Die Grünen und das Patriarchat

Es passiert zeitgleich: der Ex-Grüne Peter Pilz nimmt sein Mandat nach Belästigungsvorwürfen nicht an und die grüne Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou wird intern zum Rücktritt aufgefordert. Das eine hängt auch mit dem anderen zusammen, da ihre Gegner mit der Liste Pilz kooperieren. Während Peter Kolba, der durch das Ausscheiden von Pilz überraschend Klubobmann wurde, im Parlament von beispielloser Medienjustiz spricht und eine Intrige wittert, würde eine Frau wohl kaum mit so einem Spin verteidigt. Man könnte so durchaus für Vassilakou argumentieren, weil Pilz-Leute den grünen Planungssprecher Christoph Chorherr wegen Spenden aus der Immobilienbranche für ein Schulprojekt in Südafrika im Visier haben. Dies kann durchaus der Auftakt für einen Pilz-Ableger zur eventuell vorverlegten Wiener Wahl sein, doch laut wird vor allem darüber nachgedacht, ob Beschwerden über Pilz deswegen laut wurden. Immerhin würden Turbulenzen in den Grünen wohl auch die rotgrüne Koalition in Wien sprengen, so das Kalkül.

Die Pilz-Debatte zeigte, mit welch unglaublicher Häme Frauen immer noch rechnen müssen, wenn sie sich gegen Zumutungen, Anmaßungen und Grenzverletzungen von Männern wehren. Helke Sander hat schon recht, wenn sie zu den deutschen Koalitionsverhandlungen ein Männerministerium fordert. Sie geht davon aus, wo die Probleme nun einmal liegen und weist darauf hin, dass weitere mit der Zuwanderung importiert wurden. Innerhalb der  Pilz-Liste ist es Sache der Frauen, den Spagat zwischen Selbstbewusstsein und Verteidigen des Parteigründers zu schaffen. Männer machen es sich hingegen einfach, da für sie alles konstruiert ist, um die geplante Kontrolltätigkeit zu sabotieren (siehe Kolba-Interview unten). Dies wird dann wiederum zur Frage der Definitionsmacht, da die meisten Pilz die sorgsam aufgebaute Aufdeckerrolle ohne weiteres abnehmen. Selbst penibel angeführte Fakten und Zusammenhänge ändern daran wenig, umso mehr, wenn sie siehe Schreiben an die Staatsanwaltschaft in der Eurofighter-Causa, von einer Frau vorgebracht werden.

Peter Kolba

Nun ist Pilz fast schon wieder da, nachdem es hieß, dass er erstmal weg sei, was seine Fans als Reife bewundern, während ich es feige finde. Er stellt sich das so vor, das er Mitarbeiter in seinem Parlamentsklub wird und in einem neuen Eurofighter-Ausschuss neben der Abgeordneten sitzt, die dann seine Fragen stellt. Gemeint ist Daniela Holzinger, die den letzten U-Ausschuss noch für die SPÖ bestritten hatte und sich da schon sehr an Pilz orientierte. Dreister geht es wohl kaum, es sei denn, er gibt zu, dass sie als sein Sprachrohr fungieren soll. Auch wenn viele das Verhalten von Pilz bagatellisieren, käme seine Liste einer neuen Umfrage zufolge jetzt nicht mehr ins Parlament.  In den Medien weist er auf viele unterstützende Mails besonders von Frauen hin, was keine Überraschung ist, wenn er von ihnen auch in Kommentaren verteidigt wird (schliesslich arbeitet auch die Kärntner Ex-Grüne Marion Mitsche noch immer mit ihm zusammen). Da wird dann auch erwähnt, dass Florian Klenk vom „Falter“ am Abend des 3.11. Chorherr getroffen haben soll mit der Unterstellung, dass da schnell neue Vorwürfe gegen Pilz gebastelt wurden. Die grüne Landeshauptmann-Stellvertreterin von Tirol Ingrid Felipe spricht nicht von ungefähr von Patriarchat und davon, dass vielen Männern ihr Verhalten gar nicht bewusst ist.

Statt hier einzuhaken sehen sich einige in ihrer Häme gegen grüne Frauen bestätigt und sie legen noch nach. Der Maßstab kann aber nur sein, wie sie an Männern Kritik üben, ob das auch rasch beleidigend wird.  Eben wurde bekannt,dass der Darsteller von Frank Underwood in „House of Cards“ Kevin Spacey jüngere Männer am Set belästigt haben soll. „Er war ein mächtiger Mann bei der Show und ich befandmich am unteren Ende der Nahrungskette“, sagt ein Betroffener, der sich ausgeliefert fühlte.  Wenn Frauen auf den Punkt bringen, dass es schlicht eine Frage der Machtverhältnisse ist, verharmlosen viele immer noch und geben ihnen die Schuld. Damit negieren sie, wie es mit Spielräumen in der Praxis aussieht, wenn das Verhalten bestimmter Personen geduldet wird. Auch das kennen wir von Peter Pilz, der stets diejenigen einschüchterte, die sich ihm – auch politisch – nicht fügen wollten. Viel zu oft wird gewalttätiges Verhalten entschuldigt, indem an Verständnis appelliert wird oder den Tätern besondere Qualitäten nachgesagt werden.

Prominenz ist ein solcher Faktor, wie Amber Head erleben musste, der alle möglichen Motive inklusive Geldgier unterstellt wurden als sie sich wegen häuslicher Gewalt von Johnny Depp trennte. Nun stellte sich heraus, dass ihre Vorwürfe stimmten und sie meint: „Lasst uns bei der Wahrheit starten. Der kalten, harten Wahrheit. Wenn eine Frau über Ungerechtigkeiten und ihre Qualen spricht, trifft sie nicht auf Hilfe, Respekt und Unterstützung. Sie bekommt Anfeindungen, Skepsis  und Scham zu spüren. Ihr Motiv wird hinterfragt und ihre Wahrheit ignoriert.“ Zwar bleiben die Frauen anonym, die von Pilz‘ übergriffigem Verhalten sprachen, doch wie Amber Head wissen sie, dass Häme, Zweifel und Spott ihnen gelten. Obwohl Head Fotos von Verletzungen und WhatsApp-Nachrichten veröffentlichte, hielten fast alle Freunde von Depp aus der Filmszene zu ihm. Orlando Bloom sagte etwa, dass Menschen “ nun einmal seltsame  Dinge durchmachen“ und dass es „eine Schande“ sei, dass so etwas an die Öffentlichkeit gezerrt wird“.

Diese Mechanismen beobachten wir auch in der Causa Pilz, dessen Umgang z. B. mit einer Ende 2014 neu eingestellten grünen Mitarbeiterin schon in der Beschreibung gegenüber der Gleichbehandlungsanwaltschaft über die Zeilen hinaus unangenehm ist. Klubobfrau Eva Glawischnig (oben bei ihrem Abgang im Mai) wollte seinen Rücktritt, aber auch die Betroffene schützen, an der er sich dann bestimmt medial gerächt hätte. Nun mag die Reaktion der Grünen, die doch als Frauenpartei gelten, halbherzig wirken. Aber was wäre anderswo passiert, z.B . In ÖVP, SPÖ oder FPÖ? Wahrscheinlich gar nichts, denn etwa aus der SPÖ ist bekannt, dass Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek Frauen im Stich lässt. Dass sie im Parlament feststellte, Pilz sei kein Opfer, besagt nur, dass sie Männer nur dann an den Pranger stellt, wenn der Damm bereits gebrochen ist. Was Männer und Frauen betrifft, die im Orlando Bloom-Stil abwiegeln und Frauen diffamieren, sind diese Mit-Täter im Sinn von mit den Tätern sein. Eigentlich heißt ein feministisches Konzept so, das die historische Wirksamkeit des Verhaltens einer diskriminierten Gruppe als Mittäterschaft bezeichnet. Mit den Tätern sind alle, die einer Frau ihre Erfahrungen, ihre  Wahrnehmungen und ihre Rechte absprechen. Typischerweise wird im beruflichen Kontext der Konflikt von Männern mit einem unangenehmen Mann anders gesehen als wenn dieser gegen eine Frau vorgeht, denn das muss dann ja persönlich sein. Und selbst Männer, die anerkennen, dass eine Frau in einer Sache recht hat, verhalten sich anders als wenn ein anderer Mann ins Visier genommen wird. Zu ihm sind sie fair und kollegial / kameradschaftlich, sie muss alleine klarkommen.

Die Grünen sind vielfach von gleichberechtigtem Miteinander geprägt (bezeichnend, dass manche das schon als weibliche Dominanz sehen) und doch gab es Extrawürste für Männer, wie man gerade bei Pilz sehr gut erkennen kann. Keiner Frau würde wohl ein (Pseudo-)Aufdeckerdasein zwar im Rampenlicht, aber doch abseits der anderen zugestanden werden. Und frau kann sich auch mit viel Fantasie die Abgeordnete Anfang 60 nicht vorstellen,  die einen 25jährigen neuen Mitarbeiter anbaggert und sich schwer illuminiert jungen Männern an den Hals wirft. Was natürlich dann auch nur, um beim Vorbild zu bleiben, eine fiese Intrige der Korruptionisten ist, denn die Politikerin ist schlicht nicht politisch korrekt. Es wirkt schräg, wenn Kandidatin Maria Stern jetzt sagt: „Ich wollte und konnte es nicht glauben. Als ich zwei Tage später von seinem Rücktritt erfuhr, saß der Schock tief und das tut er noch immer. Peter Pilz begegnete mir immer auf Augenhöhe, auch nach einem Glas Wein. Seine körperlichen Annäherungen mir gegenüber beschränkten sich auf amikale Begrüßungsbussis und einen Handkuss, bei dem er zwei Zentimeter über meiner Hand stoppte, als wir vor der Wahl in der letzten Plenarsitzung für den Beschluss der Unterhaltsgarantie kämpften. Er am Podium und in der Presse, ich auf den Gängen und in der Cafeteria. Als Politiker wird Peter Pilz sehr fehlen.“auch in den Redaktionen

Des Rätsels Lösung kann so einfach sein: Mit 45 passt Frau Stern, die den Einzug ins Parlament verpasst hat, eben nicht in sein Beuteschema.  Wie weit Sexismus und Übergriffiges reichen können, sieht man auch in den Redaktionen, etwa wenn sich Ulrike Posche vom „stern“ an 30 Jahre Journalismus erinnert, die im Ressort „Erziehung und Gesellschaft“ (genannt „Strick und Fick“) begannen. Sie wechselte nach der Wende ins Politikressort, wobei ihr Chef meinte: „Warum kommen Sie nicht zu uns? Sie als Frau haben hier doch ganz andere Recherchemöglichkeiten.“ Als sie dann „einen jungen SPD-Ministerpräsidenten in seinem Amtszimmer interviewen sollte, fragte der als Erstes, ob ich Kinder hätte. Als ich verneinte, rief er fröhlich ins Vorzimmer: ‚Frau Müller, machen Sie mal kurz die Tür zu, Frau Posche will ein Kind!‘ Ich fürchte, ich habe das damals witzig gefunden. Ein anderer SPD-Ministerpräsident schlug mir 1994 auf einem Sommerfest unseres Büros vor, schnell mal mit ihm in seine Landesvertretung zu verschwinden, ‚ich hab da auch Champagner‘. Ich wollte lieber auf der Party bleiben, er war beleidigt, umstehende Kollegen vom ‚Spiegel‘ amüsierten sich.“ Jungen Kolleginnen wurde damals gesagt, „möglichst nahe“ an Spitzenpolitiker heranzukommen und als SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder seine spätere Frau Doris beim „Focus“ kennenlernte, fragte der Chefredakteur, warum Posche so oft über Schröder schrieb, wenn jetzt der „Focus“ das Rennen gemacht hat. Sie erinnert sich auch an einen besonders zudringlichen Ex-DDR-Minister oder an Redakteure, die in der Medienszene berüchtigt waren, einer hatte den Spitznamen „Kameltester“, weil er „fast jede Praktikantin nötigte“. Auch Posches Erfahrungen sprechen für Parteien mit Frauen in Spitzenpositionen, da Journalistinnen so um peinliche Situationen mit den Männern herumkommen, die sich nicht normal verhalten.

 

14 Kommentare zu „Die Grünen und das Patriarchat

      1. Was mich noch interessieren würde… hast du eine These, warum es quasi zugelassen (gefördert ?) wird, dass sich die österreichischen Grünen zerlegen, während die deutschen Grünen (Dittfurth in ihrer Autobiographie = CIA Produkt) weiterhin fleißig als Motor für die Autodestruktion benutzt werden ?

        Warum geht man wohl in und mit Österreich anders vor ?

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      2. Deutschland spielt eine andere Rolle in der EU und es ist in der NATO. Das wären schon mal zwei Unterschiede.

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  1. https:// http://www.youtube.com/watch?v=3A_HBJ7SIRo

    Ab ca. Min 4:40 bis ca. Min 5:40 wirds mMn echt spannend.

    Der Grund dafür, dass die G’schichtln von wegen angeblichen Sexuellen Belästigungen erst nach der Wahl öffentlich thematisiert worden sind, könnte mMn somit darin begründet gewesen sein, dass absolut niemand bei den Grünen damit gerechnet hat, dass die liste Pilz überhaupt ins Parlament einziehen wird können.

    Ja, Frau Lunacek, eines hat sich auf jeden Fall Wieder mal bestätigt: Hochmut kommt vor dem Fall!

    MfG

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  2. Mei heute war im ORF wieder ein Beitrag über die bösen Ungarn und den noch böseren Orban . Weil die sein ja so schiarch zum Soros.
    Ja der ORF wie immer blind.

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    1. @Karina, @Espianca

      Die Unterschiede im Umgang mit Soros rühren womöglich daher, weil Ungarn mit seinen rund 10 Millionen Einwohnern schlichtweg a bisserl mehr zu verlieren hat als Österreich 🙂

      MfG

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      1. Na ja… ich würde meinen, wo dieser Herr auftaucht, zieht sich immer eine Blutspur hinterher…. so wenigstens ergeben es tiefere Recherchen in Zeit und Raum zu seinem ach so philantropischen Wirken.

        Zudem: Österreich ist nicht vorgesehen im Intermarium… sofern das weiterhin ein geopolitisches Ziel, was ich vermute, den nur dank „Widerstand“ dürfen sich die V4 sicher nicht der ethnischen Vernichtung entziehen https://geopoliticalfutures.com/intermarium-three-seas/

        So gesehen können es sich scheinbar die Ungarn leisten, und die Österreicher nicht, vor allem nicht mit so einem Ex-Präsidenten…

        Dass der hochverehrte Gast seit mindestens 2015 in zig Zeitungen, darunter dieser hier http://www.somalilandsun.com/news-feeds/8095-rebuilding-the-asylum-system Afrikanern pro Kopf jährlich auf die Hand € 15.000 als Anlockmittel verspricht, die Europäer mit ihrer Arbeit erwirtschaften und als Steuern zahlen, ist ein besonders Bonbon.

        Dem Ex-Präsidenten und Bilderberger Gast wird es wohl nicht entgangen sein, was er da kooperativ angestellt hat… 2015…

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  3. https://kurier.at/politik/inland/metoo-debatte-wird-zum-streitfall-unter-frauen/297.574.083

    ich steh eher auf der seite von chris lohner. (oder neuerdings eben proll) und das seit 1993…

    denn das weib(l)i(s)che beleidigt sein und gleichzeitig das anstreben von machtpositionen in der gesellschaft passen einfach nicht zusammen…

    das führt dann zu einer wir-schaffen-das politik, die außer problemen gar nichts schafft.

    an der grünin mit dem hohlkopf zwischen dem stinkefinger und dem champagnerglas, die gottlob nicht mehr abgeordnet ist jemanden zu vertreten, der etwas mit österreich zu tun hat, sieht man es deutlich:

    die menschinnen und menschen von heute haben in philosophie geschwänzt.

    es gibt nur eine realität und subjektiv empfindet die jeder anders.

    wenn man jetzt subjektivität zur gesellschaftspolitischen norm erhebt werden sich automatisch die größten psychopathinnen und -pathen durchsetzen:

    die, die am besten beleidigt, stark, selbstsicher, aufgeregt etc. SPIELEN können.

    das hat zum beispiel unter anderem einen herrn pilz nach oben gespült…

    weiter so.

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    1. „denn das weib(l)i(s)che beleidigt sein und gleichzeitig das anstreben von machtpositionen in der gesellschaft passen einfach nicht zusammen…“

      Sie interpretieren hier sicher nicht die Anschauungen von Chris Lohner

      Das, was Sie ansprechen, ist außerdem bei weitem kein Frauenspeziefisches Problem. Es gibt zwar Frauen, aber im selben Ausmaß auch Männer, auf welche Ihre Beschreibung sprichwörtlich wie die Faust auf’s Auge passt! 😦

      MfG

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      1. jo eh. ich hab auch geglaubt dass pp ein männchen ist…

        und ja. ich habe lediglich dem interviewinhalt von lohner eher zugestimmt, als dem von stoisits. ich maße (wie schreibt man das jetzt eigentlich richtig?) mir nicht an zu wissen, was ein einzelner anderer mensch denkt. es gehört mit dazu zu respekt und anstand, dass man die menschen selbst zu wort kommen lässt, und entscheiden lässt. deswegen sind mir moralisierende vorbeter immer suspekt. ob sie kippa, turban oder kopftuch tragen oder bei den grüninnen für das tragen solcher eintreten ist da für mich zweitrangig…

        es geht darum, dass man machtpolitik und beleidigt sein nicht mischen darf, weil das manipulation der massen ist…

        mit frauen-rechten hat das dann garnichts mehr zu tun, es ist nur mehr eine linke…

        wenn sie mich nicht missverstehen wollen…

        ausnahmsweise…

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