Christian Kerns Chuzpe

Vor genau vier Wochen ging Christian Kern als erster SPÖ-Kanzler in die Parteigeschichte ein, der die Kanzlerschaft bei einer Wahl verloren hat. Statt ihn abzulösen, bestärkte ihn die SPÖ aber und machte ihn auch zum Klubobmann, was wohl signalisieren soll, dass er sich als Oppositionsführer eignet. Mit dem unseligen Erbe von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, der ihm Wahlkampfberater Tal Silberstein eingebrockt hat, räumt Kern nun scheinbar auf.  Denn es soll einen „geordneten Übergang“ in der roten Parteiakademie zu Kern geben, deren Präsident Gusenbauer bisher war. Das Karl Renner Institut wurde 1972 von Bundeskanzler Bruno Kreisky gegründet, als ein neues Gesetz über staatsbürgerliche Bildung Subventionen für Parteiakademien vorsah. Bis 1985 war Kreisky dann selbst Präsident des Instituts, ihm folgten die Bundeskanzler und Parteivorsitzenden Fred Sinowatz, Franz Vranitzky und Viktor Klima. Seit dem Jahr 2000 hat diese Funktion Alfred Gusenbauer inne, der seit dem 2.12.2008 nicht mehr Kanzler ist und am 8.8. 2008 von Werner Faymann an der Spitze der SPÖ abgelöst wurde.

Dass Christian Kern (noch Bundeskanzler ) seit dem 8.11. 2017 auch Klubobmann ist, hat in der Parteigeschichte kein Vorbild, denn als die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl 1999 stockten, war Peter Kostelka (seit 1994) Klubobmann. Kern war einmal sein Sprecher, und als ÖVP und FPÖ am 4.2. 2000 eine Regierung bildeten, war Gusenbauer zunächst Bundesgeschäftsführer, ehe er Parteichef und Klubobmann wurde. Kostelka war bis 2001 geschäftsführender Klubobmann und wechselte dann in die Volksanwaltschaft, während Josef Cap seine Funktion übernahm.  2013 wurde Cap dann der erste geschäftsführende Präsident des Renner-Instituts. Als Gusenbauers Geschäfte mit Kasachstan 2015 Thema waren, stellte Ulrich Brunner fest: „In den Veröffentlichungen der Nachrichtenmagazine ‚Spiegel‘ und ‚Profil‘ über Gusenbauer offenbaren sich eine unglaubliche Egomanie und Gier.Besonders irritierend ist, dass Gusenbauer nicht als reine Privatperson handelt, sondern noch immer Präsident des Renner-Instituts ist. Parteiakademien sollten eigentlich das geistige Rüstzeug einer Partei liefern und die Funktionäre schulen. Dass Gusenbauer seinen Briefverkehr als Lobbyist eines Diktators mit dem Briefkopf als Präsident des Renner-Instituts abwickelt, sollte gestandenen Genossen die Schamesröte ins Gesicht treiben.“

Gusenbauer 2015 in der ZiB 2

Und er schildert eine medial dokumentierte Begebenheit: „Bei seinen Versuchen, bekannte Politiker in das Lobby-Team für Nasarbajew zu bringen, ging Gusenbauer nicht zimperlich vor. Der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder wollte zuerst mittun, überlegte es sich dann aber. Doch Gusenbauer ließ nicht locker. 400.000 Euro Jahressold wollen schließlich verdient sein. Bei einem Telefonanruf in Schröders Büro kam Gusenbauer an Schröders Frau. Ihre schriftliche Schilderung, in der deutschen Zeitung ‚Die Welt‘ abgedruckt, hat es in sich: ‚Zwischen mir und Herrn Gusenbauer kam es zu lautstarken Auseinandersetzungen, da er nicht akzeptieren wollte, dass mein Mann aus grundsätzlichen Erwägungen nicht auf das vorliegenden Angebot eingehen wollte. Herr Gusenbauer warf mir vor, ich würde mich in Angelegenheiten einmischen, von denen ich nichts verstünde. Ich habe ihm sehr deutlich gemacht, dass auch ein ehemaliger Bundeskanzler nicht so mit mir sprechen dürfe und wir mit ihm nichts mehr zu tun haben wollten.“ Das Interview mit Armin Wolf vor zwei Jahren hätte ausreichen müssen, um Gusenbauer aus SPÖ-Funktionen zu werfen. Tatsächlich aber ist die Partei bis heute nicht willens, sich seine Geschäfte und Geschäftspartner näher anzusehen.

Ulrich Brunner meint, Gusenbauers Verhalten gegenüber der Abgeordneten Doris Schröder-Köpf „offenbart nicht nur Gusenbauers Arroganz, sondern auch sein schlechtes Benehmen“.  Seiner Erfahrung nach deckt die SPÖ unkorrektes und moralisch verwerfliches Handeln ihrer Politiker mit der Ausrede: „Die Schwarzen machen es genauso!“  Solange Gusenbauer aber zum Intellektuellen stilisiert wird, damit man den Geschäftsmann übersehen kann, ist auch die Partei nicht gezwungen, reinen Tisch zu machen. Man geht auch großzügig darüber hinweg, dass sich der Schuldenstand der SPÖ vervielfacht hat und tut so, als sei es bloß Pech, dass mit Silberstein der falsche Berater engagiert wurde. Als letzte Woche die #ParadisePapers geleakt wurden, gab es auch Österreich-Bezug, unter anderem dank Gusenbauer, der sich bei Novia Fund Management seines Freundes Tal Silberstein engagierte. Über APA-Accounts der SPÖ lief dann zuerst sein Dementi (er habe nie auch nur einen Euro von Novia erhalten) und die Ankündigung einer Initiative im Parlament gegen Steuerflucht. Gusenbauer finden wir auch in Aufsichtsräten der Signa-Gruppe, die sich „unberechtigt“ aus dem Vertrag für ein Appartement-Großprojekt zurückzog, was die steirische Spezialbaufirma SFL in die Insolvenz getrieben haben soll.

Kurz und Kern bei der konstituierenden Sitzung

Die neueste Signa-Meldung befasst sich mit der Warnung deutscher Kommunen vor negativen Folgen der Fusion von Karstadt und Kaufhof. Die SPÖ ist allen Verflechtungen und allen angeblichen politischen Positionen zum Trotz stets auf Tauchstation, wenn es um Gusenbauer-Affines geht. Eine der vielen unbeantworteten Fragen in der Silberstein-Affäre befasst sich mit der Rolle von Signa, wo der Ex-Gusenbauer-Sprecher Robert L. Pressesprecher ist und seit dem Sommer auch als Verfasser des „Prinzessinnen“-Dossiers über Kern bekannt ist. L. ist seit dem Wahlkampf 2002 mit Silberstein befreundet, der bei Wien-Aufenthalten in Signas Park Hyatt Hotel abstieg. Nur wenige in der SPÖ werden begreifen, dass Silberstein gezielt Parteifremde in Wahlkampf-Schlüsselfunktionen setzte und immer über den Tagesablauf von Kern informiert war. Es dürfte auch schwer erträglich sein, dass die SPÖ ohne Silberstein durchaus imstande gewesen wäre, den ersten Platz zu verteidigen, sofern sie sich auf die besten eigenen Kräfte besinnt. Und nun soll Kern, der alles verbockt hat, die SPÖ „neu aufstellen„?

Das Park Hyatt frequentiert auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der zeitweise als Alternative zu Kern gehandelt wurde und den Silberstein pushte. Aktuell sagt er z.B.: „Jeder zukünftige Justizminister sollte sehr aufpassen, da nicht irgendeinen Einfluss zu nehmen, sondern die unabhängigen Gerichte arbeiten zu lassen. Es gibt ja auch den Aufpasser Peter Pilz nicht mehr, deshalb werden wir mit Argusaugen darauf schauen, wie es in dieser Causa weitergeht.“ Man sieht an solchen Aussagen, dass der Minister Pilz immer noch nicht durchschaut hat und wird wieder auf Verbindungen verwiesen, die in der SPÖ unter dem Teppich bleiben sollen. Denn die politische Entwicklung der letzten Jahre und das jetzige Wahlergebnis wurzeln im Silberstein-Wahlkampf 2006 („Sozialfighter statt Eurofighter“), der knapp für Gusenbauer gewonnen wurde. Wir können auch bis ins Jahr 2002 zurückgehen, als Gusenbauer-SPÖ, Pilz-Grüne und Rudi Fussi (den Silberstein heute Kern empfahl) die Entscheidung von Schwarzblau für den Peter Eurofighter bekämpften und es vorgezogene Wahlen gab.

PS: Wie hier beschrieben werde ich seit Jahren wegen kritischer Berichte attackiert; nun suchen die Kater Baghira und Gandalf und ich ein neues Quartier, bevorzugt in Wien oder Wien-Umgbung. Wer etwas für mich hat oder weiss hilft mir damit sehr. Auf den Wunsch vieler treuer Leserinnen und Leser hin ist finanzielle Unterstützung jederzeit willkommen: Alexandra Bader, Erste Bank BLZ 20111, BIC GIBAATWWXXX, IBAN AT592011100032875894. Ihr erreicht mich unter 06508623555, alexandra(at)ceiberweiber.at und ich bin auf Facebook und Twitter (cw_alexandra)

9 Kommentare zu „Christian Kerns Chuzpe

  1. Ist eigentlich bekannt, ob sich Silberstein aufgedrängt hat oder hat ihn Gusenbauer explizit eingeladen… oder ist mir etwas entgangen… ? Lief das über diesen Robert L. ? Wird so eine Beratertätigkeit nicht öffentlich ausgeschrieben?

    Und hatte Silberstein somit schon vor 2006 Einfluß auf die Politik in Ö ?

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    1. Oeffentlich ausschreiben muss man da nichts, es ist Sache der Partei. Und der erste, der Silberstein engagierte, war Haeupl 2001.

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      1. Danke… sehr interessant…
        Passt ins gesamtwesteuropäische Bild.
        Irgendetwas war/ist da seit etwa 2000 überall am Laufen, das der europäischen Bevölkerung vorenthalten wurde/wird.

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  2. Die Übernahme des Renner-Instituts durch den SPÖ-Vorsitzenden war und ist nun wieder „standard operating procedure“ (das war nur seit 2008 nicht mehr so) Das deutet darauf hin, dass Kern SPÖ-Vorsitzender bleibt (dass er die NR-Wahl „krachend verloren“ hätte, kann man ja ncht unbedingt sagen – der Gusenbauer-Sieg von 2006 kam auch hauptsächlich wegen des ÖVP-Rückgangs zustande).

    Ob Kern aber tatsächlich die Rolle als Klubomann einer OPPOSITIONSPARTEI wahrnehmen muss,wird man erst sehen.

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    1. Sicher, aber dass es erst jetzt erfolgt und Gusenbauer nach 2008 im Amt blieb, sagt sehr viel aus ueber Machtverhaeltnisse. Und dass er das RI für seine beruflichen Kontakte nutzte, ist auch bekannt. Unter dem Personal findet man Manuela Butter, die auch im BKA seine Sekretaerin war.

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  3. Sehr interessanter Artikel und arg wie alles verhabert ist. Schlimm .
    Die SPÖ hatte ja bekanntlich Silberstein fürstlich um nicht zu sagen kaiserlich entlohnt. Das Geld hätte man wirklich für soziale Projekte verwenden können.
    Das ist aber kein Thema mehr fällt mir auf.
    An der Stelle der SPÖ würde ich den Mund nicht mehr aufmachen. Aber soviel Anstand ist leider nicht zu erwarten.

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  4. Ja, find ich auch degoutant. Parteimitglieder können/sollen sich drüber aufregen (ist jetzt vielleicht ein bisschen spät).

    Die Ersetzung Helmut Bielers durch Dosko wirkt freilich so, als hätte das alles nix mit Wien zu tun. Wirkt so organisch, dass es richtig unheitmlich ist,

    Dass Dosko der logische Nachfolger Niessel ist, ist ja schon seit Jahren klar und das, was jetzt in Eisenstadt passiert, ist der „normale Gang der Dinge“.

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