Eurofighter: Wolfgang Schüssel und die Pilz-Show

Nur wenige Journalisten können den Beratungen des Eurofighter-Ausschusses folgen; sie sind im Parlament akkredidiert. Da in Österreich U-Ausschüsse nicht wie in den USA live übertragen werden, ist man auf Liveticker diverser Medien und die später veröffentlichten Befragungsprotokolle angewiesen. Dabei aber entsteht der Eindruck, dass über den Grünen Peter Pilz vorgegeben wird, in welche Richtung es zum Beispiel bei Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel laufen soll. Lässt man Aktionen und Behauptungen von Pilz Revue passieren, sollte er zuerst alles auf Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos abladen; da dann aber die Rolle von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer sichtbar zu werden droht, gilt jetzt die Sprachregelung, dass Darabos von der ÖVP hinters Licht geführt worden sei. Deutlich wurde dies bei der Befragung von Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer am 14. Juni 2017, der sich von Darabos übergangen fühlte und offensichtlich bis heute nicht erkannt hat, dass Darabos nicht nur vor zehn Jahren abgeschottet und ausgebremst wurde, um fremde Interessen als vermeintlichen „Ministerwillen“ zu verkaufen.

Das Instrument dabei war vor allem Ex-Kabinettschef Stefan Kammerhofer, der am 8. Juni befragt wurde und eine „Personalleihe“ der ÖBB war. Es passt ins Muster, dass die ÖBB (Konzernsprecherin und div. Mitglieder des Aufsichtsrats, u.a. Gusenbauers Geschäftspartner Leo Specht, der auch vom Ausschuss befragt werden wird, eisern zum Fall Kammerhofer schweigen. Wenn der „Standard“ nur Pilz‘ Aussagen vor Beginn der Schüssel-Befragung bringt, kann man nicht davon ausgehen, dass nicht auch andere Abgeordnete etwas sagten. Die NEOS, vertreten von Michael Bernhard, posteten auf Facebook einige Fragen, unter anderem: „Warum ist Ex-Minister Darabos ohne wirtschaftliche Beratung fast alleine einem Weltkonzern in Verhandlungen gegenüber gesessen und warum ist nichts von diesen Treffen dokumentiert? Wie konnte Darabos alle Kontrollinstanzen ausschalten, ohne dass das Finanzministerium den Aufstand geprobt hat?“

Google News zu Schüssels Ladung in den U-Ausschuss

Das Wort „ausschalten“ wirkt paradox, denn Darabos wurde ja selbst ausgeschaltet, da nicht einmal der Generalstabschef direkten Kontakt zum Befehlshaber des Heeres laut Bundesverfassung hatte. Doch der Hinweis auf das Finanzministerium ist interessant, da man dort wohl davon ausging, dass das Agieren des Kabinettschefs (den Leiter der Finanzprokuratur mündlich aus den Ausstiegsverhandlungen mit EADS abberufen, sodass es dann zu einem Vergleich kam) dem Ministerwillen entspricht. Dies geht aber weder aus der Aussage von Norbert Darabos noch aus jener von Wolfgang Peschorn hervor, die beide von einer nie beendeten schriftlichen Beauftragung sprechen. „Schüssel wirft Darabos vor, ohne Absprache mit dem Finanzminister, unter Umgehung der Finanzprokuratur und nur auf Basis eines Privatgutachtens eigenmächtig entschieden zu haben. Mit Gusenbauer habe er darüber nicht konferiert, schließlich liege die Zuständigkeit für einen solchen Beschaffungsvorgang ausschließlich beim Verteidigungsminister“, schreibt nun der „Standard“ zur Befragung des damaligen Klubobmannes der ÖVP.  Er weist auch darauf hin, dass bei der ursprünglichen Beschaffung unter seiner Kanzlerschaft auch der Minister zuständig war.

Was auf den ersten Blick Darabos belastet, wirft Gusenbauer bei näherem Hinsehen von der Verfassung nicht gedeckte Eigenmächtigkeiten vor, denn der Kanzler hat kein Weisungsrecht gegenüber einem Minister. Molterer stellte es aber letzte Woche so dar, als habe Kanzler Gusenbauer Darabos etwas angeschafft, was eine korrekte Wahrnehḿung von etwas Unkorrektem ist. Ähnlich spricht man in der SPÖ davon, dass Darabos Kammerhofer „Minister spielen“ ließe, der alles in allem von Übel war; dass ein Minister sein Weisungsrecht nicht an einen Unbefugten delegieren kann, ohne sich strafbar zu machen, wollen viele nicht einsehen. Und sie tun sich schwer mit der Erkenntnis, dass die lange Liste an Personen, die von Darabos ferngehalten wurde, ebenso wie andere Aktionen gegen den Ministerwillen zeigen, dass ihr Genosse unter Druck gesetzt und überwacht wurde / wird. Für den U-Ausschuss wäre es einfacher, würde das Justizministerium auch Akten dazu liefern, doch diese bestehen aus nicht von den Staatsanwaltschaften behandelten Anzeigen. Auch das Verteidigungsministerium ist säumig, denn Kammerhofers rechtswidrige „Aktennotizen“ über Aktionen gegen Darabos‘ Wille sprechen ebenso eine eindeutige Sprache wie Unterlagen bei der Disziplinarkommission und beim Rechtsschutzbeauftragten.

Eine Passage im „Standard“-Ticker zeigt, dass Schüssel anders als Gusenbauer auf der Seite von Darabos steht: „Bernhard: ‚Hatten Sie damals das Zutrauen zu Darabos, um ihn allein in Verhandlungen zu schicken?‘ – ‚Ich will ihm persönlich nicht nahetreten, ich glaube dass der Mann unter einem unglaublichen Druck gestanden ist. Er ist gegen seinen Willen in dieses Ressort hineingestoßen worden und ich glaube schon, dass es von den Beamten anfangs Reserven gab. Ich will menschlich kein schlechtes Wort sagen. Aber juristisch ist das nicht vertretbar gewesen.'“ Zufälligerweise habe ich den Mitarbeiter des NEOS-Abgeordneten auch per SMS darauf hingewiesen, dass Schüssel auch subtil Darabos verteidigt. Der „Standard“ fasst auch zusammen: „Schüssel ätzt, Darabos sei extra auf Auslandsreise gegangen, als die Eurofighter geliefert wurden, ‚damit er die Flieger nicht entgegennehmen muss‘. Ihm sei – außer Darabos – ‚kein Fall bekannt, wo sich ein Minister auf diese Weise über haushaltsrechtliche Regelungen hinweggesetzt hätte‘.“ Ätzte er wirklich oder unterstrich er erneut, dass Darabos unter Druck stand und steht, der wie er selbst offene Rechnungen mit Gusenbauer hat?

Standard-Newsletter: Abschotter Kammerhofer als „Vertrauter“ von Darabos

Nach der Befragung meint Walter Rosenkranz, dass z.B. bei einem Bundeskanzler ja ein „lückenloser Terminkalender“ vorliege, man also Kontakte auch nachweisen kann. Bei Darabos wurden aber alle Aufzeichnungen vernichtet, wohl um zu verschleiern, wie mit ihm umgegangen wurde. Das von Schüssel medial erzeugte Bild wird von ihm immer wieder konterkariert, indem er seine Bedeutung und Allgegenwart herunterspielt; „Steinbichler spricht die von Pilz erwähnte China-Reise Schüssels an. Ein Lobbyist hatte sich damit gerühmt, während des langen Flugs mit Schüssel ‚eine exzellente Möglichkeit zur Erörterung der derzeitigen politischen Lage in Österreich und etwaiger Auswirkungen auf die mit EADS geschlossenen Verträge‘ vorgefunden. Schüssel bestreitet das. ‚Wieso soll ich mit einem, den ich nicht einmal kenne, die politische Situation besprechen‘, sagt Schüssel, ‚das hat der erfunden um seine persönliche Bedeutung zu unterstreichen, das macht man so in dem Geschäft, so what?'“ Leo Steinbichler vertritt das Team Stronach, das einen Ex-„News“-Journalisten als Assistenten des auf sich selbst gestellten Abgeordneten engagiert hat. Schüssels Linie ist natürlich auch in eigener Sache, also auf den „Urvertrag“ bezogen, dass Kanzler sein das eine ist und ein anderer als Verteidigungsminister fungiert hat.

Und für ihn ist der Eurofighter nach wie vor der richtige Jet für unsere Luftraumüberwachung: „Schüssel ist ‚von der Qualität des Produkts und von der Qualität des Vertrag‘ zum Eurofighter-Kauf nach wie vor überzeugt. ‚Das war absolut okay‘,  sagt er zum Grundvertrag. Er sei ‚absolut bedacht gewesen, dass das ein absolut sauberer Vertrag wird, wir wollten sogar eine begleitende Kontrolle durch den Rechnungshof, das hat der damalige Rechnungshofpräsident abgelehnt‘, sagt Schüssel.“ Übrigens waren die Eurofighter, deren Abbestellung ein zentrales SPÖ-Wahlversprechen war, keine Koalitionsbedingung, da sie im Regierungsabkommen nicht einmal erwähnt wurden. In der SPÖ sahen dies viele als Versagen Gusenbauers, da so aus ihrer Sicht schwieriger würde, aus dem Vertrag wie versprochen auszusteigen.  Angesprochen wurden die Flieger aber in den Regierungsverhandlungen: „Man habe natürlich auch über Verteidigungspolitik gesprochen. Und ja, die Schlussverhandlung über Eurofighter sei am 8. Jänner 2007 geführt worden, am 10. Jänner sei bereits die erste Rate fällig gewesen, die Flieger waren in Produktion, ‚dadurch war klar, dass das natürlich Thema wird‘. Und er, Schüssel, habe immer gesagt es sei für ihn kein Problem, ‚wenn über Eurofighter gar nichts im Regierungsübereinkommen steht sondern nur die allgemeine Verplichtung zur Luftraumüberwachung‘.“

Hier zitiere ich auch Pressemeldungen vom 10. und 11. Jänner 2007, die man gesammelt auf einer Webseite der SPÖ finden kann; Darabos schien zu glauben, dass er wirklich über einen Ausstieg aus dem Vertrag verhandeln und sicherheitspolitische Akzente setzen kann. Nach der Wahl im Oktober 2006 wurde ein erster Eurofighter-U-Ausschuss eingesetzt, den die ÖVP nicht wollte: „Der Beschluss des ersten Eurofighter-U-Ausschusses ‚gegen unsere Stimmen‘ habe zu einer ‚Trübung des Vertrauensverhältnisses‘ geführt, sagt Schüssel. Zumal ein Ausstieg zu einer Beschädigung des Ansehens Österreichs geführt hätte und die ÖVP seit jeher ‚auf Seiten der Landesverteidigung‘ gestanden sei. ‚Pacta sunt servanda war das entscheidende Kriterium‘, sagt Schüssel.“ Dabei verwies Schüssel hinsichtlich der Notwendigkeit dieser Anschaffung auch auf den 11. September 2001, der für Darabos nie ein Argument war. Zum Beschaffungsvorgang meint der Ex-Kanzler: „Eurofighter war um Lichtjahre besser als Gripen. Es ist völlig falsch zu glauben dass das zwei Flugzeuge sind die auf gleicher Augenhöhe operieren können.“

Beginn der Pilz-Show (Standard-Screenshot)

Außerdem war das Angebot von Gripen „überteuert „, während EADS  „für diese Qualität einen guten Preis gemacht hat“. Seltsamer Weise wurde einem bis dahin bei Medien wie „Format“ oder „News“ gefragten Fotografen zum Verhängnis (inklusive Stapo-Besuche), dass er Gusenbauer einmal zufällig im Gasthaus ablichtete, denn da war dieser in Gesellschaft von Gripen-Werbern. Pllz scheint an Schüssel mehr oder weniger abzuprallen: „‚Sie hatten zu EADS keinen persönlichen Kontakt?‘ – ‚Natürlich kennt man bestimmte Manager. Aber jeder Versuch einer Kontaktaufnahme bei mir für dieses Geschäft wurde ans Verteidigungsressort weitergeleitet.‘ Pilz verteilt eine Unterlage, es geht um das vorhin erwähnte Schreiben der Kriminalpolizei München an die StA München und um das Frühstück vor der Typenentscheidung, an dem Schüssel teilgenommen haben soll.“ Die Antwort Schüssels ist:  „Er kenne den von Pilz erwähnten EADS-Vertreter Herrn B., mit dem Schüssel zusammengesessen sei, nicht. Sollte er von Eurofighter kontaktiert worden sein, habe er den Kontakt ans Verteidigungsressort weitergeleitet, sagt Schüssel erneut.“

Und es ging weiter: „Pilz noch einmal zum Schreiben der Münchner Kriminalisten, in dem festgestellt wird, dass ‚Laider‘ Jörg Haider ist, ‚Lasser‘ KH Grasser und ‚Lüssel‘ W. Schüssel. Ob er dieses Schreiben kenne? Schüssel: ‚Natürlich nicht.‘ Und das Schreiben ‚beweist überhaupt nichts‘. Und überhaupt: ‚Was soll im Mai 2005 (nach der Bestellung, Anm.) der Bundeskanzler mit irgendwem über Eurofighter reden?‘ Wenn da jemand auf ihn zugekommen sei, hätte er ihn begrüßt und gesagt Grüß Gott ‚und das wars schon‘.“ Die Staatsanwaltschaft München hat ihn übrigens nie dazu befragt, egal wie sehr sich Pilz damit aufplustert. Bei der Ausschreibung haben vier von fünf Punkten für den EF gesprochen; hätte man sich dann anders entschieden, hätte es auch einen Aufschrei gegeben. Aus heutiger Sicht muss man aber auch inzwischen öffentlich bekannt gewordene Fakten berücksichtigen, von denen andere bereits damals wussten: „Michael Bernhard (Neos) sagt, es sei objektiv erwiesen, dass Gripen auf 30 Jahre besser gewesen sei. Als es 2007 zu Vergleichsverhandlungen kam obwohl Argumente dagegensprachen, habe Darabos das im Alleingang gemacht, ob Schüssel das bekannt war?

Er habe gewusst, dass Darabos das verhandle, ihm sei es nur um ‚pacta sunt servanda‘ gegangen, sagt Schüssel. Dass sich jetzt herausstelle, dass Eurofighter womöglich gar nicht liefern konnte, dass man also einen perfekten Ausstiegsgrund hatte, bei dem man eigentlich ‚die Champagnerkorken knallen‘ lassen hätte sollen, dass man dann trotzdem diesen Vergleich abschloss und sogar die Finanzprokuratur ins Eck gestellt habe, ‚das find ich persönlich ein derartiges Versäumnis, dass man sich nur wundern kann‘, sagt Schüssel.“ Es ist wohl zypisch Schüssel, dass „pacta sunt servanda“ auch im Koalitionsabkomme vorkommt, denn was wird damit anderes gemeint sein als der EF-Vertrag, zumal am 10. Jänner 2007 eine Zahlung fällig war? Das mit den Champagnerkorken war natürlich ironisch gemeint; „Aber für die, die wirklich aussteigen wollten, wäre das doch der perfekte Grund für einen Ausstieg gewesen.“ „Das“ ist eine Lieferverzögerung anders als vertraglich vereinbart wurde. Wie angekündigt fragen die NEOS, warum das Finanzministerium aussen vor blieb: „‚Im Innenverhältnis ist völlig klar – das Finanzministerium hätte zwingend eingebunden werden sollen. Das ist nicht geschehen. Im Außenverhältnis aber kann der Minister die Republik verpflichten und das hat er gemacht. Das ist auch heftig kritisiert worden‘, sagt Schüssel.

Pilz im Standard

Es sei jedenfalls inakzeptabel, ‚aber ich glaube da haben einige die Nerven verloren. Da hat man geglaubt dass man ein Ergebnis bringen musste, und das ist dabei rausgekommen – schade.'“ Er sieht 18 Jets als Untergrenze an und hätte zudem für neues Gerät plädiert. Darabos berief sich bei seiner Befragung pausenlos auf den Zivilrechtler Helmut Koziol, den der Anwalt und heutige Gusenbauer-Geschäftspartner Specht Gusenbauer empfohlen habe (der kein Weisungsrecht gegenüber Darabos hatte!). Dazu meint Schüssel: „Koziol sei ein hervorragender Zivilrechtler, ob er auch qualifiziert für oder öffentliche Beschaffungsvorgänge oder militärische Belange sei, wisse er nicht. Dass Koziol in den Verhandlungen war, – ‚da sitzen ja Top-Profis, die mit allen Wassern gewaschen sind‘, wo es um ‚extrem heikle‘ Dinge gehe, und wenn da ein Zivilrechtler sitze ‚und ein sehr junger Minister‘, sei das suboptimal. ‚Ich hätte angeraten dass man sich hier anders professionell aufstellt.'“

Als die Entscheidung für die Eurofighter fiel, war Herbert Scheibner Verteidigungsminister, dem Schüssel Rosen streut – „ein absolut kompetenter und seriöser Politiker“, zu dem er ein Vertrauensverhältnis hatte. Daniela Holzinger von der SPÖ hakt ein und „zitiert aus einem Interview von Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in den OÖ Nachrichten, der von ‚keiner optimalen Optik‘ rund um Scheibners Rolle in der Causa spricht. (Zitat aus Interview: ‚Wenn jemand, der 2002 die Entscheidung maßgeblich beeinflusst hat, sich vorher für einen anderen Typ ausgesprochen hat und dann auf der Salärliste der siegreichen Firma steht, kann ich keine optimale Optik erkennen.‘) Was Schüssel dazu sage? Schüssel: Das seien gravierende Vorwürfe, die müsse man erst prüfen, er wisse nichts von einem Scheibnerschen Engagement bei Eurofighter.“ Es heisst, Scheibner sei zuerst für den Gripen gewesen, doch Schüssel meint, „alle relevanten Institutionen waren mehrheitlich für den Eurofighter“, daher ist es falsch zu unterstellen, dass alle zuerst den  Gripen wollten und sich dann umentschieden hätten.

Während man Wolfgang Schüssel nicht auf den Teilnehmerlisten von Bilderberger-Treffen findet, ist dies beim früheren Vorsitzenden der Atlantikbrücke und Chef der Airbus-Group (früher EADS) Thomas Enders und Alfred Gusenbauer anders. Walter Rosenkranz „zitiert aus es einem Schreiben von Airbus-Chef Enders, der sich für ein Treffen mit Schüssel bedankt und sagt, er freue sich auf ein weiteres, was das zu bedeuten habe? Schüssel: Das sei doch klar, ‚wir wollten in den Airbus hinein‘, das habe mit Eurofighter nichts zu tun, es ging um den Wirtschaftsstandort, und ‚jeder, der schon einmal am Opernball war, kennt das, 50 Quadratmeter, 50 Leute, ein unglaubliches Gedrängel von Leuten, die sich freuen, in dieser Staats-Sauna nicht tanzen zu dürfen sondern Gespräche zu führen‘, so auch mit Enders.“ Diese Passage ist brisanter, als man zunächst denken mag:  „Schüssel erinnert sich an den Wahlkampf 2006: Dieser sei sehr schmutzig gewesen, ‚das erste Mal, dass Dirty Campaigning wirklich eingesetzt worden ist‘. Die Koalitionsverhanldungen seien aber gut verlaufen, er habe mit allen ein gutes Verhältnis gehabt, auch mit Gusenbauer, auch wenn der sich im Plenum oft ‚kämpferisch‘ gezeigt habe ‚und ich hoffe, dass ich ihm diesbezüglich auch nichts schuldig geblieben bin‘.“

Pilz auf Twitter

Letzteres ist in Wahrheit kryptisch, aber was den Wahlkampf betrifft, hatte Gusenbauer mit Tal Silberstein den gleichen Berater wie Christian Kern heute.  Dann schien die Situation im Ausschuss beinahe zu eskalieren, wie man dem „Standard“-Ticker gut entnehmen kann: „Pilz ist dran. Er fragt nochmals zur China-Reise 2005. Ob Schüssel ausschließen könne, dass Lobbyist Herr B. teilgenommen habe, der dann das angenehme Gespräch mit Schüssel während des Langstreckenflugs gelobt habe? Schüssels Vertrauensperson hat Einwände gegen die Frage: Hier gehe es um 2005, das habe mit dem aktuellen Beweisthema nichts zu tun. Pilz widerspricht: Es gehe hier um den Verdacht auf Schmiergeldzahlungen und Bestechung, es gehe um die Vorbereitung einer Entscheidung, es gehe… (Pilz holt aus, Anm.) – Kopf: ‚Es ist gut, Herr Pilz.'“ Der 2. Nationalratspräsident Karl Heinz Kopf ist als Ausschussvorsitzender gefordert, denn Schüssel reagiert so, was Pilz nicht auf sich sitzen lässt: „Ihre Verschwörungstheorien können Sie in den Kamin schieben. Das hat so nicht stattgefunden.“

Gabriele Tamandl von der ÖVP fordert Pilz auf, „nicht immer mit irgendwelchen Unterlagen herumzuwacheln“, welche den anderen Abgeordneten nicht zur Verfügung stehen; es muss „gleiche Startbedingungen“ für alle geben. Kopf ermahnt denn auch alle zur Ruhe, denn es dürfte darauf wohl mit Gemurmel reagiert worden sein.  Pilz kann es nicht lassen:  „Wenn Sie den Herrn Lüssel näher kennenlernen wollen, müssen Sie sich nur in den Spiegel schauen“, was ihm einen Rüffel von Kopf einträgt. Und es geht weiter: Pilz: ‚Ist Ihnen bekannt dass es beim Herrn W. eine Hausdurchsuchung gegeben hat?‘ Schüssel: ‚Ich weiß das aus den Medien.‘ Den Doktor Lüssel kenne er nicht. Er halte ihn aber genauso für eine Kabaretteinlage wie das, was Pilz hier abliefere. Pilz zitiert aus weiteren Schreiben von EF-Lobbyisten. Auch dazu könne er nichts sagen, so Schüssel.“ Mit W. ist der Lobbyist Herbert W. gemeint, der „Untermieter in Ex-Anwaltskanzlei von FPÖ-Volksanwalt Peter Fichtenbauer“ ist. Fichtenbauer war zwar erst von 2006 bis 2013 im Parlament (u.a. Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses), deckte aber damals wie heute Druck auf Ex-Minister Norbert Darabos (sodass er als Volksanwalt den Bezirk meidet, in dem ich derzeit wohne).

Daniela Holzinger ist zwar selbst von der SPÖ enttäuscht und kandidiert nicht mehr fürs Parlament, klammert sich aber an die Hoffnung, dass die ÖVP beim Vergleich mit EADS den Schwarzen Peter hat. Denn sie „fragt Schüssel, ob es richtig sei, dass sich Gusenbauer nach einem gründlichen Studium der Unterlagen gegen einen Ausstieg entschieden habe, weil es ‚immense Nachteile für die Republik‘ gegeben hätte. ‚Ist Gusenbauer nichts anderes übrig geblieben als nicht auszusteigen?‘ – Schüssel: pacta sunt servanda.“ Sehr zur Freude der SPÖ wurde von den Grünen (teilweise von der FPÖ unterstützt) getrommelt, dass Schüssel Druck auf Gusenbauer ausgeübt habe; dies soll davon ablenken, sich mit dem von Schüssel angesprochenen Druck auf Darabos auseinander zu setzen.  Bis zum Ende der Schüssel-Befragung versucht es Pilz; er sagt,  „es sei die ÖVP gewesen, die den ersten U-Ausschuss abgedreht habe. Schüssel: ‚Wir haben überhaupt nichts abgedreht, wir haben acht Monate getagt‘. Dass möglicherweise ’nicht das herausgekommen ist, was Sie sich erwartet haben‘, stehe auf einem anderen Blatt.

EADS nennt Darabos am 13.12.2006 als nächsten Verteidigungsminister

Immerhin führte Pilz damals den Vorsitz im Ausschuss, wie man nach wie vor auf seiner Webseite nachlesen kann, während er heute lieber via Twitter oder in Kurzvideos kommentiert. Pilz trug maßgeblich dazu bei, ein negatives Bild von Norbert Darabos zu zeichnen, da seine Spezialität von jeher nicht das Aufdecken von Mißständen, sondern das Zudecken ist.  Oben sieht man eine Mail, mit der er ganz sicher nicht „wacheln“ wird, weil Darabos zu einem Zeitpunkt als Verteidigungsminister gehandelt wurde, als er selbst offenbar noch nichts davon wusste. Die Ressorts wurden, wie man hier sehen kann, ansonsten in allerletzter Sekunde vergeben, doch Darabos sprach um Silvester 2006 zu politischen Freunden darüber, was ihm zugedacht wurde;  er „hat es ihnen versprochen“ zitiert ihn einer, der meinte, er solle es bleiben lassen. Am Ende von Schüssels Befragung macht die ÖVP-Delegationsleiterin übrigens noch eine Erklärung: „Tamandl sagt, sie möchte ‚gar keine Frage stellen, sondern ein Statement abgeben‘. Was Rosenkranz gestern im Fernsehen behauptet habe, habe sich in Luft aufgelöst, auch die Ankündigung Pilz, er werde heute Neues enthüllen, sei eine Seifenblase, die geplatzt sei.“ Der „Standard“ brachte sofort ein Video mit Aussagen von Pilz, der Schüssel vorwarf, den Ausschuss „lächerlich zu machen“.

Und er wirft der früheren Bundesregierung (natürlich nicht jener mit Gusenbauer) de facto Korruption vor. Klar ist, dass er herunterspielt, wie er bei der Befragung scheiterte, indem er auch dafür Schüssel verantwortlich macht. Es ist typisch Pilz, weitere „Dokumente“ anzukündigen, auf Staatsanwaltschaften und Hausdurchsuchungen hinzuweisen. Und diese zentrale Schüssel-Aussage wird er nicht weiter verfolgen: „Ich will ihm persönlich nicht nahetreten, ich glaube dass der Mann unter einem unglaublichen Druck gestanden ist. Er ist gegen seinen Willen in dieses Ressort hineingestoßen worden und ich glaube schon, dass es von den Beamten anfangs Reserven gab. Ich will menschlich kein schlechtes Wort sagen. Aber juristisch ist das nicht vertretbar gewesen.“ Er spricht nichts anderes an als den Verdacht der Nötigung eines Mitglieds eines verfassungsmässigen Vertretungskörpers (dies war Darabos zuvor als Abgeordneter und dann als Minister), dem die Staatsanwaltschaften bislang trotz Anzeigen nicht nachgegangen sind. Übrigens kündigte Michael Bernhard an, dass das Agieren von Pilz unterbunden werden muss, der ohne den Ausschuss einzuinden Papieres au dem Hut zaubert, was mehr „Showcharakter als Aufklärung“ ist.

PS: Dies zur Befraguńg Alfred Gusenbauers nach der Schüssels…

4 Kommentare zu „Eurofighter: Wolfgang Schüssel und die Pilz-Show

  1. Ich vermute dass Herr Darabos genauso als Sollbruchstelle wurde installiert wie KHG die als alleinig agierend wurden in Szene gesetzt.

    Wofür die Herrschaften heute werden angeschwärzt war im kleinerem Umfang in der Breite gang und gäbe.

    Der große Beschiss ist legalisiert. Geht man mal davon aus, dass sich Österreich in der E.U. sollte auflösen, dann kann zuvor sich noch ein schönes Leben machen und alles verschleudern was bisher als niet- und nagelfest galt durchaus als valide Option angesehen werden.

    Der EURO-Fighter war seit Beginn umstritten. Das ist so ein EUropäischer Wolpertinger.

    Der EURO-Fighter F90 ist verspätetes Kind des Kalten Kriegs. Zu teuer, zu spät fertiggestellt und damit nach dem Fall der Mauer … EUropäischer Wolpertinger.

    Sowie W. Schüssel tönt, hat Österreich keine anderen Sorgen und der EUROfighter war die ansehnlichere Alternative …

    Auf der strategischen Ebene auf der Kosten vs. Wirkung werden gegenübergestellt stellt sich die Frage wie billig kann ein Flugzeug sein, dass eigentlich für andere Szenarien wurde entwickelt. Die Franzosen hatten ein gute Alternative und die Briten.

    Der Krieg war schon immer ein Geschäft. Wir dürfen nicht täuschen durch die junge Entwicklung der stehenden Heere oder Volksarmee. Die Security Companies ala Blackwater waren früher eher der Normalfall – Freelancer.

    Selbst bei uns hat der Kaiser noch Offizierspatente verkauft und mit der Lizenz wurde shoppen gegangen im Rahmen von Plünderungen usw…

    Die Waffenschmiede waren seit eh und je eng verbandelt mit den ‚Reichen‘ (Oligarchen).

    Ein Kettenhemd für einen Ritter und dessen Rüstung hat ein Schweinegeld gekostet. Im Prinzip haben die Waffenschmiede ihr Preisniveau gehalten.

    In Europa sind halt die Staaten die besten Kunden. Wem sonst will man in der Konsumgesellschaft solch teure Produkte übergeben.

    Militär ist eher die Offiziersebene. Wieviele Menschen im Russlandfeldzug Napoleons draufgingen war dem Napoleon an sich egal. Der war bestenfalls angefressen, da er wieder lange hat warten müssen bis der Nachwuchs zur Ausbildung bereit stand.

    Zurück zum Herrn Schüssel seinen Aussagen …

    Wenn die Märe respektive das Gerücht oder die Geschichte das ganze Parlament wäre abgeschmiert worden tatsächliche stimmt, dann stellen sich ganz andere Fragen. Das zu denken wagt kaum einer. Aber diese Geschichte passt eigentlich gut ins Bild.

    Die Typen zahlen sich ja Bezüge aus die so an die Abteilungsleiter im hohen Alter im Stile der 80er erinnern bis hin zum Direktor einer Division der ehem. Verstaatlichten. Die ‚zusätzlichen‘ Einnahmen machen mehr aus. Woher sollen die kommen?

    Offensichtlich war ja angedacht Österreich aufzulösen und zur Vorsicht wurde gemeinschaftlich verwaltetes Eigentum versilbert. Das Spiel läuft ja prinzipiell legal. Es gibt zwar überall so Kreise die den Kern rund um eine Idee bilden und paar davon fliegen auf.

    Bei hohem Wachstum haben die Sozialisten einfach Schulden gemacht und die Wirtschaft hat aufgeholt. Der Ofen ist aus, jetzt wird versilbert was noch da ist und das schon lange. Was bei uns passiert ist nichts anderes als der Umbau Europas in die Form der U.S. Konsumgesellschaft. Auch der Christian Kern treibt dasselbe Spiel unter einem anderen Deckmantel voran.

    Eine Frage stellt sich, wie ist 2008 zu werten wenn der Georg Zoche die Frage auf, ‚Wo sind die Kriegsanleihen für den Irak abgeblieben?‘ mit der Idee der Einmischung in die Junior Tranche der toxischen Papiere (Immo CDOs) welche an europäische Banken wurden ‚übergeben‘ nicht komplett daneben liegt. Ist eine gewagte Theorie.

    Die Ergebnisse militärischer Forschung werden genauso dem Verbraucher in ziviler Form angeboten. Der alte Schas den keiner mehr braucht den bekommen ums teure Geld.

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      1. Der Unterschied besteht nur darin, daß Grasser zuerst hochgejubelt wurde, während Darabos bereits von Beginn an gedisst wurde.
        Beide wurden isoliert und exponiert und der Meute zum Fraß vorgeworfen.

        Das soll jetzt aber keine moralische oder ethische Gleichstellung sein und ich glaube, @aplikmuj wollte dies auch nicht behaupten.

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      2. ganz von beginn an nicht, darabos war okay, bis er minister wurde, jedenfalls für den mainstream

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