Frauen an der Macht

Vor dem NATO-Gipfel in Warschau gab es einen Schlagabtausch im Bundestag zwischen Kanzlerin Angela Merkel und der Abgeordneten der Linken Sahra Wagenknecht. Berichte über die Situation italienischer Banken sind mit Bildern von Merkel mit IWF-Chefin Christine Lagarde illustriert. Theresa May wird Chefin der britischen Konservativen, und in Österreich porträtiert man Nationalratspräsidentin Doris Bures als starke Frau an der Staatsspitze. Aber sind diese Frauen auch wirklich an der Macht, bedenkt man, welche Interessen sie vertreten?

Nicht  nur im Wahlkampf wird vielfach immer noch mit zweierlei Maß gemessen, wie man aktuell in Italien sehen kann. Virginia Raggi wird als erste Bürgermeisterin Roms sehr kritisch beäugt, man(n) beobachtet genau, ob sie sicher oder unsicher auftritt: „Selten hat sich derart klar gezeigt, wie derb und offen Meinungsmacher und Politiker in Italien immer noch ihre sexistischen und paternalistischen Ansichten äußern können wie rund um die Kommunalwahlen im Juni.“ Nun sei Rom „in den Händen einer Puppe“, befinden manche, nachdem sich Raggi gegen die Konkurrentinnen Giorgia Meloni und Alessandra Mussolini durchgesetzt hat.

Der „Standard“ zitiert eine Einschätzung des sexistischen Wahlkampfs durch das European Policy Centre, einem mit Transatlantikern vernetzten Think Tank. Tatsächlich wurden Politikerinnen im Wahlkampf an Äußerlichkeiten, an ihrer Kleidung und daran gemessen, ob sie Mütter sind oder nicht. Die von Bepe Grillo gegründete Fünf-Sterne-Bewegung, der Raggi angehört, musste auch auf Kandidatinnen verzichten, weil sie Angriffe nicht mehr aushielten, Grillo nicht für sie in die Bresche sprang. Und was die neue Bürgermeisterin betrifft, schreibt der „Standard“: „Virginia Raggi, die in der Regel Sexismus sonst durchaus anprangert, verhält sich, wenn es um Grillo geht, dem ein sektenartiger, autoritärer Führungsstil nachgesagt wird, wie auch all die anderen innerhalb der Fünf-Sterne-Bewegung: Alle halten sie still.“

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Virginia Raggi auf Twitter

Wie eigenständig agieren Frauen, die sich einem nicht ganz unproblematischen Parteichef fügen und ihre Position nicht dazu verwenden, diesem etwas entgegen zu setzen, gerade wenn er zu Sexismus schweigt? Doch wenn Raggi als „Puppe“ bezeichnet wird, muss auch die Frage legitim sein, wer ob Mann oder Frau tatsächlich nur Marionettenfunktion ausübt. Immer wieder erleben wir ja, dass angeblich so emanzipierte Frauen sich geradezu groupiehaft gegenüber gehypten Männern in der Politik verhalten. Dies ist etwa beim neuen österreichischen Kanzler Christian Kern der Fall, wie ein weiterer Twitter-Screenshot noch zeigen wird. Vorerst sei bemerkt, dass er einen Aufstieg auch der Instrumentalisierbarkeit von Frauen in der SPÖ verdankt, für die das Wort „Flüchtlinge“ längst zum Trigger geworden ist, die aber auf den Begriff „Sicherheitspolitik“ allergisch reagieren.

Das hängt auch damit zusammen, dass sich Frauen nicht mit „so etwas“ befassen, dieser Bereich inzwischen geradezu als „rechts“ gilt, er aber nüchterne Analysen und Faktenorientiertheit mit sich bringt. Unter den (wenigen) UserInnenpostings zu einem Artikel des „Standard“ über den Grünen Frauenbericht 2016 sticht eines heraus, das zur Behauptung von Frauensprecherin Berivan Aslan “ …. bedingt durch Teilzeitarbeit, Branchenzugehörigkeit und Position …“ verdienen Frauen weniger so Stellung nimmt: „vielleicht aber liegt es AUCH daran?“ nämlich an den Absolventinnen-Zahlen: Psychologie – 73%, Anglistik – 76%, Publizistik – 77%, Pharmazie – 77%, Germanistik – 78%, Ernährungswissenschaften – 80%, Kunstgeschichte – 81%, Romanistik – 83%, Transkulturelle Kommunikation – 86% – „oder aber AUCH daran“: Romanistik – 1.000 Absolventinnen, Mechatronik – 100 Absolventinnen,  Sozialanthropologie 5.000 Absolventinnen, Materialwissenschaften – 50 Absolventinnen, Ernährungswissenschaften – 10.000 Absolventinnen, Experimentalphysik – 1 Absolventin.

Nicht frei von Sexismus ist der Bericht der „Presse“ über die Physikerin und dreifache Mutter Ranja Reda Kouba unter dem Titel „Physik, High Heels und Babyfläschchen“, doch er weist auf die „Besonderheit“ einer naturwissenschaftlichen, mathematischen, analytischen Ausrichtung von Frauen hin. „Typisch weibliche“ Ausbildungen kommen traditioneller Sozialisation entgegen, erfordern nicht das Beschreiten neuer Wege, den Sprung ins kalte Wasser, sie bieten mehr Spielraum für Interpretationen. Damit ist auch der Unterschied zur Sicherheitspolitik charakterisiert, denn hier geht es weniger um Werte und Wünsche als um Rahmenbedingungen und Entwicklungen, zu denen man im Interesse des Staates (vorgegeben u.a. durch die Verfassung) Position beziehen muss. Auch wenn sich z.B. die SPÖ-Frauen phasenweise für das Bundesheer interessieren, liegen Welten zwischen oberflächlichem Aktionismus und der Kompetenz deutscher Politikerinnen.

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Ex-Abgeordnete Sonja Ablinger lobt Bundeskanzler Kern

Es ist davon auszugehen, dass die Physikerin Angela Merkel sehr wohl weiss, was sie Deutschland und Europa zumutet, indem sie Masseneinwanderung forciert und dabei die immer grössere Armut im eigenen Land vernachlässigt. Und ihr selbst wird bewusst sein, wie absurd es klingt, Russland mit „Abschreckung und Dialog“ zu begegnen, das ja nicht die NATO sukzessive umzingelt, sondern umgekehrt. Wenn die Kanzlerin regelmässig als „mächtigste Frau der Welt“ bezeichnet wird, ist dies Augenauswischerei, da sie nur fremde Interessen vertreten kann. Ihr Spielraum muss sehr gering sein, nachdem man positiv nicht viel mehr anführen kann als ihr Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine und ihre Rolle beim Zustandekommen des Minsker Abkommens. Im Bundestag verweist sie gerne auf eine weitere Frau, die erste deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, und wird von Linken-Sprecherin Sahra Wagenknecht pointiert kritisiert. Man erinnert sich auch an eine Attacke von Marine Le Pen im EU-Parlament auf die Kanzlerin, die gerade zu Gast war.

In Österreich wäre eine Debatte über NATO, Sicherheitspolitik, Militär und Souveränität geführt von Frauen undenkbar. Umso mehr sind Medien bemüht, Nationalratspräsidentin Doris Bures als „neue Präsidentin“ zu pushen, da wegen der Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl im Herbst das Nationalratspräsidium die Präsidentenrolle übernimmt. Sie wird „zur wichtigsten Politikerin Österreichs“ durch das „doppelte Präsidentenamt“, heisst es. Die „Kronen Zeitung“ stellt sie in der Farbbeilage am Sonntag, dem 10. Juli vor als toughe Frau aus „kleinen Verhältnissen“, die als Nationalratspräsidentin bereits verfassungsmässig über dem Kanzler stand. Sie gelte als bescheiden, loyal, diszipliniert und hat ironischer Weise den neuen Kanzler einst selbst als ÖBB-Chef vorgeschlagen, was für diesen das Sprungbrett zur Ablöse von Bures‘ Weggefährten Kanzler Faymann wurde. Seit der Trennung von Ex-Faymann-Sprecher Wolfgang Jansky 2008 lebt sie allein und hält ihr Privatleben bedeckt. Es soll wohl feministisch klingen, wenn sie sagt: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau. Umgekehrt hab ich den Spruch noch nie gehört!“.

Die medialen Festspiele zum Abschied von Bundespräsident Heinz Fischer bestehen auch aus Anekdoten, um die der „Kurier“ (10. Juli) unter anderem Bures gebeten hat: „Als SPÖ-Bundesgeschäftsführerin war ich mit Norbert Darabos für den ersten Wahlkampf von Heinz Fischer zuständig. Wir hatten die ersten Umfragedaten – und die waren zu Beginn nicht ganz so, wie wir erwartet und gehofft hätten.“ Sie sagte zu Fischer, „Heinz, es ist keine g’mahde Wiesn“ und er „hörte sich das unbeeindruckt an, lächelte milde und sagte in allergrößter Gelassenheit: ‚Jetzt gehen wir erst mal raus und genießen die herrliche Aussicht'“, denn die Nachricht wurde ihm in seinem Refugium an der Hohen Wand überbracht. Schliesslich setzte sich Fischer im 1. Wahlgang am 25. April 2004 gegen die von der ÖVP aufgestellte Benita Ferrero-Waldner durch,wobei die SPÖ erst schaffen musste, den als „sachkundig, aber fad“ geltenden 2. Nationalratspräsidenten zu positionieren. Dies war Sache von Wahlkampfmanager Norbert Darabos, der zuvor dadurch aufgefallen ist, dem weitgehend unbekannten ehemaligen Lehrer Hans Niessl zum burgenländischen Landeshauptmannsessel zu verhelfen.

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SPÖ-Frauen erinnern an den Wahlkampf 2004

In einem Video auf Facebook, das an Fischer erinnert, sagt Henry Kissinger (bekannt u.a. durch den CIA-Putsch in Chile), dass Fischer sein Student war und ein persönlicher Freund ist. Man sieht zudem diverse frühere Fischer-WahlkämpferInnen, die sich wehmütig erinnern und sogar noch T-Shirts aufgehoben haben. Auch Answer Lang gehört dazu, der für Darabos in der Löwelstrasse arbeitete und dann – wie der ehemalige SPÖ-Klubsekretär Stefan Kammerhofer als Kabinettschef – gegen ihn als Minister. Dabei wurde mit Drohungen, Verleumdungen, Anzeigen gegen die integren Menschen vorgegangen, die die Abschottung des Ministers (also die Nötigung eines Mitglieds eines verfassungsmässigen Vertretungskörpers) nicht hinnehmen, nicht rechtsungültigen „Befehlen“ eines Kabinettschefs Folge leisten wollten.

 

Natürlich findet auch die „mächtigste Politikerin“ Österreich nichts daran, dass ihr einstiger Löwelstrasse-Kollege Darabos Druck ausgsetzt ist, weil er sich den USA nicht fügen will. Bezeichnend auch, dass sie Kern früher Politikfähigkeit absprach, um Faymann zu verteidigen, ihm jetzt aber in Windeseile Rosen streute. Mit Sprüchen wie „es gibt immer einen Geschlechterkampf“ lenkt Bures davon ab, dass sie und andere alles schönreden und hinnehmen; andernfalls wären sie wohl auch nicht mehr in Funktion, denn wie sollten sich angepasste Frauen strategisch zur Wehr setzen?

Gerne betont Bures, dass sie aus der Friedensbewegung gekommen sei, wie man auch bei einem Chat im Jahr 2009 sieht: „Man sagte Ihnen nach, eine Art ‚Rote Generalfeldwebelin’zu sein. Können Sie sich mit diesem Titel anfreunden?“ Ihre Reaktion: „Natürlich nicht. Erstens einmal komme ich aus der Friedensbewegung und zweitens: wäre ich ein Mann, würde ich Zivildienst machen.“ Auch bei einer Laudatio 2014 kokettiert sie damit, dass die Friedensbewegung die „Initialzündung“ ihres politischen Engagements gewesen sei. Mit der Kombination Friedensbewegung und Sozialistische Jugend passte sie auch in die Regierung Gusenbauer, wo sie Frauenministerin war. Freilich muss man die Rolle vieler roter Friedensbewegter kritisch sehen, was damals nur dadurch begründet war, sie als Bremser und Vereinnahmer zu erleben, während sie aus heutiger Sicht als Transatlantiker(innen) einzuordnen sind. Dass sich Gusenbauer mit ehemaligen SJlern umgab, erscheint stimmig unter dem Gesichtspunkt, dass die jetzige SJ-Generation ebenfalls US-Interessen vertritt, etwa wenn es um Masseneinwanderung nach Österreihc geht.

Wie Faymann scheint Bures sich so überhaupt nichts an friedenspolitischem Verständnis und Interesse aus der Jugendzeit bewahrt zu haben; von Christian Kern ganz zu schweigen, dem zum NATO-Gipfel letzte Woche in Warschau nichts eingefallen ist. Doch wie das Beispiel Deutschland zeigt, kann keine Frau behaupten, auch nur in die Nähe von Macht gekommen zu sein, wenn sie Sicherheitspolitik ausspart. Diese ist in der SPÖ in den Händen von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der den medial bejubelten Kern mittlerweile in Umfragen überflügelt. Als Doskozil beim SPÖ-Bundesparteitag nur von 80% ins Parteipräsidium gewählt wurde (man beachte das Bild, das auch bei Berichten zum NATO-Gipfel verwendet wird), veröffentlichte die „Kronen Zeitung“ (26.Juni) ein Porträt von ihm, für das ihn eine Journalistin einen Tag lang begleitete. Damit sollte Einblick in seine Arbeit gegeben werden, doch manchen erschien dies fast schwärmerisch, so Kritik auf Twitter. Wenn es danach geht, sind „Liebesbriefe“ an Kern die Norm, wie man etwa an der Berichterstattung der „News“-Chefredakteurinnen merkt.

Die bereits erwähnten „Groupies“ von Kern klammern sich an Details wie sein Nachhaken beim Gleichbehandlungsgesetz. Dass hier bewusst Klientel bedient wird, wie man auch bei Kerns Rede am Bundesparteitag und bei der Regenbogenparade sehen konnte und zudem daran gegangen wird, nicht vorgesehene „Richtlinienkompetenz“ für den Kanzler zu etablieren, wird nicht erkannt. Aber die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und Strategien zu durchschauen, wächst mit kritischer Auseinandersetzung und auch mal Distanz zum Geschehen, das viele Frauen durch Dabei Sein um jeden Preis, bei jeder Veranstaltung verfolgen und doch nicht verstehen wollen. Wenn die neue Chefin der britischen Konservativen Theresa May (ab September auch Premierministerin) als „verdammt schwierige Frau“ beschrieben wird („Kurier“ am 10. Juli), dann ist dies sicher kein Lob für weibliche Anpassung. Eher schon ist es -durchaus widerwillige – Bewunderung, wenn Ex-Schatzkanzler Ken Clarke zu seinem alten Ministerkollegen Malcolm Rifkind ergänzt „und Sie und ich haben für Thatcher gearbeitet“.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass May Innenministerin ist, was sicher auch in Großbritannien vielfach bedeutet, deswegen aus Frau ins Visier zu geraten. Die ungeheure Häme gegenüber unserer früheren Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ist noch gut in Erinnerung und wird nicht fortgesetzt bei aller Kritik, die an Nachfolger Wolfgang Sobotka geübt wird. Wie in Italien gab es auch in Großbritannien eine Gegenkandidatin, die wirtschaftsliberale Brexit-Befürworterin Andrea Leadsom. Eine weitere Parallele ist die Art und Weise, in der Frauen wahrgenommen werden, nämlich über „Kinder und Kleider“, obwohl sie vor allem dadurch auffallen, dass sie effizient und ohne Small Talk ans Werk gehen. Auch Labour-Chef Jeremy Corbyn sieht sich einer Herausforderin gegenüber, doch Frau Sein allein ist eben doch kein Programm, da Angela Eagle von TransatlantikerInnen in der Partei gepusht wird. Übrigens meint die Unterstützerin von Bernie Sanders, Susan Sarandon, dass Hillary Clinton gefährlicher als Donald Trump sei, denn „she is an interventionist and she brings us Henry Kissinger in“.

Es muss auch darum gehen, ob Frauen auf der Seite der Frauen sind oder ob Männer wie Bernie Sanders und Jeremy Corbyn (Anti-Interventionalisten, die den Sozialstaat stärken wollen) im Vergleich zu Hillary Clinton oder Angela Merkel „feministischer“ sind. Auf Österreich umgelegt, bedeutet es, darüber zu diskutieren, wer soziale Errungenschaften stärken und ausbauen und wer sie, etwa durch Masseneinwanderung preisgeben will. Und gar nicht davon zu reden, dass zahlreiche Frauen blindlings die Verteidigung ihrer Rechte aufgegeben haben, sobald Männer, die sie ihnen nehmen wollen, aus anderen Kulturen stammen. Leider wird dies (transatlantisch) unterstützt als Feminismus verkauft, während echte Feministinnen nur mehr fassungslos sind.

 

 

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