Kann Schwarzblau noch scheitern?

Von außen gelten die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ als zäh, schliesslich sind seit der Wahl ja auch schon fünf Wochen vergangen. Tatsächlich sandte das „Team Kurz“ bislang nur eine knapp formulierte Einigung im Bereich Sicherheit aus wo die Parteien ohnehin nahe beieinander liegen. Das klingt dann etwa so: „Unser Verhandlungsteam arbeitet auf Hochtouren und gerade im Bereich der Sicherheit sind wir auf einem sehr guten Weg. Was das Sicherheitspaket betrifft, sind wir schon in fast allen Punkten einig, sprechen aber noch über einige technische Lösungen.“ Erste Namen werden kolportiert, was ansonsten meist auf die Schlussphase hindeutet, hier aber z.B. die parteifreie Diplomatin und Journalistin Karin Kneissl, die sich die FPÖ als Außenministerin vorstellen kann. Irritationen gab es, weil Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor Diplomaten laut darüber nachdachte, wen er auf keinen Fall in einer Regierung akzeptieren würde, nämlich die Blauen Johann Gudenus und Harald Vilimsky. Es mag seltsam wirken, zumal er auch vor seiner Wahl mal dies, mal das über die FPÖ sagte, doch es erinnert auch – in unbeholfener Weise – an Bundespräsident Thomas Klestil, der 2000 ebenfalls zwei Personen ablehnte, damit aber seinen Spielraum bereits ausschöpfte.

Heißt das, viel mehr wird von ihm nicht kommen? In der Medienszene wird als weitere Hoffnung gewälzt, dass es ja vielleicht doch zu einer Minderheitsregierung kommt. Auch in Deutschland, wo um zwei Wochen länger sondiert wird, wirft man diese Möglichkeit in die Diskussion. Bei uns wäre dies nach dem Geschmack von Noch-Bundeskanzler Christian Kern, der ohnehin wie ein Ausgesperrter wirkt, der rufend am Zaun auf – und abspringt. Mal warnt er, wie die EU auf die FPÖ in der Regierung reagieren wird, mal befürchtet er ein ÖVP-Machtkartell. Immerhin macht Kerns gescheiterter Wahlkampf noch einmal Schlagzeilen, da er jetzt in einem Buch beschrieben wird. Zwar hat er vor, zum kämpferischen Oppositionschef zu werden, doch er hat nur eine ihrer Substanz beraubte Partei im Rücken. Schwarzblau wird nicht in der Weise wie 2000 zu einem Mobilisierungsfaktor werden, was damals auch die SPÖ mitgerissen hat. Heute geben mehr Menschen denn je der kommenden Koalition in zentralen Punkten recht, die in der Regel um die Themen Asyl, Zuwanderung und Sicherheit kreisen.

ÖVP-Wahlwerbung

Was medial als „Härte“ verkauft wird, ist oft nur die Unterscheidung zwischen Einheimischen und Flüchtlingen (die dies selten gemäß Genfer Flüchtlingskonvention sind). Denn während hier Lebende sich finanziell vollkommen entblößen müssen, um Mindestsicherung zu beziehen (und vorher auch fast alles zu Geld machen  müssen), brauchen „Flüchtlinge“ ihre Verhältnisse nicht offenzulegen. Tatsächlich muss man Hype schüren, um den verlogenen gesellschaftlichen „Konsens“ zu durchbrechen, der da heißt: du mußt alles allein schaffen, sei zu stolz, um dich an andere zu wenden und im Übrigen ist alles dein individuelles Versagen, denk daran auch bei anderen. So wurde der Analphabet, der angeblich aus Afghanistan stammt, unendlich wertvoller als die Frau in Not, der Mann im Pech, die junge Alleinerzieherin. Er ist ja auch Handelsware geworden für die Sozialindustrie, für Corporate Social Responsibilty und für alle, denen ihre Mitmenschen egal sind. Menschen mit Ansprüchen an die Gesellschaft, in der sie leben werden ersetzt durch Fremde, denen diese Gesellschaft nichts schuldet, was die einen fanatisch verteidigen und andere empört ablehnen.  Beiden ist gemeinsam, dass sie Wesentliches und Wesentliche übersehen (und wenn sie sich in Lichtermeeren sonnen).

Die beobachteten Mechanismen gibt es überall in Industriestaaten, wie ein berühmtes Beispiel zeigt:  Vor ein paar Jahren wurde der ehemalige Obdachlose James Bowen weltbekannt, als ihn sein Kater Bob zu Auftritten als Strassenmusiker begleitete. Vorher war er unsichtbar, doch Bob zog alle Blicke auf sich und veränderte damit, wie die Leute James sahen und er sie. Dabei lief Bob James zu, als er selbst halbverhungert und verletzt war und James in einer kleinen Sozialwohnung von Drogen wegkam. Interesse an ihm galt wenn, dann seiner Geschichte, wie er auf der Strasse gelandet war; die Leute wollten es hören, um sich selbst besser zu fühlen. Bowen wuchs in Australien auf und ging mit 18 nach London; sein Stiefvater ist inzwischen wegen sexuellem Missbrauch einer Achtjährigen angeklagt. Die professionell gemachte Strassenzeitung The Big Issue machte sich zwar verdient um die Akzeptanz von Obdachlosen, doch erst Bowen mit Bob als ChiVerkäufer bewirkte mehr als das. Inzwischen gab es zahlreiche Bob-Titel und –Aktionen, und im angeblich sozialen rotgrünen Wien leben einige Männer und Frauen auf der Strasse, weil sie mit Hund kein Quartier bekommen. Wenn Wien jetzt – wie es auch 2000 bis 2006 gedacht war – ein rot-grünes Gegengewicht zum Bund sein soll, müssen zahlreiche soziale Baustellen endlich angegangen werden.

PS: In Deutschland sind die Koalitionsverhandlungen mittlerweile gescheitert.

PPS: Wie hier beschrieben werde ich seit Jahren wegen kritischer Berichte attackiert; nun suchen die Kater Baghira und Gandalf und ich ein neues Quartier, bevorzugt in Wien oder Wien-Umgbung. Wer etwas für mich hat oder weiss hilft mir damit sehr. Auf den Wunsch vieler treuer Leserinnen und Leser hin ist finanzielle Unterstützung jederzeit willkommen: Alexandra Bader, Erste Bank BLZ 20111, BIC GIBAATWWXXX, IBAN AT592011100032875894. Ihr erreicht mich unter 06508623555, alexandra(at)ceiberweiber.at und ich bin auf Facebook und Twitter (cw_alexandra)

 

15 Kommentare zu „Kann Schwarzblau noch scheitern?

  1. Also dass Österreicher ihr Vermögen genau offenlegen müssen, um Mindestsicherung zu erhalten und Asylanten dies nicht tun müssen, ist schon ungerecht. Das wusste ich gar nicht.
    Also werden diejenigen bestraft, die in das Sozialsystem eingezahlt haben, während Fremde bevorzugt werden. Das ist ungerecht, könnte sich aber unter der neuen Regierung ändern?

    Überhaupt dürften es freie Journalisten schwer haben, noch dazu ohne feste politische Zugehörigkeit, Frau Bader, ist es nicht so? Ich meine, Journalisten, die etwas aufdecken hatten es noch nie leicht. Wenn sie fixen Redaktionen angehören, müssen sie schreiben was der CR gutheißt und der Linie des Mediums entspricht und sind sie freiberuflich tätig, fehlt ihnen ein fixes Einkommen. Ein undankbarer Beruf, wenn man stets die Wahrheit publizieren will, überhaupt in der heutigen Zeit.

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    1. Wo kann man das Buch „Die Ausfahrt“ von Markus Huber denn beziehen? Die Beschreibungen einiger Artikel darüber haben mich interessiert gemacht, aber Google kennt das Buch scheinbar nicht…

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    2. Ich halte auch die neue Regierung nicht für besonders sozial. Und was das schreiben der Wahrheit betrifft so werde ich dafür mit allen Mitteln verfolgt. Existenzverlust (und niemand schützt einen) geht auch einher mit Wohnungsverlust und damit Heimatlosigkeit, Verlust jeder Sicherheit, Armut und Not.

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  2. Ja. Wieder ein hervorragender Artikel. Vor allem die Schilderungen über die Voraussetzungen zum Erhalt einer Mindestsicherung bei österreich. Staatsbürgern und Asylsuchenden.
    So ist es leider.

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    1. Sie scheinen Ihre ganze Hoffnung in eine Schwarz-Blaue Koalition gesteckt zu haben. Gut und Schön. Berechtigt ist Ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft allerdings nur, wenn Sie jetzt schon von sich behaupten dürfen, dass Sie finanziell weitgehend unabhängig Ihr Leben gestalten können, Sie also zur, von ÖVP und FPÖ angepeilten Mittelschicht gezählt werden dürfen.

      Bei sozial eh schon Benachteiligten* wird sich unter Umständen aufgrund von Kürzungen, Einsparungen und neue ersonnenen Knebelgesetzen die Situation in mehrerlei Hinsicht eher verschlechtern.

      *Das die Verlierer zuvordest gebürtige Oesterreicher sein werden, ist, wenn man sich die Diskussion zur Mindestsicherung vor Augen führt , nicht mehr so ohne Weiteres von der Hand zu weisen.

      MfG

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  3. Ich hätte mir auch ganz andere Leute in der Regierung gewünscht. Aber was sind die Alternativen?
    Nochmals wählen?
    AllEs andere geht sich nicht aus und sie können auch nicht miteinander.
    Ich nehme vom Staat nichts. Ich komme über die Runden. Aber ich glaube sozial besser wäre es unter den anderen bewährten Parteien und Koalitionen auch nicht.

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    1. Eine Alternative gäbs da schon, Frau Karina! Wie wäre es mit Blau – Rot? Funktioniert im schönen Burgenland auf Landesebene doch ganz gut. An eine Bedingung sollte das allerdings schon geknüpft sein, und zwar: Das Innenressor stellt die FPÖ. Die FPÖ sorgt für nachhaltige Sicherheit, obendrein deren Liebkind, und die SPÖ sorgt sich um das, was sie sowieso am Besten können, nämlich um den sozialen Zusammenhalt.

      Ist das zu viel geträumt? 🙂

      MfG

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  4. Lasst sie doch einmal werkeln, bevor ihr sie in Grund und Boden verdammt. Atlantiker sind Kurz UND Kern – also „Austria first“ ist eine Illusion.

    Soros hat überall seine Finger drin, d.h. bei der FPÖ weiß ich es nicht – hat da wer diesbezügliche Erkenntnisse?

    Vergesst nicht: ehrliche Politiker gibt es kaum noch, d.h. Eigennutz geht vor Gemeinnutz
    man kann immer nur das geringere Übel wählen

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  5. Sozialsysteme locken Menschen und die kommen auch nicht ganz zu Unrecht.

    Die Frage bleibt ob die Rückkehr zum ‚alten Weg‘ Bestand haben kann. Ich habe so meine Zweifel weniger wegen bezogen auf die Bildung dieser Koalition sondern eher bezogen auf den Bestand der Koalition.

    Den Jungwählern ist nicht klar, dass die 80er Jahre und hernach für Österreich eine gute Zeit waren, da viele Versäumnisse von ÖVP und SPÖ der Zeit davor aufzuholen waren. Der Prozess läuft halt langsam aus. Die Aussage uns geht es gut, heißt auch, uns geht es bisher gut. Es war nie so einfach wie in der Zeit letzten 2 Dekaden vor dieser Geld zu machen.

    Geschäfte werden wieder komplizierter und damit wird der Trend sein erwirtschaftetes kleines Vermögen zu bewahren zunehmen und damit ist der soziale Konflikt vorprogrammiert. Dazu passt halt eher die monetaristische Sicht, welche halt grad mal China und Deutschland sie wollen leisten (Produktion). Deutschland hat keine wirkliche Wahl, die Volkswirtschaft hängt an den Autos (bis zu 40% der Wirtschaft).

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    1. Natürlich wirkt ein funktionierendes Sozialsystem, wie das österreichische eines ist, für Menschen aus Sozialleistungs schwachen Ländern quasi wie ein Magnet.

      Aber deswegen jetzt herzugehen und den bisher erreichten Level herunterzufahren, damit Österreich für Einwanderungswillige, von der Aussicht auf Sozialleistungen so unattraktiv wie möglich wird, finde ich als einen höchst ungeeigneten, ja geradezu Risiko behafteten Weg – der Österreicher und Österreicherinnen wegen.

      Durch ein „Nein“ zum Sozialstaat werden mögliche Flüchlingsströme nicht verhindert, da der Zustrom an Menschen ferner Länder in Richtung Österreich mMn ja nicht hauptsächlich oder explizit wegen des Sozialsystems passiert. (Ich bin natürlich kein Motivationsforscher ) 😀

      Was die Aufgabe des derzeitigen Sozialstaates auf alle Fälle bewirkt, wäre ein Absinken der Lebensqualität bis hin zum Unerträglichen für fast eine Million ÖsterreicherInnen und das kann doch wohl nichts mit Verbesserung zu tun haben , oder?

      MfG

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      1. Sozialstaat und offene Grenzen geht nicht. Sozialabbau und geschlossene Grenzen ist doppelt gemoppelt. Dieser Aussage würde selbst Friedman vermutlich noch zustimmen.

        Sie haben aber nicht mehr das Phänomen, dass Güter sich ‚gemächlich‘ entlang einer Yield Funktion verbreiten sondern sind sehr schnell am Ende der Fahnenstange angekommen, sprich die maximal verbreitbare Gütermenge im Wirtschaftsraum wird eiliger gefunden denn je.

        Das macht einen massiven Unterschied zu der selbst der Entwicklung seit den 80ern und der Öffnung der Märkte zumindest nach EUropa hinein.

        Das Thema Digitalisierung ist so breit, denn es erstreckt sich

        *) vom Zunami der die Güterbereitstellungslinien von hinten her aufmischt und über diese in Richtung Konsumenten hinwegfegt
        *) die Rolle des Unternehmens als Kombination von Märkten in denen einerseits die Assets resp. Produktionsgüter werden verwaltet und andererseits einen ‚Markt‘ in dem die Produkte (Zins, Früchte) werden einer Bewertung zugeführt steht zur Disposition
        *) die Unmöglichkeit des Sozialsystems die schon immer laufende Vergemeinschaftung der Kosten als Konsequenz der zunehmenden Automatisierung zu handeln usw…
        *) Ist der Begriff eines neuen Gutes in einer alternden Gesellschaft noch immer der alte Wein im neuen Schlauch der das ansteigen entlang der oben genannten Funktion wenn schon nicht verhindert, dann zumindest verzögert oder gar das selbe Dinge morgen zum anderen Preis sei ein anderes?
        *) Ein digitales Gut ist nichts anderes als ein materielles bei dem der verteilbare Maximum im Wirtschaftsraum bereits gefunden scheint
        *) Sie müssen wirklich privatisieren, den Privatisierung heißt nichts anderes als die Organisation einer Art Umwegproduktion in einer sich automatisierenden Güterbereitstellungslinie über den Umweg der Vergesellschaftung (sei es beim Staat, sei es in der Finanzindustrie – sprich beim Geldschöpfenden der im bürgerlichen Modell eher der Bürger und Unternehmer wäre gepaart mit einer etwas anderen Logik bezüglich der Organisation der ‚Ausgliederung‘). Was heute unter Privatisierung läuft ist ja keine. Man hat ja allein gesagt sovielen Miesen wird eine Menge an guten Geschäften gegenübergestellt und auf dem Weg wurde die abgetakelte Fregatte wieder neu aufgemotzt.
        *) …

        Reförmchen sind vergebene Liebesmüh. Ich denke sich von alten Vorstellungen wie Zuwanderung bringt Verbraucher usw… muss man sich verabschieden. Das sind Rezepte die in der Vergangenheit die gepaart mit Innovation verhinderten, dass Produkte resp. Güter als ‚alt‘ im Sinne der genannten Funktion wurden wahrgenommen. Sie *brauchen* bei gefundenem Maximum die Mitarbeiter nicht mehr. Dann müssen sie auf Gedeih und Verderb immer mehr Neues im Wirtschaftsraum entstehen lassen das immer schneller das Ende der Fahnenstange erreicht.

        Der Lebensstandard hängt nicht am Einkommen 😉 sondern an der Deckung. Ich bin der Überzeugung, dass unser Verständnis resp. eher der Kammern usw… von Deckung nicht ein sehr modernes ist.

        Es wäre besser über die Balkanroute wanderten Fertigungsroboter zu…

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