SPÖ gegen SPÖ

Wenn nach außen hin Geschlossenheit signalisiert wird oder alle für Aufnahmen brav klatschen und lächeln, können die Nerven hinter den Kulissen zum Zerreißen gespannt sein. Fassade und Wirklichkeit unterscheiden sich aber auch, wenn man einander gegenseitig lobt, aber längst beschlossene Sache ist, wer von seinen Parteikollegen abgeschossen wird. In der SPÖ ist es jüngst sogar zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen zwischen dem Bundeskanzleramt und der Parteizentrale in der Wiener Löwelstrasse-

So bizarr dies auch klingen mag, es wird wie bei privaten Konflikten eine Vorgeschichte haben, also um angestauten Frust, nicht artikulierte Kritik, faule Kompromisse, Emotionen und Fehlentscheidungen gehen. Klar ist aber, dass derlei Szenen ein gefundenes Fressen für die Medien sind: „Zwei langjährige Mitarbeiter des Kanzleramts und ein Mitarbeiter der SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße gerieten sich in die Haare. Aus SPÖ-Insiderkreisen heißt es, dass sich die drei zunächst gegenseitig Beschimpfungen an den Kopf warfen. Dann die völlige Eskalation: Einer der Kern-Mitarbeiter verlor laut ‚Die Presse‚ die Nerven und stieß den Kollegen aus der Parteizentrale zu Boden.“ Als Erklärung wird nachgeschoben: „Grund für die Rauferei war laut Partei-Insidern der seit Monaten schwelende Konflikt um die Wahlkampf-Strategie und die Wahlkampflinie.“ Immerhin „soll die Koordination des Wahlkampfs ja nicht bei der Parteizentrale, sondern bei Kanzleramtsminister Thomas Drozda liegen“ und außerdem ist man sich uneins, was eine etwaige Koalition mit der FPÖ betrifft.

„Österreich“  am 7. Juni 2017

Der aggressive Mitarbeiter von Kanzler Kern hat nun „Hausverbot“ in der Löwelstraße, was ich nicht ganz glauben kann, da SPÖ-Bundesgeschäftsführer wie Georg Niedermühlbichler keineswegs autonom agieren. Der „Kurier“ stellte am 2. Juni diese Meldung ins Netz: „Am Freitag kursierten Berichte über eine lautstarke und handfeste Auseinandersetzung, die sich am Mittwoch im Kreis von Polit-Strategen im Kanzleramt zugetragen habe. ‚Da entladen sich Spannungen, die bereits seit Monaten bestehen‘, erzählt ein Eingeweihter.“ Und es sei um mehr als nur die FPÖ und die Chemie innerhalb der SPÖ gegangen: „Zum zweiten geht es bei dem Streit um die richtige Strategie gegen Sebastian Kurz. So war etwa die Taktik, Kurz ins Vizekanzleramt zwingen zu wollen, in der SPÖ umstritten. Es sei von vornherein absehbar gewesen, dass die SPÖ diese Auseinandersetzung nicht gewinnen könne und letztlich Kurz’ Personalvorschlag, wie immer er laute, werde akzeptieren müssen, sagen die Kritiker.

Auch dass der Kanzler höchstpersönlich mit ÖVP-Ministern streite, statt ‚über den Dingen zu stehen‘, sei falsch. Besser wäre gewesen, SPÖ-Minister mit den ÖVP-Ministern streiten zu lassen. Und schon gar nicht hätte sich der Kanzler höchstpersönlich ins Parlament begeben sollen, um dort mit den Robert Lugars dieser Welt nach freien Mehrheiten zu suchen. ‚Dazu hätte man besser unseren Klubobmann Andreas Schieder eingesetzt‘, heißt es.“ In der „Presse“ wird denn auch nüchtern festgestellt: „Man sollte glauben, die SPÖ bündelt nun alle ihre Kräfte, um sich auf den Wahlkampf im Herbst vorzubereiten. Aufgrund starker Konkurrenz dürfte dieser für die SPÖ wohl einer der härtesten der vergangenen Jahrzehnte werden. Trotzdem konzentrieren sich manche lieber weiterhin auf interne Kämpfe: Und das im wahrsten, physischsten Sinne des Wortes.“ Entladen wird sich aber vieles haben, zumal Kern nach dem Aus dem Amt-Mobben Faymanns an die „Macht“ kam und zwar einige Hoffnungen weckte, zugleich aber besonders in Wien auch Geschlagene zurückließ, die auf den Tag der Abrechnung warteten.

Als der ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner vor bald einem Monat (fast auf den Tag genau ein Jahr nach Faymann) zurücktrat, war der gerade als „Pizzakanzler“ mit großer Breitewirkung inszenierte Kern damit überfordert, strategisch zu reagieren. Er schien von einem Fettnapf zum Nächsten zu taumeln, den Versuch eingeschlossen, den designierten neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz gegen dessen Willen zum  Vizekanzler zu ernennen. Es ist verständlich, dass sich die ÖVP motiviert fühlt und auch selbst motiviert, scheint es mit Kurz doch möglich, nach 11 Jahren wieder ins Bundeskanzleramt einzuziehen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Eurofighter-U-Ausschuss gerade die Arbeit aufgenommen hatte, als die Weichen auf Neuwahlen gestellt wurden. In der ersten Woche mit Zeugenbefragungen (am 31. Mai und 1. und 2. Juni) sprang Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos dem grünen „Aufdecker“ Peter Pilz von der Schippe, indem er auf die Rolle von Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer beim 2007 abgeschlossenen Vergleich mit EADS verwies (und dies vom damals beigezogenen Berater Helmut Koziol verstärkt wurde).

„Österreich“ am 2. Juni 2017

Nun ist Pilz bemüht, die Schuld von Gusenbauer auf Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zu verlagern, dem wir den „Urvertrag“ mit EADS zu verdanken haben. Für die ÖVP ist das „wieder so eine Aktion von Tal Silberstein“, also des Beraters von Kern, wie mir eines der schwarze Ausschußmitglieder sagte.  Pilz hat es ein wenig mit Drohungen, warnte er doch Darabos vor seiner Aussage via Medien, dass er entweder über Hintermänner „auspacke“ oder die alleinige Verantwortung für den Vergleich tragen müsse. Nun heisst es via WhatsApp-Service der Grünen: „Entweder nimmst du Eurofighter, dann kriegst du eine Regierung mit uns, oder du wirst nicht Bundeskanzler“ – so habe Schüssel Gusenbauer unter Druck gesetzt. Sieht man sich von „profil“ und „dossier.at“ ins Netz gestellte Mails von EADS zum Thema Einflussnahme auf die SPÖ an, wird klar, dass Darabos zwar in einer unglücklichen Lage gewesen sein muss, alle Verantwortung aber bei Gusenbauer und Co. liegt. Die Grünen und die mit ihnen kooperierende FPÖ verfügte seit Wochen über einen handschriftlichen Vergleichsentwurf (datiert mit 24. Mai 2007), der dem Ausschuss aber erst am 3. Juni geliefert via Verteidigungsministerium zur Verfügung stand.

Pilz, „Krone“ und Co. drehten dies so, dass Darabos (der selbst nichts aufgehoben hat – aufheben durfte?) mit einem „Waffenhändler“ im „SPÖ-Gartenhotel“ (Altmannsdorf in Wien-Meidling) verhandelte. Bedenkt man, dass Schüssel der politischen Gerüchteküche zufolge beim Aufstieg von Kurz die Fäden zog und Gusenbauer hinter Kern steht (diesem auch Berater Silberstein empfahl), sieht die Auseinandersetzung in der Koalition und im Wahlkampf wie ein Stellvertreterkrieg von 2007 und 2008 aus. Dabei spielt auch eine Rolle, dass es dank Silberstein / Greenberg (und nicht Wahlkampfmanager Darabos) zum Versprechen kam, aus dem Vertrag mit EADS auszusteigen, was wohl amerikanische Rüstungskonzerne erfreut hätte. Derart wird der Ausschuss in der SPÖ aber in der Regel nicht verfolgt, wo man auch achselzuckend hinnimmt, dass Genosse Darabos geopfert werden soll. In welcher Lage er sich auch als Minister befand (u.a. mit einem Kabinettschef am Hals, der ihn von Personen und Informationen fernhielt), interessiert auf der rationalen Ebene nicht.

Er tut seinen Parteikollegen immer wieder „leid“, was aber ebenso wenig eine politische Kategorie ist wie der traditionelle Gruß mit „Freundschaft“.  Wie oft werden die Genossen, die kürzlich aufeinander geprallt sind, Enttäuschung heruntergeschluckt und gute Miene zum bösen Spiel gemacht haben? Wie schätzen sie Kern ein, der die Partei insofern „öffnet“ als dass Nicht-Parteimitglieder bisherige Rote verdrängen sollen, sodass langjährige Sozialdemokraten weniger mitreden können? Was aber haben sie bisher dagegen unternommen, dass oft nicht für politische Funktionen geeignete Personen Ämter, und sei es auf unteren Ebenen, erhalten haben? Wenn nicht einmal mehr der Wahlkampf von der Parteizentrale aus geführt werden soll, wirft dies die Frage auf, ob die Partei entpolitisiert und entmachtet wird, sodass sich alles auf das Kanzleramt konzentriert, samt Personen, die aus diesem in andere Rollen innerhalb der Parteistrukturen wechseln.  Dass strategisches Geschick und Kanzlerschaft vereinbar sind, hat zuletzt Wolfgang Schüssel unter Beweis gestellt – dem Kern in dieser Hinsicht nie das Wasser wird reichen können…

2 Kommentare zu „SPÖ gegen SPÖ

  1. Werte Frau Bader,

    die Nerven liegen offensichtlich blank, da Kern außer einer ganz guten Optik wenig zu bieten hat. Dazu die Tatsache, daß er Faymann durchaus unsanft abgesägt und keine Hausmacht im Parteisinn hinter sich hat; schließlich die strategische Zwickmühle zwischen den beiden mächtigsten Landesgruppen Wien und Burgenland, die beide koalitionstechnisch in diametral entgegengesetzte Richtungen weisen (wobei die rot-blaue Koalition im Burgenland einen deutlich besseren Eindruck macht als die rot-grüne in Wien).

    Diese Gemengelage in Verbindung mit den eindeutigen Umfragewerten, die die SPÖ irgendwo zwischen knapp über 20% bis knapp unter 28%, aber jedenfalls nicht auf Platz eins sehen (ich gehe davon aus, daß die Rohdaten eher in Richtung 20% deuten, vor allem wenn man die letzte desaströse Umfrage in Wien heranzieht) und damit natürlich ein deutlicher Verlust an Mandaten und Parteienfinanzierung bevorsteht – ja, da kann man dann schon ein bisserl nervös werden.

    Faszinierend allerdings, daß die SPÖ, deren Alleinstellungsmerkmal immer war, daß Reibereien abseits der Öffentlichkeit ausgetragen wurden, es in der letzten Zeit immer weniger schafft, das interne Hauen und Stechen medial unter Kontrolle zu bringen. Sogar die heftigst querfinanzierten Gratiszeitungen bringen das – entschuldigen Sie das Wortspiel – Heumarkt-Schlammcatchen prominentest auf Seite 1.

    Und wenn man sich die gegenseitigen Blockaden in der rot-schwarzen Koalition ansieht, ist die Kurz’sche Strategie, sich nicht als Vizekanzler in die Mitte der Auseinandersetzung zu begeben, sondern lieber durch Österreich zu touren, einfach brilliant.

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  2. heute am programm:

    die INTERNAtional-soZIalisten gegen die jetzige splittergruppe österreichischer sozial-demokraten…

    seit dem ederer tausender und der reise gusenbauers mit dem roten koffer ist es um österreichs demokratie und insbesondere der sozial-demokratie, die sich durch eine international bewunderte kultur der sozial-partnerschaft von den streit- und streik-geprägten und -geplagten nachbarländern so wohltuend unterschied, geschichte.

    seither werden wir durch von wirtschaftskapitänen korrumpierte gesetz-geber verwaltet und von aufgekauften medien eingelullt.

    langsam begeben sich die kapitäne aber offen auf konfrontationskurs zu fremden flotten…

    das scheint zu unruhen bei den passagieren und auch innerhalb der mannschaften zu führen…

    was anlässlich der vorangegangenen beiden kollisionen mit hohen verlusten und untergang 1918 und 1945 als durchaus verständliche meuterei angesehen werden könnte.

    auf welche seite wird sich diesmal die mehrheit schlagen? spannende sache, die sich da in der mannschaftskajüte ereignet hat…

    ich fürchte bis in die offiziersmesse werden es die meuterer auch diesmal nicht schaffen…

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