Grüne Entfremdungen

Wenn man sich fragt, wie es zur Entfremdung zwischen Peter Pilz und den Grünen kam, geben Aussagen der früheren Parteichefin Eva Glawischnig Hinweise. Denn sie reagierte  verärgert, als sie im Dezember 2016 auf seine Querschüsse angesprochen wurde und meinte, dass er seit den 1990er Jahren immer das Gleiche sagt. Als Bruchlinie wurde dann auch später seine Kritik an der Haltung der anderen Grünen in der Asylfrage betrachtet. Hier trat er jedoch nie mutig auf, da er sich dem geschürten Hype 2015 nicht entgegenstellte und es anderen überließ, auf den Unterschied zwischen Asyl und Migration hinzuweisen. Pilz verzichtete auch zu zeigen, wie Agitation gegen Staatsgrenzen länderübergreifend mit dem Ziel no border – no nation vorangetrieben wurde. Doch auch als Trittbrettfahrer musste er mit Unmut der Grünen rechnen, die wieder einmal etwas einstimmig beschlossen haben, damit er es konterkariert (siehe Glawischnig-Video).

Es gab auch eine persönliche Entfremdung zwischen Pilz und den Grünen, die spürbar war, wenn man den grünen Klub besuchte. Denn er hatte sein Büro direkt neben dem Presseraum, den er regelmässig beanspruchte und meist auch anfüllte, aber es hatte etwas von separatem Dasein. Für die Grünen war das zweischneidig, denn er brachte Publicity, verdrängte aber auch andere und besetzte Themen, an die sonst niemand randurfte. Im Grunde hat sich über die Jahre nichts geändert, weil er immer mit allem in den Medien war (während grüne Initiativen meist viel weniger Beachtung fanden), aber auch kaum zu ertragen. In Anbetracht jetzt bekannter Vorwürfe sexueller Belästigung ist Glawischnigs Frust umso verständlicher, auch wenn sie bei der gezeigten PK auf das (dauernde) Fragen nach ihm reagierte. Sie hat schon recht, dass Maßnahmen z.B. für Frauen auf dem Land wichtiger sind als seine Befindlichkeiten. Er war nun einmal der Medienstar, nicht weil er so toll ist, sondern weil er das für seine Rolle brauchte. Die Grünen bildeten da schlicht eine Bühne, nachdem über Jahre hinweg alle entfernt oder marginalisiert wurden, die da nicht mitspielen wollten.

Ausschnitt aus Pressekonferenz

Man muss bedenken, dass bei aller Entfremdung keine abweichenden Einschätzungen der Skandale zulässig waren, die sein Markenzeichen wurden (wenngleich Grüne immer viel unter der Hand tratschen). Sieht man sich Pilz‘ Kandidatenvorstellung am 25.6. (siehe unten) an, streift er Zuwanderung und Erdogan-Spitzel, um bei den Eurofightern zu verharren, die er seit 2002 bekämpft (wie er betont). Das wird die Frage auf, wann die Geschichte seiner vergeblichen Kandidatur und der Liste Pilz wirklich begonnen hat (er habe es darauf angelegt, meinte man im grünen Klub). Am 11. August 2016 berichteten Medien über Vorwürfe von Pilz gegen die SPÖ und damit gegen Ex-Verteidigungsminister Darabos und Ex-Kanzler Gusenbauer. Grundlage war der Vergleich mit EADS vom 24. Juni 2007, mithin ein militärischer Verschlussakt, der bis dahin geheim war. So wurden die Weichen für den 2. Eurofighter-Ausschuss 2017 gestellt, mit dem absurden Zwischenspiel, dass Minister Doskozil den nicht mehr geheimen Vergleich im Februar 2017 dem Nationalen Sicherheitsrat vorlegte.

Als der Ausschuss im März beschlossene Sache war, erschütterten Turbulenzen die Grünen, da sich die Jungen Grünen unverstanden fühlten und Glawischnig per offenem Brief zum Rücktritt aufforderten. Im Nachhinein kommt dem Umstand mehr Bedeutung zu, dass die Sprecherin (seit Jänner) der Junggrünen Flora Petrik bei „Im Zentrum“ von Rudi Fussi zurechtgestutzt wurde. Es sollte auf den ersten Blick die auch anwesende Eva Glawischnig unterstützen, unterminierte aber ihre Position (ob sie Fussis „Beistand“ wollte?). Denn warum kann sie sich nicht selbst ausreichend verteidigen und warum muss so ein Rüpel ausrücken, der Petrik hinrichtete? Dies rief viel Kritik hervor und führte zu Spekulationen, zumal Flora und Co. dann die Grünen verließen (und schließlich mit der KPÖ kandidierten). Die Terminologie in ihren Presseaussendungen (Scheidung, Trennung, Beziehungsmetaphern…) nahm vorweg, wie drei Monate später über Pilz‘ Abgang berichtet werden wird. Es wirkte auf mich ziemlich durch den Wind, ohne dass ich es mir damals erklären konnte. Pilz ergriff übrigens nicht Partei für die Jungen, sondern machte sich über Glawischnig lustig. Ende Juni war klar, dass Petrik bei der KPÖ kandidiert, und doch: „Darüber, dass Pilz ‚abgeschossen‘ worden sei, zeigte sich Petrik enttäuscht. ‚Es hat mich, ehrlich gesagt, verwundert, dass sie einen der begnadetsten und bekanntesten Innenpolitiker Österreichs zurückweisen‘, sagte sie.“

Pilz am Bundeskongress (mit Fragen)

Heute wissen wir, dass Fussi damals zu einer Truppe um Bundeskanzler Christian Kerns Berater Tal Silberstein gehörte, die Medien als „Spezialeinheit“ bezeichneten. Fussi war einer der Adressaten des „Prinzessinnen“-Dossiers, das ein Ex-Gusenbauer-Sprecher verfasst hat, der Kern vernichtend beschrieb und Doskozil lobte. Wir wissen, dass Glawischnig im Mai das Handtuch warf, Ulrike Lunacek Spitzenkandidatin wurde und Pilz nicht auf den einzigen Listenplatz gewählt wurde, für den er kandidierte. Man beachte, dass er auf Kontinuität seit 2002 verweist, was ihn mit Gusenbauer, dessen Ex-Sprecher, Silberstein und Fussi und der bekämpften Entscheidung für den Eurofighter verbindet. Wenn im Netz andächtig darauf verwiesen wird, dass Pilz, der Aufdecker, ja auch einen Silberstein-U-Ausschuss will, bekomme ich einen virtuellen Lachkrampf. Denn er soll die untersuchen, mit denen er an einem Strang zieht? Und wo war er im Wahlkampf, als es einiges aufzudecken gab, viele Fragen gestellt werden konnten und Zusammenhänge deutlich wurden?

Im Rückblick scheint der Sinn und Zweck des 2. Eurofighter-U-Ausschusses darin zu bestehen, Darabos loszuwerden, der demnächst aus der burgenländischen Landesregierung ausscheidet und das Bauernopfer im Aussschuss war. Doch er mag viel wissen, mit dem er nicht einverstanden war, ist aber auch ein unglaublicher Hasenfuß, sodass es um mehr gehen muss. Weitere Fliegen mit dieser Klappe sind die Anzeige von Doskozil (den Pilz beraten hat) gegen Airbus und die separate Kandidatur von Peter Pilz. Wenn wir uns wieder daran erinnern, wie sehr Medien und Social Media im Aufruhr waren, weil Pilz nicht mehr auf der grünen Liste war, ist klar, dass die Grünen gegen ihn wenig Chancen hatten. Und doch hofften sie, er werde am Einreichen der Kandidatur scheitern und beschlossen, so oder so wie immer Wahlkampf zu führen. Es muss für sie etwas von Déjà vu haben, dass sich nach Vorwürfen sexueller Belästigung medial wieder alles um Pilz dreht. Von billiger Facebook-Häme wegen Zuwanderung bis zu Tweets aus der Medien- und PR-Szene wird den Grünen unterstellt das zu vergeigen, wo Pilz realistisch ist. Aber hat er wirklich eine Position? Denn Glawischnig hat recht, dass von ihm immer das Gleiche kommt, plakative kaum variierte Sager, etwa (1991 Wiener Gemeinderatswahl): „Die Grünen sind keine Ausländer-raus oder -rein-Partei.“ Was damals noch aufregte, wird längst mit Achselzucken quittiert. Wie mit Pilz über Monate hinweg eine Agenda verfolgt wurde, konnte man auch früher gut sehen: nach einem Bundeskongress im Dezember 1990 begann er eine Serie an Basisbeschimpfungen via Medien, die dann auch sein antreten in Wien begleiteten. Doch Ziel war nicht der Gemeinderat, auch wenn er die Gruenen hineinbrachte, sondern der bis dato nicht vorgesehene Parteichef. In der politischen Analyse und in der Programmatik war er nie stark, sodass die Liste Pilz wohl nicht zufällig kein Programm hat.

Im Zentrum

Dass Pilz nie substantielle Kritik an Masseneinwanderung übte oder sich via NGOs verfolgte internationale Strategien ansah, lässt an sei er Motivation zweifeln. Offenbar ging es einzig darum, Enttäuschte zu gewinnen und von den Gruenen abzuwenden. Und es ist kein sich ans Parlament Klammern, wenn Pilz betont, er sei sich nicht zu gut, im Klub seiner Liste mitzuarbeiten. Nicht von ungefähr erwähnt er wieder einmal die Eurofighter und malt sich aus, wie die Abgeordnete Daniela Holzinger (die für die SPÖ im Aussschuss saß) von ihm formulierte Fragen stellt. Damit sind wir bei seiner Agenda, die hier daran deutlich wird, dass Airbus der Hauptkonkurrent von Lockheed Martin und Boeing auf dem Weltmarkt ist. Um wieder zur persönlichen Komponente zurückzukehren sei erwähnt, dass Grüne mit baldigen Spannungen in der Pilz-Liste rechnen, weil er kein Teamplayer ist.

Die Grünen werden wenig Zeit haben, darüber nachzudenken, warum es so gekommen ist, denn der nächste Angriff gilt der Wiener Landesorganisation, wo mit der Pilz-Liste verbundene Bezirksgrüne den Rücktritt von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou wollen, was zu Neuwahlen führen kann. Doch die Pilz-Leute stehen auch unter Rechtfertigungsdruck, da manche den Gründer als Opfer von Medienjustiz sehen, während die Frauen Solidarität mit ihm und Frauensolidarität unter einen Hut bringen wollen. Dabei haben sie sich noch gar nicht mit der Frage befasst, ob an seiner Aufdeckerei auch wirklich etwas dran ist. Die Grünen wiederum gelten wegen Gleichberechtigung schon als Frauenpartei, was viel darueber aussagt, wie Politik eingeordnet wird. Dass Pilz am 25.6. damit kokettierte, ein „zarter, sensibler Mann“ in „einer Partei der starken Frauen und der starken Männer“ zu sein, passt gut ins Bild. Denn auch das richtet sich, wie Zuwanderungs-Sager an ein breiteres Publikum, das grün ohne Grüne wählen will.

PS: Wie hier beschrieben werde ich seit Jahren wegen kritischer Berichte attackiert; nun suchen die Kater Baghira und Gandalf und ich ein neues Quartier, bevorzugt in Wien oder Wien-Umgbung. Wer etwas für mich hat oder weiss hilft mir damit sehr. Auf den Wunsch vieler treuer Leserinnen und Leser hin ist finanzielle Unterstützung jederzeit willkommen: Alexandra Bader, Erste Bank BLZ 20111, BIC GIBAATWWXXX, IBAN AT592011100032875894. Ihr erreicht mich unter 06508623555, alexandra(at)ceiberweiber.at und ich bin auf Facebook und Twitter (cw_alexandra)

8 Kommentare zu „Grüne Entfremdungen

  1. „Hier trat er jedoch nie mutig auf, da er sich dem geschürten Hype 2015 nicht entgegenstellte und es anderen überließ, auf den Unterschied zwischen Asyl und Migration hinzuweisen.“ —>(es gibt laut EU keinen mehr, besonders nicht in der derzeitigen Auslegung und die Grünen stehen dazu, es hätte jede sagen können es gibt einen Unterschied, genauso wie jetzt jede sagen könnte es gibt einen Unterschied zwischen verbalen Entgleisungen und Vergewaltigung) „Pilz verzichtete auch zu zeigen, wie Agitation gegen Staatsgrenzen länderübergreifend mit dem Ziel no border – no nation vorangetrieben wurde „—>(er hat ja gezeigt, durch Abspaltung von den radikalen linkslinks Grünen)
    Die Grünen sind allein selber schuld, wenns bergab ging, wer so radikal links ist und absolut nichts für den einheimischen Mittelstand und untere Schicht übrig hat (speziell nicht für Einheimische) der soll gehen und zwar schnell!
    Gefasel von Global und EU ohne Konzept für die Einheimischen ist eine Bedrohung und ist ein Auslöschen des nationalen Wohlstands! Dafür stehen die Grünen und zwar nicht wegen Pilz.

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  2. Die Grünen Österreich: Eva Glawischnig schimpft mit Peter Pilz (komplettes Interview) 13.12.2016 Youtube

    Dieses Video ist wirklich interessant. Anfang Dezember 2016. Die Frage wurde von einem Fellner-Jounalisten gestellt und wirkt auf mich ein wenig einstudiert…

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      1. Hallo Alex,

        ich kenne diesen Reporter und seine Stimme von früher, Fellner hat ihm bestimmt den Auftrag gegeben Glawischnig diese Frage zu stellen und die Eva ist ihm voll auf den Leim gegangen 🙂

        Was ich aber bisher nicht kannte war die Geschichte mit dem Fux von den Grünen. Fellner hatte damals im Magazin „Basta“ kurz vor der Wahl einen gewissen Herr Fux abgeschossen.

        PS: gestern hab ich noch ein wenig über Infiltration und Steuerung von Parteien nachgedacht. Vielleicht wäre eine Chronologie hiflreich um die Geschichte der Grünen logisch darzustellen?

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      2. Ich erfülle deinen Wunsch gerade, ich schreibe an etwas, wo ich auch auf die Sache mit Fux eingehe, lass dich überraschen….

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  3. Werte Frau Bader,

    Ihr letzter Satz trifft das Problem der Grünen punktgenau! Auch ich will ja eine intakte Umwelt, habe nicht das geringste Problem mit starken Frauen und bin auch grundsätzlich hilfsbereit, wenn jemand unverschuldet in Not gerät und/oder aus seiner Heimat fliehen muß.

    Trotzdem wähle ich nicht grün, sondern FPÖ. Warum? Weil das Wichtigste an einem Staat der Schutz nach innen und außen ist. Punkt. Wer da mit mir diskutieren will, hat meine Stimme schon verloren. Das Zweitwichtigste ist übrigens meiner Meinung nach der Rechtsstaat bzw. das Primat des Rechts. Die vielgelobte EU hat speziell in diesem Bereich ganz schlechte Karten, weshalb ich auch diese EU-Hörigkeit aller Parteien außer der FPÖ einfach nicht verstehe.

    Das Drittwichtigste ist, daß wir den Bereich der gepflegten (durchaus pointierten!) Diskussion nicht verlassen. Dann kann man nämlich mit Hilfe rechtstaatlicher Mittel die Gesellschaft so justieren, daß kaum jemand den Eindruck gewinnt, daß über seine Positionen einfach drübergefahren wird.

    In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende und bedanke mich einmal mehr für Ihre großartige Arbeit.

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    1. Dankedanke 🙂 es ist hypothetisch, wie Grüne in der Migrationsfrage wären, wenn nicht andere und ich vertrieben worden wären. Aber da es ums kritische Denken ging, nehme ich an, dass die Grünen dann realistischer wären (weil es zahlreiche Ex-Grüne ja sind).

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