wegen fehlender Verfügbarkeit trägt mangels Regelung die Republik.“ Es sei erwähnt, dass der von Pilz manipulierte Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil allen Ernstes meint, Eurofighter habe Österreich betrogen, sodass man mit einer Anzeige durchkommt und die Jets zurückgeben kann.

Beim Vergleichsentwurf vom 24. Mai 2007 wurde auf DASS verzichtet, Defence Aids Sub System und beim Vergleich vom 24. Juni dann auch auf FLIR, Forward Looking Infra Red, beides komplexe Systeme, um den Eurofighter rund um die Uhr bei jedem Wetter einsetzen zu können. Dazu die ÖVP: „Im Hinblick auf die Einsatztauglichkeit (Einsatz in der Nacht sowie bei schlechter Sicht) spricht der Vorschlag der Sonderkommission ‚Aktive Luftraumüberwachung‘ im BMLVS vom Juni 2017 Bände. Er hält nämlich fest, dass gerade jene Ausstattung, die Mag. Darabos durch den Vergleich ‚abbestellte‘, nun im Rahmen der Nachbeschaffung (von Flugzeugen oder Einsatzausrüstung) teuer (nach)gekauft werden müsse.70 Konkret handelt es sich dabei um die Fähigkeiten zum Selbstschutz, kurz DASS, und jene zur Identifizierung von Flugzeugen bei Schlechtwetter und bei Nacht, kurz FLIR.“ Man muss ja berücksichtigen, dass Kampfjets nachts nicht bloß fliegen, sondern ggf. feindliche Flugzeuge stellen und sich selbst vor diesen schützen müssen. Absurd scheint Darabos‘ Erklärung, dass so Geld gespart wurde, weil DASS und FLIR keine so großen Posten waren. Und Kammerhofer schien sowieso gar nichts zu checken: „Auch bleibt schleierhaft, wie der ehemalige Kabinettschef von Mag. Darabos – immerhin Leiter der Task Force – zur Ansicht gelangte, dass die Flugzeuge in der Nacht oder auch bei Schlechtwetter einsatztauglich waren.  Denn MinR Hofer, Experte für wirtschaftliche Fragen im Bereich des Eurofighters, sagte aus, dass der Eurofighter aufgrund der abbestellten Systeme eben nicht in der Nacht einsatzfähig war. Wie Kammerhofer zu seinem anfangs genannten Schluss kam, ist nicht nachvollziehbar.“

Eurofighter-Doku

Wie Sabotage mutet schließlich an, auf eine auslaufende Serie umzusteigen: „Schon bei Abschluss des Vergleichs musste im BMLV bekannt gewesen sein, dass gerade bei Flugzeugen der Tranche 1 mit massiven Problemen beim Nachschub mit Ersatzteilen aufgrund von Obsoleszenzen zu rechnen war. Der Grund dafür war, dass Österreich die letzten produzierten Flugzeuge der Tranche 1 erhielt und mit der Einstellung der Produktion der Flugzeuge auch keine Ersatzteile mehr für diese hergestellt wurden. Dies führte einerseits zu der vom Rechnungshof kritisierten Steigerung der Kosten bei der Ersatzteilbewirtschaftung sowie andererseits zur generellen Verschlechterung der Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Zeitweise waren 30 % der Flugzeuge nicht einsatzbereit. Um die verbleibende Flotte in der Luft halten zu können, mussten Flugzeuge sogar „kannibalisiert“ werden, also weitere Teile aus flugunfähigen Eurofightern als Ersatzteile ausgebaut werden. Dieser Umstand hätte dem Minister bzw seinem Berater Univ.-Prof. Dr. Koziol bekannt sein müssen, denn Dr. Peschorn setzte noch im Mai 2007 einen Brief an EADS auf, in dem er die Ersatzteil- und Obsoleszenzproblematik klar ansprach. Dieser Brief wurde am 10. Mai 2007 auch an DI Jeloschek und Kammerhofer übermittelt.“ Man kann davon ausgehen, dass die Tranche 1 in anderen Ländern bis 2028 in Verwendung stehen wird, die Tranche 2 jedoch bis 2060. Dies war Koziol im U-Ausschuss neu, wie er auch einräumte, dass es schon sinnvoll gewesen wäre, „einen externen Sachverständigen zur Beurteilung der Unterschiede der Flugzeuge Tranche 1 und Tranche 2 zu berufen“. Und BMLV-hauseigene Experten durften ja, wie wir wissen, nicht mal mit dem von Kammerhofer abgeschotteten Minister reden.

Erst als alles gelaufen war, kamen andere wieder ins Spiel: „Nach Abschluss der Vergleichspunktation inklusive der Nebenpunkte am 24. Juni 2007 in Paris waren in die Ausarbeitung der Detailvereinbarung auf Seiten der Republik Österreich Univ.-Prof. Dr. Koziol, DI Jeloschek, Mag. Wall und Dr. Peschorn eingebunden. Der handschriftliche Vergleich von Univ.-Prof. Dr. Koziol aus dem Gartenhotel Altmannsdorf vom 24. Mai 2007 war den übrigen genannten Vertretern dabei völlig unbekannt. Auch über den Inhalt der rechtsgültigen Vergleichspunktation von Paris wurden die Vertreter der Republik nicht umfassend informiert. Dr. Peschorn bemängelte bereits vor Beginn der Gespräche zur Detailvereinbarung den Informationsfluss über den Verhandlungsstand und brachte seine Sorge in einem Brief vom 25. Juni 2007 an DI Jeloschek zum Ausdruck: ‚Abermals war der von der Republik Österreich beauftragte Univ.-Prof. Dr. Koziol nicht bereit, zum Inhalt des angeblichen Vergleichs und der damit wechselseitig bereits abgetauschten Rechtspositionen Auskunft zu geben.‘ Dr. Peschorn richtet in diesem Schreiben die Bitte an das BMLV, den Mitgliedern des Verhandlungsteams den Vergleichsinhalt offenzulegen.“ Edwin Wall erlangte erst nach ca. einem Jahr umfassende Kenntnis vom Vergleich, da man nach dem Need-to-know-Prinzip vorgegangen sei, sodass er manche Details den Medien entnahm.

Kronen Zeitung im Mai 2018

Interessant ist, was der damalige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein im 2. U-Ausschuss sagte: „Saab Gripen konnte darauf verweisen, dass sie zu etlichen österreichischen Unternehmungen, auch zum Verteidigungsressort und der Generalität gute Beziehungen hatten, aber die Gegengeschäfte, die Eurofighter angeboten hatte, wurden als deutlich zielgerichteter bewertet. Man darf nicht vergessen, Eurofighter ist Airbus, und Airbus Industrie ist angeblich eine der beiden großen Luftfahrt-Companies der Welt – entweder Airbus oder Boeing.“  Zu ergänzen ist, dass Deutschland mit dem Auslaufen der Nutzung der Tornados die Eurofighter im Rahmen der nuklearen Teilhabe einsetzen will, was die USA jedoch verweigern werden: Demnächst müssen die veralteten Tornados außer Betrieb genommen werden, bei konventionellen Einsätzen wurden sie bereits teilweise von Eurofightern ersetzt. Der Eurofighter – der von Airbus, BAE und Leonardo gebaut wurde – ist jedoch nicht von den USA für nukleare Einsätze ‚zertifiziert‘, im Gegensatz zu den US-Kampfjets F35, F-15E und F/A-18E/F von Lockheed Martin bzw. Boeing. Das deutsche Verteidigungsministerium muss entscheiden, welche Flugzeuge die nukleare Aufgabe übernehmen sollen – oder die Atomwaffen abziehen lassen.“ Die nukleare Teilhabe betrifft neben Deutschland Italien, die Türkei, Belgien und die Niederlande und ist im Grunde ein Graubereich des Atomwaffensperrvertrags. Die erwähnten F-35 werden von Lockheed hergestellt, die F-15E und die F/A-18E/F von Boeing / Mac Donnel Douglas. Der Eurofighter ist anders als die F-35 kein Tarnkappenflugzeug, hat jedoch gewisse Stealth-Eigenschaften.

Diese Fragen machen aber deutlich, in welcher internationalen Preisklasse wir unterwegs sind und mit welch harten Bandagen zu rechnen ist, da zahlreiche Staaten sich dann doch lieber für F-16 oder F-35 entschieden haben, nachdem Eurofighter in der Ausschreibung dabei waren (Dänemark, Japan, die Niederlande, Norwegen, Südkorea). Seitdem die Lockheed P2V Neptune im Rahmen des Project Wild Cherry in den 1950er Jahren als Spionageflugzeuge genutzt wurden, bestehen Verbindungen zur CIA; bei Lockheed-Lobbyist John Podesta sind sie seit den 1980er Jahren nachweisbar. Wegen der Verpflichtung zum Einsatz von US-Atomwaffen im Kriegsfall mussten einige Länder früher die auch Starfighter genannten F-104 von Lockheed verwenden, die jedoch so oft abstürzten, dass sie „Witwenmacher“ genannt wurden. Daraufhin wurde als eine Art Vorläufer des Eurofighter Typhoon der Tornado entwickelt, dessen Hersteller jetzt zum Teil in Besitz von Airbus ist. Der 2002 ermordete holländische Rechtspopulist war übrigens entschiedener Gegner der Beteiligung seines Landes an der teuren Entwicklung der F-35, da der Schwerpunkt des Verteidigungsbudgets auf die Marine gelegt werden solle. Der letzte unvollendete Film des ebenfalls ermordeten Theo Van Gogh befasste sich damit. In Österreich ist Ex-Minister Darabos dem gängigen Narrativ zufolge verantwortlich für einen fahrlässigen Deal, und man kann auch wie Pilz spotten, dass Darabos dies angeschafft wurde, weil er ohnehin nie die Wahrheit sagen wird. Dass Pilz andeutet, selbst Verbindungen zu gewissen Hintermännern zu haben, hat die Staatsanwaltschaft bislang jedenfalls noch nicht interessiert.

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